Читать книгу Die magische Schwelle - Kai Pannen - Страница 11
ОглавлениеDER TEDDY – TEST
Um sicher zu sein, dass er sich wirklich auf der Modellanlage befand, musste Flo einen Beweis haben. Einen unverwechselbaren Gegenstand vorfinden, den er selbst auf die Anlage gesetzt hatte und der vorher garantiert noch nicht da war. Wer würde sich dafür besser eignen als sein alter Kuschelteddy Hulziwuk?
Flo machte eine Notfall-Durchsage. »Achtung, Achtung. In wenigen Sekunden landet ein Außerirdischer vor dem Bahnhof. Wir kennen seine Absichten nicht. Begeben Sie sich unverzüglich in Sicherheit! Und keine Sorge, das Militär ist auf dem Weg.«
Flo konnte es nicht lassen, die Landung seines Teddys als kleines Abenteuer zu inszenieren. Er setzte die Plastikfiguren vom Bahnhofsvorplatz in alle möglichen Winkel und Verstecke und stellte sich vor, wie sie panisch schreiend davonrannten. Seinen Chevi brachte er ein paar Straßen weiter in Sicherheit und setzte dann sein Kuscheltier vorsichtig mitten auf den frei gewordenen Platz.
»Rette sich, wer kann! Ein Riesenmonster, es wird uns alle vernichten!«, riefen die kleinen Plastikfiguren.
Ein paar Polizeiautos und Polizisten gaben der Szene eine hübsche Dramatik. Sie errichteten eine Absperrung um Hulziwuk herum. Aber mit Polizisten alleine konnte man dieser intergalaktischen Teddy-Invasion nicht Herr werden. Also nahm Flo schnell eine Schachtel mit kleinen Soldatenfiguren aus dem Regal und stellte sie mit ihren schussbereiten Gewehren um das Monster auf. Rundherum beobachteten die Figuren aus ihren Verstecken heraus das Spektakel und lugten ängstlich bibbernd zum Monster-Teddy. Es störte Flo nicht weiter, dass sie nach wie vor in ihren Posen verharrten. Das verliebte Pärchen küsste sich, Herr Brettschneider war in seine Zeitung vertieft, andere schleckten genüsslich ein Eis.
»Hulziwuk, du bleibst da sitzen. Und mach nichts kaputt, verstanden?« Natürlich hatte er nichts verstanden. Wie sollte er auch, er war ein Plüschtier. Und weggehen konnte er ohnehin nicht. Flo betrachtete zufrieden seine neue Szene und rannte dann hinunter zum Chevrolet.
Ein paar Straßen abseits des Geschehens stieg Flo wieder aus dem Kofferraum. Es musste die Stelle sein, an der er den kleinen Chevi auf die Anlage gesetzt hatte.
»Kakerlaken kriechen aus allen Ritzen. Die wahren Herren der Welt. Vergiften alles!«, rief Robbi. Flo hatte wohl dessen Figürchen direkt neben dem Chevi aufgestellt. Wie immer hatte der seinen Einkaufswagen dabei, in dem er sein gesamtes Hab und Gut aufbewahrte. »Du bist auch so ein außerirdischer Vogel. Bleib da. Überall sind sie, sie beobachten uns. Sie spielen mit uns.«
›Genau wie der echte Robbi‹, dachte Flo.
»Außerirdische! Teddybären! Vor dem Bahnhof! Mein Platz ist futsch. Sie wollen mich holen!«
»Ein Teddy, sagst du? Wie groß ist er denn? Größer als normal?«, unterbrach ihn Flo.
»Wer weiß schon, wie groß Teddys normalerweise sind?« Anscheinend sprach Robbi doch nicht immer nur mit sich selbst.
»Der ist wegen mir gekommen, um mich zu befreien«, brabbelte Robbi weiter. »Als ob. Zermalmen wird er dich wie ’ne Ameise«, ließ Robbi seinen unsichtbaren Begleiter entgegnen. »Aufsteigen mit ihm in andere Welten, er ruft mich, ich höre es!«
Flo nutzte die Gelegenheit, dass Robbi wieder mit sich im Gespräch war und machte sich auf den Weg zum Bahnhof. Sich als kleiner Minimensch zurechtzufinden, war viel schwieriger, als wenn man von oben herab die gesamte Szenerie überblickte. Vorsichtig schlich er im Schatten der Häuserreihen durch ein paar Gärten und schaute dann um die Ecke eines Gebäudes, das ihm bisher den Blick versperrt hatte. Und dann sah er ihn.
»Auweh, der ist ja riesig!«
Hulziwuk, sein kleiner Teddy, überragte alles in der Umgebung. Er saß mitten auf dem Bahnhofsvorplatz. Die Polizei hatte bereits eine provisorische Absperrung errichtet. Soldaten belagerten den Eindringling, Fotografen und Kamerateams wagten sich bis zur Absperrung, um sensationelle Aufnahmen zu machen. Ein paar Waghalsige waren aus ihren Verstecken gekommen und machten Selfies mit dem Monster im Hintergrund.
