Читать книгу Einer der auszog, um reich zu werden - Kanghan YUAN, Peter Kruse - Страница 9

Hast du einen Ladyboy in den Taschen, hast du immer was zum Naschen

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An unserem ersten Urlaubstag brechen wir gleich frühmorgens zum Flughafen auf mit dem Reiseziel Pattaya in Thailand. Hongs Erkältung ist trotz Abgehärtetsein nicht besser geworden und sie sehnt den Urlaub herbei. Ich hoffe sehr, dass die Wärme ihr gut tun und sie sich schnell in der klaren Luft erholen wird.

Ganz entspannt trete ich den Urlaub nicht an, denn mich interessiert brennend, weshalb mir der Bauträger und der Finanzberater noch nichts über den Baufortschritt sagen konnten? Der ganze Finanzierungsprozess hatte so einfach begonnen. Ich musste nur über die HSBC Bank in Hongkong mein Geld in Thai-Baht umtauschen und auf ein Konto in Thailand überweisen. Postwendend bekam ich die Bestätigung der Anzahlung und die unterschriebenen Vertragsunterlagen zurück. Jetzt will ich mir selbst ein Bild machen.

Aus Kostengründen besteht Hong auf einem Billigflug … keine Lounge, kein Essen, sitzen wie in einer Sardinenbüchse und kein Entertainment-System an Bord. Nachdem wir mit einer Stunde Verspätung in Bangkok angekommen sind, geht es im Reisebus weiter gen Süden. Der Bus bietet gegenüber dem Flugzeug einigen Komfort, er ist modern und gut klimatisiert: Außentemperatur 27 Grad, innen sind es angenehme 17. Doch des einen Freud ist des anderen Leid, denn Hongs Husten wird schlimmer.

Leider ist die Bequemlichkeit des Busses der einzige Vorteil, denn die Behauptung des Reisebüros, der Bus hielte am Hotel, war eine glatte Lüge. Ich hatte schon länger das Gefühl, dass chinesische Reisebüros ihren Kunden das Blaue vom Himmel versprechen, nur um schnell eine Buchung abschließen zu können. Meine Frau reagiert genervt und will sich beim Direktor des Reisebüros beschweren. Nach den vielen hungrigen Reisestunden geht es mir ähnlich und ich wäre jetzt liebend gern in unserem Hotel beim Abendessen. Für gewöhnlich werden Beschwerden abgewimmelt, aber mit viel Ausdauer bekommt Hong vielleicht eine Entschädigung.

Uns bleibt nichts anderes übrig, als an einer Haltestelle an der Hauptstraße auszusteigen und zu hoffen, dass es nicht mehr weit bis zum Hotel ist. Glücklicherweise steht eine Garküche neben der Haltestelle und wir essen uns erst einmal satt. Wir nutzen die Gelegenheit und erkundigen uns nach einem Taxi, denn die Entfernung zum Hotel ist mit dem Gepäck als Ballast zu groß zum Laufen. Der Besitzer kennt einen Fahrer, doch der lässt uns noch eine ganze Stunde warten, so dass wir am späten Abend endlich im Hotel in Nord-Pattaya eintreffen. In ein paar Tagen werden wir in ein Hotel im Süden der Stadt umziehen, damit wir so bequem die ganze Stadt erkunden können. Das zweite Hotel ist zwar etwas teurer, aber von dort können wir den gesamten Strand überblicken. Hong ist wirklich eine tolle Reiseplanerin.

Am nächsten Morgen hat sich die Landschaft stark verändert, denn die nächtliche Flut hat den Strand verschluckt, so dass an unseren geplanten Joggingausflug am Ufer nicht zu denken ist. Auch ist das Wasser im Meer etwas schmutzig. Vielleicht liegt es daran, dass ein Container-Hafen in Sichtweite liegt. Zum Glück oder vielleicht gerade deshalb gibt es einen Hotelpool, den wir nun jeden Morgen und Abend zum Schwimmen benutzen.

Bei meiner Erkundungstour durch das Hotel entdecke ich im Garten einen Billardtisch. Endlich kann ich Hong Billardspielen beibringen, das wollte sie schon immer lernen. Aber dabei gibt es ein Problem: Hong verliert nicht gern. Also versuche ich, strategisch vorzugehen und zeige ihr erst einmal, wie man den Queue hält und damit richtig anvisiert. Doch nach einer Weile wird Hong ungeduldig und widmet sich lieber ihrem WeChat.

So erfährt sie, dass der britische Autohersteller Aston Martin in China eine Fehlinvestition getätigt hat, was sie gleich ausführlich an mich weiterreicht: »Die Einkäufer wollten die Einkaufskosten für ein bestimmtes Teil unbedingt von 800 Renminbi auf 200 drücken. Doch die Rechnung ging nicht auf und die Briten mussten eine Rückrufaktion starten.«

»Der Einkäufer hat den Wareneingang wahrscheinlich nicht kontrolliert, sondern sich einfach auf die Angaben des Lieferanten verlassen. In China ist das ein schwerwiegender Fehler«, weiß ich aus eigener Erfahrung zu berichten.

