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Kapitel 1

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Alle Männer sind Schweine!

Irritiert starrt mein neuer Mandant auf die überdimensionale rote Kaffeetasse, auf der diese Weisheit in großen schwarzen Lettern prangt.

Siedend heiß fällt mir auf, dass das schwarze Lebenselixier in der falschen Tasse schwimmt. Er hält die Damentasse in seiner Rechten.

Die Herren bekommen bei der Scheidungsberatung üblicherweise die mit dem Aufdruck: Alle Frauen sind Schlampen. Außer Mutti!

»Na und?«, versuche ich ihn abzulenken. »Was ist dann passiert? Haben Sie Ihre Kinder seither gesehen? Und wenn nein, warum nicht? Besteht überhaupt noch irgendein Kontakt?«

Ich blicke ihn an, den Kugelschreiber in freudiger Erwartungshaltung gezückt. Doch da naht das Unwetter auch schon heran. Während ich darüber nachdenke, dass mein Ficus benjamina auf der Fensterbank wieder dringend eine kalte Dusche benötigt, beginnt es zu tröpfeln. Erst nur sehr langsam, doch dann bricht ohne jede Vorwarnung die Staumauer. Betont langsam lehne ich mich in meinem Chefsessel zurück.

Das ist ja mal wieder typisch. Typisch Mann.

Kommt herein, fragt mich eine Viertelstunde nach meinen Befähigungen, Qualifikationen, Staatsexamen, Fortbildungen, Kinderkrankheiten und Sportabzeichen aus. Und warum?

Um dann allein auf meine erste Frage, ob er einen Ehevertrag geschlossen habe, wie ein Schoßhündchen zu flennen und meine neuen, cremefarbenen Besucherstühle zu beschmutzen. Jetzt sitzt er bereits eine Viertelstunde hier, ohne auch nur eine einzige meiner Fragen beantwortet zu haben. Und draußen ist das ganze Wartezimmer mit scheidungswütigen Mandantinnen überfüllt, die geradezu danach lechzen, ihren letzten Euro auszugeben, nur damit sie ihrem Alten eins auswischen können.

Irgendwie tut er mir trotzdem leid, wie er so dasitzt, in seinem malvenfarbenen Hemd, Ton in Ton mit seiner Krawatte. Also reiche ich ihm ein Taschentuch, nein, besser gleich die ganze Packung. Das wird ja schließlich mit einer zusätzlichen Kostenpauschale nach Ziff. 9 a) der Gebührenvereinbarung (zusätzlicher persönlicher Beistand in akuten Lebenskrisen) abgegolten.

Ich hoffe nur, dass er die Zusatzhonorarvereinbarung auch unterschrieben hat. Unauffällig blättere ich in der noch jungfräulichen Akte.

»Unsere Kinder sind doch schon lange aus dem Haus und gehen ihrer eigenen Wege. Max und Emma sind unsere beiden Golden Retriever. Seit Weihnachten, genauer gesagt seit dem zweiten Weihnachtstag, habe ich die beiden nicht mehr gesehen.«

Mein neuer Mandant scheint sich offensichtlich von seinem Gefühlsausbruch zu erholen, denn er blättert geschäftig in seinem Terminplaner.

»Verdammt lange Zeit«, bemerke ich mit einem kurzen Blick auf das längst verwelkte Ostergras auf meiner Fensterbank.

»Genau. Ich habe alles versucht. Telefoniert. Dann hat sie das Telefon abgemeldet. Geschrieben habe ich, bis die Finger wund waren und die Briefe zurückkamen mit dem Vermerk Unbekannt verzogen. Und das alles wegen diesem schmierigen, dahergelaufenen …«

»Schmierigen, dahergelaufenen …?«

… Schornsteinfeger, Briefträger oder Kfz-Mechaniker? In Gedanken versuche ich den Satz zu vervollständigen. Mein Mandant ist hierzu in Anbetracht des weiteren Sturzbaches, der aus seinen Augen strömt, nicht imstande.

