Читать книгу Vegetarische Aroma-Bibel - eBook - Karen Page - Страница 10
ОглавлениеMAXIMALES GESCHMACKSERLEBNIS
FÜR EINE NEUE, NACHHALTIGE KÜCHE
»Ich hätte mir nicht träumen lassen, wie viel Geschmack sich auch ohne Butter, Sahne, Milch, Eier und andere Grundzutaten erreichen lässt. Hier muss wohl eine gute Fee zum Küchenteam gehören, die ihren Feenstaub über Töpfe und Pfannen verteilt. Ich konnte gar nicht begreifen, wie sich in der veganen Küche in so kurzer Zeit so viel tun konnte, ohne dass dies gleichzeitig eine Welle der Begeisterung ausgelöst hatte.«
Alan Richman, Restaurantkritiker, über das vegane Restaurant Vedge in Philadelphia
Im Laufe der Geschichte haben sich Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen vegetarisch ernährt. Die gängigsten Motivationen dafür lassen sich in drei Kategorien unterteilen: Tiere zu essen, ist nicht gesund, ist nicht gut für andere und für die Umwelt und ist ethisch nicht vertretbar. Heute kommt noch ein weiterer, ganz anderer Grund hinzu: Auf Fleisch und Milchprodukte zu verzichten und sich ganz auf pflanzliche Produkte zu konzentrieren, eröffnet den Weg zu maximaler Geschmacksvielfalt.
Terrance Brennan, dessen seit über zwanzig Jahren in Manhattan bestehendes Restaurant Picholine schon vielfach ausgezeichnet wurde – unter anderem mit zwei Michelin-Sternen und drei Sternen von der »New York Times« – und eines der besten vegetarischen Degustationsmenus Amerikas bietet, erläuterte mir, wie er nach und nach seine Kürbissuppe perfektioniert hat: »Nachdem ich festgestellt hatte, dass das Geschmacksprofil des Kürbisses durch Geflügelfond zu sehr in den Hintergrund gedrängt wurde, habe ich stattdessen Gemüsefond verwendet. Und dann habe ich statt eines klassischen Gemüsefonds einen Fond aus Kürbis gemacht, um einen noch intensiveren Kürbisgeschmack zu erreichen. Aber ganz zufrieden war ich immer noch nicht – irgendwann wurde mir klar, dass der Rahm, den ich bis dahin immer in meine Kürbissuppe gegeben hatte, nur dazu beitrug, das Kürbisaroma abzuschwächen, ohne etwas zum Geschmack beizutragen, also ließ ich ihn weg.«
Moment mal, wie war das? Dieser klassisch ausgebildete Küchenchef hat im Laufe der Zeit eine Kürbissuppe – nebenbei bemerkt eine der besten ganz Amerikas – kreiert, die im Grunde genommen vegan ist? Ähnlich überrascht war ich gewesen, als ich während der Recherchen zu meinem ersten Buch erfahren hatte, dass der französische Küchenchef Michel Richard in seiner französischen Zwiebelsuppe auf Fleischfond verzichtete und diesen durch Misobrühe ersetzte, weil er zu der Erkenntnis gekommen war, dass sie der Suppe genauso viel, wenn nicht gar mehr Fülle und Umamigeschmack verlieh, und dies ohne den Eigengeschmack der Zwiebeln zu übertönen. In seinem Buch »Happy in the Kitchen« verrät Richard unter anderem auch Rezepte für Pilzfond und Tomatenfond, die ebenfalls als leichtere vegetarische Alternativen zu Fleischbrühe für Saucen verwendet werden können. Es war Jean-Georges Vongerichten, der mit seinem bahnbrechenden, 1990 erschienenen Buch »Simple Cuisine« eine Lanze gebrochen hatte für die Verwendung rein pflanzlicher Brühen, Fonds und Vinaigrettes anstelle der herkömmlichen klassischen Fonds.
»Es ging mir nie darum, veganes Essen zu kreieren. Mein Ziel war immer, gutes Essen zu kreieren. (…) Tief in meinem Innersten bin ich letztlich immer noch der Höhlenmensch, der sich von diesen fleischigen, über Feuer entstehenden Röstaromen angezogen fühlt, und so habe ich auch immer gekocht. Ich möchte Menschen an das heranführen, was Essen bedeuten kann, wenn man es erst einmal losgelöst von sämtlichen Etiketten betrachtet.«
Richard Landau, Restaurant Vedge, Philadelphia
FÜNF TRENDS FÜR EINE NEUE, NACHHALTIGE KÜCHE
Eine Reihe von Trends verschmelzen in einer neuen, modernen Art zu kochen und zu essen, die weder einen Verzicht auf Genuss noch auf Ganzheitlichkeit mit sich bringt. Das kommende Jahrzehnt wird die Entwicklung einer neuen, nachhaltigen und respektvollen Küche erleben, in der die folgenden Aspekte zusammenfließen werden:
– Vegetarismus
– Gesundheit
– Globalisierung
– Gastronomie
– Geschmack in all seinen Facetten
VON DER RANDERSCHEINUNG ZUM MAINSTREAM
»Rund 70 Prozent unserer Gerichte sind vegetarisch.
Wir rücken immer mehr von all dem Fleisch ab.«
Daniel Humm, »Eleven Madison Park«, in einem Interview auf grubstreet.co
Während der prozentuale Anteil überzeugter Vegetarier seit 1999 relativ stabil geblieben ist, ließ sich in den vergangenen fünfzehn Jahren sowohl bei der Zahl der Veganer als auch der weniger strengen Flexitarier ein Anstieg verzeichnen. All dies hat dazu beigetragen, dass der Anteil vegetarischer Gerichte auf den Speisekarten der Restaurants deutlich gestiegen ist. Auch in vielen Restaurants der Spitzenklasse scheint es immer selbstverständlicher zu werden, eine Küche mit weniger Fleisch anzubieten. In vielen Ländern gibt es mittlerweile Initiativen für einen fleischfreien Tag in der Woche, an dem Restaurants vegetarische Gerichte anbieten und in öffentlichen Kantinen auf Fleisch verzichtet wird.
Jahrhunderte nachdem in Asien buddhistische Mönche erstmals einen Ersatz für Fleisch entwickelten – Zutaten auf der Basis von Soja oder Weizengluten, die in Aussehen, Textur und Geschmack verschiedenen Fleischarten nahekommen –, sind diese nicht-tierischen Eiweißquellen dank des Aufkommens vegetarischer Asia-Restaurants und Asia-Shops mit den entsprechenden Zutaten zum Mainstream geworden. Auch andere Alternativen für Fleisch, Milchprodukte und Eier, die sich inzwischen großer Beliebtheit erfreuen, werden sicherlich nicht so schnell wieder aus den Supermarktregalen oder von den Speisekarten vegetarischer und veganer Restaurants verschwinden. Die Zahl spezifisch vegetarischer und veganer Restaurants hat zudem auch über das gesamte Spektrum hin gesehen zugenommen, also von der Imbissbude zu Fast-Food-Ketten, die vor allem in Großstädten immer häufiger zu sehen sind.
Immer mehr Menschen werden sich über die enorme Bedeutung der Ernährung bewusst und beginnen, gesundheitliche Aspekte in ihren Essensgewohnheiten zu berücksichtigen. Viele rücken ab von Fleisch, Eiern und Milchprodukten (ganz zu schweigen von raffinierten und industriell hergestellten Nahrungsmitteln sowie sehr salz-, zucker- und fettreichen Speisen) zugunsten einer nährstoffreichen, vollwertigen, vorwiegend pflanzlichen Ernährung. Mit dem zunehmenden Alter der Bevölkerung werden wir insgesamt nicht einfach nur älter, sondern auch weiser – und greifen vermehrt zu Nahrungsmitteln, die genauso lecker wie gesund sind.