In diesem Zusammenhang erzählt Hong mir, dass immer mehr Ausländer in chinesischen Unternehmen arbeiten. »Doch immer wieder scheitern sie aufgrund kultureller Unterschiede. Das hat mit unterschiedlicher Führungskultur zu tun. China ist ein konfuzianisch geprägtes Land. Autorität und Respekt gegenüber Vorgesetzten haben einen hohen Stellenwert. Im Umgang mit chinesischen Chefs solltest du dich unauffällig verhalten. Am besten ist es, wenn du einfach nur zuhörst.«

Sie spielt weiter auf ihrem Handy herum und sprudelt plötzlich eine chinesischen Weisheit heraus: »Was bedeutet es, wenn du nur ein kleines Vögelchen bist und jemand auf dich scheißt?« Ohne eine Antwort abzuwarten plappert sie weiter: »Merke, nicht jeder, der auf dich scheißt, ist dein Feind. Stell dir nur mal vor, du würdest gerade erfrieren und plötzlich kommt eine Kuh, die einen Fladen auf dich niedersausen lässt. So bleibst du immerhin warm. Aber was wäre, wenn stattdessen ein Adler vorbeifliegt, deinen fröhlichen Gesang hört und dich frisst?«

Aha, denke ich mir. Ich bin zwar kein Vogel, aber ich weiß immerhin, dass man besser den Kopf unten halten sollte.

Meine Frau ist wieder auf WeChat abgetaucht und weitere Neuigkeiten erreichen meine Ohren. »Ein Chinese muss durch unbedachte Nutzung seines Handys nun auf seine Villa verzichten, denn als er im Ausland unterwegs war, hatte sich sein Telefon automatisch mit dem Internet verbunden. Wieder zuhause erlebte der Arme sein blaues Wunder …« Hong wird hektisch und bekommt es mit der Angst zu tun, denn sie hat einen offenen Auslandszugang, um mit ihren Eltern chatten zu können. Augenblicklich lässt sie ihn sperren, nur für alle Fälle. Dank WeChat ist sie jetzt ein Stückchen klüger.

Ich bin gelassener und glaube, dass schon nichts passieren wird. »Nur weil sich ein Handy mit dem Internet verbindet, verliert man ja nicht gleich Haus und Hof. Was hatte das automatische Verbinden zur Folge?«, will ich von Hong wissen.

»Ganz einfach, die Gebühren für das Ausland sind in China extrem hoch, willkürlich und nicht kontrollierbar. Zudem ist das von der Regierung so gewollt, um Reisen und Geschäfte mit dem Ausland und den Geldabfluss ins Ausland zu limitieren.«

Abends suchen wir wieder eine der einheimischen Garküchen auf, denn hier bekommt man in kurzer Zeit ein günstiges Essen. Allerdings muss man ein bisschen aufpassen, da manche Händler nur das schnelle Geld machen wollen und sich nicht darum kümmern, ob die Lebensmittel frisch und sauber sind. Als Faustregel gilt: Dort, wo viele Touristen und Thailänder essen gehen, ist es gut. Wenn ein Restaurant zur Abendzeit immer noch leer ist, sollte man es meiden. Dieselbe Regel gilt für ganz Asien.

Hong plagt wieder der Husten, wir müssen morgen unbedingt neuen Hustensaft kaufen.

Nach einem reichhaltigen Frühstück mit Reissuppe und Fisch – ungewöhnlich, aber auch das kann ein leckeres Essen zu dieser Tageszeit sein – fahren wir ins Zentrum von Pattaya. Nachdem wir Hongs Medizin besorgt haben, schauen wir uns den Strand und den Hafen an, machen ein paar Fotos und ruhen uns dann in einem Restaurant am Hafen aus. Durch das Fenster kann ich auf den Strand sehen und entdecke ein paar chinesische Touristen, die in einer Reisegruppe unterwegs sind und eine Bootsfahrt unternehmen wollen.

»Jetzt möchte ich endlich mal die Gelegenheit nutzen, die Eigentumswohnung anzusehen, die ich vor vier Jahren gekauft habe. Ich hatte damals eine erste Anzahlung geleistet, aber der Bau hat offenbar noch nicht begonnen.«

»Sollen wir zuerst zum Grundstück oder erst zum Bauträger fahren?«, fragt Hong.

»Natürlich zuerst zum Grundstück, dann können wir den Bauunternehmer vielleicht mit ein paar Fakten konfrontieren, wenn er noch nichts geleistet hat«, entscheide ich.

»Es ist sehr verwunderlich, dass du eine Eigentumswohnung kaufst, ohne jemals vorher dort gewesen zu sein. Zudem kann es sein, dass du als Ausländer überhaupt nichts kaufen darfst«, wendet Hong ein.

»Ich will ja nicht dort wohnen, es ist eine reine Kapitalanlage mit guter Rendite. Sie wird über eine Servicefirma vermietet und mit der jährlichen Preissteigerung ergibt sich eine satte Rendite. Aber nur, wenn das Gebäude mit dem Schwimmbad auf dem Flachdach fertiggestellt wird. Zu deiner zweiten Frage: Nach dem Gesetz darf ein geringer Prozentsatz von Immobilien an Ausländern verkauft werden, ist also alles rechtmäßig.«

Nach ewig langer Suche finden wir dann das Grundstück, auf dem ein Gebäude stehen sollte, doch es liegt noch brach. Von Bauarbeiten keine Spur. Und was noch schlimmer ist: Auf dem Grundstück wohnen zahlreiche Menschen, die sich dort einfach wilde Behausungen gebaut haben. Kein Wunder, dass die noch nicht mit dem Bauen anfangen konnten. Wir gehen schnurstracks zum Bauträger, der uns den Schlamassel eingebrockt hat. Der Geschäftsführer ist ausgerechnet heute verreist. Wäre er auch verreist gewesen, wenn wir vorher einen Termin vereinbart hätten? Wir sind im Urlaub und haben Zeit, also vereinbaren wir bei seiner Sekretärin einen Termin. Gleichzeitig werden wir aber noch einen Rechtsanwalt einschalten, denn schließlich habe ich einen schriftlichen Vertrag geschlossen.

»Ich will diese Woche mein Geld zurück haben!«, poltere ich.

