Читать книгу Kunst- und Kreativitätstherapie Band 2 - Jutta Michaud - Страница 5

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Mein lieber Darius,

es tut mir leid, dass Du ein wenig auf meine Antwort warten musstest – hier auf Teneriffa komme ich nicht jederzeit ins Internet, und so hab ich deine Geduld ein wenig auf die Probe stellen müssen.

Ich hab dich gestern auch nicht mehr angerufen, weil ich es ganz schön finde, wenn wir für eine Weile nur schreibend kommunizieren – ich bin sehr gut darin, Gefühle aus Mails zu lesen, glaube ich, und es behagt mir sehr, wie du mich befragst und wie offen du mir deinen Tag schilderst. Vielleicht kann auch ich schreibend wieder lernen, mich zu öffnen, dich einzulassen, dich nicht nur in meinen Körper … naja :-)! – sondern vielleicht auch mal in meine Seele. Wenn dir das gelänge, mein Freund, dann kannst du dich glücklich schätzen, denn normalerweise hab ich da so meine Abwehrtechniken … du siehst, ich bin bereit daran zu arbeiten, Ton zu sein in deiner Hand … das hat mich merkwürdig berührt, was du da erzählst, die Sache mit dem Ton … Erst hat es mich gegraust, als ich mir vorstellte, wie der feuchte Ton da von einer Hand in die andere gegeben wurde, körperwarm, glitschig – und man spürt doch, dass es fremd ist? Wenn ich dann aber imaginiere, wie mein eigenes Stück Ton zu mir zurückkommt und ich es wiedererkenne – das hat was … Fast bereue ich, dass ich diese Ausbildung nicht zeitgleich mit dir gemacht habe, aber du weißt ja, dass mir die Entspannungstherapeuten-Ausbildung, die ich nach meinem Workshop im Hotel auf Gomera beim IEK mache, auch total wichtig ist … Warum eigentlich war dieser Henrik in meiner Kunsttherapeuten-Ausbildung nicht dabei? Anscheinend variiert das IEK die Module je nach Schwerpunkt der Teilnehmer oder Verfügbarkeit der Dozenten?

So, aber jetzt einmal zu den Teilnehmerinnen: Die interessieren mich nämlich … Nicht das, was Du schreibst, sondern ihr Attraktivitätsgrad :-).

Bei Paulette, der Ballerina, hab ich gleich die Ohren angelegt, mein Lieber … du als körperbetonter Athlet hattest ja schon immer ein ästhetisches Faible für zarte ätherische Wesen, nicht wahr? Nun hoffe ich, dass die Ballerina nach Aufgabe ihres Jobs aufgegangen ist wie ein Hefeknödel und zumindest nicht attraktiver ist als ich … Lieber Darius, mal im Ernst: Wir sind ja erst ein Jahr liiert, falls du mich satt haben solltest und an fremden Früchten naschen möchtest – bitteschön, nur zu, mach es. Aber damit wäre diese unsere Beziehung auch beendet. Ich hatte das zu oft … und ich werde in meinem Alter jetzt nicht mehr Kompromisse machen als früher, nämlich gar keine! Wir haben jetzt aus beruflichen Gründen eine Trennung auf Zeit, wir können uns beide überlegen, wo es hingehen soll … du hättest alles Recht der Welt, wenn es dir zu schwierig sein sollte mit mir und meinem Chaos … zumal wir neben unseren Kids und deren Glück ja auch noch unseren beruflichen Standort in Ruhe wählen wollen, also ich weiß wirklich nicht, vielleicht wäre es ja gar nicht so schlimm, wenn du mit der Ballerina anbändeln wolltest …??

