Читать книгу Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre - Band 7 - Jörn Kolder - Страница 5

Familienrat

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„Ich will wieder einmal zurück zu den Wurzeln“ erklärte Frieder Bergmann seiner Familie „als Bundeskanzler schlafe ich den feinsten Hotels, bekomme die erlesensten Speisen vorgesetzt und trinke mit dem Holländer oder dem Putkinow die besten Schnäpse. Wenn ich reise, habe ich im Flugzeug einen eigenen Ruheraum damit keiner mitbekommt, wie mir die Düse vor dem Fliegen geht. Irgendwie ist das alles ganz schön abgehoben.“

„Was das Flugzeug anbetrifft ist es ja wohl gerechtfertigt“ antwortete Peter Petersen „ich meine das mit dem abgehoben. Du kannst ja schlecht mit dem Airbus über die Autobahn fahren.“

„Du hast noch nie gute Witze reißen können Peter“ belehrte ihn seine Frau Hannelore „und wenn das ein Bonmot sein sollte, hat es keiner verstanden.“

„Ein was?“

„Bonmot.“

„Was isn das?“

„Eine Pointe.“

„Egal. Ich verstehe Frieder schon“ erwiderte Petersen „der muss den ganzen Tag hellwach sein und steckt ständig in feinen Anzügen, muss sich überall und immer benehmen und ist wahrscheinlich selbst auf der Hütte nicht allein, weil ihn immer irgendwelche Typen vom Personenschutz wie die Schmeißfliegen umschwirren. Da wird er im Urlaub sicher mal in lässigen Klamotten rumsteigen wollen und nicht dauernd so geschwollen rumlabern müssen. Daraus ergibt sich natürlich die Frage, was wir im Urlaub unternehmen wollen.“

„Wir machen wieder eine Radtour“ schlug Paula vor.

„Vergiss‘ es“ brummte Petersen „mir tut jetzt noch der Hintern weh, wenn ich bloß daran denke.“

„Es muss diesmal etwas Besonderes sein“ meinte Rüdiger „sozusagen eine Anerkennung für Papa, weil er so weit aufgestiegen ist. Da können wir nicht nur mit dem Zelt an die Ostsee fahren.“

„Das stimmt schon“ antwortete Petra Bergmann „aber es sollte eine Kombination aus Bodenständigkeit und einem gewissen Verwöhn Aroma sein. Einfach mal die Seele baumeln lassen wäre auch schön. So durch die Gegend gefahren werden und sich an der vorbeiziehenden Landschaft erfreuen. Aber ein bisschen spannend darf es manchmal auch mal werden.“

„Na dann machen wir uns wieder mit Wohnmobilen auf den Weg“ schlug Nils vor „aber diesmal nicht im Ausland, sondern in Deutschland.“

„Ist doch total öde“ wandte Peter Petersen ein „was gibt es in Deutschland schon zu sehen und zu erleben?“

„Da täuscht du dich aber gewaltig“ erwiderte seine Frau „und ich wette mit dir, dass du nicht einmal weißt, wo bestimmte Städte in den einzelnen Bundesländer liegen. Ich unterstütze Nils Vorschlag. Wir waren schon so oft im Ausland unterwegs aber kennen das eigene Land kaum. Und für Frieder als Bundeskanzler wäre es sicher auch gut, sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen.“

„Nicht schlecht“ stimmte Bergmann zu „wir starten in Sachsen, fahren dann in den Süden, schwenken nach Westen, reisen weiter bis zur Küste, besuchen Mecklenburg und fahren durch Thüringen wieder nach Hause. Ich fand den Urlaub mit dem Wohnmobil auch sehr gelungen. Außerdem kann ich mich tatsächlich dann unterwegs umsehen ob im Land noch Dinge im Argen liegen. Ich habe auch schon drei Ziele parat: das Lothar-Günther Buchheim-Museum in Bayern am Starnberger See, das Deutsche Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven. Außerdem kann man dort auch noch ein U-Boot aus dem 2. Weltkrieg besichtigen. Und dann fahren wir auch noch nach Munster, ins Deutsche Panzermuseum. Ich bin dabei.“

„Wer isn der Buchheim“ wollte Peter Petersen wissen.

„Na ein Schriftsteller. Hat „Das Boot“ geschrieben“ erklärte Bergmann.