Aber Hong bremst mich: „Das ist bloß ein frommer Wunsch, das würde in Deutschland auch nicht so schnell funktionieren. Wenn das Grundstück brach liegt, hat der Bauträger keine Lizenz zum Bauen bekommen oder ist bereits pleite. Warum hast du nicht vorab einen Termin mit den Agenten oder dem Bauträger vereinbart? Als Investor hätten sie dich sogar vom Flughafen abgeholt. Wenn man im Ausland investiert hat und sich von einem Baufortschritt überzeugen will, fliegt man doch nicht einfach los, sondern macht vorher Termine oder klärt wenigstens, dass die entsprechenden Personen auch verfügbar sind.«

Zum Glück habe ich von den Chinesen gelernt, dass man sich beim Essen wunderbar entspannen kann. Also suchen wir uns in der Innenstadt ein Restaurant, genießen das leckere Thai-Essen und beobachten den Sonnenuntergang. Hong nutzt die Gelegenheit, um mir eine neue Lektion in Sachen Geschäftsessen mit Chinesen zu erteilen. Mit seinen Lieferanten essen zu gehen, ist ungemein wichtig – so viel weiß ich schon. Obwohl ich seit fünf Jahren in China privat und geschäftlich unterwegs bin, glaubt Hong, ich habe von den Chinesen noch nicht viel gelernt, da sie alle Geheimnisse für sich behalten, um dem Ausländer gegenüber im Geschäftsleben im Vorteil zu sein.

Recht hat sie, denn ich bewege mich nicht in der chinesischen Kultur, spreche meist nur Englisch und verhalte mich deutsch. Also bin ich Hong dankbar, dass sie mir elementare Grundsätze beibringen möchte, auch wenn ich einige schon kenne.

»Mitarbeiter scheuen sich normalerweise, direkt neben dem Chef zu sitzen. Aber zu weit weg zu sein, ist auch nicht so gut. Wer sich neben den Chef setzt, wird vielleicht für einen Schleimer gehalten, wer zu weit weg sitzt, könnte in den Augen des Vorgesetzten desinteressiert wirken. Oder der Chef könnte dann glauben, der Mitarbeiter könne ihn nicht leiden.«

»Dann wird ja jeder versuchen, irgendwo in mittlerer Entfernung zu sitzen.« Das Gerangel stelle ich mir gerade bildlich vor. »Irgendjemand muss aber den Schwarzen Peter ziehen.«

Hong nickt und erklärt weiter: »Auch bei der Bestellung im Restaurant können Neulinge in China Fehler machen. Außergewöhnliche Speisen erregen immer Aufmerksamkeit und das ist gar nicht gut. Chinesen neigen mehr zum Understatement.«

»Also bloß nicht auffallen?«, folgere ich.

»Genau! Und solltest du zufällig auf die Idee kommen, Affenhirn zu bestellen, könnte man dich als gewalttätig einstufen, denn um an das Gehirn zu gelangen, schlägt der Koch einem lebendigen Affen den Schädel ein.«

Meine Gesichtsmuskeln verziehen sich schmerzhaft und angeekelt. »Danke für den Tipp, aber Affenhirn werde ich wohl zu Lebzeiten nicht probieren.«

Beim chinesischen Geschäftsessen läuft es folgendermaßen: Jeder bestellt eine Speise, die dann auf ein großes drehendes Rondell in der Mitte des Tisches gestellt wird. Üblicherweise ordert der Gastgeber ein Gericht mehr, als Gäste am Tisch sitzen, denn niemand soll schließlich denken, der Chef sei ein Geizkragen.

»Und es ist höflich, von allem etwas zu probieren«, mahnt Hong. »Auf keinen Fall solltest du dich nur auf deine Leibspeise konzentrieren und alles andere links liegen lassen.«

Mein Gedankenkarusell ist aktiviert, denn schon des Öfteren habe ich bei Geschäftsessen nur das gegessen, was ich mag. Hoffentlich ist das keinem aufgefallen. Vielleicht bekommt man ja auch als Ausländer einen kleinen Nachsichtigkeitsbonus.

»So ein gemeinsames Essen mit der Firma ist natürlich auch eine gute Gelegenheit, mit dem Chef ein bisschen zu plaudern. Bei Fragen solltest du jedoch niemals zugeben, etwas nicht zu wissen, sondern einfach irgendeine plausibel klingende Antwort geben, auch wenn sie falsch ist. Chefs mögen vor allem Leute, die sich Zahlen, Daten und Fakten merken können.«

»Moment mal«, unterbreche ich meine Frau verwirrt. »Ich soll lieber falsche Antworten geben als gar keine?«

»Richtig«, bestätigt Hong, »denn die Antwort nicht zu kennen, wird man dir als Gesichtsverlust auslegen, und das ist immer peinlich. Wenn du fertig gegessen hast, alles stehenlassen und gehen. Der Gastgeber wird bestimmen, welche übrigen Speisen eingepackt und mitgenommen werden. Das Einpacken übernimmt die Bedienung. Das kennst du ja schon. Und dann …« Der letzte Satz geht in Husten unter.

Das gefällt mir gar nicht und ich rate ihr, dringend etwas dagegen zu unternehmen, denn Dauerhusten kann zu chronischer Bronchitis und schließlich zu einer Lungenentzündung führen.

Hong hat momentan andere Probleme, denn sie schlägt sich mit Fliegen und Moskitos herum. Weil sie ihr Moskitospray vergessen hat, muss sie alle Viecher von Hand totschlagen.

Mich lassen diese Insekten in Ruhe, aber ich schreibe mir in Gedanken bereits eine Einkaufsliste für wichtige Dinge. Dabei trinke ich noch ein Glas Wein.