WACHSENDE VIELFALT DANK GLOBALISIERUNG
Nahrung ist seit jeher eine Verkörperung von Kultur und ein Schlüsselfaktor der Globalisierung (man denke nur an die Gewürzrouten), durch die sich die Bandbreite der Zutaten, Kochtechniken und Geschmacksprofile immer weiter ausbreitet und vermischt. Weltweit verschmelzen die Kulturen und tauschen sich aus, Zutaten und Gewürze wandern heute in Windeseile um den Globus. Vor zehn Jahren standen auf einem durchschnittlichen Gewürzregal vielleicht gerade zehn Gewürze, heute sind es oft gegen vierzig. Vor zehn Jahren hätte sich niemand für Gewürze wie Asafoetida, Curryblätter, Tamarinde, Mangopulver oder Granatapfelsirup interessiert, die heute dagegen häufig über die Ladentheke gehen. »Alle diese Zutaten passen besser zu vegetarischen Gerichten als zu Fleisch«, erläutert eine Gewürzhändlerin. »Auch Currymischungen verkaufen sich besser als je zuvor, genauso wie Garam-Masalas – und beides passt ausgezeichnet zu Gemüsegerichten.«
Die zunehmende Verwendung einer großen Gewürzpalette spiegelt sich in der sich stetig weiterentwickelnden Art zu kochen – in authentischen und traditionellen Gerichten ebenso wie in Gerichten der Fusion-Küche, in denen sich die Einflüsse verschiedener Landesküchen verbinden. Mit der zunehmenden weltweiten Verfügbarkeit von Zutaten geht es beim Kochen heute weniger um die Herkunft einer Zutat als um das Aroma- und Geschmackserlebnis als solches. Diese radikale Wandlung erfordert auch bei der Zubereitung einen neuen Ansatz – und letztlich ebenso ein neues Genre vegetarischer »Kochbücher«, die nicht nur anhand von fixfertigen Rezepten klassische Gerichte bieten, sondern die dazu inspirieren, auf der Grundlage fantasievoller und harmonischer Geschmackskombinationen neue Gerichte zu kreieren. Und so entstand das Buch, das Sie in Händen halten.
DIE VEGETARISCHE KÜCHE: EINE KÜCHE OHNE GRENZEN
»Bei richtiger Zubereitung und sorgfältigem Abschmecken bieten Gemüsegerichte ein Potenzial an Geschmack, bei dem Fleisch nicht mithalten kann. In der indischen Küche sind Hülsenfrüchte, Reis und Getreide die Grundzutaten, und Gemüse ist unser ›Fleisch‹. Was unsere Küche von anderen unterscheidet, ist die Tatsache, dass wir schon am Anfang des Kochvorgangs Aromen und Gewürze zugeben, noch bevor das Gemüse hinzukommt, in der Regel werden dazu Kreuzkümmel, Koriander, Senfsamen, Zimt usw. in etwas Öl angeröstet. (…) Mit einem ganzen Arsenal an Würzmitteln, die sich problemlos das ganze Jahr über lagern lassen, sind wir in der Lage, aus Blattgemüse und grobem Wurzelgemüse – für sich genommen oft eher langweilige Zutaten – Gerichte zu zaubern, die auf dem Tisch glänzen und auf der Zunge tanzen.«
Suvir Saran, Küchenchef und Kochbuchautor
Es gibt eine ganze Welt vegetarischer Küchen, die weit über die farblose Kartoffel-Grünkohl-Kost hinausgehen, die immer noch in den Köpfen vieler Fleischesser herumspukt. Die Länder dieser Erde sind unauflöslich mit ihren Bräuchen und ihrer ureigenen Küchen verknüpft, und dabei liefert jedes Land, jede Region auch ihre ganz eigene Version köstlicher Gerichte auf der Basis von Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Getreide und Körnern, Nüssen und Kernen – zusammengenommen eröffnet sich somit eine Welt schier endloser Möglichkeiten.
Viele Köche und Kochbuchautoren lassen sich durch die unterschiedlichsten Speisen aus verschiedenen Teilen der Welt inspirieren, und in den größeren Städten findet man all diese Dinge sozusagen vor der Haustür.
Als Erstes ist hier die indische Küche zu nennen, die von ihrem Ursprung her vegetarisch ist. Sowohl die Anhänger des Hinduismus als auch die des Jainismus und Taoismus befolgen aus religiösen Gründen eine vegetarische Lebensweise, mal mehr mal weniger streng. Und so ist es nicht verwunderlich, dass Indien von allen Ländern der Erde den höchsten prozentualen Anteil an Vegetariern aufweist. Vegetarier sind daher in indischen Restaurants immer auf der sicheren Seite.
Die Küchen der südostasiatischen Länder mit einem hohen Anteil an Buddhisten sind meist sehr vegetarierfreundlich, bestes Beispiel hierfür sind thailändische und vietnamesische Restaurants. Hier ist es relativ einfach, Fleischgerichte oder Gerichte mit Milchprodukten zu umgehen, indem man sich an Gemüsecurrys, Pad Thai mit Tofu oder eine vegetarische Pho-Nudelsuppe hält. Allerdings erweist es sich manchmal als Herausforderung, das allgegenwärtige Würzmittel Fischsauce (in vietnamesischen Restaurants heißt sie Nuoc Cham) zu vermeiden – obwohl es auch hierfür Alternativen gibt, beispielsweise die helle Sojasauce oder eine Sauce aus fermentierten schwarzen Bohnen. Der indonesischen Küche haben wir nicht nur den Tempeh zu verdanken, indonesische Restaurants bieten stets auch eine vielfältige Auswahl vegetarischer Gerichte. Ebenso die Küche Malaysias mit ihren köstlichen mit Kokosmilch, Galgant und Zitronengras abgeschmeckten Currys und gebratenen Nudelgerichten.
Auch die taiwanesische Küche bietet aufgrund buddhistischer Glaubensüberzeugungen eine große Auswahl vegetarischer Gerichte, neben Tofu, Reis, Nudeln und Gemüse auch eine Vielzahl von Fleischimitaten. Die Gerichte enthalten häufig keinen Knoblauch, keinen Lauch und keine Zwiebeln (nach buddhistischer Lehre sind diese Nahrungsmittel zu vermeiden, da sie die Sinne übermäßig anregen).
Ebenso hat Japan dank seiner buddhistisch geprägten Vergangenheit eine lange Tradition als Land mit vegetarischer Lebensweise, weshalb Vegetarier es in japanischen Restaurants nicht allzu schwer haben werden, etwas zu finden.
Auf den Speisekarten chinesischer Restaurants findet man immer auch eine große Auswahl vegetarischer Gerichte. China ist die Heimat der wohl raffiniertesten vegetarischen Küche der Welt, und die erlebt gerade ein Comeback: Vor einem Jahrzehnt gab es gerade mal ein halbes Dutzend vegetarische Lokale in Peking, heute sind es wieder mehr als siebzig, und auch in den chinesischen Lokalen rund um den Globis zeigt sich dieser Trend.
Die nahöstlichen Küchen (z. B. die israelische, libanesische, syrische und türkische) bieten eine Vielzahl vegetarischer Gerichte, von gefüllten Weinblättern zu zahllosen Gerichten mit Sprossen und Getreide. Köstlich ist zum Beispiel das libanesische Gericht Mujaddara aus Tellerlinsen, Bulgur und gebratenen Zwiebeln oder die im ganzen arabischen Raum beliebten Falafel, frittierte Bällchen aus Kichererbsen, Kräutern und Gewürzen. Und nicht zu vergessen die leckeren Sabich, Pitabrote gefüllt mit gegrillter Aubergine und Hummus.
Koschere jüdische Restaurants kochen und servieren Fleisch und Milchprodukte nicht gleichzeitig, daher kann man sicher sein, dass Gerichte mit Milchprodukten kein Fleisch enthalten (allerdings sollte man sich vergewissern, dass kein Fisch enthalten ist, das den jüdischen Speisegesetzen zufolge nicht unter Fleisch fällt). Etwa 8,5 Prozent der Bevölkerung Israels lebt vegetarisch, und der Veganismus ist stark auf dem Vormarsch.
Stellvertretend für den afrikanischen Kontinent sei hier die äthiopische Küche genannt, die durch Migranten auch bei uns eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. Aufgrund religiöser Gebote für Zeiten des Fastens und des Verzichts auf Fleisch, Eier und Milchprodukte bietet sie verschiedene interessante vegetarische Gerichte. Typisch sind die Injera genannten dünnen, weichen Fladenbrote, die dazu verwendet werden, bei einer Mahlzeit häppchenweise geschmorte Hülsenfrüchte, Blattgemüse und andere Gemüsesorten aufzunehmen.
Pasta und Pizza stehen bei Vegetariern schon lange ganz oben auf der Liste; sie sind schon in der traditionellen italienischen Küche sehr oft vegetarisch und werden inzwischen bisweilen auch in veganer Variante angeboten. Immer mehr Menschen können sich auch damit anfreunden, Emmer, Dinkel und andere Getreide und Körner nach der allseits beliebten Art eines Risottos zuzubereiten. Damit steigt die Zahl der Möglichkeiten abwechslungsreicher Gerichte enorm an.
NEUE HERAUSFORDERUNGEN AN DIE GASTRONOMIE
Im 18. Jahrhundert beschrieb der Gastrosoph Jean-Anthelme Brillat-Savarin die Feinschmeckerei und Kochkunst als »die theoretisch begründete Kenntnis alles dessen, was auf den Menschen als nahrungnehmendes Wesen Bezug hat. Ihr Zweck ist, vermittelst der bestmöglichen Ernährung die Erhaltung der Menschheit zu sichern«. Letztlich läuft alles auf zwei Punkte hinaus: die Zutaten auf der einen Seite, die Techniken und Methoden für deren Zubereitung auf der anderen.
