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Bratwürste, Burgen und Biere – Der Altmühltalradweg

Der Altmühltalradweg führt auf 248 Kilometern von Rothenburg bis Kelheim durch ein wundervolles Flusstal mit Bratwürsten, Burgen und Bieren, Kreidefelsen und Kelten.

Alkmuna nannten die Kelten die Altmühl einst: Stiller heiliger Fluss. Heute meinen manche, sie sei langsam, andere sagen auch lahm oder träge, denn ihr Gefälle beträgt durchschnittlich nur 54 cm auf einen Kilometer.

Der Beginn liegt im mittelalterlichen Rothenburg ob der Tauber. Touristen schieben sich durch die Fachwerkgassen und auf der Stadtmauer darum herum. In Käthe Wohlfahrts Weihnachtsdorf drängeln sich Japaner und U.S.-Amerikaner. „Schaun sich ner in Ruhe um!“, sagt die nette Dame im Dirndl, und die Augen gehen einem über vor Geflimmer und Farbenrausch. Schneeballen, eine Rothenburger Spezialität aus gebackenem Eierteig, sind dagegen eher bräunlich oder beige und mit weißem Puderzucker bestäubt. Daran kommt man nicht vorbei, genauso wenig wie am naturtrüben Rothenburger Bier in der „Ratsstube“ gleich am historischen Marktplatz. Gegenüber bimmelt die Uhr der ehemaligen Ratstrinkstube und zeigt den Meistertrunk von 1631 mit Figuren. Zum Bier werden ein Paar Bratwürste empfohlen. Alsdann: Bratwurst No. 1 ist geräuchert und kommt im romantischen Rothenburg mit Sauerteigbrot und frischem Kren daher. Romantisch? Nun, man besuche das Kriminalmuseum und lasse sich eines besseren belehren: Dort steht die Eiserne Jungfrau neben Furcht einflößenden Schandmasken und dergleichen mehr.

In Colmberg lohnt der Aufstieg auf die schon von Ferne sichtbare Burg. Weite Blicke ins Land auf die auseinander gezogenen Wälder und Wiesen sind garantiert. Das mächtige Kastell wurde nie eingenommen, selbst von Feldmarshall Tilly nicht. Doch heute wird es von Radlergruppen überfallen, die im Biergarten Radler trinken. Die Abfahrt gen Ansbach macht umso mehr Spaß. Die Stadt der Markgrafen lockt mit deren Residenz nebst Orangerie und Hofgarten. In der barocken Saalkirche St. Gumbertus mit der größten Barockorgel Frankens befindet sich die Markgrafengruft. Doch auch moderne Kunst ziert das Städtchen, eigenartige Figuren wie die Ansbacchantin sind über die Stadt verteilt. Rätselhaft und geheimnisvoll ist auch Leben und Sterben des Kaspar Hauser. Sein Wohnhaus, sein Grab und ein Gedenkstein an der Ermordungsstelle können besichtigt werden. Auf der Reitbahn wird eine Bühne aufgebaut. Ich frage einen sympathischen Herrn, wer denn hier heute abend Musik mache. Wir seien nicht von hier und wüssten nicht. „Haindling“, sagt der, und ein Lächeln zuckt um seine Mundwinkel. Gefühlte 10 Sekunden später ist klar: Das war Jürgen Buchner, der Sänger von Haindling! Das Konzert auf Bayerisch in der lauen Sommernacht war grandios. Hunger meldet sich erst spät. „Grüß Gott!“, sagt die Wirtin, und es gibt Bratwurst No. 2: Ansbacher Bratwürste auf Rösti mit Zwiebelsoße und Salat, dazu ein Spalter Pils.

Auf dem „Ansbacher Weg“ geht es nach Herrieden und zurück auf den Altmühlradweg. Eine Karte vom Naturpark Frankenhöhe am Wegesrand erläutert die Radwege. „Da seid ihr scho rrrichtig!“, lehnt sich einer über den Jägerzaun und grinst. Schon, aber wo ist der nächste Biergarten? „No, gleich do vorne am Rrrodweech.“ In Franken wird das R gerollt, und zwar kräftig. Im Biergarten gibt’s Bier, versteht sich von selbst, und Brrrotwerscht. Imbissmäßig sind Radfahrer hier gut aufgehoben. Es geht um die Wurst.

