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ОглавлениеIm Himmel gibt’s kein Bier – Die Brauereien – und Bierkellertour
Die Brauereien – und Bierkellertour führt auf 202 Kilometern mit 2.100 Höhenmetern (große Runde) oder 61 Kilometern mit 400 Höhenmetern (kleine Runde) durch Oberfranken, die Region mit der höchsten Brauereidichte der Welt.
Im Biermekka Bamberg empfängt Erik Berkenkamp seine Gäste in Lederhosen. „Neun Brauereien stellen hier in der Stadt um die 50 verschiedene Biere her“, erklärt er. „Ich führe Sie nun per Fahrrad ein wenig herum, und wir fahren auf die Keller, das ist unsere erste Anstrengung.“ Unten in der Stadt haben die Bamberger nämlich immer ihr Bier gebraut und die Fässer dann oben auf die Keller in den Berg gebracht, denn dort blieb es schön kühl. Nach acht bis zehn Wochen wurde das fertige Bier dann wieder heruntergeholt. Doch irgendwann dachte man sich: Warum nicht umgekehrt? Warum bringen wir nicht die Leute zum Bier? So entstanden die Bierkeller mit Tischen und Bänken über den Stollen. Und die liegen immer oben. Nach einem kräftigen Anstieg landen wir „auf“ dem „Spezialkeller“ und dem zünftigen „Wilde Rose Keller“ auf dem Stephansberg. Von hier aus hat man weite Blicke über die Bierstadt und ihr Umland. Gute Aussicht hat man auch vom Biergarten des Brauereigasthofs „Greifenklau“, unserem nächsten Ziel. Golden funkelt da das Helle im Seidla. Es gibt Ungespundetes, Rauchbier, Zwickel, Bockbier, Ober – und Untergäriges, Helles und Dunkles, … Eine Wissenschaft, die man auf diesem Radweg erkunden kann.
„A U!“
Berkenkamp ist Zugereister und wohnt seit 25 Jahren hier. Zwei fränkische Worte kann er aber mittlerweile so gut aussprechen, dass manche Leute ihn für einen Franken halten. „Wenn ich ins Mahr’s Bräu gehe, bestelle ich das Bier wie ein Eingeborener: ‚A U’. Das bedeutet ein ungespundetes Bier. Will man dasselbe, sagt man einfach: ‚I a’. Ich auch.“ Also auf ins Mahr’s Bräu auf „a Seidla“, ebenfalls ein wichtiges Wort für die Bestellungen, bedeutet es doch einen halben Liter im Krug. Zu den wichtigen fränkischen Biervokabeln gehört auch „a Schnitt“. Das ist ein halbes Seidla, meist aber voller als nur halb voll – zum halben Preis. „Den Schnitt haben uns aber die Nordlichter versaut“, sagt Berkenkamp, „denn die haben im ‚Schlenkerla‘ immer Schnitt bestellt, weil sie so geizig sind.“ Dort gibt es nun keinen Schnitt mehr. Zur Bieretikette gehört nämlich, dass man sich einen Schnitt nur als Absacker bestellt und nicht einen nach dem anderen, um Geld zu sparen. Drei Wochen lang gab es auf das Ende des Schnitt hin jeden Tag eine ganze Seite Leserbriefe. Die Bierseele kochte.
Auf den Spuren des Gerstensaftes landen wir zunächst in Huppendorf beim „Brauereigasthof Grasser“ und einem süffigen Vollbier. Der Banknachbar glotzt ins Bier, bis es zurückglotzt. So sei es üblich, meint der. Alle Biersorten längs des Radwegs können nicht verkostet oder beglotzt werden, aber in der Rekordgemeinde Aufseß mit den angeblich meisten Brauereien pro Kopf, eingetragen im Guinness Buch der Rekorde, ziehen wir die Bremse und probieren Aufsesser Dunkel, ein Lagerbier. Der Koch im „Brauereigasthof Rothenbach“, Ernst Rothenbach, ist Biersommelier und bietet Brauereiführungen und Bierproben an. Er weiß: „Beim Bier gibt es ein Süd-Nord-Gefälle: Im Süden trinkt man eine Maß, nach Norden hin wird das Bier immer kleiner.“ Aber es gebe auch ein Nord-Süd-Gefälle, denn Richtung Süden würden die Biere immer weniger herb.