Auch wenn er sie ursprünglich selbst dort hingesetzt hatte, schlotterten Flo beim Anblick der vielen Polizisten und Soldaten die Beine. Er hatte genug gesehen, nun war es bewiesen: Er befand sich wirklich in der Miniaturwelt und er war eindeutig verrückt! Nichts wie weg, er musste ganz schnell wieder da raus.
Doch dann dröhnte das Kommando des Hauptmanns: »Hebt an das Gewehr! Auf mein Kommando! Fünf, vier, drei, zwei …«
»Halt, nicht schießen, bitte!«, rief Flo mit zitternder Stimme. Er konnte doch nicht zulassen, dass sie Hulziwuk einfach erschossen. Die Soldaten blickten sich suchend nach dem vorlauten Zwischenrufer um. Ihre grimmigen Blicke lasteten schwer auf Flo und ihm schoss sofort das Blut in den Kopf.
»Das ist Behinderung einer Militäraktion, junger Mann«, brüllte der Hauptmann. »Überhaupt, was hast du Knirps hier zu suchen? Geh zurück zu deinen Eltern!«
»Das ist mein Teddy, der gehört mir, Herr Hauptmann.«
»Und ich bin der Kaiser von China«, spottete der und rief dann an seine Männer gewandt: »Schnappt ihn euch und schafft ihn von hier fort!«
»Bitte nicht. Ich kann alles erklären«, flehte Flo.
Doch ein paar Soldaten stürmten bereits auf ihn los. Flo drehte sich um und rannte unter der Absperrung hindurch vor ihnen davon.
»Achtung! Kommando zurück, nicht schießen! Der Junge ist innerhalb der Absperrung!«
Die Soldaten senkten murrend ihre Gewehre, während Flo auf sein Kuschelmonster zulief. »Hulziwuk? Du tust mir nichts, oder?«
Hulziwuk klimperte fröhlich mit den Augen, als er Flo entdeckte.
»Du lebst ja wirklich«, sagte Flo fassungslos.
Hulziwuk beugte sich tief hinunter und ehe Flo sichs versah, wurde er von einer großen Tatze ergriffen und in schwindelnde Höhe gehoben. Mit seinen glänzenden Augen betrachtete sein Teddy ihn aus der Nähe. »Brommm«, machte der Teddy und drückte Flo sanft an sich. So wie Flo es umgekehrt schon Tausende Male mit ihm, seinem Kuscheltier, gemacht hatte. Es fühlte sich aber gar nicht mehr so kuschelig an. Das Fell war grob und drahtig und aus der Nähe betrachtet ziemlich verschlissen. Er versank tief im muffigen Haar. Nur noch dumpf hörte er die entsetzten Schreie von weiter unten.
»Lass mich runter. Ich krieg keine Luft mehr«, quetschte Flo mit Not hervor. Mochte die Umarmung auch noch so zärtlich gemeint sein, war es ihm, als wäre er in einen Schraubstock eingespannt. Endlich ließ Hulziwuk locker und setzte Flo sanft auf dem Boden ab. So schnell er konnte rannte er hinter die Absperrung.
»Junge, bist du wahnsinnig? Der hätte dich fressen können!«, brüllte der Hauptmann und drehte sich dann zu seinen Soldaten. »Der Junge ist frei, bereit machen zum Schießen!«
»Nein, bitte nicht! Der tut nichts. Der will nur kuscheln!«
Doch der Hauptmann hörte ihm nicht mehr zu. Auf sein Kommando feuerten die Soldaten ihre Gewehre auf Hulziwuk ab. Doch die Kugeln zwickten den Teddy lediglich und konnten sein dichtes Fell nicht durchdringen. Gereizt holte der sonst so friedliche Hulziwuk nun zum Gegenschlag aus. Mit seinen riesigen Armen hieb er auf das Dach des Bahnhofs ein. Flo war entsetzt! Er rannte auf den riesigen Bären zu und rief: »Aus, Hulziwuk! Das darfst du nicht! Du bist doch mein Teddybär!«
Der Bär hielt einen Moment inne und sah Flo an.
»Flieg dahin zurück, wo du hingehörst!«
Der Bär klimperte mit den Augen, dann hob er langsam ab und verschwand mit einem »Brommm« in der intergalaktischen Unendlichkeit.
Als die Leute aus ihrer Schockstarre erwachten, verbeugten sie sich voller Ehrfurcht vor Flo. Der Hauptmann kam mit gesenktem Kopf zu ihm herüber und brüllte: »Junger Mann, im Namen des obersten Minimalgeneralissimo Admiral Piepenbrink spreche ich meinen Dank für diese Heldentat aus und befördere Sie hiermit zum Ehrenadmiral auf Lebenszeit.«
Unter dem Applaus der Menge begleitete ihn eine Ehrenformation auf dem Weg zurück zum Chevi. Und wieder störte sich niemand daran, dass er einfach im Kofferraum verschwand.