»Wein enthält viele Sulfite, aus denen werden Sulfate und daraus kann Krebs entstehen.«

Um ihre eigene Gesundheit macht sich Hong offenbar keine Sorgen, dafür umso mehr um meine. Seufzend gebe ich mich geschlagen und bestelle einen Traubensaft. Chinesische Investoren kaufen immer mehr Weingüter auf der ganzen Welt auf, da bleiben in China noch viele Gelegenheiten für einen guten Tropfen.

Mein Magen schmerzt mal wieder. Das Sodbrennen nährt meinen Verdacht, dass auch in dem Thaiessen zu viel Zucker und künstliche Geschmacksverstärker verwendet worden sind. Sodbrennen führt zu Magengeschwüren und die können sich eines Tages ebenso zu Krebs weiterentwickeln, nehme ich Hongs Denkweise auf. In China kaufen viele Ausländer mittlerweile Obst und Gemüse frisch auf dem Markt und bereiten es zuhause selbst zu, das ist am gesündesten und am billigsten. Eigentlich müsste man nur kochen können und alle Probleme wären gelöst.

Mal wieder ohne Zusammenhang meint Hong, wir würden gut zusammen passen.

Da stimmt was nicht, ahne ich und sollte Recht behalten.

»Ich bin schnell, du bist langsam. Ich bin klug, du bist dumm. Ich bin reich, du bist arm, ich bin hübsch und du bist hässlich, ich bin hart und du bist weich, ich bin großzügig und du bist geizig. Außerdem bin ich stark und du bist schwach.«

»Ein tolles Team sind wir«, sage ich zum Spaß, da ich weiß, dass Widerspruch nur Ärger bringt.

Zwei Tage später steht der Umzug in das andere Hotel in Süd-Pattaya an, das mehr in der Natur und näher zur Stadtmitte liegt. Gestern haben wir uns einen Ausruhtag gegönnt, da Hong trotz des Hustensaftes immer noch stark hustet und sich erholen wollte. Ich habe mir etwas Bewegung in einem Tai-Chi-Kurs und im Swimmingpool verschafft.

Nun fahren wir mit dem kostenlosen Hoteltaxi auf der morgendlichen Route in die Stadtmitte. Da es leider nicht bis zu unserem Ziel fährt, gehen wir mit unseren rollenden Koffern die letzten paar Meter zum Krankenhaus zu Fuß, um den Husten endlich richtig behandeln zu lassen.

»Wäre es nicht sinnvoller gewesen, uns mit einem Taxi bis zum neuen Hotel fahren zu lassen, einzuchecken und die Koffer wenigstens abzustellen, statt mit Sack und Pack ins Krankenhaus zu gehen?« Hong schaut mich fast anklagend an.

Ich sehe das anders. »Das neue Hotel liegt im Süden, wir würden viel Zeit verlieren. Zudem können wir erst nach dem Mittagessen einchecken. Wir hätten uns direkt mit dem Taxi zum Krankenhaus fahren lassen können, aber das hätte wieder Geld gekostet und du willst ja nicht so viel ausgeben. Ich denke, wir haben den preiswertesten und schnellsten Weg gewählt.«

Unsere Diskussion hat zur Folge, dass wir schon in der Klinik angekommen sind. Die Untersuchung zeigt, dass Hong glücklicherweise noch keinen Lungenschaden hat. Sie bekommt einige Medikamente verschrieben und muss sich an die Anweisungen halten, wie die Tropfen und Tabletten einzunehmen sind. Zudem soll sie sich schonen und braucht nicht wiederzukommen, wenn eine Besserung eintritt. Sie bezahlt alles mit ihrer Kreditkarte.

Für die Fahrt zum Fünfsternehotel nutzen wir doch ein Taxi, da ein Spaziergang mit sämtlichem Gepäck sicher nicht zu Hongs Schonung beiträgt. Aber ganz so schlecht scheint es ihr nicht zu gehen, denn nach dem Einchecken wirft sie mir fast feindselig vor, die schwarzhaarige Thai-Dame in rotem Kleid an der Rezeption angelächelt zu haben, die sogar zurückgelächelt haben soll.

Das hatte ich weder bemerkt noch beabsichtigt. »Es ist im Tourismusbetrieb üblich, dass die Angestellten an der Hotelrezeption die Gäste mit einem Lächeln begrüßen und deren Angelegenheiten auch so regeln«, rechtfertige ich mich, denn ich will im Urlaub keinen Streit wegen Hongs übertriebener Eifersucht hervorrufen. Es gab schon mehrere solcher Fälle und ich glaube, sie beruhigt sich wieder, wenn ich den Ball flach halte.

Abends spazieren wir am Strand entlang und genießen ein gutes Essen. Doch Hong beklagt ihre Mückenstiche und beschwert sich bei mir: »Du liebst mich nicht, sonst hättest du an das Moskitospray gedacht«.

Ich habe anschließend gleich Moskitospray gekauft.

In der Nacht regnet es. Bevor wir uns dann auf den Weg zum Bauträger machen, mit dem ich am Morgen einen Termin vereinbart habe, schwimme ich ein paar Runden im Hotelpool. Der etwa fünfzigjährige Bauträger stammt aus Norwegen und weiß sich zu kleiden. Er lebe hier schon seit zehn Jahren, versichtert er mir, wohl um Vertrauen aufzubauen. Doch das ist mir egal und ich verlange mein Geld zurück, doch der Bauträger erklärt mir, dass dies nach thailändischem Gesetz nicht möglich sei. Er versucht, uns trotz der ausweglosen Situation zu beruhigen, denn wenn alle Investoren ihr Geld herausziehen würden, wäre er sofort pleite.