„Aber du wirst doch überall sofort erkannt werden“ wandte Paula ein „die Leute werden wie Pech an dir kleben und es wird keine ruhige Minute für uns geben. Irgendwie musst du dein Aussehen verändern.“

„Ist doch gar nicht nötig“ erklärte Hannelore Petersen „Frieder hat ein Allerweltsgesicht. Wenn er sich wie auf der Bootstour einen Bart wachsen lässt, sich die Haare schwarz färbt und eine Sonnenbrille trägt, wird ihn niemand erkennen.“

„Und wenn ich mich dann abends im Sanitärbereich frisch machen will renne ich mit einer Sonnenbrille dort rum“ höhnte Bergmann „das ist doch erst richtig auffallend! Und falls es mal regnet und trübe und grau ist trage ich selbstredend auch die Sonnenbrille? Und wenn ich nachts mal aufs Klo muss auch? Ganz tolle Idee! Da werde ich ja eine phantastische Sicht haben!“

„Natürlich wirst du immer die Sonnenbrille tragen“ erwiderte seine Mutter „zu deiner Tarnung gehört nämlich auch noch, dass du bei Personenkontakt einen Sehbehinderten mimen wirst.“

„Wie bitte“ fuhr Frieder Bergmann auf „vielleicht noch mit einem Stock?“

„Genau.“

„Da spiele ich nicht mit“ erregte sich Bergmann sofort „ich gebe mich doch nicht als Blinder aus! Das ist doch lächerlich und behinderten Menschen gegenüber geradezu zynisch!“

„Aber Frieder“ versuchte Peter Petersen seinen Freund zu beruhigen „Inklusion ist für dich doch sicher kein Fremdwort. Warum willst du dich nicht einmal in die Lage eines Menschen mit einem Handicap versetzen? Das wird eine ganz neue Erfahrung für dich werden. Du als Bundeskanzler kannst dann bei diesem wichtigen Thema im Kabinett aus eigenem Erleben mitreden. Ich halte das für eine sehr gute Idee von Hannelore.“

„Ich muss Hannelore und Peter da Recht geben“ ließ sich Bergmanns Frau Petra vernehmen „und ich erinnere mich ganz genau, wie wir beide viele Abende lang an deiner Regierungserklärung gefeilt haben „Inklusion wird eines der Kernstücke meiner Arbeit werden“ hast du dann formuliert. Jetzt kannst du zeigen, ob es dir wirklich ernst damit ist.“

„Außerdem wird Peter auch eine Rolle übernehmen, falls es dich beruhigt“ erklärte Hannelore Petersen ihrem Sohn „er wird dir solidarisch zur Seite stehen und sich im Rollstuhl bewegen.“

„Was“ rief Peter Petersen vollkommen überrascht aus „im Rollstuhl? Wie soll ich denn dann überhaupt in das Wohnmobil rein und raus kommen? Soll ich mit dem Rollstuhl bis zum Klo fahren? Muss ich auf die Behindertentoilette gehen? Wie soll ich mich duschen? Wie komme ich auf hügeligem Gebiet voran? Gibt es Spiegel in den Waschräumen in dieser Höhe wenn ich mich rasieren will?“

„Na siehst du“ erklärte ihm seine Frau ungerührt „wie viele Fragen sich jetzt auf einmal bei dir ergeben. Auch für dich wird diese Erfahrung zur Folge haben, dass du ein wenig demütiger wirst und einsiehst, dass Gesundheit ein hohes Gut ist.“

„Ich mache das nicht mit“ begehrte Petersen auf „da bleibe ich lieber zu Hause!“

„Aber Peter“ sagte Nils „wir werden dich und Frieder natürlich unterstützen. Also ganz konkret werden wir ein Wohnmobil mit Rampe mieten und dich dann rein und raus schieben. Drinnen kannst du dich dann normal bewegen. Wir werden dir und Frieder Essen und Getränke bereitstellen und euch beiden das Leben auf jegliche Art erleichtern. Ihr seid von allen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten befreit, diese übernehmen wir. Das wird unser Beitrag sein, Inklusion zu leben. Auch für uns wird das neue und ungeahnte Situationen und Erfahrungen mit sich bringen. Wir werden als Familie also ganz eng zusammenstehen und den Gedanken der Inklusion so absolut verinnerlichen.“

„Das Ganze schmeckt mir überhaupt nicht“ knurrte Petersen schon etwas friedfertiger „und ich frage mich, wie unser Programm überhaupt aussehen soll. Wenn ich schon mit dem Rollstuhl fahren soll lehne ich jegliche größeren Ausflüge strikt ab. Wenn es gemütlicher zugehen soll überlege ich mir die Sache vielleicht noch einmal.“

„Ich gebe noch zu bedenken“ ergänzte Frieder Bergmann wütend „dass ich bereits drei Museumsbesichtigungen angemeldet habe. Die kann ich mir dann wohl sparen, weil ich diese blöde Sonnenbrille aufhabe und nichts erkennen kann.“

„Schwache Tönung“ sagte Claudia.