Seit der Zeit, als Alice Waters 1971 in Berkeley ihr Lokal Chez Panisse eröffnete und den Entschluss fasste, sich niemals mit Zutaten von minderer Qualität abzugeben, hat es in Bezug auf die Vielfalt und die Qualität der heute verfügbaren Produkte riesige Fortschritte gegeben. Mit ihrer klaren Absage an die Verwendung industriell hergestellter Nahrungsmittel leitete sie gewissermaßen eine Revolution ein – und lenkte auch die Lebensmittelwirtschaft in eine neue Richtung –, indem sie selbst den direkten Kontakt zu Bauern und anderen Erzeugern suchte und sich ihr eigenes Netz von Lieferanten aufbaute. In den vergangenen Jahrzehnten ist die Zahl von Bauernmärkten und Initiativen der gemeinschaftlichen Solidarischen Landwirtschaft sowie die Nachfrage nach regionalen Produkten enorm angestiegen. Gemüse entwickelt sich zunehmend zum neuen Highlight auf dem Teller, reine Fleischgerichte rücken zunehmend in den Hintergrund. Zahlreiche Gemüse, die noch vor zwanzig Jahren als fremd angesehen wurden, sind heute gängig. »Viele nährstoffreiche Pflanzen wie etwa Portulak oder Brennnesseln, aber auch andere Pflanzen, die bis anhin eigentlich eher zum Unkraut gezählt wurden, werden immer beliebter. Auch Wurzelgemüse wie Petersilienwurzel und Pastinake gelten schon lange nicht mehr als ungewöhnlich.«
Viele Gemüsesorten sind oft nur deshalb nicht beliebt, weil sie falsch zubereitet werden: zu lange gegart, nicht lange genug gegart oder nicht entsprechend gewürzt. Im Laufe der Zeit haben Köche gelernt, Gemüse so zu garen und zu würzen, dass sich sein Aroma optimal entfalten kann, indem sie sich auf bestimmte Prinzipien der Kompatibilität verschiedener Aromen stützen, sich klassische Kombinationen zunutze machen und gleichzeitig neue Kombinationen hervorbrachten. Gemüse sind zu ganz neuem Ansehen gelangt, indem man sich bei ihrer Zubereitung Verfahren bediente, die zuvor nur auf tierische Zutaten angewendet wurden. Nach der ersten Auszeichnung des Kopenhagener Restaurants Noma zum besten Restaurant der Welt im Jahr 2010 wurde Küchenchef René Redzepi dafür gelobt, dass er mit Gemüse so umgeht wie mit Fleisch, indem er es schmort, mit vielen Kräutern abschmeckt und mit reichlich Butter (vorzugsweise solcher aus süßer, fetter Ziegenmilch) beträufelt.
Wer vegetarisch kocht, bedient sich seit jeher der verschiedensten Mix-, Pürier-, Dörr- und Räuchergeräte ebenso wie Entsafter und Spiralschneider. Und nach einem durch Ferran Adrià, den Küchenchef des »El Bulli« in Spanien, inspirierten Jahrzehnt des intensiven kulinarischen Experimentierens in Form von Schäumen, Gelieren und Sphärisieren entwickelt sich nun ein ganz neues Arsenal kulinarischer Verfahren zur Steigerung des Geschmackserlebnisses.
In den Gerichten der Rohkostpioniere geht es nicht einfach darum, Karotten übereinanderzuschichten. Mal sind es sous-vide-gegarte Karotten, mal rohe, dann wieder sauer eingelegte. Jedes Gericht weist eine Bandbreite von Variationen einer Zutat auf, wobei stets frische Zutaten die Basis darstellen und Saucen lediglich der Verfeinerung dienen.
In Institutionen wie der international renommierten Kochschule Le Cordon Bleu werden inzwischen vegetarische und vegane Kochkurse angeboten, in denen beispielsweise vegane Varianten der fünf klassischen französischen Grundsaucen (Béchamel, Espagnole, Hollandaise, Velouté und Tomatensauce) vermittelt werden. »Das bedeutet, dass so buchstäblich Hunderte zukünftiger Köche damit in Berührung kommen, die sich sonst nie ernsthaft mit veganer Küche befasst hätten.«
Die vegane Restauranterfahrung wird dadurch auf ein nie dagewesenes Level gehoben. Und da immer mehr der besten Küchenchefs der Welt ihre Aufmerksamkeit, ihr Talent und ihre Kreativität auf ein vegetarisches und sogar veganes Speiseangebot richten, gelingt es, das wahre Potenzial einer auf pflanzlicher Ernährung basierenden Küche aufzuzeigen.
DIE FLAVOUR-GLEICHUNG: GESCHMACK ALS UMFASSENDES KONZEPT
Der Geschmack als ein Gesamtkonzept bildet den Schnittpunkt, an dem alle Trends zusammenlaufen. Egal welche weiteren Faktoren hinzukommen, letztlich ist es das Geschmackserlebnis, das die Köche antreibt, neue, fleischlose Wege zu erkunden, die den Geschmack ins Rampenlicht rücken. Es gibt bei all den Überlegungen zum Geschmack Aspekte, die zutiefst persönlich sind – und zudem eine Spiegelung eigener Erfahrungen, Vorlieben und Werte.
SENSORISCHES PROFIL (Flavour, Gesamtgeschmack) =
GRUNDGESCHMACK + MUNDGEFÜHL + AROMA + FAKTOR X (das »gewisse Etwas«)
Grundgeschmack = Was über die Geschmacksknospen wahrgenommen wird.
Mundgefühl = Was über den übrigen Mundraum wahrgenommen wird.
Aroma = Was über die Nase wahrgenommen wird.
Faktor X = Was über die übrigen Sinne wahrgenommen wird – einschließlich Herz, Verstand und Seele.
Die Bedeutung des Geschmacks im umfassendsten Sinn zu erfassen, ist bei der vegetarischen und veganen Küche genauso wichtig, wie bei jeder anderen Art zu kochen.
Unsere Geschmacksknospen nehmen fünf Grundgeschmacksrichtungen wahr: süß, salzig, sauer, bitter und umami. Das Wesentliche einer guten Küche besteht darin, diese fünf Geschmacksrichtungen harmonisch aufeinander abzustimmen, um so wahren Genuss zu schaffen. So einfach ist das – und dabei doch so schwierig. Denn der geschmackliche Gesamteindruck entsteht letztlich nicht allein durch die gustatorische Wahrnehmung, also das Schmecken, sondern ebenso durch die Mitwirkung von Geruchs-, Tast-, Seh- und Hörsinn. Und schließlich spielen beim Menschen auch weitere, nicht-körperliche Faktoren mit hinein wie Emotionen, Gedanken und Stimmungen. Wem es gelingt, sowohl die offensichtlichen als auch die subtilen Komponenten eines Geschmackprofils nicht nur zu erkennen, sondern auch zu beeinflussen, der wird als Koch oder Köchin einen entscheidenden Schritt nach vorne machen. Dieses Buch wird Sie dabei unterstützen.
»Das eigentliche Profil eines Geschmackseindrucks liegt in den Kräutern oder dem Gemüse, nicht im Proteinanteil. Das ist es, was den Charakter eines Gerichts ausmacht.«
Tom Colicchio, »Hamptons«, November 2012
Alle, die kochen – oder auch nur ihr Essen würzen, bevor sie es verzehren –, können davon profitieren, sich grundlegendes Wissen darüber anzueignen, wie man Speisen genussvoll abrundet. Vereinfacht wird dieses vielschichtige Thema dadurch, dass es zwar weltweit unzählige Zutaten gibt, die sich noch dazu in schier unendlichen Möglichkeiten kombinieren lassen, der Gaumen jedoch lediglich fünf Grundgeschmacksrichtungen wahrnehmen kann. In einem rundum guten Essen sind all diese Geschmacksrichtungen in ausgewogener Mischung vorhanden. Wirklich gut kochen heißt, die Fähigkeit zu haben, zu kosten, zu erkennen, was fehlt, und dann entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Hat man erst einmal ein Gefühl für das Würzen und das Abrunden der Geschmacksrichtungen entwickelt, eröffnet sich beim Kochen eine ganz neue Welt. Gut zu kochen, beschränkt sich niemals darauf, einfach nur ein Rezept zu befolgen. Man braucht einen feinen Gaumen, um zu erkennen, wann ein Gericht etwas hiervon oder etwas davon benötigt – und was man noch hinzufügen oder unternehmen könnte, um das Geschmackserlebnis zu verbessern.
