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Aufgedrehte Äffchen im Nebel

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Über Hannover liegt dichter Nebel. Schon um drei Uhr kommt kaum noch Licht durch, Weltuntergangsstimmung. Kurz nach fünf Uhr ist es zappenduster. Da habe ich mir den Weltuntergang mal von draußen ansehen wollen und einen ziemlich langen Abendbummel gemacht. Derzeit sind Schaufenster wie Lichtinseln in der Dunkelheit. Beim Friseur sitzen tatsächlich noch Kunden und warten geduldig, dass ihre Nummer auf der Anzeige des Aufrufsystems erscheint. Man stelle sich einen Weltuntergang vor, und da sitzen noch welche und warten auf den Haarschnitt. Schlimmer wären allerdings die dran, die mit einer halbfertigen Frisur von den apokalyptischen Reitern aus dem Laden getrieben würden. Oder eingeschäumt am Kopf. Wie peinlich.

Mir kommt eine junge Frau entgegen. Sie wird anscheinend von Äffchen begleitet, solche, die man aufziehen kann, und sie schlagen kleine scheppernde Becken gegeneinander. Wie sie an mir vorbeigeht, sehe ich Stöpsel eines Mp3-Players in ihren Ohren. Dass die Äffchen so laut tönen, liegt am Resonanzkörper, dem gedankenleeren Kopf. Ich will hier nichts Falsches behaupten, aber Musik, die beständig in die Ohren zischt und scheppert, lässt vermutlich gar keine oder nur ganz kleine Gedanken zu. Die werden einfach nieder gezischt. Das ist nicht nur im Flachland so.

Die Bertelsmannstiftung lässt derzeit über den SPIEGEL verbreiten, es gäbe ein Süd-Nord-Gefälle bei der Bildung der Jugendlichen in Deutschland. Im Norden säßen lauter Flachdenker, im Süden schraube sich der Bildungsgrad Jugendlicher immer weiter nach oben, quasi bis ins Hochgebirge. In Wahrheit liegt es daran, dass manche Eltern sich für ihren Nachwuchs private Bergführer leisten können, die den Jugendlichen den Weg bereiten. Aber Nachhilfe ist teuer, weshalb Bayern auch prozentual die geringste Anzahl von Abiturienten hat. Man hat also eigentlich noch weniger eigene Gedanken in Bayern als sonst wo und in den Niederungen viel Bräsigkeit. Kein Wunder, dass die Bayern von der Studie der Bertelsmannstiftung und auftragsgemäß vom SPIEGEL gelobt werden.

Wir sind auf der Benno-Ohnesorg-Brücke. Ein Stück weiter nördlich, wo die Ihme in die Leine fließt, unterhalb der Dornröschenbrücke hatten sich drei Punker eine Hütte gezimmert, direkt am Flussufer. Gestern war die Hütte zerstört, das Hab und Gut der drei war ringsum verstreut. Auf der anderen Seite der Brücke, wieder so nah am Fluss, waren sie dabei, ein Zelt aufzubauen. Direkt am Fluss ist es nachts vermutlich noch kälter und feuchter. Ich habe mich oft gefragt, warum sich Punker die unwirtlichsten Orte für den Verbleib wählen. Vielleicht wollen sie die Kälte unserer Gesellschaft so richtig spüren, sich selbst im Unwirtlichen härten. Das Ergebnis: Die älteren von ihnen sitzen bei eiskaltem Wetter auf dem Bürgersteig vor dem Supermarkt am Anfang der Limmerstraße, haben kaum noch Zähne, aber singen zu einer Gitarre. Sie haben bessere Laune als die ein- und ausströmenden gut situierten Kunden. Freilich erzählen ihre Gesichter Geschichten eines harten Lebens, die man lieber nicht hören wollte. Ist sowieso schon Endzeitwetter.

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