„Aber Junge, denk‘ doch mal ein bisschen weiter“ fuhr Hannelore Petersen fort „deine Tochter hat genau die Lösung erkannt. Du wirst eine Brille tragen, durch die du auch bei wenig Licht alles genau erkennen kannst. Du musst nur so tun als würdest du nichts erkennen. Und dann nimmst du dir in den Museen einen Audio Guide, so dass es glaubhaft wirkt.“

„Wie war das mit der Unterstützung“ fragte Peter Petersen nach „bedeutet das auch, dass ihr mich bei Bedarf schiebt? Bringt ihr mir Bier und Jagertee, wenn ich das verlange?“

„Natürlich“ antwortete Rüdiger „und Claudia wird die Tour so planen, dass wir wenig zu Fuß unterwegs sein werden und uns dann ab dem frühen Nachmittag auf dem Campingplatz aufhalten werden. Wer will, kann dann mit einem der beiden Wohnmobile noch mal wegfahren und sich was ansehen. Wer dazu keine Lust hat macht es sich vor dem Wohnwagen gemütlich. Und wenn keine Leute in der Nähe unserer Stellplätze sind kannst du auch rumlaufen und Frieder kann die Sonnenbrille abnehmen und lesen, rauchen, Bier trinken oder sonst was machen. Außerdem sind viele Flächen durch Hecken parzelliert, und da ist man schön im Sichtschatten der anderen. Er wird Entspannung pur werden. Also, wie entscheidet ihr euch?“

„Ich bin mit dabei“ antwortete Peter Petersen „ich wollte mich schon immer mal richtig verwöhnen lassen, so mit persönlicher Bedienung. Und vielleicht wird die Sache mit dem Rollstuhl auch gar nicht so schlimm. Frieder?“

„Mir gefällt dieses Versteckspiel überhaupt nicht. Aber wenn ich auf dem Campingplatz meine Ruhe haben kann und wir die Museen besuchen will ich nicht so sein.“

„Das heißt also, wir fahren mit zwei Wohnmobilen kreuz und quer durch Deutschland“ fragte Petra.

„Ja“ antwortete ihr Mann.

„Jetzt müssen wir die Fahrzeuge bloß noch bekommen“ sagte Nils „es könnte schon zu spät sein, welche bei uns hier zu kriegen.“

„Na wenn das so sein sollte mieten wir sie eben woanders“ erwiderte Hannelore Petersen.“

„Und fahren mit dem Zug und allem Gepäck dorthin“ entgegnete Bergmann höhnisch seiner Mutter.

„Natürlich nicht“ war deren lässige Antwort „wir fliegen. Und an Gepäck haben wir nur unsere Sachen dabei, denn wir mieten eine Vollausstattung der Fahrzeuge mit Bettwäsche, Geschirr und allen erforderlichen Dingen. Wie ich Claudia kenne ist die bereits auf der Suche auf ihrem Laptop, richtig?“

„Richtig.“

„Na und?“

„München Flughafen.“

„Passt doch bestens“ meinte Rüdiger „wir landen dort mit unserem Gepäck und steigen direkt in die Wohnmobile um. Dadurch sparen wir schon einmal eine Menge an Strecke.“

„Und drücken richtig viel Kohle ab“ beschwerte sich Frieder Bergmann „und es steht doch jetzt schon fest, wer dafür aufkommen wird.“

„Ganz recht mein Junge“ erwiderte seine Mutter „das Thema hatten wir schon in den letzten Jahren und allen ist klar, dass du mehr als vermögend bist. Also sei nicht so knausrig. Claudia, du buchst jetzt sofort zwei Fahrzeuge mit allem Schnickschnack und die Flugtickets. In 10 Tagen geht es los. Ich bin gespannt.“

Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre - Band 7

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