WAS DER MUND ERKENNT
Geschmacksrichtungen
Süß. Salzig. Sauer. Bitter. Umami. Alles, was Ihnen bisher an Leckerbissen begegnet ist, war das Ergebnis des Zusammenspiels dieser fünf Geschmacksrichtungen auf Ihren Geschmacksknospen. Man nimmt diese Geschmacksrichtungen sowohl einzeln als auch im Zusammenspiel wahr, und jede von ihnen wirkt sich wiederum auf die anderen aus. So wird beispielsweise die Wahrnehmung Süß durch Bitter verdrängt. Unterschiedliche Geschmacksrichtungen beeinflussen uns auf unterschiedliche Weise. Salziges wirkt appetitanregend, Süßes stillt den Appetit. Nehmen Sie sich Zeit, um die fünf Grundgeschmacksrichtungen zu erkunden, Sie werden feststellen, dass diese häufig auch durch Faktoren wie die Frische und den Reifegrad des Nahrungsmittels beeinflusst werden, was für die Verwendung regionaler Produkte in der Küche spricht und diesen Trend unterstützt.
Süß Damit die Geschmacksknospen Süße registrieren können, benötigen sie eine relativ große Menge einer süßen Substanz, ganz anders als es bei den Geschmacksrichtungen salzig, sauer, bitter oder umami der Fall ist. Dennoch kann eine eigentlich gar nicht wahrnehmbare Süße in einem salzigen Gericht dafür sorgen, dass es als harmonisch und abgerundet wahrgenommen wird. Süß verträgt sich mit bitter, mit sauer und sogar mit salzig. Die Geschmacksrichtung Süß kann, egal ob sie aus Honig, Ahornsirup, Melasse, Zucker oder einer anderen Zutat stammt, den Geschmack anderer Lebensmittel unterstreichen, so beispielsweise bei Obst, bestimmten Gemüsesorten (z. B. Tomaten), Getreide und Körnern (z. B. Hafer).
Salzig Als wir einmal in einem Gedankenspiel dreißig Topköche befragten, welche zehn Kochzutaten sie mit auf die einsame Insel nehmen würden, stand ausnahmslos bei allen Salz ganz oben auf der Liste. Salz ist der natürliche Geschmacksverstärker par excellence. Salzig ist die wichtigste Geschmacksrichtung überhaupt für gelungene herzhafte Speisen (es hat dieselbe tragende Rolle, die in Desserts der Geschmacksrichtung Süß zukommt). Spezielle, mit Rauch oder Trüffeln aromatisierte Salze bieten sogar noch mehr Möglichkeiten, Suppen oder Risottos geschmacklich abzurunden. Abgesehen vom Salz als solchem dienen in verschiedenen Länderküchen noch weitere salzige Zutaten zum Abschmecken der Mahlzeiten. Ein Beispiel ist Parmesan zu Gerichten wie Pasta, Pizza und Risotto sowie Shoyu- und Tamari-Sojasauce zu Wokgerichten und Sushi.
Sauer Säure spielt als Geschmacksverstärker die zweitwichtigste Rolle nach Salz in herzhaften Gerichten beziehungsweise nach Süßungsmitteln in Süßspeisen. Säuerliche Noten – ob ein Spritzer Zitronen- oder Limettensaft oder ein paar Tropfen Essig – verleihen einem Gericht eine gewisse Frische und Leichtigkeit. Besonders gute Ergebnisse erreicht man mit einer sorgfältigen und überlegten Auswahl der jeweiligen Säure, beispielsweise indem man Apfelessig für Obstsalat, Reisessig für Nori-Rollen oder Sherryessig für Gazpacho nimmt. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Säure eines Gerichts und den übrigen Geschmacksrichtungen ist ausschlaggebend für ein abgerundetes Ergebnis.
Bitter Der Mensch reagiert sehr sensibel auf einen bitteren Geschmack und ist in der Lage, diesen schon bei einer sehr geringen Konzentration wahrzunehmen, eine Fähigkeit, die zurückzuführen ist auf einen angeborenen Überlebensmechanismus. Bitternoten liefern in Gerichten ein Gegengewicht zu Süße und tragen außerdem dazu bei, ein üppiges Gericht leichter wirken zu lassen. So runden die in Walnusskernen enthaltenen Bitterstoffe die natürliche Süße eines Rote-Bete-Salats ab und nehmen gleichzeitig dem häufig ebenfalls darin verwendeten Ziegenkäse die Schwere. Die Bitternote der Schokolade bildet in üppigen Desserts ein natürliches Gegengewicht. Die Vorliebe für Bitteres kann bei verschiedenen Menschen ganz unterschiedlich ausgeprägt sein. Viele Köche schreiben dieser Geschmacksrichtung eine unverzichtbare »reinigende« Wirkung zu – die sich auch darin äußert, dass man Lust auf mehr bekommt.
Umami Über die vier ursprünglichen Geschmacksrichtungen hinaus besteht heute weitgehend Einigkeit über eine fünfte Geschmacksrichtung, dem sogenannten Umamigeschmack, der bereits 1908 von einem japanischen Wissenschaftler entdeckt, bei uns aber erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts bekannt wurde. Gemeint ist damit ein vollmundiger, herzhafter, intensiver und/oder fleischiger Geschmack, wie er etwa beim Essen von Nahrungsmitteln wie reifem Käse (z. B. Blauschimmelkäse oder Parmesan), fermentierten Speisen (z. B. Miso oder Sauerkraut), Pilzen und Meeresalgen wahrnehmbar ist. Vermittelt wird dieser Geschmackseindruck vor allem durch Glutaminsäure (eine Aminosäure), die auch als Geschmacksverstärker dient und ein wichtiger Bestandteil vieler Würzmittel ist. Beispiele für stark durch Umami geprägte vegetarische Gerichte reichen von Misosuppe mit Shiitake, Tofu und Wakame bis hin zu Nudeln mit Tomatensauce, Pilzen und Parmesan.
Mundgefühl
Abgesehen vom Geschmackssinn verfügt der Mund auch über einen »Tast«-Sinn, mit dessen Hilfe Eindrücke wie Temperatur und Konsistenz wahrgenommen werden, die für den Gesamtgeschmack ebenfalls eine Rolle spielen. Diese Aspekte der Nahrung, im Allgemeinen als Mundgefühl bezeichnet, tragen dazu bei, dass Gerichte für uns auch körperlich »greifbar« sind; sie machen einen Großteil des Reizes und des Genusses eines Gerichts aus. Ist eine Speise knackig und knusprig, liefert sie nicht nur ein bestimmtes haptisches Gefühl im Mund, sondern auch eine akustische Wahrnehmung.
Temperatur Die Temperatur ist von allen im Mundraum wahrnehmbaren Empfindungen eine der unmittelbarsten. Der Wärmegrad einer Speise hat einen Einfluss darauf, wie der Geschmack wahrgenommen wird, zum Beispiel reduziert Kälte die Wahrnehmung von Süß. Durch die Temperatur der Nahrung kann aber neben der Wahrnehmung auch der Genuss eines Gerichts beeinflusst werden. Eine gekühlte Karottensuppe an einem heißen Sommertag – genau wie heiße Ofenkarotten an einem kalten Wintertag – wirken dank ihrer Eigenschaft, den Körper besser an die Umwelt anzupassen, gewissermaßen heilsam.
Textur und Konsistenz Genuss und Reiz einer Speise sind in hohem Maße mit deren haptischem Eindruck verbunden. Wir stufen Püree und/oder sahnige Gerichte (wie Cremesuppen und Kartoffelbrei) als wohltuendes »Comfort-Food« ein, knackig-knuspriges Essen dagegen (wie Nachos oder Chips) als gesellig-vergnügliches Essen. Ein durch die Textur einer Speise ausgelöster haptischer Eindruck ruft angenehme Empfindungen hervor, denn dadurch werden auch die anderen Sinne angesprochen, nämlich Sehsinn, Tastsinn und Hörsinn.
Während Babys zwangsläufig auf weiche oder pürierte Nahrung angewiesen sind, ist für die meisten Erwachsenen gerade die Vielfalt an Texturen reizvoll. Besonders gilt dies für knusprige und knackige Lebensmittel, die einer sämigen Speise das gewisse Etwas verleihen oder sogar einer gewissen Monotonie entgegenwirken.
