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2.

Schmucke Fracht

Athasia Ebelde betrat die Zentrale der EXCALIBUR. Das war noch immer ein besonderer Moment für sie, auch wenn sie bereits seit drei Tagen das Kommando innehatte.

Sie versuchte, sich ihre Freude nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Ihr eigener Schlachtkreuzer der mächtigen MARS-Klasse. Eine Kugel von fünfhundert Metern Durchmesser, ausgerüstet mit dem Modernsten, was die Flotte der LFG an Standardausrüstung bereitstellte. Transformkanonen, multivariable Hochenergie-Geschütze in der Sublicht- und der Überlichtausführung und ein Gravotron-Feldtriebwerk, das eine Beschleunigung von hundert Kilometern pro Sekundenquadrat erlaubte.

Ein Überlichtfaktor von maximal 2,7 Millionen, eine Überlichtreichweite von rund tausend Lichtjahren pro Etappe.

Ein feines, starkes Schiff.

Mit ihren siebenunddreißig Jahren war Ebelde ziemlich jung für ein solches Kommando. Und im Grunde war es auch nicht ihres. Sie hatte Glück gehabt. Oder, treffender, Oberst Mulcahay hatte Pech. Der eigentliche Kommandant der EXCALIBUR war vom Weltenbrand so stark betroffen, dass er sich hatte dienstunfähig melden müssen. Ebelde als Erster Offizier war aufgerückt, bis erfahrener Ersatz eingetroffen war.

Wenn es nach ihr ging, konnte die Flotte sich damit Zeit lassen. So leid Mulcahay ihr tat, so sehr freute sie sich über die Gelegenheit, sich auszuzeichnen und früh für verantwortungsvolle Positionen zu empfehlen.

Auf dem Weg zu ihrem Platz nickte sie der Zentralebesatzung freundlich zu. Das Licht war wegen des Weltenbrands gedimmt. So war es schwierig, alle Gesichter zu sehen.

Trotzdem nahm sie sich die Zeit, jeden Einzelnen anzublicken und seinen Zustand zu beurteilen. Übermüdet und gereizt waren sie alle. Seit die Ekpyrosis tobte, schlief niemand mehr lange oder tief genug, um sich wirklich zu erholen.

Die Mediker an Bord hatten alle Hände voll zu tun. Fast täglich wurden die Medikamentendosen neu angepasst, um die Besatzung optimal einzustellen: so stark betäubt, dass die Nervenreizung abklang, aber nicht so zugedröhnt, dass die Entscheidungsfähigkeit gehemmt war. Das klappte mal mehr, mal weniger gut, wie man an Mulcahay gesehen hatte.

Die meisten sahen den Umständen entsprechend gut aus. Nur Ramajid Vijay, der Leiter der Bordlogistik, war so blass, dass sein eigentlich samtbrauner Teint nur noch grau aussah. Ebelde würde ihn nach der Schicht zum Arzt schicken. Die Demütigung, aus der laufenden Schicht hinausbeordert zu werden, wollte sie ihm ersparen.

Wenn die Logistik einige Stunden unter bestmöglichem Niveau operierte, war das zu verschmerzen. Minderleistungen bei Ortung, Steuerung oder Feuerleitstelle wären erheblich schlimmer gewesen.

»Hat sich in meiner Freischicht etwas Relevantes getan?«, fragte Ebelde.

Enric Fugart, ihr Orter, verneinte. Bei seinen zwei Metern fünfzig Körpergröße und dem grellgelb gefärbten Haar reichte ein Kopfschütteln als eindeutige Meldung. Der schweigsame Ertruser war ihr großer Rückhalt, seit sie vor drei Tagen so unerwartet die Karriereleiter hinaufgepurzelt war. Er stand schon länger im Flottendienst, als Ebelde überhaupt lebte. Mit seiner langjährigen Erfahrung und unaufgeregten Art fungierte er nicht nur als Chef von Funk und Ortung, sondern mittlerweile auch als Berater und Erster Offizier – im Grunde also in exakt der Funktion, die Ebelde selbst für Mulcahay ausgefüllt hatte.

»Jedenfalls nichts Unerwartetes«, präzisierte Fugart seine Meldung. »Die Flotte ist noch einmal verstärkt worden.«

Befremdet ließ sich Ebelde selbst die aktuellen Holos einblenden und pfiff durch die Zähne. Mittlerweile hatten sich mehr als fünfhundert kampfstarke Einheiten rund um die Position eingefunden, an der Wanderer in Neptuns Atmosphäre eingetaucht war. Die ELAS KOROM KHAN II, ein Ultraschlachtschiff der JUPITER-Klasse, führte nach wie vor das militärische Kommando. Wissenschaftliche Basis war die MALCOLM SCOTT DAELLIAN. Darum tummelten sich weitere Schiffe der JUPITER-Klasse, viele Schlachtschiffe der SATURN- und APOLLO-Klasse, mittlerweile zehn Tender der SHELTER-Klasse und jede Menge Kreuzer.