In Ornbau führt der Weg über die Altmühlbrücke mit sechs Bögen und Nepomuk-Statue. Kurz danach beginnt der Altmühlsee im Fränkischen Seenland, den wir bis nach Gunzenhausen entlang radeln zum Gasthof „Adlerbräu“ auf ein naturtrübes Helles. Ab hier befinden wir uns auf dem Altmühltalradweg und im Naturpark Altmühltal, mit fast 3.000 Quadratkilometern einer der größten Naturparke Deutschlands. Bevor man in Treuchtlingen einrollt und in den Fluten der Altmühltherme entspannt, sollte man unbedingt „auf“ den Wettelsheimer Keller auf ein Märzen. Kellnerin Kathi bringt dazu Bratwurst No. 3: A Zwickte, eine Bratwurst, in der Semmel eingezwickt. 1,80 € pro, mit viel Majoran übrigens. In Franken geht man „auf“ die Keller, weil sie oben liegen in Höhlen oder Löchern. Darin ruht das Bier und liegt schön kühl. Unten in der Altmühltherme fließt fluoridhaltiges Thermalwasser aus der Lambertus – und aus der Burgstallquelle. Und da sich hier vieles ums Bier dreht, wenn nicht alles, wurden die Quellen 1976 von der Brauerei Schäff gefunden, als sie nach Wasser bohrte.

Träge liegt die bräunliche Altmühl in ihrem Bett, von Fließen kann keine Rede sein. Die Burg Pappenheim thront hoch über ihr. Wieder ein lohnenswerter Anstieg. Auch Erstklässler erklimmen mit ihrem Lehrer den 30 m hohen Bergfried und möchten „mal Ritter werden, wenn ich groß bin. Cool!“ Wir blicken hinunter auf den Fluss und die Dächer Pappenheims. Man kennt ja seine Pappenheimer, das wusste schon Wallenstein in Friedrich Schillers Drama. Alkmuna schlingt, schleift und windet sich nun mächtig. Links und rechts ziehen sich bizarre Felsformationen hinauf. Die Welt in Stein lässt sich dann in Solnhofen im Bürgermeister-Müller-Museum erleben. Versteinerte Fossilien aus der Jurazeit, Saurier, Reptilien und zwei Originale des Urvogels Archaeopteryx aus Plattenkalk sind ausgestellt. Eine relativ neue Sensation ist der Geosaurus, ein versteinertes Meereskrokodil. Einer der Stars ist auch ein 150 Millionen Jahre altes Baby-Krokodil, liebevoll „Kroko“ genannt, das in der einstigen Lagunenlandschaft, die immer wieder von Meerwasser geflutet wurde, zu Hause war. Die Solnhofener Welt ist aus Stein und auch die der zwölf Apostel: Zwölf ehemalige Klippen des Jurameers bilden eine beeindruckende, senkrecht stehende Felsgruppe. Genauso aufrecht überragt die Willibaldsburg Eichstätt, das auch Hauptstadt des Altmühltals genannt wird. Durch enge Gassen schiebt man sich zu Dom, Schutzengelkirche und dem Residenzplatz mit Mariensäule und Gebäuden aus dem 18. Jahrhundert vor. In der Universitätsstadt mit Bischofssitz machen Radler direkt am Radweg Pause: In der „Haifischbar“ am Herzogsteg, wo auch Studenten in Liegestühlen abhängen. Bei 30 Grad wirkt alles fast ein wenig italienisch. Und das „Hofmühl“ läuft: Ob als Radler, Helles oder Weizen. Bratwurst No. 4 gibt’s im Gasthaus „Zur Trompete“: Trompetenpfanne, zwei original fränkische Bratwürste auf Krautschupfnudeln. Man hat sich gestärkt und schafft den 20%igen Anstieg zum Nachbau des Römerkastells Vetoniana bei Pfünz, Teil des Rätischen Limes. Die romantische Burg Arnsberg folgt auf dem Fuß und schließlich Burg Kipfenberg mit Römer – und Bajuwarenmuseum und Infopoint Limes. Radfahrer werden hier zu Römern mit Kettenhemd, Helm und Schild. „Zu schwer fürs Rad, diese Ausrüstung“, bedeutet mein Mitfahrer und legt lieber wieder Fahrradhelm und –handschuhe an. Nach einem Besuch am Mittelpunkt Bayerns brausen wir hinab in den Ort, wo es beim Metzger Neumeyer Weißwürste gibt. Auch Weißwurstseminare werden hier abgehalten. Da lernt man, warum die Zitrone zu den wichtigsten Zutaten gehört und warum sie das 12-Uhr-Läuten nicht stören dürfen. Bayerische Kuriositäten.