»… schmierigen, dahergelaufenen MACHO. Frau Rechtsanwältin, was sagen Sie eigentlich dazu? Sie so als Frau? Muss man sich von einem Typ, der außerstande ist, mehr als einen zusammenhängenden Satz zu formulieren – geschweige denn, das Feuilleton der Frankfurter zu lesen –, alles gefallen lassen? Wissen Sie, wo dieser Kerl arbeitet? Im Baumarkt! Und meine Frau, die sonst immer auf schadstoffgeprüfte Baumwollunterwäsche schwört, hat sich einen Wonderbra bestellt. In pink. Mit passendem Stringtanga. Um es dann zwischen den Schwing-Schleifern und den Schlagbohrmaschinen so richtig wild zu treiben. Frau Rechtsanwältin, sagen Sie mal ehrlich, muss ich denn alles sang- und klanglos hinnehmen? Und dann womöglich noch Unterhalt zahlen? Damit sie die Kohle dann mit diesem Macho auf den Kopp hauen kann? Nicht mit mir! Keinen Cent kriegt die von mir!«

Mit diesen Worten schlägt er mit seiner Hand auf den Tisch und fegt gleichzeitig einen Stapel sorgsam arrangierter Visitenkarten auf den Boden. Erschrocken über seine eigene Courage verschwindet er schnell unter dem Tisch, um die Karten wieder einzusammeln.

Ich nutze die verlorene Zeit, um mir seine Noch-Ehefrau im Baumarkt auf einem Gabelstapler mit einem braungebrannten, tätowierten Muskelmann vorzustellen, so ein richtig hohles Muskelpaket. Der totale Gegensatz zu diesem weichen, blässlich grauen Exemplar der Spezies Mann, das gerade vor mir sitzt beziehungsweise kniet.

Und während das Wort MACHO noch immer in meinen Ohren klingelt, besinne ich mich darauf, dass ich selbst derartigen vor exakt einem Jahr und siebzehn Tagen abgeschworen hatte.

Just in dem Moment, als mein damaliger Freund Bernd meine Wohnung mitsamt seinem After Shave, seinen Handschellen und seiner Sony-Playstation verließ.

Nie wieder sollte ein solches Exemplar meine Privatsphäre und erst recht nicht meine Wohnung betreten.

Nicht, dass ich was gegen Männer an und für sich hätte. Zum Waschen und Bügeln und dann und wann für eine kleine Autoreparatur sind sie ganz okay. Aber nie wieder soll ein Kerl wie Bernd mein wohlgeordnetes Leben in Chaos, Tränen und Schrecken versetzen. Lieber würde ich für den Rest meines Lebens allein bleiben.

Voller Mitgefühl nicke ich Herrn Müller-Voigtländer zu, der zwischenzeitlich mit hochrotem Kopf wieder aufgetaucht ist.

»Das müssen Sie auch nicht. Am besten warten wir erst einmal ab, ob sich Ihre zukünftige Exfrau überhaupt erdreistet, Forderungen zu stellen. Sollte dies der Fall sein, so können wir uns immer noch auf unzumutbare Härte berufen. Schließlich war Ihre Ehe doch vollkommen in Ordnung, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Oder etwa nicht? Letztendlich wird es Ihrer Frau auch nicht schaden, mal arbeiten zu gehen, zum Beispiel im BONO-Bauland.«

Entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten beginne ich, mich mit meinem neuen Mandanten zu verbünden. Kampf den MACHOS und den dummen Frauen, die immer wieder auf die alte Nummer reinfallen.

»Bei Ihnen fühle ich mich richtig gut aufgehoben«, lächelt er mich an und fährt fort:

»Jetzt wissen Sie so viel über mich und ich, ich weiß noch gar nichts über Sie.«

Autsch, das habe ich nun davon. Reicht man nur den halben Daumen, wird sofort nach dem ganzen Patschehändchen gegrapscht.

»Äh tja, wissen Sie, ich hab da meine Prinzipien. Klare Trennung zwischen Beruf und Privatleben. Unerlässlich bei laufenden Mandaten. Wissen Sie, allein der Anschein der Verquickung von Beruflichem und Privatem kann in Zeiten wie diesen zu Schwierigkeiten mit der Rechtsanwaltskammer führen.«

Wie wird man einen aufdringlichen Mandanten los, Tipps und Tricks, hier Vorschlag 38:

Haben Sie alles, was Sie wollen? Die drei Vs: Vertrauen, Vollmacht und, last but not least, den Vorschuss?

Also, was macht der Mandant noch in Ihrem Büro? Zeit ist Geld! Machen Sie ihn mundtot! Lassen Sie ihn nicht eine Sekunde zu Wort kommen, während Sie ihn sanft lächelnd zur Tür schubsen!

Während ich einen kurzen, aber heftigen Redeschwall betreffend die harten und bösen Zeiten, die Steuerlast im Allgemeinen und die Gentechnologie im Besonderen über ihn ergieße, führe ich ihn lächelnd aber zielstrebig zur Tür.