Allein in die ELAS KOROM KHAN II hätte Ebeldes EXCALIBUR einige Dutzend Mal hineingepasst. Ein solches Schiff wollte sie gern einmal kommandieren. Aber bis dahin würden sicher noch einige Jahrzehnte vergehen.

Falls es überhaupt geschah. Wahrscheinlicher war im Augenblick, dass der Weltenbrand die Zivilisation, wie man sie kannte, ein für alle Mal beendete. In dem Fall war keine Zeit mehr für Wünsche und Karrierepläne. Dann ging es ums nackte Überleben.

»Wurde ein Grund für die Aufstockung genannt?«, fragte Ebelde. »Hat sich etwas bei Wanderer getan?«

Fugart schüttelte den Kopf. »Die offizielle Begründung ist die wachsende Unzurechnungsfähigkeit der Erdbewohner. Die idiotischen Vorfälle häufen sich. In den letzten acht Stunden sind drei lausig bewaffnete Jachten ohne interstellare Triebwerke gestartet. Ihre Besatzungen wollten Wanderer abknallen. Das Hyperlicht hatte den Besitzern so aufs Hirn geschlagen, dass sie geglaubt haben, sie könnten so den Weltenbrand rückgängig machen.«

Ebelde zog den Mund schief. Es wäre ja schön gewesen, wenn die Lösung so einfach gewesen wäre. Aber zum einen war die künstliche Scheibenwelt von einem Schutzschirm umgeben, dem irdische Waffentechnik nichts anhaben konnte. Zum anderen lag sie hinter einem Meer von sechsdimensionalen, hyperenergetischen Feldern verborgen, die wie Eisschollen in einem Strudel um sie herumdrifteten.

Wer in diese Zonen geriet, wurde auf Nimmerwiedersehen aus dem normalen Raum-Zeit-Kontinuum herausgerissen und aller Wahrscheinlichkeit nach in einzelne Atome zerlegt. Selbst die MS DAELLIAN mit ihren hochempfindlichen Fünf- und Sechs-D-Messinstrumenten konnte die tödlichen Gebiete nur teilweise erfassen und wagte keinen Vorstoß in den Bereich. Für jedes normale Schiff endete der Versuch mit Sicherheit tödlich.

»Was schützen wir hier eigentlich?«, fragte Ebelde entsprechend entgeistert. »Wanderer – oder die Menschen vor ihrer eigenen Dummheit?«

»Das ist rassistisch«, wandte Fugart trocken ein. »Die Menschheit hat kein Monopol auf Schwachsinn. Eine der Jachten hat einem Blue gehört.«

Ebelde verzichtete auf die Bemerkung, dass die Bezeichnung Blue für einen Jülziish ebenfalls nicht politisch korrekt war. Sie winkte ab und baute eine direkte Funkverbindung zu Fugart auf. Dämpfungsfelder verhinderten, dass jemand ihr Gespräch mit anhörte.

»So viel zur offiziellen Begründung«, sagte sie. »Und was ist wirklich los?«

»Es gibt nur Gerüchte«, gab Fugart zurück. »Die Anspannung steigt. Viele glauben, dass bald etwas Entscheidendes passiert. Möglicherweise versucht Adam von Aures eine neue Attacke gegen Wanderer, und in dem Fall will man vorbereitet sein. Außerdem ...« Er zögerte.

»Sprich dich aus!«, regte Ebelde an.

»Außerdem ist der Kampfwert vieler Einheiten lausig«, sagte ihr Funker. »Die Besatzungen sind zu stark geschwächt. Ich wäre überrascht, wenn nur ein Drittel der Schiffe da draußen im Angriffsfall bei voller Kapazität operieren könnten.«

Ebelde nickte. So etwas in der Art hatte sie ebenfalls befürchtet. Im Grunde hatte das Oberkommando die Flotte nicht verstärkt, sondern nur weit genug aufgestockt, um die zu befürchtenden Ausfälle zu kompensieren.

Eine Sirene gellte. Ebelde schrie und presste die Hände auf ihre Ohren. »Macht das aus!«, brüllte sie. Welcher Idiot ließ denn unter den Verhältnissen des Weltenbrands die Alarmsignale auf voller Lautstärke losplärren?