Kurios muten auch die mittelalterlichen Türme der Stadtmauer von Beilngries an mit Namen wie Bettelvogtturm oder Seelennonnenturm, in dem einst die Totenfrau lebte. Pastellfarbene Häuser mit Treppengiebeln leuchten in der Sonne. Aus zahlreichen Gasthäusern und Wirtsgärten dröhnt Gemurmel bis nach Mitternacht. Doch das erscheint nun schon fast normal. Richtig skurril wird es, als ein Schild auftaucht, das nach „Bayerisch China“ weist. Bayerisch China, das ist Dietfurt. Dort gibt es einen Chinesenbrunnen, der gerade renoviert wird, und im Fasching den „Unsinnigen Donnerstag“. Kaiser Ma-ya-ki und sein Gefolge ziehen dann durch die Straßen und rufen „Tschei, ei, ei, ei – hoch lebe die China-Narretei!“ Das ist nicht Historie, sondern immer noch Realität. Historie gibt es, nachdem wir an einer Herde Altmühltaler Lämmer und Schafe vorbeigeradelt sind, die friedlich auf Wacholderheiden grasen. Der Archäologiepark erstreckt sich zwischen Dietfurt und Kelheim und bietet an zahlreichen Stationen und Hörpunkten Zeitreisen zu Neandertalern und Kelten. Station 13 z. B. ist ein teilweise rekonstruiertes Gehöft aus der Eisenzeit, in dem einst Bauern lebten. Rechts davon fließt nun der Main-Donau-Kanal, in dem die Altmühl bei Dietfurt aufgeht. Dort gibt es Bratwurst No. 5: Saure Zipfel mit Zwiebeln und Brot, dazu ein Riemhofer Helles vom Fass beim Gasthaus „Zum Kini“ (mit Kini ist König Ludwig II. von Bayern gemeint). Der begradigte Kanal ist schiffbar, der weiß-blaue Himmel wird immer grauer. Regen? Ab aufs Schiff! Die Fahrradmitnahme ist kostenlos, und es bleibt viel Zeit zum Gucken: Wir gleiten sanft an Burg Prunn, der Holzbrücke „Tatzelwurm“ und Burg Randeck vorbei, am Ende werden wir in der Schleuse um 8,40 m abgelassen und landen in Kelheim, einst eine keltische Siedlung an der Altmühl. Das „Weiße Brauhaus“ am Ort ist ein bayerisches Mega-Gaststätte mit Kultstatus, wird doch in der dazu gehörigen Brauerei die berühmte Schneider Weiße gebraut. In den Gewölben hallt’s. Eine Ansprache für die Stammtischbrüder wird gehalten. Zehn Schneider Weiße gehen über den Tresen. Und Bratwurst No. 6: Ein Paar Bierbratwürste mit Speckkartoffelsalat.

Noch eine Schifffahrt mit der Kelheimer Flotte führt durch den Donaudurchbruch zum Kloster Weltenburg vorbei an Felsen mit Fantasienamen wie Klösterl, Eidechse oder Napoleons Reisekoffer. Der Biergarten ist gigantisch. Was bleibt einem anderes übrig: Man probiert das Weltenburger Bier aus der ältesten Klosterbrauerei der Welt. Und Wurst No. 7 ist fällig: Ein Paar Weißwürste, es ist ja noch vor 12 Uhr.

Altmühl ade. Das Finale folgt der Donau bis Regensburg. Schlussendlich geht’s in die historische Wurstkuchl und somit in die älteste Bratwurststube der Welt und zu Bratwurst No. 8: Wurstkuchl-Bratwürste aus reinem Hinterschinken vom Schwein.

Weitere Informationen: www.naturpark-altmuehltal.de


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