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3.1 Allgemeines zur Wortstellung im Deutschen

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Die Wortstellung im Deutschen gilt einerseits als relativ frei, was auf die variable Anordnung von Elementen im Mittelfeld zurückzuführen ist, andererseits aber wird sie im Einzelfall durch das Ineinandergreifen von syntaktischen, pragmatischen, kognitiv-semantischen sowie prosodischen Faktoren determiniert (vgl. Speyer, 2011: 14).1 Zur Beschreibung der Wortstellung innerhalb des Satzes bietet sich zunächst das topologische Feldermodell an, das zuerst von Drach (1937) entworfen und später von anderen Sprachwissenschaftlern (vgl. z. B. Zifonun et al., 1997) weiterentwickelt bzw. modifiziert wurde.2 Ausgangspunkt hierfür ist die Beobachtung, dass die Teile des Verbalkomplexes in der deutschen Sprache als diskontinuierliche Konstituenten vorkommen und damit die restlichen Konstituenten einklammern. Als Folge dessen entsteht eine Satzklammer und der Satz wird in drei Felder gegliedert: Vorfeld, Mittelfeld und Nachfeld. Diese werden durch die Grenzmarker, d. h. die linke und die rechte Satzklammer, voneinander abgegrenzt (vgl. Pittner & Berman, 2013: 79):

Vorfeld Linke Klammer Mittelfeld Rechte Klammer Nachfeld
Sie hat ihn schon einmal gesehen irgendwo.

Tab. 1:

Das Stellungsfeldermodell des deutschen Satzes nach Pittner und Berman (2013: 79).

In der linken Klammer befindet sich der finite Teil, in der rechten Klammer der nicht-finite Teil des Verbalkomplexes. Die Form des finiten Verbs verändert sich im Deutschen in Abhängigkeit von den vier Kategorien Person, Numerus, Tempus und Modus. Das regelmäßige Flexionsparadigma für (thematische) Verben im Präsens kann folgendermaßen dargestellt werden:

Infinitiv machen
1. Singular mach(e)
2. Singular machst
3. Singular macht
1. Plural machen
2. Plural macht
3. Plural machen

Aus erwerbstheoretischer Sicht sind insbesondere die Kategorien Person und Numerus von Belang, denn der Erwerb der Subjekt-Verb-Kongruenz (SVK) bei monolingualen Kindern geht mit dem Erwerb syntaktischer Phänomene einher (vgl. z. B. Clahsen, 1982).3 Die Form des nicht-finiten Teils des Verbalkomplexes (des Infinitivs oder des Partizips) in der rechten Klammer bleibt unverändert. Die Besetzung der restlichen topologischen Einheiten, d. h. des Vor-, Mittel- und Nachfelds ist auch bestimmten syntaktischen Regelungen unterworfen. Im Vorfeld kann idealiter nur eine Konstituente stehen, die im unmarkierten Fall mit dem Subjekt identisch ist. Wenn keine besonderen Prinzipien dagegen vorliegen, kann sich aber auch jede andere Konstituente im Vorfeld befinden, ebenso wie ganze Sätze. Wird das Vorfeld durch eine andere Konstituente als das Subjekt oder ein Adverb besetzt, so handelt es sich um eine Topikalisierung. Unbetonte Elemente wie das Reflexivpronomen echt reflexiver Verben, Modalpartikeln, das akkusativische Personalpronomen es und abtrennbare Verbpartikeln können nicht im Vorfeld erscheinen. Eine Ausnahme macht das expletive es, das stets im Vorfeld stehen muss (vgl. Philippi & Tewes, 2010: 238f). Im Mittelfeld können im Prinzip alle Elemente des Satzes stehen, ausschließlich der Elemente, die andere Einheiten besetzen müssen. Die Anordnung der nominalen Elemente im Mittelfeld hängt zwar von pragmatischen Faktoren ab, es gibt aber einige feste Regeln, z. B. die unmarkierte Folge: Subjekt > indirektes Objekt > direktes Objekt. Im Nachfeld müssen wiederum mit sodass eingeleitete Sätze, dass-Komplemente von es scheint sowie Vergleichsphrasen stehen. Möglich sind auch eingebettete Komplementsätze, Relativsätze und umfangreiche oder nachgestellte Konstituenten. Dass-Komplemente von es heißt und finite Subjekt- oder Objektkomplemente zahlreicher Verben können entweder im Nachfeld oder auch im Vorfeld stehen (vgl. Philippi & Tewes, 2010: 239−242).4

Hinsichtlich der Stellung des finiten Verbs gibt es im Deutschen genau drei denkbare Positionen: Verberst- (V1), Verbzweit- (V2) und Verbendsätze (VE).5 In der ersten Position steht das finite Verb grundsätzlich in Aufforderungsätzen, Entscheidungsfragesätzen und Wunschsätzen ohne Komplementierer6. Kennzeichnend für sie ist das Nichtvorhandensein des Vorfelds und die Platzierung aller Satzglieder im Mittelfeld oder gegebenenfalls im Nachfeld. Die rechte Satzklammer kann hierbei leer bleiben, wohingegen die linke mit einem finiten Verb besetzt sein muss (vgl. Dürscheid, 2012: 76, 91).

Linke Klammer Mittelfeld Rechte Klammer Nachfeld
Komm doch mit mir ins Kino.
Wirst du heute mit mir ins Kino kommen, wenn du Zeit hast?
Kämst du doch mit mir ins Kino!

Tab. 2:

Felderbesetzung in V1-Sätzen nach Dürscheid (2012: 91).

Zur Klasse der Sätze mit V1-Stellung zählen darüber hinaus uneingeleitete, vorangestellte Nebensätze, die in einem übergeordneten Satz auch das Vorfeld besetzen können:

Vorfeld Linke Klammer Mittelfeld Rechte Klammer Nachfeld
Kommst du mit mir ins Kino, freue ich mich sehr.

Tab. 3:

Ein uneingeleiteter, vorangestellter Nebensatz als V1-Satz nach Dürscheid (2012: 91).

Laut Philippi und Tewes (2010: 237) können auch Deklarativsätze mit einem finiten Verb in der initialen Position vorkommen:

Vorfeld Linke Klammer Mittelfeld Rechte Klammer Nachfeld
Hat er doch das Auto gestohlen, ohne an die Folgen zu denken.

Tab. 4:

Ein Aussagesatz mit V1-Stellung nach Philippi und Tewes (2010: 236).

Da die V1-Stellung außerhalb des Bereichs der vorliegenden Arbeit liegt, wird sie hier nicht weiter behandelt. In den nachfolgenden Subkapiteln sollen stattdessen die V2-, VE- und Negationsstellung detaillierter beschrieben werden.

Der Altersfaktor beim fortgeschrittenen Zweitspracherwerb

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