Ihr Blick fiel auf ihren Logistiker. Vijay regulierte den Ton hastig herunter. So viel zu ihrer Annahme, dass er in seinem Zustand keinen Schaden anrichten konnte.

»Was ist los?«, fragte sie Fugart, nun wieder ohne Dämpfungsfelder.

Jede Lockerheit war von dem Ertruser gewichen. Hochkonzentriert bearbeitete er die Ortungsstation. »Ein Schiff ist in der Sperrzone materialisiert, in relativer Nähe zu uns.«

»Details«, forderte sie.

»Distanz zu Wanderer: Achthundert Millionen Kilometer. Distanz zu uns nur eine Million Kilometer. Eine Einheit der ...« Fugart grinste plötzlich. Wortlos legte er in die Holodarstellung, was seine Orter ausgaben.

Auch Ebelde musste lachen, als sie sah, was da den Alarm ausgelöst hatte. Das war ein Raumschiff der STAR-Klasse. Seit dreihundertfünfzig Jahren wurde so etwas nicht mehr gebaut. Dieses Exemplar sah sogar noch deutlich älter aus. Die zweihundert Meter durchmessende Kugel hatte so viele Beulen, Schrammen und tiefdunkel verfärbte Stellen, dass man die ursprüngliche Gestalt nur mehr ahnen konnte. Ein Stück fürs Skurrilitätenkabinett, aber keine Gefahr für die EXCALIBUR. Und erst recht nicht für Wanderer.

»Dann schauen wir uns mal an, wer sich da so forsch ins Sperrgebiet wagt.« Ebelde nickte Fugart zu. »Darf ich bitten?«

»Kontaktruf läuft«, meldete ihr Funker. »Bislang habe ich keine Antwort ... Ah, jetzt!«

Ein alter Mann erschien im Holo. Das war zumindest der erste Eindruck. Auf den zweiten Blick sah Ebelde, dass er nicht viel älter als neunzig sein konnte, also eigentlich in der Blüte seines Lebens stand. Nur hatte er anscheinend versucht, möglichst viel von diesem Leben in die ersten neunzig Jahre zu packen. Seine Haut war blass und faltig, die Augenringe tiefschwarz. Ein ungepflegter, struppiger Bart hing ihm bis auf die Brust hinab, dafür gingen ihm die Haare auf der Stirn aus. Die wenigen Strähnen vereinten sich hinter seinem Kopf zu einem langen Pferdeschwanz, der ihm über die Schulter nach vorn hing und noch weiter hinabreichte als der Bart. Der Teil der Wangen, der nicht überwuchert war, war voller krustiger Ekzeme. Die Oberlippe verschwand hinter einem fransigen Schnurrbart. Die Unterlippe war spröde und blutig.

»Wer stört?«, sagte die ungepflegte Erscheinung mit rauer Stimme. Sie entblößte dabei gelbe Zähne.

Pikiert schürzte Ebelde die Lippen. So etwas sah man kaum noch. Eigentlich nur noch bei Terranern, die das Leben so vollständig aus der Bahn geworfen hatte, dass sie es nur mit legalen und illegalen Drogen ertragen konnten und die darüber alles andere aus dem Blick verloren. Wie beispielsweise einfachste Grundregeln der Körperpflege.

Sie war froh, dass das Hologramm einen Geruch nicht mit übertrug. »Schlachtkreuzer EXCALIBUR, Kommandant Athasia Ebelde«, meldete sie sich vorschriftsgemäß. »Identifiziere dich.«

»PATTGASTS HAMMER«, sagte der dreckige, früh gealterte Mann, »Kommandant Xaver Goran. Immer bereit, zu zeigen, wo der Hammer hängt ...« Er kicherte, als habe er den Witz des Jahrhunderts gemacht.

Ebelde atmete tief durch. Professionell bleiben, sagte sie sich. »Die PATTGASTS HAMMER ist in das Sperrgebiet rund um Neptun eingedrungen. Was willst du hier?«

»Was?« Goran lispelte bei seinem überraschten Ausruf. »Nur bis zum Neptun? Was soll denn der Mist?«

»Du weißt nicht, wo du bist?«, fragte Ebelde entgeistert.

Wieder kicherte Goran. »Das Hämmerchen unter meinem Hintern ist kein Jungspund mehr. Es guckt nicht mehr so gut wie in seinen Glanztagen. Nach einer Überlichtetappe dauert es immer ein bisschen, bis die Ortung aufwacht.«

Ebelde wurde flau, wenn sie sich das nur vorstellte. Nach einem Flug im Linearraum zurückzufallen und erst einmal blind zu sein – was konnte da alles passieren?