Der Geschmack von Fleisch wird zu einem großen Teil durch seine Textur vermittelt, jenes besondere Gefühl beim Zerkauen von Hähnchenbrust oder knusprig gebratenem Speck. Eine ähnliche Textur lässt sich auch mit fleischlosen oder mit pflanzlichen Zutaten erreichen (z. B. kommen gebratene Provolone-Scheiben knusprigem Speck im Sandwich recht nahe; Linsen, ganze Getreidekörner, Pilze oder gefrorener und dann gegarter und zerkrümelter Tofu können Hackfleisch ersetzen, und in feine Scheiben geschnittener, knusprig angebratener Tempeh ist ein guter Ersatz für Frühstücksspeck). In der Molekularküche wird Kaviar durch das Sphärisieren nachgeahmt, ein von Ferran Adrià im spanischen Restaurant El Bulli entwickeltes chemisches Verfahren, durch das mit Kalziumlaktat und Natriumalginat aus den verschiedensten Zutaten, von Meeresalgen bis zur Wassermelone, an Kaviar erinnernde Kügelchen erzeugt werden.
Viele Menschen lieben die sämige Textur von Milch und Rahm. Diese lässt sich nachahmen durch pflanzliche Milchgetränke, etwa aus Mandeln, Kokosnuss, Haselnüssen, Hanf, Hafer, Reis und Soja, oder durch pflanzlichen Rahm auf der Basis von Cashew- oder Kokosmus. Selbst auf leckere Eiscreme muss ein Veganer nicht verzichten, denn die typische sahnige Konsistenz lässt sich auch durch andere Zutaten erreichen.
Weitere Beispiele vegetarischer oder veganer Ersatzprodukte für nicht-vegetarische Zutaten oder Speisen finden Sie auf Seite 54–57.
Schärfe Ebenfalls im Mund wahrgenommen wird die Empfindung von Schärfe, von der intensiven Schärfe einer ganzen Chilischote bis zur subtileren Schärfe eines Hauchs Cayennepfeffer. Allerdings handelt es sich bei Schärfe eigentlich nicht um eine Geschmackswahrnehmung, sondern eher um einen Schmerzreiz. Das durch die Schärfe pikanter Speisen ausgelöste Gefühl wird von Mensch zu Mensch als unterschiedlich angenehm wahrgenommen, und jeder hat dabei seine ganz persönliche Toleranzschwelle. Auf verschiedenen pikanten Produkten finden sich daher häufig die Kennzeichnungen »mild«, »mittelscharf«, »scharf« oder »sehr scharf«. Die Schärfe von Chilischoten findet besonders oft Verwendung in der thailändischen und in anderen asiatischen Küchen, ebenso in der mexikanischen und in verschiedenen südeuropäischen Küchen.
Adstringenz Das Gefühl, wenn sich im Mund alles zusammenzieht, bezeichnet man als Adstringenz. Diese Empfindung äußert sich als austrocknende Reaktion, wie sie beispielsweise durch die Tannine in Rotwein oder starkem Tee ausgelöst wird, aber auch durch bestimmte Nahrungsmittel wie Walnüsse, Cranberrys und unreife Kakifrüchte. Die adstringierende Wirkung von Cranberrys ist eine willkommene Ergänzung in süßen Desserts mit Apfel oder Birne, wohingegen eine Handvoll adstringierender Granatapfelkerne über mexikanische Mole gestreut oder eine persische Walnusssauce einen erfrischenden Kontrast liefern.
WAS DIE NASE WAHRNIMMT
Aromen
Allgemein geht man davon aus, dass das Aroma, genauer gesagt der Duft, mehr als 80 Prozent des gesamten geschmacklichen Eindrucks eines Gerichts ausmacht. Dies erklärt auch die Beliebtheit aromatischer Zutaten, angefangen von frischen Kräutern über Gewürze bis hin zu abgeriebener Zitronenschale.
Die Verwendung duftender aromatischer Zutaten kann das Aroma eines Gerichts enorm aufwerten, was sich wiederum positiv auf dessen geschmacklichen Gesamteindruck auswirkt.
Während es nur fünf Grundgeschmacksrichtungen gibt, ist die Zahl aromatischer Duftnoten, die zum Geschmack von Speisen beitragen, nahezu unendlich. Die meisten Aromen können als entweder süß oder herzhaft/würzig charakterisiert werden.
Süße Noten werden größtenteils mit Süßungsmitteln, Obst und bestimmten süßlichen Gemüsesorten (z. B. Süßkartoffeln), Kräutern (z. B. Basilikum) und Gewürzen (z. B. Zimt) verknüpft. Herzhaftwürzige Noten werden typischerweise mit einem gewissermaßen »fleischigen« Aroma assoziiert und mit dem Duft und Aroma von Zwiebelgewächsen wie Knoblauch und Zwiebeln. Zu den herzhaften Noten zählen zudem käsig, rauchig und würzig. Ein käsiges Aroma liefern in der veganen Küche beispielweise Nährhefe oder vegane Käsesorten. Rauchige Aromen können durch bestimmte Kochtechniken erzielt werden (z. B. grillen, heiß- oder kalträuchern) und/oder durch die Zugabe spezieller Zutaten (z. B. geräuchertes Paprikapulver, Flüssigrauch). Würzig-herzhafte Aromen können zudem spezifische regionale Geschmackskombinationen widerspiegeln (z. B. Knoblauch + Ingwer + Sojasauce = asiatisch; Knoblauch + Zitrone + Oregano = mediterran).
Einige Eigenschaften werden sowohl vom Geschmacks- als auch vom Geruchssinn erfasst:
Stechendes Aroma Ein stechendes Aroma wird Zutaten zugeschrieben, die, wie es zum Beispiel bei Meerrettich und Senf der Fall ist, den Gaumen ebenso reizen wie die Nase, wenn auch oft auf angenehme Weise. So rundet ein Klecks Sahnemeerrettich die Süße einer Rote-Bete-Suppe wunderbar ab, und eine Senfvinaigrette bietet oft für bittere Blattsalate eine willkommene Ergänzung.
Chemesthesis Der Begriff »Chemesthesis« bezieht sich auf sonstige Empfindungen, die den Geschmackssinn kitzeln (zum Beispiel das kribbelige Gefühl von Kohlensäure) oder ihm einen Streich spielen (die eigentlich falsche Wahrnehmung von »Hitze« bei Chilischoten oder »Kälte« bei Pfefferminze). Ein weiteres Beispiel ist Knisterzucker, auch Knallzucker genannt, eine Verbindung aus Zucker und Kohlendioxid, von experimentierfreudigen Köchen gern in außergewöhnlichen Desserts verwendet, um Mini-Geschmacksexplosionen im Mund hervorzurufen.
DIE ÜBRIGEN SINNE – HERZ, VERSTAND UND SEELE
Der Faktor X
Wenn man das, was man isst, bewusst und aufmerksam wahrnimmt, dient das Essen nicht nur zur Ernährung, sondern wirkt sich auf den Menschen als Ganzes aus. Wir erfahren Nahrung nicht nur mithilfe der körperlichen Sinne – einschließlich des Sehsinns, auf den wir weiter unten eingehen werden –, sondern auch emotional, mental und sogar spirituell.
Ein weiterer Geschmacksfaktor, wir nennen ihn »Faktor X«, hat damit zu tun, dass ein und dasselbe Gericht oft von verschiedenen Menschen ganz unterschiedlich wahrgenommen wird. So wird jemand, der schon als Kind gern Erdbeeren gegessen hat, den Geschmack derselben theoretisch »perfekt zubereiteten« Erdbeertorte vollkommen anders wahrnehmen, als jemand, der allergisch auf Erdbeeren reagiert. Ebenso werden ein Fleischesser und ein Vegetarier den Geruch von einem ebenfalls theoretisch »perfekt zubereiteten« Eintopf völlig gegensätzlich wahrnehmen.
Visuelle Aspekte
Der optische Eindruck eines Gerichts kann einen maßgeblichen Einfluss auf den damit verbundenen Genuss haben. Bei einem veganen Degustationsmenü war die optische Präsentation eines Karottentatars (vor meinen Augen in einem eigens hierfür am Tisch befestigten Fleischwolf zubereitet und von einer ganzen Palette von Gewürzen und Kräutern zum selbstständigen Würzen begleitet) ebenso aufregend wie sein herausragender Geschmack.
Seitdem im Internet immer mehr Fotos von Gerichten auch solchen aus den besten Restaurants der Welt kursieren, ist es einfacher geworden, die ausgefeilte Optik eines Gerichts nachzuahmen als seinen exquisiten Geschmack.
Das Aussehen eines Gerichts kann auch einen direkten Einfluss auf die Geschmackswahrnehmung ausüben: Je intensiver die Farbe eines Beerensorbets ist, desto mehr Beerengeschmack wird wahrgenommen. Je unmittelbarer man ein Nahrungsmittel mit einer bestimmten Farbe in Verbindung bringt, desto intensiver wird der Geschmackseindruck. Beispiele dafür sind Himbeeren und Erdbeeren, die man mit Rot verbindet, Zitrone mit Gelb und Limette mit Grün.