»So, und wenn Sie noch Fragen haben, wir stehen Ihnen selbstverständlich gerne auch telefonisch zur Verfügung. Hier ist unsere Visitenkarte. Ach, Frau Burg, wenn Sie Herrn Müller-Voigtländer bitte noch zum Ausgang begleiten würden …«

Dankbar sieht er mich an, während ich ihn an unsere Bürovorsteherin weiterreiche. Endlich beginnt sich die Investition in das letzte Fortbildungsseminar, veranstaltet von den Kollegen Nepp, Schlepp & Partner, zu rentieren. Zeit, Geld & Macht in nur 14 Tagen!

Von Band 5 für Experten bin ich allerdings noch sehr weit entfernt. Tipp 89 z. B. lautet: Quälen Sie Ihre Klienten, bis sie in Ihr Büro gekrochen kommen, ein Bündel Bares auf den Tisch legen und zwei Stunden auf einen vereinbarten Besprechungstermin warten. Dann schicken Sie sie nach Hause, weil Ihnen ein wichtiger Termin dazwischengekommen ist.

Die gesparte Zeit können Sie dann Ihrer körperlichen Ertüchtigung und Akquise von neuen Mandaten auf dem Golfplatz widmen oder mit der jungen Frau Ihres Kollegen verbringen, während dieser bis abends um 21.00 Uhr in seiner Kanzlei schwitzt, um es auch nur jedem recht zu machen. Und Ihre Mandanten werden stolz weitererzählen, wie wichtig und schwer beschäftigt ihr Anwalt ist.

Eigentlich sind mir solche Typen zuwider. Andererseits, wenn ich die entsprechenden Karossen betrachte, die tagein, tagaus den Gerichtsparkplatz blockieren …

Doch im Grunde kann ich doch ganz zufrieden sein. Die Kanzlei, die ich vor drei Jahren gemeinsam mit meiner Kollegin Silke gegründet habe, beginnt langsam zu florieren. Die Miete für die Büroräume, die wir hier schräg gegenüber dem Bochumer Landgericht angemietet haben, droht uns in manchen Monaten nahezu aufzufressen. Aber mittlerweile haben wir uns einen Namen als Expertinnen für Scheidungen gemacht.

Walter & Herrmann

Rechtsanwältinnen

Scheidung und mehr …

So lautet unser Slogan.

Dank unserer eher maskulinen Nachnamen verirrt sich dann und wann auch ein männlicher Klient zu uns, der die Portokasse füllt. So wie hoffentlich bald Herr Müller-Voigtländer, Realschullehrer von Beruf. Da weiß man, was man hat.

Zulauf an weiblicher Mandantschaft haben wir mehr als uns manchmal lieb ist, doch leider waren bislang zu wenige Zahnarztehefrauen unter ihnen. Sie wissen schon, die mit den weißen Zähnen, die immer mit den Nachbarn so gut können. Und Zahnärztinnen gehören erst recht nicht zu unserer Dauerklientel.

Unsere Mandantinnen leben meist von Hartz IV, was bedeutet, dass wir unser weniges, hart verdientes Geld in der Regel in Form von Prozesskostenhilfe aus der Staatskasse erhalten. Aber dafür sind wir selbständig und müssen in keiner MACHO-Kanzlei tief im Keller versteckt zwischen Aktenbergen unser Dasein fristen, um mit der ersten Schwangerschaft in den wohlverdienten Ruhestand entlassen zu werden.

Wir führen ein freies, selbstbestimmtes Leben und können, wann immer wir es wollen, zum Friseur oder ins Fitness-Studio gehen.

Jawoll, wir sind glücklich.

Oder etwa nicht?

An manchen Tagen nagt irgendetwas an mir, lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Das Gefühl, dass zum perfekten Glück irgendetwas fehlt. Dass es nicht nur der Sinn des Lebens ist, den ganzen Tag in einem stickigen Büro herumzusitzen und sich die Probleme anderer Leute anzuhören, während draußen die Sonne scheint, die Vöglein zwitschern und in Apulien der Lavendel duftet.

Doch irgendetwas muss man ja schließlich machen, um von der Straße wegzukommen, pflegte mein alter Lehrer Oberstudienrat Dr. Krummelbein zu sagen, deshalb bin ich Lehrer geworden. Also meine jungen Damen, schwärmen Sie aus und suchen Sie sich eine Aufgabe. Und wenn Sie die nicht finden, dann suchen Sie sich Arbeit. Warten Sie nicht auf die Herren der Schöpfung. Damenpower ist angesagt.