Goran hatte ihren Blick wohl richtig gedeutet. »Keine Sorge, die olle Schaluppe kennt ihren Weg. Normalerweise wenigstens.«

»Was willst du im Sperrgebiet?«, wiederholte sie ihre Frage.

»Nix«, sagte die befremdliche Erscheinung. »Doch: meine Ruhe. Bis ich den Antrieb repariert hab. Dann hau ich ja schon ab. Ich hab eine schmucke Fracht abzuliefern, also lasst mich mal machen. Das dauert hier alles zu lange.«

Mit diesen Worten unterbrach er die Verbindung.

Athasia Ebelde musste einige Male blinzeln. Sie sah zu Fugart, doch der schaute ebenso konsterniert drein, wie sie sich selbst fühlte. »Was war das denn?«, sagte der Funker, wobei er jedes einzelne Wort separat betonte.

»Jedenfalls nicht besonders höflich«, gab Ebelde gereizt zurück. »Was wissen wir über dieses Schiff?«

Fugart zauberte die entsprechenden Daten in ein Holo. Die PATTGASTS HAMMER war ein auf der Erde registrierter Handelsraumer und tatsächlich mehr als tausend Jahre alt. Augenscheinlich hatte man die Antriebstechnik so weit instand gehalten, dass das Schiff sich immer noch aus dem Sonnensystem hinaustraute.

Auf einer festen Handelsroute transportiere es Maschinenteile zur Wega und Skulpturen von dort zum Mars. Aber wie bei einer so alten Mühle nicht anders zu erwarten: Egal, wie viele Ersatzteile man verbaute, irgendwann machte der Antrieb laut Boink. Und das war offensichtlich gerade geschehen.

»Wir helfen ihm, von hier wegzukommen«, entschied Ebelde. »Ich will diese Rostlaube nicht länger als nötig in dem Sektor haben, den wir überwachen.«

»Ich funke ihn noch mal an«, kündigte Fugart achselzuckend an.

Wieder erschien Goran, diesmal sichtlich ungehalten. »Was wollt ihr denn schon wieder?«

»Dir Hilfe anbieten«, sagte Ebelde gereizt. »Du fliegst dieses Ding doch allein, oder? Willst du den Überlichtantrieb wirklich nur mit ein paar Hilfsrobotern flottkriegen?«

»Nee«, keckerte der Mann, »ganz so allein bin ich nicht. Da stört ihr nur. Lasst mich mal in Ruhe.«

Erneut unterbrach er die Verbindung.

Ebelde tippte langsam und rhythmisch auf die Lehne ihres Kommandantenplatzes, die Kiefer fest zusammengebissen. Mühsam hielt sie ihren Ärger unter Kontrolle. Auf keinen Fall wollte sie sich von einem halbverrückten alten Kauz vorführen lassen.

»Zeig mir noch mal die Daten zu dem Schiff«, bat sie Fugart. Der folgte ihrer Anweisung.

»Er hat gesagt, er habe eine schmucke Fracht an Bord«, sagte sie nachdenklich. »Aber laut seinen Frachtpapieren hat er nur Antriebsteile für das Wegasystem geladen. Ich würde ja verstehen, wenn er die Kunstgegenstände schmuck nennt, die er auf dem Rückweg transportiert. Aber für seine aktuelle Fracht gibt das keinen Sinn.«

»Worauf willst du hinaus?«, fragte Fugart.

»Dass etwas nicht stimmt«, sagte sie. »Er hat auch gesagt, dass er Gesellschaft hat, aber tatsächlich fliegt er normalerweise allein. Das sind schon zwei ungewöhnliche Dinge, mal ganz abgesehen von dem wirklich unwahrscheinlichen Triebwerkausfall genau im Sperrgebiet.«

Fugart sah nun auch misstrauisch aus. »Du hast recht. Und jetzt?«

»Funkverbindung«, ordnete sie an.