Emotionale Aspekte
Jeder Mensch schmeckt mit seinem Herzen genauso sehr wie mit seiner Zunge. Wie sonst ließe sich erklären, dass Erwachsene den Gerichten der eigenen Mutter fast immer den Vorzug vor denen von Starköchen geben? So erklärt sich auch der Reiz traditioneller Gerichte und Küchen verschiedener Länder rings um den Globus, die auf der Zuneigung und der Liebe zu ihren Menschen, ihren Kulturen und den tief verwurzelten kulinarischen Traditionen beruhen, die jahrhundertelang ihre Basis waren.
»Ich erzähle immer, dass die Kartoffeltortilla meiner Mutter für mich ganz einfach die beste ist. Dadurch wird deutlich: Sentimentale Werte stehen über allem anderen.«
Ferran Adrià, Küchenchef des »El Bulli«, Spanien
Mentale Aspekte
Wenn es beim Essen um die bloße Ernährung ginge, könnte der Mensch wohl auch mit Nährstofftabletten und Wasser überleben. Aber wir essen eben auch aus Vergnügen. Da wir alle in der Regel drei Mahlzeiten am Tag zu uns nehmen und das an 365 Tagen im Jahr, spielt die Freude an der Abwechslung eine besondere Rolle, wie sie etwa eine Neuinterpretation eines traditionellen Gerichts bringen kann. Seitdem in den 1980er-Jahren das Anrichten von Speisen in die Höhe (als »Türmchen«) aufkam, spielen immer mehr Köche mit der optischen Präsentation ihrer Zutaten. Und seit dem Aufkommen der sogenannten Molekularküche in den 1990er-Jahren wird nicht mehr nur mit der optischen Präsentation von Speisen experimentiert, sondern auch mit deren chemischer Zusammensetzung. Nicht zuletzt gibt es auch den durchaus interessanten Trend, mit der Zusammensetzung der Speisen auf dem Teller eine Geschichte zu erzählen, den Zusammenhang der Herkunft der Produkte, ihre Verbindungen und Eigenschaften im Gericht sichtbar zu machen.
Spirituelle Aspekte
Die Zubereitung von Nahrung kann, ebenso wie das Essen selbst, in gewisser Weise als Ritual, als »heilige« Handlung betrachtet werden. Diese Art, mit Essen umzugehen, bietet wie kaum etwas anderes im Leben enorme Möglichkeiten, die Lebensqualität im Alltag aufzuwerten. Diverse Spitzenköche weltweit setzen alles daran, das Erlebnis Essen unter jedem denkbaren Aspekt zu perfektionieren – von den Speisen und Getränken selbst bis hin zum Ambiente und dem Service –, immer mit dem Ziel vor Augen, das Gesamterlebnis des Essens nicht nur vergnüglich, entspannt und interessant zu gestalten, sondern ihm auch einen tieferen Sinn zu verleihen.
PLÄDOYER FÜR EINE NACHHALTIGE, RESPEKTVOLLE KÜCHE
»Hier liegt eine Chance für eine Revolution auf persönlicher Ebene: Die geringstmögliche Menge an Schaden verursachen und damit seinen eigenen Abdruck auf diesem Planeten hinterlassen. (…) Es war niemals einfacher als hier und heute, vegan zu leben. Dasselbe Aroma, derselbe Geschmack und dieselbe Textur wie Fleisch, Käse und Milch, aber ohne diese tierischen Grundstoffe. Niemand muss mehr leiden und für das Essen sterben, Sie eingeschlossen.«
Gary Yourofsky, Vegan-Aktivist
Am Scheidepunkt zwischen unserer Geschichte und unserer Zukunft haben wir tagtäglich Entscheidungen zu treffen, und zwar bei jeder Mahlzeit, die wir zubereiten und verzehren. Ich hoffe, dass diese Entscheidungen zunehmend bewusster, fundierter und rücksichtsvoller werden – für uns selbst, für andere und für unseren ganzen Planeten.
In einer jüngeren Umfrage des Marktforschungsunternehmens Technomic bejahten zwei von drei der Befragten die Aussage, dass eine vegetarische Mahlzeit genauso zufriedenstellend sein kann wie eine nicht-vegetarische. Mit diesem Buch möchte ich diesen Anteil noch erhöhen. Und dank dem Einfluss und Talent zahlreicher professioneller Köche habe ich keinerlei Zweifel daran, dass der Anteil der pflanzenbasierten Küche weiter wachsen wird. Viele namhafte Köche vertreten die Ansicht, Gemüse würde der nächste große Trend, und sie setzen alles daran, dies zu unterstützen. »Sie werden deshalb nicht unbedingt Veganer und tragen auch keine T-Shirts mit der Aufschrift ›Fleisch ist Mord‹ – sie sagen einfach nur, wie es ist: Fleisch ist eigentlich langweilig, wohingegen Gemüse in der Küche ein enormes Potenzial interessantester Erfahrungen bieten kann.«
Es ist einfacher als jemals zuvor, sich vegetarisch oder sogar vegan zu ernähren – und immer mehr Menschen tun dies auch. Am einfachsten war und ist es natürlich in den Großstädten, am schwierigsten draußen auf dem Land. Doch mit der zunehmenden kulturellen Durchmischung, mit Migranten, die ihre eigene oft an pflanzlichen Gerichten viel reichere Küche mitbringen und vermehrt auch das hiesige gastronomische Angebot mitprägen, hat die Auswahl und Vielfalt an vegetarischen Gerichten zugenommen. Tal Ronnen vom Restaurant Crossroads in Los Angeles sagt dazu: »Dabei handelt es sich nicht um eine kurzlebige Modeerscheinung oder einen Trend: Es geht um etwas, das sich durchsetzen wird, um die Zukunft unserer Erde zu sichern. Und ich freue mich auf jeden Tag, an dem es sich mehr herumspricht und mehr Raum erhält.«
Wie erreicht man Geschmackstiefe?
»Die Herausforderung einer auf Gemüse basierenden Küche ist es, dem Gesamteindruck des Geschmacks Tiefe zu verleihen. Mein Ziel ist es, dass niemals jemand beim Verzehr eines unserer Gerichte Langeweile verspürt. Der Faktor, der am ehesten zu Langeweile führen kann, ist die Textur – dann nämlich, wenn alles dieselbe Textur hat, egal, wie geschmackvoll es sonst sein mag. Daher gilt der Textur unser besonderes Augenmerk. Außerdem setzen wir alles daran, jedem Gemüse ein eigenes Profil zu verleihen.
Mit Gemüse wird heute eine ganze Menge mehr angestellt als noch vor zehn Jahren: Es wird gedörrt, geröstet, sautiert oder gegrillt. Durch das Grillen von Gemüse, zum Beispiel Bärlauch oder Fenchel, im Ofen bei hoher Hitze wandelt sich sein Geschmacksprofil.
Anschließend kann man es pürieren und als Mittel zum Würzen und Abrunden verwenden.
Seit mein Schwerpunkt auf der Zubereitung von Gemüse und Ähnlichem liegt, mache ich mir weit mehr Gedanken über Geschmack, Aroma und Textur als in meiner früheren Laufbahn als Koch und ich habe das Gefühl, heute ein weitaus besserer Koch zu sein als jemals zuvor in meinem Leben.«
Aaron Woo, Restaurant Natural Selection, Portland
Die Lust auf Käse und der »Faktor X«
»Die Lust, wenn nicht gar Gier mancher Menschen nach Käse ist teilweise rein körperlich bedingt. In einer 2003 durchgeführten Studie des amerikanischen National Institute of Health über den Einfluss veganer Ernährung auf Diabetes zeigte sich, dass die Teilnehmer zwar Gewicht verloren, ihr Blutzuckerspiegel sank und der allgemeine Gesundheitszustand sich besserte. Viele von ihnen klagten aber darüber, dass ihnen der Käse fehle (Zeichen einer Abhängigkeit, die man eine Nahrungsmittelsucht nennen könnte).
Es war nicht unbedingt Milch, nicht einmal Eiscreme, sondern Käse im Besonderen. Wie konnte das sein?
Mehrere Dinge kommen hier zusammen. Erstens hat sich herausgestellt, dass genetisch bedingt manche Menschen zu wenige Dopaminrezeptoren im Gehirn aufweisen, was zur Folge hat, dass sie die Wirkung von Dopamin nicht so stark spüren und deshalb zusätzliche Dopamin-Reize brauchen. So kann es zu verschiedenen Form von Suchtverhalten kommen (Rauchen, Trinken, Spielen oder eben auch Essen). Etwa die Hälfte der Menschen mit Diabetes Typ II hat diese zu übermäßigem Essen verleitende Genvariante – und es führt dazu, dass sie das Bedürfnis nach Nahrungsmitteln haben, die ihnen zusätzliches Dopamin liefern.