Der gute alte Krummelbein. Das Wort Damenpower hatte er vermutlich aufgeschnappt, als ihm versehentlich eine Frauenzeitschrift unter die Finger gerutscht war. Leider hat er zwischenzeitlich das Zeitliche gesegnet. Doch seine Lebensweisheiten haben mich fortwährend begleitet.

Damenpower.

So leuchtet es auch in fettzentrierten Buchstaben an der Wand in unserem Nur-Frauen-Kaffee-Kopier-Schönheits-Salon-Küchen-Bistro. Für eine ordentliche Teeküche bzw. einen separaten Platz für unseren Kopierer reicht es leider noch nicht, aber dafür hat uns unser italienischer Lieblingsmandant No. 2, Gianni von der Stehpizzeria mit dem freundlichen Lieferservice Gianni kommte immer sofort, einen Luxus-Kaffeevollautomaten zum Super-Sonderpreis aus Italien organisiert, musse wissen isse von die Schwester vonne meine Bruder, der hat große Handel in Neapel.

Gut, wir wollen nixe Genaues wissen, woher de Maschine kommt, Hauptsache Kaffee isse lecker und machte wach.

Während ich den Duft des Espresso No. 7 nix für schwache Nerven gierig einsauge und in Gedanken durch ein Wäldchen in der Toskana lustwandele, werde ich plötzlich unsanft aus meinen Träumen geweckt.

»Was rührst du denn so versonnen in deiner Kaffeetasse? Meinst du auf dem Grund schwimmt eine Kaulquappe, aus der irgendwann einmal ein wunderschöner Frosch wird?«

»Nie wieder. Wage es nie wieder, dich von hinten anzuschleichen und mich so zu erschrecken!«, fahre ich Silke unbeherrscht an, die vollkommen unbemerkt hereingekommen ist.

Silke Herrmann ist meine Partnerin und mittlerweile fast so etwas wie meine zweitbeste Freundin geworden. Sie verfügt neben einem herzerfrischenden Lachen über die beneidenswerte Gabe, unbekümmert in den Tag hineinzuleben und immer optimistisch in die Zukunft zu blicken. Das Einzige, was sie ab und an bekümmert, sind ein paar Speckpölsterchen zu viel, die sie mit einer wöchentlich wechselnden Diät mehr oder weniger vergeblich zu bekämpfen versucht.

»Und überhaupt, Frau Herrmann. Hast du keine Arbeit?«

»Purzelchen, das Gleiche müsste ich dich fragen. Frau Alibaba sitzt schon seit einer Dreiviertelstunde in Tränen aufgelöst im Wartezimmer und erzählt Janine alles, was ihr Herr Alibaba wieder angetan hat.«

»Na ist doch perfekt. Wird doch auch langsam Zeit, dass unsere Auszubildende endlich das pralle Leben kennenlernt. Dann muss ich mir das Ganze nicht wieder anhören. Und wenn sie fertig ist, wird sie ihm alles verziehen haben und zufrieden zu ihrem Ali und seiner Wunderlampe nach Hause gehen. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.«

»Puh, so abgebrüht wie du möchte ich mal sein, Hasilein.«

»Quatsch abgebrüht. Realistisch. Die Gute ist nämlich zum dritten Mal hier. Als Ali sie das erste Mal mit dem Messer bedrohte, habe ich noch am gleichen Tage eine einstweilige Anordnung gegen ihn erwirkt, nach der er eine Entfernung von 500 Metern zu ihr einhalten musste. Noch am gleichen Abend hat sie ihn wieder in die Wohnung gelassen und ihm Couscous gekocht.«

»Ja, so sans, die alten Ägypter.«

»Beim zweiten Mal hat er ihr einen Topf Kichererbsen über den Kopf gekippt. Verbrennungen zweiten Grades. Natürlich am Freitagabend. Und was mache ich blöde Kuh? Ich streiche mein Wochenende, mache den notdiensthabenden Richter kirre, bis ich am Samstagmorgen endlich wieder eine einstweilige Anordnung in den Händen halte. Und abends, als ich mir zum Einschlafen mein wohlverdientes Bier an der Bude umme Ecke holen will, wer steht da turtelnd und trinkt sein Bierchen, man gönnt sich ja sonst nichts? Ali und Baba. Herr und Frau. An diesem Abend habe ich mir geschworen, mich NIEMALS, NIEMALS wieder von irgendetwas oder irgendjemandem aus der Ruhe bringen zu lassen. Und schon gar nicht von einem MACHO oder einer dämlichen Frau, die einem ebensolchen hinterherläuft.«

