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Die Verfasser – Pompeius Trogus und Iustinus

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Die Herkunft des Iustinus ist nicht eindeutig zu klären; ob er als Rhetoriklehrer im Rahmen einer Gesandtschaft nach Rom kam und dort aus der Kenntnis der Epitome des Florus ein rhetorisches Geschichtswerk schuf, muss reine Spekulation bleiben13.

Die wichtigsten Nachrichten zu Trogus sind dem Werk selbst zu entnehmen14: Von Vokontiern abstammend15, wurde er etwa in der Mitte des 1. Jhs. geboren; sein Großvater hatte nach der lex Gellia Cornelia aus dem Jahr 72 das Bürgerrecht von Pompeius wegen seiner Teilnahme im Krieg gegen Sertorius (77–72) erhalten. Der Onkel väterlicherseits befehligte eine Reitereinheit im 3. Mithridatischen Krieg (66–63). Offensichtlich wechselte die Familie rechtzeitig vor dem Ausbruch der Spannungen zwischen den Triumvirn auf Caesars Seite, sodass der Vater die Aufsicht über dessen Schriftverkehr, Gesandtschaften und Siegel (epistularum et legationum, simul et anuli cura) übernehmen konnte und damit tiefen Einblick in Caesars Pläne gewann16.

Trogus besaß eine umfassende Bildung; er hat die Geschichtswerke von Sallust und Livius benutzt und als Historiker auf die Darstellung alles dessen verzichtet, was Livius bereits beschrieben hatte17.

Umstritten ist die Bedeutung des Titels, den Trogus wohl selber gewählt hat18, allerdings in Abweichung von der bis dahin geltenden Bedeutung der Gattung historia. Diese bezeichnete vielmehr ein Werk mit nur zeitgeschichtlichem Inhalt. Weil aber die praefatio auf den Titel nicht eingeht, dürfte er als Bezeichnung einer klar umrissenen Gattung bereits auf ältere Schriftsteller zurückgehen.

So hatten im Bereich der griechischen Geschichtsschreibung bereits im vierten Jahrhundert Theopompos von Chios und Anaximenes aus Lampsakos historíai Philippikaí verfasst. Ihr Fokus lag auf den Leistungen des Makedonenkönigs Philipp II. (362–336). Das Werk des Trogus aber geht zeitlich und räumlich weit über dieses Thema hinaus: Es beginnt bei der Begründung der Herrschaft der Assyrer im 13. Jahrhundert und endet mit der völligen Unterwerfung Spaniens unter die römische Herrschaft in augusteischer Zeit.

Seel glaubt infolgedessen, dass der metaphorisch oder symbolisch verwendete Titel dem heutigen Begriff „hellenistische Geschichte“ entspreche19.

Im Unterschied zur römischen Annalistik steht nicht mehr Rom, sondern die Geschichte des Mittelmeerraumes im Mittelpunkt. Römische Geschichte wird erst relevant, sobald sich Rom in die Auseinandersetzung mit den hellenistischen Mächten verstrickt.

Trogus verfasste seine Darstellung bewusst für den nicht griechischsprachigen Raum in lateinischer Sprache20. Weil die römische Geschichte in die historische Entwicklung als lediglich ein Bestandteil eingebettet ist, zielte er nicht primär auf das stadtrömische Publikum ab, sondern auf das des gesamten westlichen Mittelmeerraumes. Insofern markiert dieses Geschichtswerk einen bedeutenden Einschnitt in der lateinischen Historiographie. Zudem trägt es der territorialen Entwicklung des imperium Romanum Rechnung und nimmt das zunehmende Gewicht des außeritalischen Raumes in den Blick.

Bereits die historíai Philippikaí des Theopompos zeichneten sich durch verschiedene Exkurse aus21. Die Prologe verweisen auch bei Trogus darauf, dass er die Ursprünge von 40 Völkern, Städten, Ländern und Königen ausgeführt hat. Hinzu kommen fünf geographische Ausführungen, die dem Leser helfen sollen, Städte, Gebiete und Völker einordnen zu können. Trogus fügte diese Exkurse zu situs und origines jeweils an den Stellen ein, die sich ihm inhaltlich anboten. Dabei folgte er im Wesentlichen einer Darstellungsreihenfolge von Ost nach West.