Rund um den Gerstensaft gibt es viele Geschichten, z. B. findet in Aufseß alljährlich der Wettbewerb im Bierfassrollen statt. Mit einem Stock muss es einen Parcours entlang vorwärts gepeitscht werden. Erster Preis? A Fässla Bier. Fässla bedeutet wörtlich übersetzt Fässlein, kleines Fass. Doch da sollte man sich nicht täuschen lassen. In Franken wird gerne alles verniedlicht, dies drückt die emotionale Verbundenheit aus. Das fränkische „a weng“ z. B. meint eigentlich „ein wenig“, wird aber gerne als Verstärkung gebracht. Wenn man also „a weng a Bier“ getrunken hat, bedeutet das keinesfalls, dass es sich um eine geringe Menge handelt.
Nach dem fiesen Anstieg vor Aufseß bei Laibarös über den Keckenberg rollt es sich nun prima auf der glatt asphaltierten ehemaligen Bahntrasse im Leinleitertal durch die Fränkische Schweiz. Bizarre Felsformationen, Bachläufe, Flussläufe, eine Mühle, ein Schloss. Diese Strecke ist glatt asphaltiert, der Fränkische-Schweiz-Film grandios, und der Radweg de Luxe. Auf dem Brauereien – und Bierkellerradweg fährt man auf verschiedenen asphaltierten Radrouten, Feld-, Wald – und Forstwegen oder verkehrsarmen Nebenstraßen durch Franken. Ausgeschildert ist die Tour mit einem goldgelb gefüllten Seidla, von weißer Schaumkrone geziert, vor einem grünen Baum auf weißem Grund. Das Bier-Logo weist den Weg.
Liegt es auch weit oben, so sollte man doch Schloss Greifenstein der Schenken von Stauffenberg auf keinen Fall links liegen lassen, denn diese Burg ist eine besondere. Kastelan Rainer Benker führt durch die Gemächer des 1172 erstmals urkundlich erwähnten Schlosses, das Türmchen hat wie Neuschwanstein, wie er schmunzelnd erwähnt. Der Besitzer war mit König Ludwig gut bekannt. In der Waffenkammer finden sich teils 600 Jahre alte Schießprügel, mit denen man im wahrsten Sinne des Wortes sowohl schießen als auch prügeln konnte. Im ganzen Anwesen liegen heute noch wahre Schätze. „Das Schloss wurde nie ausgeraubt“, erzählt Benker, „deshalb kann man alles noch sehen.“ Außerdem stehe man direkt davor und nichts sei in Glasvitrinen gepackt. „Das bekommen sie sonst in keinem Museum!“ In der Bibliothek bestaunen wir so manchen Schatz, wie das älteste Kochbuch „Freiwillig aufgesprungener Granatapfel“ von um 1500 und mannigfaltige Stiche. In der Kapelle mit ihren Kunstschätzen darf geheiratet werden. Die so genannte Gehörntenallee ist ein langer Gang mit kapitalen Hirschgeweihen und weithin bekannt. Am bekanntesten aber ist wohl die Tatsache, dass der Onkel des heutigen Besitzers, Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, am 20. Juli 1944 das Attentat auf Hitler verübte. Neben seiner Bronzebüste erfahren wir, dass Greifenstein bereits am Tag nach dem Staatsstreich von der Gestapo besetzt wurde.
