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Arbeitslos

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„Guten Morgen. Mein Name ist Christina Schubert und ich würde gerne mit Ihrem Personalchef sprechen.“ Es war ihr gefühltes 246. Telefonat. Die Buschtrommeln in München funktionierten besser als im Urwald. Es hatte meist nur einige Minuten gedauert, bis der Personalchef oder der Chef der Buchhaltung oder einfach nur irgendein Mitarbeiter ihr mitteilte, dass sie leider keinen Bedarf hätten. Und wenn Bedarf wäre, dann nicht sie. Diese Tatsache hatte ihr zwar niemand direkt gesagt, sie hörte es jedoch zwischen den Zeilen deutlich heraus.

Der Fall Neumüller tauchte nach dem Aufdecken noch tagelang in der Presse auf. Jetzt – vier Wochen später – fand man ihn jedoch nur mehr unter dem Kleingedruckten. Das machte auch Tina Mut, dass sie bald eine Stelle finden würde.

Die Polizei hatte sie noch zwei Mal gründlich befragt und ihr Dokumente vorgelegt, an die sie sich nicht erinnern konnte, diese jemals unterschrieben zu haben. Sie ärgerte sich noch immer, dass sie ihrem Chef so blind vertraut, und eigentlich immer alles unterschrieben hatte, wenn er ihr etwas vorlegte. Niemals wäre sie auf die Idee gekommen, dass er Geld bei Seite schaffen würde.

Ihre 64 m² Wohnung lag in der Nähe des Englischen Gartens und sie genoss einen Spaziergang darin, sooft es ihr möglich war. Die letzten Wochen hatten auch ihren körperlichen Tribut gefordert. Ihr war oft schlecht, vor allem morgens übergab sie sich des Öfteren. Das lag wahrscheinlich an ihren unregelmäßigen Essenszeiten und den Sorgen um ihre Zukunft. Noch konnte sie von ihren Reserven leben, aber bald würde sie sehr sparsam sein müssen. Schließlich musste sie die Miete von 850 Euro ohne Betriebskosten irgendwo auftreiben.

In der letzten Woche hatte sie bereits ihrer Putzhilfe gekündigt. Tina hatte ja nun etwas mehr Zeit und wusch und bügelte nun selbst. Erstmals seit ihrem Einzug in München. Als Studentin hatte sie sich selbst geschworen, immer genug Geld zu verdienen, dass sie sich für die grobe Hausarbeit eine Hilfe anstellen konnte.

Sie überlegte, ihre Zeitschriftenabos zu kündigen. Was derzeit jedoch nicht viel Ersparnis einbrachte, da diese ja bereits vorab bezahlt worden waren.

Christina fertigte eine Liste über ihre laufenden Ausgaben an und war selbst erstaunt, wie viel sie bisher für Ausgehen und Kleidung ausgegeben hatte. Das musste sich ändern. Sie stützte ihren Kopf auf ihre Hände und seufzte tief. Ihr Handy klingelte. Oma. Der ihr liebste Mensch auf Erden. Ein Lächeln kam unwillkürlich auf ihre Lippen.

„Hallo, meine Kleine. Ich weiß, ich störe dich wie immer. Aber ich wollte hören, wie es dir geht.“

„Oma, du störst nie. Es geht mir gut.“ Was gelogen war. Gerade heute hatte sich sie am Morgen mehrmals übergeben. Wahrscheinlich vom Stress und den blanken Nerven.

„Was macht deine Arbeit?“

„Ja … ja … passt alles. Wie immer.“ Was sollte sie auch sagen?

„Bei mir ist auch alles in Ordnung. Meine Füße werden schon etwas schwach. Dr. Glaser meint, dass ich früher oder später ein neues Knie benötigen werde.“

„Wenn der Arzt es meint, musst du ihm vertrauen.“

„Ja, aber wer soll sich um meine Hühner und um Charlie kümmern. Ich kann doch nicht einfach mehrere Wochen wegfahren.“ Ihre Hühner. Und vor zwei Jahren hatte sich Oma auch noch einen Hund aufschwatzen lassen. Noch immer das leidige Thema. Und dennoch unverzichtbar für ihre Großmutter, die mit den Eiern ihre schmale Pension etwas aufbesserte.

