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Die entscheidenden zwanzig Jahre

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Das Living Theatre begann sprichwörtlich im Living Room, im New Yorker Wohnzimmer von Julian Beck und Judith Malina, was an das Entstehen des Theaters des Künstlerduos Vegard Vinge und Ida Müller in den frühen 1990er Jahren in Berlin erinnert, die für sich, Freunde und Freundinnen Stücke in ihrem Badezimmer aufgeführt und dabei die handmade-Ästhetik ihrer späteren Produktionen erfunden haben. Das Theater leben handelt von Julian Becks und Judith Malinas Ausbruch in die Welt – es hält die geistigen Bewegungen dieser entscheidenden Zeit fest und denkt die nächsten Schritte vor.

1964 wurden Beck und Malina von einem New Yorker Gericht wegen Steuervergehen zu einer Gefängnishaft verurteilt. Darauf folgte ein rund zwanzig Jahre währendes, selbst gewähltes Exil als nomadisches Tourneetheater, das in 28 Ländern auf fünf Kontinenten fast hundert Stücke in acht Sprachen gezeigt hat. Dieses Exil wurde erst 1984, kurz nach der Magenkrebs-Diagnose Julian Becks, durch ihre Rückkehr nach New York und die Eröffnung eines kleinen Theaters in der 3rd Street beendet. Julian Beck starb mit sechzig Jahren. Aber diese Zeit des Tournee-Exils der 1960er und -70er Jahre war jene entscheidende Epoche nicht nur in seinem persönlichen Werk, sondern auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in der die wesentlichen Liberalisierungen der westlichen Welt errungen und die Weichen für eine zweite, globale Moderne gestellt wurden.

Es war eine Zeit, in der George Harrison Lieder wie „The Inner Light“ schrieb, eine Zeit der spirituellen Wende, der Gurus und Ashrams, aber auch der Politisierung, der Black-Power-Bewegung von Malcolm X, der Studentenrevolten oder Proteste gegen den Vietnam-Krieg. Für die Hippie-Bewegung schien Flower Power nicht nur Power im Sinne von politischer Kraft zu bedeuten, sondern das wörtliche Naherücken an die Kraft der Pflanzen – „fünffingrige cannabis weißes coca der träge mohn die geheimnisse des kaktus die magischen formeln der erde sind unsere chemischen waffen gegen die mörder“, schrieb Julian Beck. Die ersten Ansichten der Apollo-Mission vom fragilen, blau leuchtenden Planeten Erde inmitten des Alls waren Teil eines erwachenden planetarischen Bewusstseins. Es führte zum kalifornischen Aufbruch ins 21. Jahrhundert, der Faszination für die Wüste, Computer und LSD, dem Whole Earth Catalog, der Entstehung von Umwelt- und Friedensbewegungen, der Utopie des Cyberspace und schließlich zum Ende des Kalten Krieges, dessen Symbol die Öffnung der Berliner Mauer wurde.

Die Mission des Living Theatre beschrieb Julian Beck 1969 als ein „Anti-Gewalt-Theater. Theater als Fürsprecher für Anarchie, für gewaltlose Revolution, für Revolution“ – weshalb es naheliegt, dass die Öffnung der Mauer für sie eine besondere Bedeutung besitzen würde. 1991, sechs Jahre nach Julian Becks Tod, war Judith Malina auf Einladung der Berliner Festspiele wieder in Berlin. Sie nahm die friedliche Revolution im Ostteil der Stadt, im Osten Deutschlands und Osteuropas, an der viele Künstler und Künstlerinnen beteiligt waren, die an der Entstehung und Ausweitung der Bürgerbewegung zur Volksbewegung entscheidenden Anteil hatten, kaum zur Kenntnis. In ihrer Festspielrede fragt sie lediglich, ob nun, nach der Öffnung der Grenze, die Frage nach der Freiheit mit Waschmaschinen und McDonald‘s beantwortet werden könne. Mehr als dieses Bild der übernommenen Gesellschaft kam von der Revolution im Osten auch in New York nicht an. Ihr zu entkommen war die Essenz von Julian Becks Buch.

Das Theater leben

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