Glaubenssätze
Weitere Anstiege führen gen Hetzelsdorf zur Kultbrauerei Penning Zeißler und Hundshaupten und später mit Blick aufs Walberla, den heiligen Berg der Franken, nach Forchheim. Auch dort gibt es viel über Hopfenkaltschalen zu erfahren. „Drüben im Brauereigasthof ‚Neder’ sitzen schon ab neun die ersten Bierdimpfel drin“, erzählt Gästeführerin Marlene Hahn. Natürlich ist das nicht die einzige Brauerei vor Ort, es gibt in der gleichen Straße „Greif“, einen jüngeren Braumeister mit vielerlei Auszeichnungen dekoriert, und die Brauerei „Eichhörnle“. Geradewegs hinauf führt der Radweg dann auf den Forchheimer Kellerwald. Dort gibt es für jeden Forchheimer einen Sitzplatz: 31.000 Einwohner, 30.000 Plätze. „Die Babys brauchen ja noch keinen eigenen Platz im größten Biergarten der Welt“, sagt Hahn. Durch die unteren wandern wir hinauf zu den oberen Kellern. Früher gab es insgesamt um die 40, jetzt sind es 24, die aber nicht mehr alle begehbar sind, da der Sandstein verfällt. „Der Berg ist mit seinen Gängen und Stollen nämlich durchlöchert wie ein Schweizer Käse“, erklärt die Kellerführerin, „darin hat es neun bis elf Grad, optimal fürs Bier!“ Schwer, sich zu entscheiden, auf welchen Keller man nun geht. Oft unterliegt das den innerhalb der Familie weiter gegebenen Glaubenssätzen. Es gibt den romantischsten, der Kaiserkeller, den ältesten von 1609 und den, der das beste Schäuferla macht. Unter hohen Laubbäumen auf hölzernen Bänken verschmausen wir mit der Forchheimer Bierkönigin, Stefanie I., eine Brotzeitplatte im Weiß-Tauben-Keller.
Hopfen und Malz
Wer von Bier genug hat, trifft in Neuses auf einen andern Stoff, für den ebenfalls Malz gebraucht wird: Whisky. In der „Whisky-Destillerie Blaue Maus“ brennt Robert Fleischmann seit 1983. Etiketten wie „Elbe 1“ oder „Spinnaker“ vermutet man im Fränkischen nicht. Doch Fleischmann fuhr einst zur See und hat sich die Liebe dazu bewahrt. Sein Probierstübchen wirkt wie ein kleines Marinemuseum. Dort finden Verkostungen statt und auch Führungen können gebucht werden. Für Radfahrer praktisch: Die kleinen 0,04l-Fläschchen. Die belasten nicht beim Aufstieg auf den Kreuzberg, wo es, richtig geraten, weitere Keller gibt, ein Brauhaus und eine Kapelle. Das beste Schäuferla gibt es hier angeblich beim Lieberth’s Keller. Heute leider nicht, aber das macht nichts. Die Küche ist meist deftig und nichts für Vegetarier: Schlachtschüssel, Haxe vom Grill, Bratwürste. Deftig geht’s zu.
Mit der Fähre geht es hinüber über die Regnitz nach Pettstadt und Richtung Frensdorf weiter in den Steigerwald. Auch hier finden sich Bierkeller, in Burgebrach und Ampferbach zum Beispiel. Doch alle können hier leider nicht erwähnt werden. Der Kreis schließt sich in Bamberg, im Zentrum der geballten Bierkultur.
Spötter fragen, ob man bei so viel Gerstensaft überhaupt noch zum Radeln komme. Dem erwidern wir: Die Etappen kann man kurz genug legen. Zweitens: Die Fränkische Schweiz ist neuerdings Movelo-Region, so lassen sich die Hügel auch per Elektrofahrrad erkunden. Und last but not least: Es gibt z. B. auch alkoholfreies Weizen mit anerkannt wichtigen isotonischen Inhaltsstoffen für Radfahrer. „Wobei – ein alkoholfreies Bier ist wie a Schäuferla ohne Schwarte“, meint Biersommelier Ernst Rothenbach.
Weitere Informationen: www.oberfranken.de/aktivregion-oberfranken.htm