„Weißt du was, das übernehme ich.“ Was? Woher kam dieser unsinnige Gedanke?

„Was? Das geht nicht! Du kannst nicht so lange bei mir bleiben! Deine Arbeit!“

„Unsinn. Die Firma wird ohne mich schon nicht zugrunde gehen.“ Im Gegenteil. Die Firma hatte ihr Leben zugrunde gerichtet. Tina scheintot. Firma lebt. Hurra! „Ich komme. Füttere deine Hühner. Verkaufe die Eier. Spaziere mit Charlie durch die Gegend. Überwache dein Haus. Besprich mit Dr. Glaser, wann du operiert werden kannst und ich bin da.“

„Wirklich? Danke, Christina. Du bist die Beste.“

Christina, die Beste, schlug sich selbst mit der Zeitung mehrmals gegen den Kopf. Was war nur los mit ihr? Warum hatte sie sich dazu bereit erklärt? Auf der anderen Seite hatte sie derzeit keine besseren Alternativen. Eine Anstellung wollte ihr niemand anbieten und auch sonst sah es eher traurig aus. Sie hatte zu niemandem engen Kontakt und die letzten Wochen praktisch als Einsiedler gelebt.

Auf ihre Oma hatte sie sich in ihrem bisherigen Leben immer verlassen können. Ihre Mutter war mit 17 schwanger geworden und hatte das Baby einfach bei ihrer Mutter abgeladen und war in die Welt verschwunden. Christina erhielt zu Weihnachten und zum Geburtstag ein kurzes SMS, wo sie gerade war. Nicht dass sie ihr fehlte. Für sie war ihre Oma ihre eigentliche Mutterfigur. Oma Herta hatte sie groß gezogen, ihre Wünsche erfüllt, ihre Sorgen angehört, ihr eigenes Leben für das von Tina hintangestellt. Dabei bewohnte sie selbst nur ein kleines Häuschen in Walding. Irgendwo im Nirgendwo. Sie erhielt nur eine bescheidene Pension, klagte jedoch nie über finanzielle Sorgen.

Tina begriff schon in jungen Jahren, dass es ihr finanziell nicht besonders rosig ging und so wusste sie, dass sie, um studieren zu können, auf sich selbst gestellt war. Sie übernahm kleine Gelegenheitsjobs, von denen sie das Geld immer weglegte und sparte und so kam sie in Wien während des Studiums ganz gut über die Runden. Die Hühner mit ihren Eiern waren ein kleines Zubrot für ihre Oma und Tina verstand, dass sie darauf nicht verzichten konnte und wollte.

Mit einer Tasse Tee in der Hand ging sie zum Postkasten hinunter und traf dort auf einen jungen Mann, den sie im Haus noch nie gesehen hatte.

„Hallo? Wohnen Sie hier?“

„Hello. My name is Ty. Ich wohne derzeit in 3a. Ich studiere. Ich habe die Wohnung von Stefan gemietet, der derzeit in Italien ein Auslandssemester macht.“

„Herzlich willkommen. Freut mich. Was heißt gemietet?“

„Ich habe im Internet nach einer Möglichkeit zum Wohnen gesucht. Möbliert. Befristet. Es gibt Portale, wo das angeboten wird. Und ich gehe dann ja nach Kansas wieder zurück. Ich muss weiter. Schönen Tag noch.“

„Ebenfalls.“ Nachdenklich blickte Christina Ty hinterher. Befristet vermieten. Vielleicht wäre das auch für sie eine Möglichkeit. Bis sie eine neue Stelle fand, konnte sie bei ihrer Oma wohnen und ihre Wohnung vermieten. Dann wären zumindest die Kosten abgedeckt. Sie musste das klären, ob die Hausverwaltung ein derartiges Untervermieten duldete.

Neugierig stöberte sie sofort durchs Internet und war überrascht über die große Anzahl an Portalen, die derartige Leistungen anboten.


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Mit Urlaubssouvenir nach Walding

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