Читать книгу Die Tote aus der Tiefgarage - July Johnson - Страница 3
Kein gewöhnlicher Morgen
ОглавлениеKalt peitschte der Regen an diesem tristen, noch sehr frühen Novembermorgen über die Straßen hinweg. Gesenkten Hauptes flitzten die ersten Menschen über die ansonsten noch gespenstisch leeren Straßen der Stadt. Deggendorf erwachte erst ganz langsam aus dem Schlaf.
Eva Jacobs war die ganze Nacht mit den Recherchen für einen Artikel beschäftigt, der sich mit der Drogenkriminalität in Deggendorf befassen sollte. Sie hätte den Artikel schon vor zwei Tagen fertig haben sollen, musste sich jedoch wegen einer schweren Grippe, welche auch noch mit hohem Fieber daherkam, krank melden. Ihr Redakteur hatte den Artikel also verschoben und Eva musste sich nun beeilen, ihr lief ansonsten wirklich die Zeit davon. Das war jedoch nichts Besonderes, bei ihr ging immer alles erst auf den allerletzten Drücker raus. Sie arbeitete als freie Journalistin für die Passauer Zeitung und schrieb in erster Linie für den Deggendorfer Regionalteil. Im Grunde genommen konnte Eva nahezu alles schreiben, was ihr interessant erschien, ihre Artikel wurden immer anstandslos genommen und sie hatte sich auch über die eigenen Grenzen hinaus einen sehr guten Ruf erarbeitet.
Normalerweise ging ihr das Schreiben recht leicht von der Hand, doch dieser Drogenartikel hatte es in sich. Die Recherchen gestalteten sich schwierig und so hatte sie wieder einmal ihren guten Freund Richard von der Kripo um Hilfe gebeten. Sie arbeitete oft und äußerst gerne mit Richard zusammen. Eva half ihm bei diversen Verbrechen und er half ihr dafür, an bestimmte Informationen zu kommen.
Ein Blick auf die Uhr verriet der übernächtigten Journalistin, dass es sich nicht mehr lohnte ins Bett zu gehen. Es war kurz nach fünf Uhr morgens und um neun schon war sie mit Richard zum Frühstück verabredet. So beschloss sie einfach, sich ein heißes Bad einzulassen, das half ihr immer sich zu entspannen.
Während das Wasser in die Wanne lief und dabei abstrakte Gebilde aus wohlduftendem Schaum formte, ging Eva noch einmal in die Küche und ließ sich einen Kaffee herunter. Sich diesen Kaffeevollautomaten zu kaufen, war wohl die beste Entscheidung der letzten Monate, das musste sie immer wieder feststellen. Vor allen nach Nächten wie diesen dankte sie sich selbst dafür.
Sie setzte sich auf die Kante ihrer Arbeitsplatte und stemmte die Füße, an denen flauschig weiche Socken prangten auf die Heizung. Wenn sie so jemand sehen könnte in diesem Aufzug, es würde wohl jeder die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Schlabbrige Jogginghosen und ein ausgewaschenes Sweatshirt waren für die sonst so sehr auf ihr Äußeres bedachte Journalistin nicht gerade ein Aufzug, der für das Auge anderer gedacht war. Sie war nicht unbedingt eine Schönheit im klassischen Sinne, doch war sie dennoch eine sehr attraktive Frau.
Und während sie so durch ihr Küchenfenster in die Dunkelheit hinaus starrte, griff sie automatisch nach ihrer Zigarettenschachtel und zündete sich eine an. Ihre Gedanken kreisten um den Artikel, an dem sie gerade arbeitete. Sie hatte den gesamten gestrigen Nachmittag damit verbracht, im Milieu zu recherchieren.