Damit stellt sich die Frage der Veröffentlichung durch Trogus bzw. Iustinus. Weil das zuletzt von Iustinus genannte Ereignis die Auslieferung parthischer Geiseln an Marcus Titius betrifft22, kann die Veröffentlichung frühestens zwischen 12 und 9 erfolgt sein23. Sofern die Feststellung, die Römer bezeichneten ihre Herrscher als Caesares und Augusti, von Trogus stammt, setzt dies den Beginn des Prinzipats unter Tiberius 14 n. Chr. voraus24. Dieser hierdurch aufgespannte Zeitraum passt in jedem Fall zu den von Iustinus genannten biographischen Angaben.

Schwieriger ist die Datierung des Iustinus25; die Vermutungen reichen vom zweiten bis zum vierten Jahrhundert26. Sofern die Aussage über die Herrschertitulatur eine Ergänzung des Epitomators ist, kann die Publikation erst nach dem Herrschaftsantritt Hadrians 117 erfolgt sein27. Das Werks des Trogus in verkürzter Form wiederaufzulegen, muss allerdings im Abwehrkampf gegen die Parther bzw. die Sasaniden, die 226/7 ein neues persisches Reich gründeten, für einen erweiterten Leserkreis vor allem im vierten Jahrhundert von Interesse gewesen sein; denn dieses Volk widersetzte sich offensichtlich so nachhaltig dem römischen Herrschaftsanspruch über die damals bekannte Welt, dass es in der Epitome als einziges von allen Völkern als gleichrangig anerkannt wird28. Zudem musste der römische Schriftsteller eingestehen, dass die Parther sogar die Römer besiegt hätten; offensichtlich blieb es im günstigsten Fall bei einer Aufteilung der Welt und der Anerkennung ihres Reiches neben dem der Römer.

Kaum zu datieren sind die Prologe, die Mitteilungen enthalten, die zum Teil gar nicht von Iustinus ausgeführt werden. Sie muss demnach ein weiterer, nicht mehr identifizierbarer Epitomator angefertigt haben, als das Werk des Trogus noch vollständig vorlag29. Sie verdeutlichen leider, dass der überwiegende Teil des Originalwerks verloren ist, lassen aber wenigstens den universalgeschichtlichen Anspruch des Trogus erkennen.

Gleichwohl ist der Grundgedanke erhalten geblieben, dass eine translatio imperii, eine Abfolge von Weltreichen, die Hochkulturen des Mittelmeergebietes geprägt hat. Dabei handelt es sich um ein Konzept, das bereits Herodot formuliert hat.30

In der lateinischen Literatur hat erstmals Aemilius Sura nach der Schlacht von Magnesia 190 und vor Ausbruch des 3. Makedonischen Krieges 171 diesen Gedanken aufgegriffen31. Die von ihm aufgezeichnete Abfolge von Weltreichen entspricht derjenigen bei Dionysios von Halikarnassos32 und ist bei beiden der des Trogus ähnlich: Assyria, Media, Persia, Macedonia, Roma; allerdings kontrastiert Trogus die Römer mit den Parthern. Für Dionysios stellte das römische Reich die Vollendung einer historischen Entwicklung dar, in deren Verlauf das nachfolgende Weltreich stets das vorangegangene vernichtet hat. Dass es eine Weiterentwicklung dieses teleologischen Modells geben könnte, steht für ihn nicht zur Diskussion33. Dies gilt auch für Trogus, der sich gleichfalls keine Kooperation oder Koexistenz mehrerer Reiche nebeneinander vorzustellen vermag34.

Ninos hat das erste Weltreich errichtet bzw. Tukulti-Ninurta I. (1244–1208), unter dessen Herrschaft und unter dessen gezieltem Bemühen, res gestae zu vollbringen35, Assyrien zur Großmacht aufstieg, die über die Völker des gesamten Ostens bis nach Indien und Äthiopien geherrscht habe (Iust. 1,1,8). Die Herrschaft der Assyrer habe von Ninos bis zum letzten König Sardanapallos (668– ca. 631) 1300 Jahre angedauert (1,2,13). Nach seinem Tod sei es zur ersten translatio imperii gekommen, und zwar zu den Medern (1,3,6). Die Niederlage des Astyages gegen Kyros habe um 550 das Ende der Meder und damit die zweite translatio herbeigeführt, sodass deren Herrschaft nach 350 Jahren auf die Perser übergegangen sei (1,6,16). Das persische Reich habe mit dem Sieg Alexanders über Dareios III. (336–330) geendet (10,3,7); nach der Schlacht von Gaugamela habe Alexander die Weltherrschaft übernommen (11,14,6–7)36. Diese translatio hatte deswegen einen besonderen Charakter: Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Herrschaft von Großreichen auf den Osten beschränkt; nunmehr aber war das imperium Europae (12,16,5), das Philipp bereits errungen hatte, mit dem imperium Asiae (11,14,6) verbunden, sodass Alexander als rex terrarum omnium et mundi (12,16,9) in den Besitz eines summum regnum gelangt sei (11,12,15).