Doch Käse ist ein Sonderfall. Er hat einen hohen Gehalt an gesättigten Fetten, Cholesterin und Natrium, alles ernährungsphysiologisch nicht zu empfehlen. Aber Käse enthält extrem viel Casein, jenes Milchprotein, das anders ist als andere Proteine. Beim Aufspalten setzt es Opiate in die Blutbahn frei, und diese milden Casomorphine docken im Gehirn an denselben Opioid-Rezeptoren an wie Heroin. Es geht also nicht nur um den Geschmack, nicht nur um das Mundgefühl – Milchprodukte sind insofern einzigartig, als sie eben diese Casomorphine freisetzen, und deren Konzentration ist in Käse sehr viel höher als in Milch oder Eiscreme. Würde man Ihnen eine halbe Stunde nach dem Verzehr von Käse Blut abnehmen, würde man Opiate in der Blutbahn finden, die im Gehirn wirksam werden. Es ist zwar nicht so viel, dass Sie nicht mehr Auto fahren könnten oder einen Laden ausrauben würden, aber doch genug, dass Sie schon am nächsten Tag wieder Lust auf ein Stück Käse verspüren. Sogar streng und eigentlich abstoßend riechender Käse hat eine besondere Anziehung auf Menschen, die Vorgänge im Gehirn mit seinem Geruch und Geschmack assoziieren.
Wenn es Ihnen also schwerfällt, auf Käse – oder sonst irgendetwas – zu verzichten, auf das Sie aus gesundheitlichen oder anderen Gründen verzichten sollten oder wollen, ist es daher besser, einen klaren Schnitt zu machen. Das ist einfacher, als mit einem Happen ab und zu das Belohnungssystem im Gehirn immer wieder von Neuem anzustacheln.«
Dr. Neal Barnard, Vorsitzender eines Ärzteausschusses für verantwortungsbewusste Medizin
Food Pairing: Die Kunst des Kombinierens
Ein wesentlicher Aspekt guter Küche ist der geschickte Einsatz zueinander passender Geschmacksprofile – das setzt Wissen darüber voraus, welche Kräuter, Gewürze und andere Aromen besonders geeignet sind, um spezielle Zutaten bestmöglich hervorzuheben und zur Geltung zu bringen.
Durch jahrhundertelanges Ausprobieren haben sich traditionelle, klassische Küchen und Gerichte herausgebildet, die nicht selten zeitlose Kombinationen beliebter Zusammenstellungen enthalten – Beispiele hierfür sind Äpfel mit Zimt, Tomaten mit Basilikum, Bananen mit Rum, Reis mit Sojasauce, Yambohnenwurzel mit Limette.
Es ist faszinierend, festzustellen, dass bestimmte Kombinationen von Zutaten uns weismachen können, etwas ganz anderes zu essen, als dies tatsächlich der Fall ist, allein durch ihren Kontext. Als ich vier oder fünf Jahre alt war, aß ich einmal einen Kuchen mit einer weichen, mit Zucker und Zimt gewürzten Füllung und war überzeugt, es sei Apfelkuchen – ich war schockiert, als ich hörte, dass es sich um etwas namens »Mock apple pie« handelte, einen falschen Apfelkuchen, in dem statt Apfelscheiben Cracker verarbeitet waren! Ein solcher falscher Apple Pie ist gar nicht so weit von den Avantgarde-Kreationen modernistischer Küchen entfernt, in denen klassische Gerichte auf den Kopf gestellt werden.
Es bedarf nicht viel Fantasie, sich vorzustellen, dass klassische Geschmackskombinationen bestens auch zum Gelingen experimenteller Gerichte beitragen können, denn sie ergänzen das Unbekannte und Neue durch ein Gefühl der Vertrautheit. Ein Beispiel dafür ist die vegetarische Interpretation des in den USA beliebten Reuben Sandwich, das inzwischen in vegetarischer Variante ein Kultgericht ist. Roggenbrot, Dressing, Emmentaler und Sauerkraut gaukeln dem Auge vor, dass es sich tatsächlich um ein Reuben Sandwich handelt, sodass der Gaumen kein Problem mehr damit hat, statt der Fleischscheibe gewürzten Seitan, Tempeh oder einen anderen Ersatz zu bekommen. Beispiele dieser Art gibt es inzwischen reichlich, so lässt sich etwa auch Thunfisch in vielen Gerichten, beispielsweise in einem Thunfisch-Sandwich oder einem Salat, gut durch Kichererbsenmus ersetzen.
Gelüste an der Wurzel packen
»Im Grunde genommen hat man eigentlich kein Verlangen nach Speck – es geht vielmehr einfach um etwas, das rauchig und knusprig schmeckt. Ebenso wenig gelüstet es einen nach Fischsauce per se – was man sucht, ist vielmehr der fermentierte Umami-Geschmack, den auch eine Sauce aus fermentierten schwarzen Bohnen liefern kann.«
Amanda Cohen, »Dirt Candy«, New York City
»Die meisten Menschen assoziieren Geschmackseigenschaften mit Fleisch, die jedoch im Grunde auf andere Umami-haltige Zutaten in einem Gericht zurückzuführen sind.
Ein lange mit karamellisierten Zwiebeln, Tomatenmark und Rotwein geschmorter Eintopf mit Fleisch und dasselbe Gericht ohne Fleisch liefern beide nahezu dieselbe Geschmacksfülle.«
Eric Tucker, »Millennium«, San Francisco
»Die meisten Leute glauben, Lust auf Milch, Rahm und Käse zu haben, wenn es ihnen im Grunde vielmehr darum geht, einfach etwas Sahniges und Cremiges zu haben.
Werden Zwiebeln angebraten und karamellisiert und dann mit Gemüsefond und Rotwein püriert, erhält man ein Ergebnis von wunderbar sahniger Konsistenz.«
Jon DuBois, »Green Zebra«, Chicago
»Ich habe nichts gegen Soja, aber wir bereiten hier keinen Tofu oder Seitan zu oder formen irgendetwas davon zu Fleisch. Bei uns gibt es auch keinen falschen Käse. Stattdessen werden wir versuchen, Ihnen das gute Gefühl zu vermitteln, nach dem sich Ihr Gedächtnis sehnt, egal ob es um den Geschmack von kräftig Angebratenem, um Textur oder um Fettgehalt geht. Wenn ich ein sahniges Gericht anbieten möchte mit jener sinnlichen Textur, die man normalerweise durch Butter oder Rahm erreicht, dann verwende ich dafür Wurzelgemüse wie Karotten, Pastinaken, Sellerie oder Petersilie und konfiere diese. Wir hobeln das Gemüse sehr fein, geben etwas Fett in Form von Olivenöl zusammen mit Kräutern oder Zitrusfrüchten dazu und garen alles sechs bis acht Stunden bei 30 Grad, wodurch die Struktur der Zellwand aufgelöst wird. Dieser Ansatz liefert alles, was man braucht.«
Aaron Woo, »Natural Selection«, Portland, Oregon
BEI VERLANGEN NACH …
diesem Lebensmittel | könnte dies eine Alternative sein |
Austern | AusternpilzeHaferwurzel (hat Austernnote) |
Bolognesesauce | Tomatensauce mit italienisch gewürzten LinsenTomatensauce mit Tempeh |
Burger | Veggie-Burger |
Butter(z. B. auf Sandwiches) | Olivenöl, vegane Margarine |
Chili con carne | Chili mit Quinoa |
Chorizo | Chorizo aus Seitan oder Weizeneiweiß |
Eier, in Backwaren | ApfelmusBanane, reif, zerdrücktEi-ErsatzLeinsamenSeidentofu |
Eier, in Quiches | Seidentofu oder fester Tofu |
Eier, Rührei | Tofu-»Rührei« (mit 1 Prise Kurkuma für gelbe Farbe) |
Eiersalat | Fester Tofu, gehackt, vegane Mayonnaise und schwarzes Salz |
Feta | Cashew-»Feta«Soja-»Feta« |