Hong ist wenig begeistert und bedroht den Bauträger mit einer Wasserflasche, da er sie beleidigt hätte. Wogenglätten meinerseits hat keinen Erfolg und erreicht eher das Gegenteil, denn Hong will das Gespräch mit dem Handy aufnehmen, aber der Bauträger verbietet es. Als sie ein paar Bilder von dem »Environmental Impact Agreement EIA« knipst, während der Bauträger und ich über Google Earth das Grundstück betrachten, läuft die Situation Gefahr zu eskalieren. Der Bauträger verlangt, dass diese Bilder wieder gelöscht werden, aber Hong weigert sich. Letzten Endes empfiehlt der Bauträger, das Apartment nach dem Bau zu verkaufen. Natürlich ist das nicht der Ausgang des Gesprächs, den ich mir erhofft hatte.

Direkt neben dem Showroom des Bauträgers entdecke ich ein Rechtsanwaltsbüro und da Hong sich mit thailändischen Immobiliengesetzten nicht auskennt, will ich von einem Insider meine Chancen offenlegen lassen. In ihrer impulsiven Art droht Hong mir nun mit der Scheidung, falls ich dort hingehen sollte, denn der Verdacht läge sehr nahe, dass der Bauträger und der Rechtsanwalt sich kennen und es zu keiner objektiven Beratung kommen würde. Wie um mir recht zu geben, beginnt es zu regnen, und da nur ich im Besitz eines Regenschirms bin, willigt Hong ein, mich in das Anwaltsbüro zu begleiten. Glücklicherweise verlangt der junge britische Rechtsanwalt für das Anfangsgespräch keine Gebühren und so erkläre ich ihm die Situation. Der Rechtsanwalt unterbreitet uns seinen Lösungsvorschlag: Zuerst sollte untersucht werden, ob der Vertrag zwischen mir und dem Bauträger überhaupt rechtskräftig ist. Zudem wäre es sinnvoll, Briefe immer über ihn laufen zu lassen, da der offizielle Charakter den Druck erhöhe. Nach einer aufschlussreichen Stunde verabschieden wir uns und beim Hinausgehen bemerkt Hong, dass der Rechtsanwalt auch Apartments und Wohnanlagen verkauft. Sie verlangt einige Prospekte von ausgewählten Objekten und eröffnet mir später, sie möchte eventuell in Pattaya eine Jugendherberge eröffnen. So hätten wir eine langfristige Einnahmequelle und könnten kostenlos hier wohnen. Um Personal zu sparen, müssten wir generell vor Ort sein, um alles herzurichten.

Wir laufen durch die Stadt, besorgen Tickets für die heutige Travestie-Show im Tiffanys und ergattern noch preiswerte T-Shirt und Jeans. Das erweist sich als kluger Schachzug, denn im Theater ist es kalt. Hongs Erkältung scheint sie noch fest im Griff zu haben, denn um sich zu wärmen, zieht sie alle gekauften Sachen übereinander an.

Während der Show wartet sie mit einer kuriosen Businessidee für den Veranstalter der Ladyboy-Show auf, um herauszufinden, wie gut die Show ankommt. Ein Gerät soll messen, bei welchem Prozentsatz der anwesenden Männer der Penis steht. Auf mein geschätztes Verhältnis von 99:1 will sie wissen, ob sich die 99 % auf einen erigierten Penis beziehen? Ich verneine, da der Show sämtliche Erotik fehlt. Als wir das Theater verlassen, ist es bereits Nacht. Wir fahren mit einem Baht-Bus, einem zum Personentransport zugelassenen umgebauten US-amerikanischen Pick-up, durch die Stadt, essen an der Straße Gemüsesuppe und laufen dann ins Hotel. Der Name Baht-Bus stammt aus der Zeit, als der Fahrpreis pro Person nur einen Baht betrug, allerdings müsste er mittlerweile 20-Baht-Bus heißen.

Völlig unerwartet bricht im Zimmer eine Beschwerdetirade über mich herein, denn Hong ist wütend auf mich und behauptet, ich würde versuchen, sie auszunutzen. Fast den ganzen Tag hätte wir mit meinen Immobilienproblemen zugebracht und wie Urlaub habe sich das nicht angefühlt, daher verlangt sie, dass ich die Gesamtkosten für unsere Reise trage.

Um die Urlaubsstimmung nicht zu vermiesen, schlage ich vor, dass ich alles zahlen würde, sollten wir mehr geschäftliche Angelegenheiten als private wahrnehmen. Damit erklärt sich Hong glücklicherweise einverstanden, so dass unser Streit rasch beigelegt ist. Als ich jedoch die Kostenteilung für zukünftige gemeinsame Urlaube anspreche, ist es mit der trauten Einigkeit wieder vorbei. Auch mein argumentatives Kompliment, Hong sei doch eine sehr moderne Frau, verfehlt seine Wirkung um Äonen. Sie droht mir mit Scheidung nach unserer Rückkehr, da sie weder von mir noch von anderen ausgenutzt werden möchte, und geht schlafen.

Am nächsten Morgen wird mir klar, dass der Streit gar nicht hauptsächlich ums Geld geht, sondern Hongs Eifersucht mal wieder die Oberhand gewonnen hat. Nach meinen üblichen Poolrunden erfahre ich, dass Hong mein Handy durchsucht hat, als ich im Wasser war. Sie erstaunt mich immer wieder, denn sie hat alle meine früheren SMS-Korrespondenzen mit ehemaligen Freundinnen notiert. Nun wirft sie mir vor, dass ich immer Backup-Lösungen suchte.