Ein Erdbeben 198 in Rhodos und Kleinasien37 im Jahr vor der Schlacht von Kynoskephalai war das Vorzeichen für den Niedergang Makedoniens und den Aufstieg Roms; hier stießen die Mächte aufeinander, die bereits jeweils eine Hälfte der bekannten Welt beherrschten (30,4,6–14). Doch mit dem Sieg über die Makedonen war nach Trogus’ Meinung die Schicksalsgöttin noch nicht zufrieden (39,5,3); in weiteren Schlachten, vor allem in Pydna 168, wurde deutlich, dass die Herrschaft der Diadochenreiche zu einem Ende gelangt war. Eine letzte translatio auf das imperium Romanum war für Trogus ein teleologisches Faktum, das sich dank der militärischen Erfolge erst gegen die Nachbarn auf italischem Boden, dann auf der ganzen Welt habe vollziehen müssen (43,3,2). Entsprechend stellte die Eingliederung Ägyptens 30 einen konsequenten Schritt dar. Nach der Unterwerfung Spaniens endet das Werk des Trogus mit der Feststellung perdomito orbe (44,5,8). Das ist das Ende der „kinetischen Geschichte, das erreichte Ziel der Universalität“38. Der gleichsam von den Göttern erteilte Auftrag imperium sine fine dedi; tu regere imperio populos39 scheint erfüllt, die aurea aetas unter dem Prinzipat des Augustus angebrochen. Die Geschichte der Welt und die Roms sind damit zur Deckung gekommen; von diesem Zeitpunkt an gab es zwar Gelegenheit zum Blick zurück auf res gestae einzelner Herrscher oder Völker, aber keine Möglichkeit mehr im Hinblick auf res gerendae40 – zumindest für Trogus konnte dieser Eindruck entstehen.

Spätestens mit dem Beginn der Herrschaft Hadrians, dem Rückzug aus den von Trajan gegen die Parther eingerichteten Provinzen und den anhaltenden Auseinandersetzungen an der Ost- und Nordgrenze musste aber deutlich werden, dass trotz aller propagandistischen Verklärung der signa recepta die Parther immer noch ein Machtfaktor waren, der sich nicht ignorieren ließ und der durch die Sasaniden sogar neu etabliert wurde. Hier bot sich dem Epitomator die Möglichkeit, seine Leser über die Geschichte sowie die geographische Lage der Parther zu informieren – und zwar gerade durch die Intensität seiner Kürzungen. Die Widerstandsfähigkeit der Parther passte nicht mehr zum Konzept der translatio imperii und der Errichtung des imperium Romanum als Ende aller Geschichte. Die Welt war für Iustinus geteilt41. Er nahm nicht Stellung zu der Frage, ob dies das Wirken der fortuna war oder ob es an der virtus der Römer zu seinen Lebzeiten lag, die sich nicht mehr mit der Leistungsfähigkeit der Vorfahren messen ließ42.

Dass der Weltgeschichte eine teleologische Abfolge von Weltreichen zugrunde liegen könnte, muss für antike Historiker eine reizvolle Vorstellung gewesen sein. Alle genannten Konzepte sind stets aus der Rückschau entwickelt worden, als die historische Entwicklung erwiesen zu haben schien, dass ein Volk dank göttlichen Beistands und aufgrund eigener Tüchtigkeit konkurrierenden Mächten überlegen war oder deswegen unterging, weil andere, noch stärkere Mächte aufstiegen. Trotzdem zeigt gerade die Auseinandersetzung mit den Parthern, dass der scheinbar bereits erreichte Endzustand durch aktuelle Entwicklungen revidiert werden konnte.

Nach dem Werk des Trogus rückten die römischen Autoren zunächst von der Universalgeschichtsschreibung ab und stellen erneut Rom in den Mittelpunkt. Erst nachdem die Goten 410 Rom eingenommen hatten, schrieb Orosius wiederum eine Weltgeschichte, die nunmehr vom Geist des Christentums inspiriert war. Die Frage einer Finalität von Geschichte und dem Erreichen eines imperium ultimum erhielt hierdurch einen neuen Anstrich durch den christlichen Gott als arbiter saeculorum regnorum locorumque omnium43.

Römische Weltgeschichte

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