Aurelia lässt mich hier in Ruhe, seitdem wir im Jardin Tropical eingezogen sind, diesem 4-Sterne-Hotel, einem der schönsten hier auf Teneriffa, das sie sich anhand der Fotos im Internet ausgesucht hatte. Seitdem ist Ruhe im Karton. Sie ist einfach selig, wenn sie Luxus um sich hat. Ich weiß, es ist eine unnötige Ausgabe, wir hätten ja auch weiterhin bei meiner Freundin Mercedes wohnen können, aber bevor sie quengelt und drängelt, hab ich es lieber so und kann jetzt noch ein paar Dinge in Ruhe durchdenken. Schließlich will ich das Creativity Camp auf Gomera, das ich dort für Kinder aufgesetzt habe, richtig ordentlich vorbereiten. Seitdem der Film ‚Alphabet‘ Deutschland aufgerüttelt hat, wollen alle ihre Kinder in die Kreativitätscamps schicken, ich sage Dir, da ist Bedarf ohne Ende. Hat man über den Film doch erkannt, dass Kindern in der Schule die Gefahr droht, dass ihnen die Phantasie abhanden kommt; ist ja auch ein Hammer, dass sie vor der Schule zu 98% hochbegabt sind und ihnen das über die Schulzeit nach und nach ausgetrieben wird, weil in der Schule immer nur EINE Antwort richtig ist. „98% aller Kinder kommen hochbegabt zur Welt. Nach der Schule sind es nur noch 2%.“ So die Aussage des Films. In der Schule verkümmert jene spielerische Kreativität, die uns helfen könnte, „ohne Angst vor dem Scheitern nach neuen Lösungen zu suchen“. Sie fördern halt das Querdenken nicht, in der Schule, und genau in diese Lücke springe ich mit meinem Kreativitäts-Camp. Da ist alles möglich, und ich schaffe den Kindern einen Ort, an dem sie spielerisch Schreiben, Malen und Gestalten können – ohne dass Konkurrenz aufkommt. Sie geraten in einen Flow und fühlen sich wohl, erleben eine völlig andere Form des Urlaubs als sonst … Leicht ist es hier auf Teneriffa für mich nicht, weil mir angedroht wurde, dass dort nicht nur deutschsprachige Jugendliche, sondern vor allem kleine Engländer und große Spanier ihre Ferien verbringen. Wir haben den Kurs viel zu spät ausgeschrieben. Keiner wird da sein, ich wette, ich muss mir die Kinder vom Pool wegfischen. Da muss dann Aurelia ran, ich hab ihr das Versprechen abgerungen, dass sie zum Ausgleich für den Luxus jetzt beim Creativity Camp helfen muss! Ist nur recht und billig, finde ich. Also es ist wirklich nett hier im Hotel, es gibt so viele Terrassen-Ebenen, vor unserem Zimmer die, da ist fast nie jemand. Der tropische Garten ist wunderschön mit Bananen- und Kokospalmen bewachsen, diese roten Blumen, wie heißen die noch, also es ist einfach eine Pracht. Und wenn man nicht um den Pool liegen mag, wo ausgesprochen höfliche russische Gäste neben lesenden Belgiern ruhen, dann kann man runter in den hippen Beachclub am Meer, mit einem eiskalten Meerwasserpool, der sich um die Kurven schlängelt und jeden Tag frisch gefüllt wird. Da hörst du dann nichts außer dem Meer, das an die Küste schlägt, und dem Wind, der die Palmen wedeln lässt … So, Sweetheart, genug geplaudert, Aurelia nervt jetzt, sie hat sich schon zum Dinner umgezogen, geschminkt ist sie, als wäre sie 18. Dass sie noch ein Kind ist und erst 15 Jahre alt, das glaubt mir hier keiner. Ist schon komisch, wenn man mit seiner Tochter am Pool entlang geht und plötzlich folgen alle Blicke ihr, und nicht mehr mir – wie verkehrt ist das denn? Aber in so einem Moment denke ich dann voller Liebe (oder ist das Dankbarkeit?) an Dich, und dass ich bei dir durchaus das Gefühl habe, dass du mich siehst … mit allen Macken und Vorzügen, und mich annimmst, wie ich bin. Das ist schön, Liebster, und deshalb wollen wir uns ruhig noch ein wenig länger miteinander beschäftigen –

sagt

deine Laura.

Kunst- und Kreativitätstherapie Band 2

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