»NIEMALS ist ein so hartes Wort. Und das ist jetzt die ultimative Weisheit? Bis morgen früh oder morgen Nachmittag? Kati, hör doch endlich auf, immer alles grundsätzlich regeln zu wollen. Du wirst weder dich, die Alibabas noch alle anderen Männer auf der Welt ändern können. Irgendwann steht wieder einer vor deiner Tür und bettelt um Einlass. Wirst du auch dann ruhig bleiben wollen und ein gutes Buch aufschlagen oder nach der Lektüre der Neuen Juristischen Wochenschrift um 21.00 Uhr ins Bett gehen wollen? Lebe doch einfach. Rede nicht immer drüber!«

Das saß. Wieder einmal hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Ständig wollte ich mich und mein Leben ändern. Alles besser machen. Bis zum Perfektionismus.

War die Beziehung kaputt, würde Silke einfach sagen: Schwamm drüber. Andere Väter haben auch noch schöne Söhne. Und wenn nicht, warum denn nicht gleich den Vater selbst?

Und zur Belohnung würde sie sich dann ein Spaghetti-Eis mit Extra-Sauce gönnen.

Ich hingegen müsste alles siebenundzwanzigundeinmal hinterfragen, um dann mit Hilfe meines Psychologieratgebers zu der Erkenntnis zu kommen, dass ich mir aufgrund eines frühkindlichen Geburtstraumas immer den falschen Typ Mann aussuchen würde.

Den Nachbarsjungen, der mir im zarten Alter von drei Jahren mit aller Wucht eine Spielzeugwumme auf den Kopf gehauen hatte. Immer nur der wars, den ich wollte. Den Wilden. Unbezähmbaren. Der an meinen Zöpfen zog, bis ich schrie. Nie den, der mir mit den Förmchen so schöne Sandtörtchen backte.

Leider hörte der Ratgeber an der entscheidenden Stelle auf. Wie man es anstellte, den Richtigen zu wollen und dann auch noch zu finden, wurde nicht verraten.

»Okay Baby. Ich bekenne mich schuldig. Schuldig im Sinne der Anklage. Bei dir hat Leugnen ohnehin keinen Zweck.«

Auch wenn es noch ein erhebliches Weilchen dauern würde, bis ich Bernd vergessen hätte, so war es doch an der Zeit, ins Leben zurückzukehren. Ich proste Silke mit meiner Kaffeetasse zu:

»Und als Dank für deine Lebenshilfe in allen Lagen lade ich dich heute Abend ins Bella Italia ein. All inclusive. Schließlich müssen wir noch Müller-Voigtländers Beratungshonorar verprassen. Sagen wir um acht?«

»Okay um acht, meine Süße. Das passt mir gut. Ich mach im Moment sowieso die Pizza-Pasta-Rotwein-Diät. Und nun lass uns wieder ausschwärmen und Freude bereiten und wenn nicht Freude, dann wenigstens für Recht und Gerechtigkeit oder zumindest gefüllte Bankkonten sorgen.«

Kaum ausgesprochen, entschwindet sie, um der nächsten Mandantin mit einem strahlenden Lächeln zu ihrem künftigen Glück allein zu verhelfen.

»Ach, Frau Bamberger, ich hoffe, Sie haben nicht zu lange gewartet. Aber nun stehe ich voll und ganz zu Ihrer Verfügung. Und wie nett, Ihren Felix haben Sie auch wieder mitgebracht.«

Mit einem breiten Lächeln geleitet Silke ihre nächste Mandantin, eine Omi mit wippenden Löckchen samt Pudel mit identischer Haarfarbe und Glitzerhalsband, in ihr Besprechungszimmer. Die beiden sind ein weiterer Beweis, dass sich Ehemänner und Frauen oder Frauchen und Hund nach einer langen Ehe immer ähnlicher sehen.

Ich selbst halte noch ein wenig inne, um das soeben beendete Gespräch zu verdauen. Schon wieder ertappe ich mich dabei, mir einen Vorsatz zu nehmen, ein Gelübde abzulegen, so wie sich manch einer zum hundertsten Mal das Rauchen abgewöhnen will, um sich dann in der nächsten Minute erneut eine Zigarette anzuzünden.

Ich will zurückkehren in das Leben. Ein Leben ohne feste Vorsätze. Denn die würde ich ohnehin wieder über Bord werfen. Ein Leben mit Spaß und ohne Tränen. Und fast ohne Schokolade.

Das Herz unter der Robe

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