Fisch und Meeresfrüchte | Dulse (Rotalge) |
Fischfond | Helle oder süße Misobrühe |
Fischsauce | Sauce aus fermentierten schwarzen BohnenThai-Sojasauce (hell, dünnflüssig)Umeboshi-Paste, verdünnt mit Wasser oder Dashi |
Fleisch | Getreide und KörnerHülsenfrüchteNüsse und Kerne (z. B. Walnüsse)SeitanTempehTofu |
Fleischfond oder -brühe- (siehe auch Rinderfond, Geflügelfond, Fischfond) | GemüsebrühePilzbrühe |
Fleischiges Aroma | Chilischoten (z. B. Chipotle, Adobo-Sauce)FlüssigrauchKnoblauch, z. B. geröstetMisoPaprikapulver, z. B. geräuchertPilzeSchalotten/Zwiebeln, z. B. geröstetSojasauce |
Fleisch, geräuchert | Chipotle-Chilischoten mit AdoboFlüssigrauchRäucherkäseRäuchertofu |
Fleischsauce(z. B. auf Nudeln) | Sauce mit zerkrümeltem Tempeh |
Frikadellen | Getreidebratlinge (z. B. aus Seitan) |
Geflügelbrühe | Helle oder süße Misobrühe |
Huhn | JackfruchtPilze wie Gemeiner SchwefelporlingSeitan |
Hüttenkäse | Körniger Soja-Frischkäse |
Joghurt | Kokosnuss- oder Soja-»Joghurt« |
Karamell | Datteln, püriert + Salz + Vanille |
Karamell-Popcorn | Popcorn, beträufelt mit warmem Reissirup |
Käse | Cashewkäse oder anderer »Käse« auf NussbasisSoja-»Käse« |
Käse, z. B. geräucherterGouda | Geräucherter Tofu oder Mozzarella |
Käse, z.B. Parmesan | Gemahlene Mandeln + abgeriebene Zitronenschale + Salz + SesamsamenMisoVegane Alternativen (z. B. Streukäse von Vantastic Food) |
Käse, Ricotta | »Ricotta« aus gemahlenen Mandeln, Cashewkernen oder PinienkernenHalb veganer Rahmkäse + halb Tofu, vermengtZerkrümelter Tofu |
Leberpaté, Leberwurst | Walnuss-Linsen-Paté |
Mayonnaise | Vegane Mayonnaise |
Milch | Pflanzliche Milch, z. B. Mandel-, Cashew-, Haselnuss-, Hanf-, Nuss-, Hafer-, Reis-, Sojadrink |
Milchprodukte, allgemein | KokosmilchNüsse und Samen und daraus hergestellte MilchPflanzenmilch verschiedener SortenSeidentofu |
Öl zum Braten | Sautieren in Brühe, Essig oder Wein |
Pasta | SpaghettikürbisZucchini- oder andere Gemüsespiralen |
Rahm (Sahne) | CashewrahmKokosmilch (auch zum Backen)Sojamilch |
Rinderfond | Dunkle Misobrühe |
Rinderhack | Bulgur, gewürzt (z. B. in Chiligerichten, Tacos)Linsen, gewürztTempeh, zerkrümelt |
Salatdressing, cremig | Dressings auf Basis von Tahini |
Salatdressing, ohne Öl | Milde Essige (Balsam-, Champagner-, Reis-,Verjus, ohne Öl verwendbar) |
Sardellen(z. B. in Salatdressings) | Kapern |
Sardellenpaste | Dunkle MisopasteUmeboshi-Paste |
Sauerrahm (saure Sahne) | Cashew-»Sauerrahm« (Cashewkerne + Zitronensaft + Miso + Muskatnuss + Meersalz + Wasser)Fettarmer Joghurt oder Tofu-»Sauerrahm« (Seidentofu + Zitronensaft +Salz +Umeboshi-Essig oder: Tofu +Apfelessig + Zitronensaft +Öl +Salz oder helles Miso +Zitronensaft +Tofu)Seidentofu +1 Spritzer Zitronensaft, püriertSojamilch +Öl, zu einer Emulsion verrührt |
Schinken | Geräuchertes Paprikapulver (z. B. in Suppen)Räuchertofu (besonders mit Ahornsirup + Tamari-Sojasauce) |
Schokolade | Kakaonibs (Kakaobohnensplitter) |
Schweinefleisch | Gemeiner Schwefelporling (Pilz)JackfruchtSeitan |
Schweineschmalz | Sesamöl, Öl geröstet (dunkel) |
Speck | Dulse (Rotalge), sautiertFlüssigrauch (Liquid Smoke)Geräuchertes PaprikapulverPilz-»Bacon«PimentonProvolone, knusprig gebratenRäuchertofuRauchsalzSesamöl, geröstet (dunkel)Tempeh-»Bacon«Tofu, mariniert in Flüssigrauch, Ahornsirup, Nährhefe und Sojasauce |
Suppen, Creme- | Suppen mit Zugabe von pürierten Körnern (z. B. Hafer oder Reis)oder püriertem Gemüse (z. B. Blumenkohl) |
Thunfisch | Räuchertofu |
Thunfischsalat | Cashewkerne, gemahlen, mit gehacktem StangensellerieKichererbsen, gekocht, zerdrückt, mit gehacktemStangensellerie und NoriTofu, zerdrückt, mit gehacktem Stangensellerie, Zwiebeln, Kelppulver |
Tzatziki | Veganes Tzatziki aus Cashewkernen + Gurke + Knoblauch + Zitrone + Olivenöl + Gewürze |
Wurst (z. B. auf Pizza) | Zerkrümeltes Tempeh |
Zwiebelsuppe | Zwiebelsuppe mit Miso anstelle von RinderfondZwiebelsuppe mit Melasse + Sherryessig anstelle von Rinderfond |
ERLÄUTERUNGEN ZU DEN IN DEN LISTEN VERWENDETEN KATEGORIEN
Zutat
Nährstoffdichte: ● Sehr hoch ● Hoch ● Mittel ● Niedrig ● Sehr niedrig
Saison: Die beste Jahreszeit für diese Zutat (kann je nach Ort und Klima abweichen)
Geschmacksprofil: Kurzcharakterisierung des primären durch den Geschmackssinn erfassten Eindrucks einer Zutat (z. B. bitter, salzig, sauer, süß, umami), der primären Aromanoten sowie des haptischen Eindrucks (Textur)
Intensität: Die geschmackliche, aromatische und haptische Intensität einer Zutat (subtil, moderat, ausgeprägt)
Kurz erklärt: Eine knappe Erläuterung weniger gängiger Zutaten (und/oder die dazugehörige Nahrungsmittelgruppe, z. B. Getreide, Hülsenfrüchte, Gemüse)
Gesundheitliche Vorzüge: Wichtige Vitamine, Mineralstoffe, weitere Nährstoffe und/oder gesundheitsfördernde Eigenschaften
Glutenfrei: Hinweis auf Getreidearten ohne Gluten, eine Eiweißverbindung, die in Weizen und ähnlichen Getreidesorten enthalten ist
Nährstoffprofil: Angaben für die in jeweils 100 g der Zutat enthaltenen Kalorien in kcal sowie der Protein-, Fett- und Kohlenhydratgehalt in Gramm (g)
Techniken: Für die Zutat gängige Methoden der Zubereitung (mit üblicher Kochzeit und/oder das empfohlene Verhältnis von Zutat zu Kochflüssigkeit)
Tipps: Anregungen zur Zubereitung,Verwendung und/oder Anrichten der Zutat
Botanische Verwandtschaft: Zugehörigkeit zur selben Pflanzenfamilie – als mögliche Anregung für eigene Kombinationen
Austauschmöglichkeiten: Alternative Zutaten, die notfalls als Ersatz für die genannte Zutat verwendet werden können (und umgekehrt)
In normaler Schriftart aufgeführte Zutaten wurden von mindestens einem der hierfür befragten Experten als Kombination empfohlen.
Fett gedruckte Zutaten zeigen Kombinationen an, die von mehreren Experten empfohlen wurden.
FETT gedruckte GROSSBUCHSTABEN beziehen sich auf besonders häufig empfohlene Kombinationen.
*FETT gedruckte GROSSBUCHSTABEN mit einem Sternchen (*) markieren das Nonplusultra der Aromakombinationen, empfohlen von der höchsten Anzahl an Experten.
Kursiv gesetzte Einträge beziehen sich entweder auf bestimmte Gerichte oder auf spezielle Küchen, in denen diese besondere Zutat zur Verwendung kommt.
»Anführungszeichen« kennzeichnen fleischlose Varianten typischer Fleischgerichte
(z. B. Tempeh-»Bacon«) oder Gerichte, die in der Art eines anderen Gerichtes zubereitet sind (z.B. Dinkel-»Risotto«).
HINWEIS: Wer auf Butter, Rahm, Mayonnaise, Milch und Joghurt verzichten möchte (z. B. Veganer), kann diese einfach durch die bevorzugten ei- und milchfreien Versionen der jeweiligen Zutaten ersetzen.