Was soll ein Mann darauf antworten? Ich versuche, das Beste daraus zu machen, und antworte ehrlich: »Ich habe dich geheiratet, um mit dir glücklich zu sein! Ich habe keine kleine Dritte und natürlich habe ich auch nicht vor, dich zu betrügen.«

Sie kontert in der ihr eigenen Logik. »In unserer Beziehung fühle ich mich oft wie ein Investor. Ich frage mich immer wieder, ob du ein gutes Objekt bist, in das es sich zu investieren lohnt. Immerhin sinkt dein Wert mit fortschreitendem Alter und mit deinem Machtverlust in der Firma. Wenn deine jetzige Firma dich nicht mehr braucht, bist du pleite und von mir abhängig«.

Manchmal frage ich mich wirklich, was in ihrem hübschen Köpfchen vorgeht. Ich habe schon für viele Firmen gearbeitet und es wird immer eine neue Firma geben, bei der ich einen Job finde. Ich bin da pragmatisch.

Da sie offenbar ihre Meinung zum Thema Eifersucht erschöpfend kundgetan hat, wechselt sie wieder zum Problemkind Geld, während wir uns auf dem Weg zum Anwaltsbüro machen, um noch Details zu klären. Hong ist noch immer der Meinung, sie zahle den gesamten Urlaub, und fühlt sich betrogen. Zudem seien wir schon wieder nur wegen meiner dummen Immobilie unterwegs. Wenn sie das vorher gewusst hätte, wäre sie niemals mitgekommen.

In meiner Erinnerung steht das zwar anders geschrieben, denn sie hatte dem Urlaub mit Grundstückbesichtigung zugestimmt, aber ich bin lieber der Klügere, der nachgibt.

Zu allem Überfluss lässt sich der Anwalt nicht blicken und erklärt am Telefon freundlich, er verspäte sich eine Stunde. Um die Zeit zu überbrücken, erkunden wir die nähere Umgebung und finden uns auf einer Gay-Straße wieder. Im zweiten Stock eines Gebäudes entdecken wir ein Lokal, aus dem Livemusik auf die kleine Seitenstraße dringt, und beschließen, nach dem Treffen mit dem Anwalt dort einzukehren. Besagter Jurist lässt noch auf sich warten, aber letztendlich verläuft das Gespräch positiv, so dass ich den Vertrag unterzeichne. Während ich mir im Lokal zur Feier des Tages einen ganzen Liter Bier vom Fass gönne, begnügt sich Hong mit einem Saft und einer Rüge. Es sei lediglich ein Anwaltsvertrag zustande gekommen, der im Moment nur Geld verbrate und einen erfolgreichen Ausgang nicht garantiere.

Das Bier wird mit der Zeit warm und schmeckt nicht mehr. Ich fühle mich sogar etwas unwohl und möchte nur noch ins Bett.

Trotz der vielen Stunden Schlaf fühle ich mich am nächsten Morgen schlapp und in meinem Kopf hämmert es ganz gewaltig. Was war bloß in dem Bier gewesen? Hat da jemand reingepinkelt? Hong und ich hatten heute eigentlich einen Ausflug zu einer benachbarten Insel geplant, ziehen es nun aber doch vor, am Strand zu relaxen.

Am späten Nachmittag erkundige ich mich an der Hotelrezeption nach der nächstgelegenen Bank, da ich die Gebühren für den Rechtsanwalt aufgrund der geringeren Kosten gleich hier in Thailand mit meiner deutschen Kreditkarte überweisen möchte. Die Gebühren konnte ich nicht direkt beim Anwalt per Kreditkarte begleichen. Zudem zurück in China wird die Überweisung nach Pattaya bestimmt wesentlich teurer. Es gibt zwar Möglichkeiten, ohne Konto bei der gewählten Bank Geld zu überweisen, allerdings muss man dieses in bar dort einzahlen, was zum einen umständlich und zum anderen sehr kostenintensiv ist, da die nicht gerade geringen Gebühren noch abhängig von der Höhe des Überweisungsbetrages sind. Macht auch nicht jede Bank, und wie sich das in Pattaya verhält, kann ich jetzt noch nicht sagen. Doch soviel Thai Baht als Bargeld hat Hong und ich nicht dabei. Wenn ich das Bargeld hätte, könnte ich es ja gleich zum Anwalt tragen.

Ich hoffe, das eine solche Transaktion über Kreditkarte möglich ist, ich bin Optimist. Und ob es sinnvoll ist, erst das Geld mit der Kreditkarte abzuheben und dann als Bargeld wieder einzuzahlen, um die Überweisung zu tätigen, ist auch fraglich.

Doch die Wegbeschreibung der Hotelrezeption stellt sich als falsch heraus, so dass wir uns durchfragen müssen. Nach einem Spießrutenlauf durch die Nachbarschaft teilt uns schließlich die Angestellte einer Wechselbude mit, dass sich die nächste Bank ein gutes Stück von hier entfernt befinde. Nach den ersten Schritten entlang der schmutzigen und stark befahrenen Hauptstraße entscheiden wir uns entnervt für ein Taxi. Nachdem ich mit dem Fahrer den Fahrpreis ausgehandelt habe und Hong zahlt, wirft sie mir einen kritischen Blick zu. »Du bist viel zu weich beim Verhandeln. Du wirst niemals reich werden!«

Ich ignoriere ihren Einwand und schaue schweigend aus dem Fenster. Der Geldtransfer mit der Kreditkarte erweist sich erstaunlicherweise als unproblematisch und ich überweise auch gleich etwas Geld an Hong, damit sie mir nicht mehr vorwerfen kann, sie zahle den Urlaub allein. Anschließend machen wir es uns bei einem leckeren Eis in einer Eisdiele gemütlich und besichtigen danach einen Nachtmarkt, wo mir ein Schild mit der Aufschrift »Traditionelle Thai-Massage« ins Auge springt. Meine Frau willigt nur unter der Bedingung ein, dass sie mich dabei fotografieren dürfe. Damit habe ich kein Problem, aber in dem kleinen, mit Ventilatoren und Aquarien vollgestellten Laden teilt uns eine hübsche Thai-Dame am Empfang mit, dass keine Kameras erlaubt seien. Als ich nach einer Stunde wieder am Empfang stehe, fühle ich mich gute zehn Jahre jünger, doch dieses Gefühl wird schlagartig zunichte gemacht, als ich feststelle, dass ich meine Geldbörse im Hotel vergessen habe. Das fällt mir jetzt erst auf, denn meine Kreditkarte steckt ja immer in meiner Brusttasche, Hong hat immer bezahlt, so daß ich mein Portemonnaie nicht brauchte.