Neben einem ganzen Haufen an Prostituierten hatte sie auch mit Abhängigen und einigen kleinen Dealern gesprochen. Wenn das, was sie dabei erfahren hatte stimmte, dann würde der Stadt Schlimmes bevorstehen, da war sie ganz sicher. In jedem Fall würde sie nachher mit Richard darüber reden. Langsam drückte Eva ihre Zigarette im Aschenbecher aus. Im nächsten Moment schon fand sie sich im Bad wieder, zog sich aus und stieg seufzend in die Badewanne, wobei sie gekonnt ihre dunkelbraune Lockenmähne hochsteckte.
Trotz ihrer 43 Lenzen sah Eva eher aus wie Anfang 30, eine Tatsache, die ihr vor allem bei Recherchen und Verhandlungen sehr zum Vorteil gereichte.
Eva streckte sich der Länge nach in ihrer Wanne aus und begann so langsam, sich zu entspannen. Mit geschlossenen Augen lauschte sie dem beruhigenden Knistern des Schaums.
Gerade als ihre Entspannung auf dem höchsten Punkt war, unterbrach ihr Handy im schrillsten Rasseln diese angenehmste aller Ruhephasen.
Sie tastete nach ihrem Handy und bereits ein Blick auf das Display ließ absolute Erregung in der Journalistin hochkochen.
„Richard, Guten Morgen mein Lieber! Was führt dich denn um diese Zeit schon ans Telefon?“
„Hallo Eva, glaub mir Herzchen, ich wäre jetzt auch lieber noch im Bett, stattdessen jedoch bin ich nun gerade auf dem Weg nach Deggendorf. Wir haben eine Leiche in der Tiefgarage am Degg´s. Nachdem was mir die Kollegen vor Ort gerade am Telefon berichtet haben, möchte ich dich gerne dabei haben. Ist das Ok? Ich meine, ich bin schon auf der Autobahn und wäre so in etwa 20 Minuten bei dir, schaffst du das?“
„Na klar, ich spring schnell aus der Badewanne und schmeiß mich in die Klamotten. Magst Du auch Kaffee?“
„Oh ja, gerne, danke. Bis gleich, Eva.“
„Bis gleich, Richard. Fahr vorsichtig“
Doch diesen letzten Satz konnte er nicht mehr hören, er hatte bereits aufgelegt.
„Wie immer, typisch Männer“ seufzte Eva, während sie aus der Badewanne stieg und sich abtrocknete.
Wie immer in solchen Fällen war Eva binnen weniger Minuten angezogen und geschminkt.
Aus ihrer Erfahrung der letzten Jahre hatte sie gelernt und so lag bei ihr eigentlich immer ihr sogenanntes „Notfallpaket“ , bestehend aus einer Jeans, einem Shirt, dicken Socken und Turnschuhen. So war sie auch mitten in der Nacht immer startbereit. Ihr Makeup war gleich aufgelegt, einmal übers Gesicht pudern, Kajal und etwas Lipgloss und schon war Eva fertig.
Just in dem Moment, da sie Richard seinen Kaffee aus der Maschine ließ, hörte sie unten seinen Wagen vorfahren. Das Geräusch seines BMW war unverkennbar und sie würde ihn auch noch aus hunderten von Autos heraushören.
Sie verschloss beide Becher mit Deckeln und war auch schon im Treppenhaus. Wer sie jetzt gesehen hätte, würde wahrscheinlich laut zu lachen angefangen haben. Es war wahrlich nicht leicht mit zwei Kaffeebechern, Handy, Zigaretten und Notizblock in den Händen und dem Haustürschlüssel im Mund die Treppe hinunter zu kommen, ohne etwas zu verlieren oder den wertvollen Kaffee zu verschütten.
Als sie unten am Auto ankam, stand Richard schon bereit, um ihr etwas abzunehmen. Er kannte die Prozedur schon seit einigen Jahren und nicht nur in dieser Beziehung waren die beiden mittlerweile ein perfekt eingespieltes Team.
„Danke Richard“ sagte Eva, während Richard ihr die Wagentür aufhielt und sie den Kaffee sicher ins Innere des Wagens bugsierte.
„Oh, das tut gut“ erwiderte er als er wenige Augenblicke später den ersten Schluck frisch gebrühten Kaffees nahm.