Wieder erschien Goran, und dieses Mal war er offensichtlich verärgert. »Hör zu!«, schnauzte er. »Ich weiß, ich bin ein attraktiver Mann, und viele Frauen kriegen einfach nicht genug von mir. Aber das hier wird allmählich lästig. Ich will ...«

»Halt den Mund«, sagte Ebelde ruhig. »Wir kontrollieren dein Schiff.«

»Hey!«, rief Goran empört. »Das könnt ihr nicht machen! Ich hab nichts verbrochen! Was ist mit meinem Recht auf ...«

»Du bist ohne Genehmigung ins Sperrgebiet eingeflogen«, gab Ebelde scharf zurück. »Ich habe jedes Recht, die PATTGASTS HAMMER auf den Kopf zu stellen, wenn mir irgendetwas verdächtig vorkommt. Und das ist der Fall.«

Erstmals seit ihrem Zusammentreffen zögerte Goran einen Augenblick. »Hör zu«, sagte er schließlich, »das tut doch nicht not. Vielleicht war ich etwas unhöflich, das tut mir leid. Aber ich habe eine eilige Fracht und wollte so schnell wie möglich an die Reparatur gehen. Ich ...«

Das Argument ließ Ebelde nicht gelten. »Die Reparatur wäre mit unserer Hilfe viel schneller gegangen. Was hast du zu verbergen?«

Goran druckste einen Moment herum, dann packte er aus. »Meine Frachtpapiere sind möglicherweise nicht ganz aktuell.«

Ebelde hob eine Augenbraue.

»Ich habe umdisponiert«, gab er zu. »Die Wega ist als Ziel nicht besser als Sol. Ich war da. Auch da gibt's den Weltenbrand.«

»Und du hast vermutlich keine Antriebssegmente geladen«, soufflierte Ebelde.

»Doch, natürlich!«, protestierte Goran. Der Habitus der aufrichtigen Empörung passte nur schlecht zu seinem schmierigen Äußeren. »Aber nicht nur«, ergänzte er leise.

»Lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen«, forderte Ebelde gereizt.

»Ich leiste humanitäre Hilfe«, sagte der Mann. »Ich bringe Flüchtlinge aus dem Sonnensystem.«

»Und wohin?«, fragte Ebelde skeptisch. »Alle Sonnensysteme sind vom Weltenbrand betroffen.«

»Alle Sonnensysteme in der Milchstraße«, schränkte Xaver Goran ein.

Ebelde meinte, sich verhört zu haben. »Du willst mit einem tausend Jahre alten Schiff der STAR-Klasse die Milchstraße verlassen? Wie?«

Nun zeigte Goran wieder sein ekliges Grinsen. »Ich habe Antriebssegmente geladen. Was meinst du, wie weit man damit kommt, wenn man sie für das eigene Schiff verwendet?«

»Du bestiehlst deinen Auftraggeber«, übersetzte Ebelde.

»Ich leiste humanitäre Hilfe«, wiederholte Goran fest. »Was ist im Moment wichtiger? Reibungsloser Raumschiffbau auf Ferrol – oder möglichst viele Terranerinnen vor der Ekpyrosis zu schützen?«

»Terranerinnen?«, hakte Ebelde nach. Sie ahnte, worauf das hinauslaufen würde. Ihr Magen zog sich zusammen, und das hatte nichts mit irgendwelchen Quintronen zu tun, die auf ihr Nervensystem einwirkten.

»Natürlich.« Wieder keckerte der Mann. »Man kann ja nicht jeden retten. Also muss ich eine Auswahl treffen. Ich bin der ausgewiesene Spezialist für die Evakuierung hübscher Frauen aus dem Sonnensystem. Und die Reise nach Andromeda ist lang. Da wird der einen oder anderen zwischendurch schon etwas langweilig werden. Ich bin dann gern zu Diensten.« Er zog den Mund so sehr in die Breite, dass sein Fransenschnurrbart auch die blutige Unterlippe verbarg.

Diesmal war es Ebelde, die die Verbindung beendete. »Wir gehen an Bord«, sagte sie. Fugart wies sie an, ein Einsatzteam zusammenzustellen. »Und ich gehe mit«, verkündete sie zum Abschluss. »Dieses Ekel knöpfe ich mir persönlich vor.«

»Nichts von dem, was er vorhat, ist illegal«, erinnerte ihr Funker sie. »Also, der Diebstahl natürlich, aber den hat er noch nicht begangen. Und selbst wenn, wäre das nichts, was uns etwas angeht.«

»Völlig egal«, beharrte sie. »Wir überprüfen dieses Schiff auf Herz und Nieren. Wenn irgendwelche armen Seelen sich diesem Widerling ausliefern wollen, können wir nichts dagegen tun. Aber wir können zumindest sicherstellen, dass sie nicht unterwegs stranden. Und falls wir einen Grund finden, die PATTGASTS HAMMER ein für alle Mal aus dem Verkehr zu ziehen, habe ich auch nichts dagegen.«

Nach ihrem ersten Kommando folgte nun also ihr erster Außeneinsatz. Sie begann ihn mit Wut im Bauch.

Perry Rhodan 2998: Drei Tage zum Weltuntergang

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