Hong weigert sich, meine Rechnung aus unserer gemeinsamen Reisekasse zu begleichen. Ihre Begründung, sie hätte schließlich nichts von der Massage gehabt, da sie eine ganze Stunde lang das Wandbild gegenüber der Sitzbank anschauen musste, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber dass sie nicht wisse, was oben im ersten Stock vor sich gegangen wäre und dass ich vielleicht mit der Dame Sex gehabt hätte, ist an Absurdität nicht zu überbieten.

»Das ist doch lächerlich«, entgegne ich. »Jetzt komm schon, ich habe kein eigenes Geld dabei. Außerdem hättest du dir auch eine Massage gönnen können.«

Mein treuer Hundeblick verfehlt leider seine Wirkung, denn Hong empfiehlt mir trotzig: »Dann arbeite deine Schulden doch als Putzmann ab!«

Eigentlich ist diese Vorstellung sehr witzig, aber ich halte mich mit meiner Erheiterung zurück, um ihren Unmut nicht noch zu schüren, und bitte sie nochmals, meine Schulden zu zahlen. Endlich gibt sie nach.

Auf der Straße essen wir eine Portion Shrimps und kaufen Tee und Früchte, bevor wir mit dem Baht-Bus zurück zum Hotel fahren.

Der Sonntagmorgen begrüßt uns mit einem strahlendblauen Himmel – schade, dass wir heute abreisen. Ich gönne mir vor dem Frühstück die letzten Runden im Pool, bevor die anderen Hotelgäste meine Bahnen blockieren.

Ich habe mich daran gewöhnt, vom Hotelpersonal mit »Dobroe utro« begrüßt zu werden, und grüße fröhlich zurück, als sei ich einer der vielen Russen, die uns im Hotel und in der Stadt begegnet sind. Wir setzen uns an einen Tisch auf der Terrasse mit Blick auf das Meer.

Während ich entspannt das sanfte Spiel der Wellen beobachte, versorgt mich Hong mit weitausschweifenden Informationen, die sie bei Gesprächen mit den russischen Hotelgästen erfahren hat. Ich dränge zum frühzeitigen Aufbruch, denn ich möchte am Flughafen noch die Mehrwertsteuer für unsere Souvenirs zurückerstattet bekommen. Dafür müssen wir etwas Zeit einplanen, da wir uns in mindestens zwei Schlangen einreihen müssen. Auf der Taxifahrt zur Busstation ziehe ich die gestern gekauften Früchte aus meiner Tasche und stelle mit Schrecken fest, dass diese von Ameisen übersät sind. Auch auf meinem Laptop krabbeln die verdammten Viecher herum. Angewidert und verärgert werfe ich wie in Thailand üblich die Tüte aus dem Fenster und wische meinen Laptop ab.

Um Hong die Möglichkeit zu geben, mit ihrem Wissen zu glänzen und sie dadurch auch zu besänftigen, nehme ich mir vor, sie ganz oft über solche Dinge auszufragen, doch sie bremst mich erst einmal aus, indem sie mich darauf hinweist, dass sie noch im Urlaub sei. Daher dürfe ich erst wieder Fragen stellen, wenn wir in China sind. Während ich noch überlege, ob das gleich nach Überfliegen der chinesischen Grenze der Fall ist oder ob sie doch eher an Zuhause gedacht hat, begrenzt sie die Anzahl der Fragen auf eine pro Tag. Ab der zweiten Frage sei alles kostenpflichtig.

»Ein deutscher Ehemann ist dann ja ein gutes Business für Chinesinnen«, bemerke ich ironisch. Aus ihrem mit einem Lächeln behafteten Nicken kann ich nicht erkennen, ob sie meiner Aussage voll zustimmt oder die Ironie erkannt hat.

»Um reich zu werden, müssen wir einfach etwas Außergewöhnliches machen«, sagt sie schließlich.

»Wir könnten eine App entwickeln und die dann teuer verkaufen«, schlage ich scherzhaft vor, denn auf diesem Gebiet kennen wir uns beide nicht aus.

Doch Hong hat eine andere, bessere Idee. »Künstliche Organe. Die meisten Chinesen ernähren sich unvernünftig und brauchen sicherlich irgendwann das eine oder andere Organ. In China ist es bereits im letzten Jahr gelungen, eine funktionstüchtige lebende Niere mittels Bio-Tinte und 3D-Druck herzustellen.«

Ich meine, das gäbe es auch schon im Westen und treibe die Herumspinnerei weiter: »Diese chinesische Niere beinhaltet weder Venen noch Blutkanäle und hat nur eine viermonatige Lebensdauer, da ist noch viel Entwicklungsarbeit notwendig und ob die Qualität dann ausreicht, sei dahingestellt. Um selbst einen Prototypen für künstliche Organe herzustellen, musst du beispielsweise für Professoren an Universitäten Geld zahlen, damit sie für dich einen Prototypen bauen.«

»Die Professoren werden nichts machen und nur das Geld nehmen. Die meisten Veröffentlichungen der chinesischen Professoren sind nur Übersetzungen aus dem Westen, die sie als ihre eigenen verkaufen. Den Prototypen muss ich schon selber bauen und dafür muss ich einen 3D-Drucker und das entsprechende Material kaufen«, antwortet Hong.

Ich schüttle mit dem Kopf. »Von diesem Business habe ich keine Ahnung. Ich weiß nur, wie man gesund lebt und Krankheiten vorbeugt. Außerdem ist allgemein bekannt, dass Hingerichteten in China auch ohne deren Zustimmung die Organe entnommen werden. Sogar Deutsche mit genügend Kleingeld reisen nach China, um sich ein Organ quasi auf Bestellung transplantieren zu lassen. Bei diesem Thema läuft mir immer ein Schauer über den Rücken.«

Der Refund am Flughafen, die Rückzahlung der Steuern, klappt gut. Beim Check-in erfahren wir, dass unser Gepäck die Obergrenze tangiert, aber nicht überschreitet. Das ist nicht dem Glück allein zu verdanken, denn ich habe meinen Trolley nicht ganz auf das Band gelegt, unser mitgebrachtes Essen hinter meinen Rücken versteckt und so viele Klamotten wie möglich übereinander angezogen. In meinem Übermut mache ich der Schalterdame den Vorschlag, doch auch die Personen zu wiegen und eine Obergrenze von einhundert Kilogramm zu setzen. So könnten schlanke Personen mehr mitnehmen, Dicke entsprechend weniger. Das wäre in meinen Augen viel gerechter und für das Flugzeug mache es keinen Unterschied, ob das zusätzliche Gewicht im Passagierraum oder beim Gepäck mitfliegt.

Die Dame versteht natürlich nicht, was ich meine und schaut mich verwirrt an. Da nur ihr Schalter geöffnet ist und die Schlange hinter mir stetig wächst, wird sie nervös. Leider ist sie trotz allem aufmerksam genug, das Essen hinter meinem Rücken zu entdecken, und fordert mich auf, es auf das Band zu legen. Dem »Cost Cutting« verdanke ich, dass es doch nicht dazu kommt, denn die kleinen Papierstreifen für die Koffer kommen gerade aus dem Drucker und so erhalte ich rasch meine Papiere zurück und werde hastig weiter gewinkt, damit der Nächsten abgefertigt werden kann.

Da wir am Gate noch etwas Zeit haben, checke ich an einem Internet-Terminal meine Mails. Die Verbindung ist allerdings sehr langsam, so dass ich nicht viel erreicht habe, als unser Flug aufgerufen wird. Ich versuche, mich auszuloggen, doch als ich meinen Account erneut aufrufe, lande ich direkt in meinem Postfach. Ich werde nervös, vor allem da Hong zum Boarding drängt. Kurzerhand ziehe ich den Stecker und hoffe, dass mich niemand beobachtet hat.

Im Flugzeug ist der Platz sehr knapp, ich kann meine Füße nicht ausstrecken, geschweige denn am Laptop arbeiten. Jedes Mal wenn der Trolley der Stewardess ohne Vorwarnung vorbeikommt, stößt er mit meinem Arm zusammen, der im Gang hängt. An Schlafen ist auch nicht zu denken, da sich Chinesen lautstark unterhalten und Kinder herumschreien und den Gang auf und ab laufen. Eine Frau versucht, sich etwas Ruhe zu verschaffen, indem sie ein Tuch über den Kopf stülpt und ihn samt Tuch auf dem Klapptisch ablegt. Sieht nicht sehr bequem aus und wird an den Umgebungsgeräuschen wohl kaum etwas ändern. Ich sehne mir Ohrstöpsel und eine Schlafmaske herbei, als mir auch noch mein Rücken durch Schmerzen mitteilt, dass eine starre Haltung in nicht verstellbaren Sitzen nicht zu bevorzugen ist. Die Leichtigkeit, die ich nach meiner Massage verspürt habe, ist nun endgültig dahin. Billigflieger haben eben doch ihren Preis.

Ein Unterhaltungsprogramm fehlt gänzlich und außer Arbeiten fällt mir nichts ein, was ich machen könnte. Hong findet das Flugmagazin und erklärt mir aus Langeweile den neuen achtsitzigen französischen Privatjet Falcon 5x der französischen Firma Dassault mit viel »Raum für Business«.

Ich gebe zu bedenken, dass nun nur noch das richtige Business dazu fehle, um den Kaufpreis, den Unterhalt und die drei Crewmitglieder zu bezahlen. Dann hängt wieder jeder seinen Gedanken nach und wünscht sich nach Hause.

Später erzählt mir Hong, dass die thailändische Königsfamilie gerade abseits vom Trubel in ihrer Sommerresidenz in Hua Hin Urlaub macht. Dieser Ort liegt von Pattaya aus gesehen auf der anderen Seite des Golfs von Thailand und ist das älteste Seebad dieses Landes. »Das wollen die Chinesen auch, deshalb boomt dort das High-End-Immobiliengeschäft und in der Umgebung gibt es mittlerweile schon elf Golfplätze. Hua Hin ist zudem von Shanghai aus in nur einem Tag zu erreichen.«

»Dann sollten wir wohl Golf lernen und bald mit unserer nagelneuen Falcon 5x nach Hua Hin jetten«, scherze ich.

Wie erwartet ist Shanghai immer noch sehr kalt. Punkt Mitternacht hält das Taxi vor unserer Wohnanlage in Taicang. Bevor ich mich schlafen lege, genehmige ich mir ein Gläschen des Aufwärmkräuterschnapses meines Schwiegervaters und ändere das Passwort für meinen E-Mail-Account.

Einer der auszog, um reich zu werden

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