Читать книгу Herzensangelegenheiten - Karin Büchel - Страница 5
Wahre Liebe
ОглавлениеEs ist wieder eine dieser lauen Sommernächte, die verheißungsvoll beginnen und umso trauriger enden, dachte ich so und nippte an meinem Glas Champagner. Obwohl traurig nicht das richtige Wort für meinen Gemütszustand war. Nein! Ich war entschlossen, voller Energie und ein kleines bisschen wehmütig.
Der Champagner war prickelnd kühl und schmeckte herb, genau so wie ich ihn liebte. Laurenz mochte keinen Champagner. „Kinderbrause“ nannte er das Getränk verächtlich. Gut, er kam aus einem kleinen Ort in der Nähe von München und liebte nun einmal Bier. Er hätte Bier schon an der Mutterbrust gesaugt, meinte er er immer dann, wenn ich ihn zu einem Glas Champagner verführen wollte. Laurenz war ein ganzer Mann. Groß, kräftig, ein Kreuz wie ein Sumo - Ringer, mit zwei durchtrainierten Oberarmen und einer Schenkelbreite, die enorm war. Ich liebte ihn, seinen Körper,
seinen gepflegten Bart und seinen Geruch, wenn er vom Sport nach Hause kam. Ich küsste ihm mit Wonne die Schweißperlen von seiner behaarten Brust und leckte seine feuchten Lendenpartien. Ich liebte seine Art mich zu verführen. Nicht immer zärtlich, oft fordernd mit Druck, aber nie gegen meinen Willen.
Ja, ich liebte ihn wirklich, mit all seinen Macken, mit all seinen Härchen, mit all seinen Muttermalen und Muskeln. Ich liebte jede Pore seines Astralkörpers. Mehr als mich selber.
Ich stand in jener lauen Sommernacht auf dem kleinen Balkon unserer Wohnung, hielt mich an dem Champagnerkelch fest und beschloss endgültig, dass es so nicht weitergehen konnte. Ich wollte einen Schlussstrich. Ein Ende ohne Wiederkehr. Keinen langen Abschied, keine triefenden Worte, keine Tränen.
Langsam nahm ich noch einen Schluck des herrlichen Getränkes zu mir, ging in unsere Küche, die nicht groß dafür aber sehr praktisch eingerichtet war und ein bajuwarisches Ambiente nicht verleugnen konnte. Laurenz liebte Porzellan in verschiedenen Blautönen und ich kaufte es. Laurenz mochte hellgrüne Raufasertapete und ich strich die Wände entsprechend. Laurenz wollte ein Wandregal auf dem er seine Bierkrüge stellen konnte und ich staubte sie regelmäßig ab. Ich tat alles, weil ich ihn liebte. Ihn begehrte, vergötterte und ihn nicht verlieren wollte.
Ich griff in den linken, dunkelgrauen Bierkrug, nahm das kleine Fläschchen und hielt es ganz sacht in meinen Händen. Dann steckte ich es in meine Hosentasche und wartete auf Laurenz.
Ich dachte für einen kleinen Moment an Oma Frieda. Wenn sie sehen könnte wie sehr ich Laurenz liebte, sie hätte sich unter der Erde richtig wohl gefühlt. Sich für mich gefreut. Obwohl - so richtig glücklich waren wir eigentlich nicht. Eigentlich. Denn nach Außen stimmte unser Leben, nach Außen waren wir vereint, ein schönes Paar, doch innerlich tobte ein Krieg der Gefühle in mir. Genau seit jenem Tag vor viereinhalb Wochen, als Laurenz von seiner Sportstunde nach hause kam und nicht nach Schweiß roch. Ich keine Schweißperlen küssen konnte und keine Lenden berühren durfte. Laurenz begründete sein Verhalten mit einer aufkommenden Influenza. Ihm gehe es nicht so gut, so seine Worte.
Ich kochte ihm einen wohlduftenden Kamillentee, den er aber verweigerte, schließlich sei er ein harter Bursche und ein kaltes Bier würde wahre Wunder tun.
Zwei Wochen wartete ich vergebens auf die ausbrechende Influenza, zwei Wochen in denen ich seinen Körper nicht berühren durfte, eben aus bekanntem Grund.
Und dann sah ich sie, die Influenza. Eine junge, quirlige Frau. Grell pink gestylt, blondiert, geschminkt und in ihrem Dekolleté war ein Tattoo zu sehen, das aussah wie ein Krokodilmaul.
Sie wiegte sich in den starken Armen meines Laurenz direkt neben dem Sportstudio, da wo ich ihn abholen wollte. Ganz ohne vorherige Absprache und ganz spontan wollte ich ihn überraschen.
Ich verkroch mich tief in meinen Autositz, klappte die Sonnenblende hinunter und fühlte das Elend der Welt auf meinem Körper. Mein Herzschlag ratterte asymmetrisch, mein Atem war schnell und schnappartig, meine Finger eiskalt.
Das war sie also, die aufkommende Influenza. Ich hatte es geahnt, ich hatte davon geträumt, aber es so hautnah zu sehen versetzte mich in einen Schockzustand.
Mein Laurenz hatte eine Andere. Eine Jüngere, eine Attraktivere. Eine die seine Baumfällerart so zu lieben schien wie ich selber.
Die beiden entschwanden meinem Sichtfeld und ich fuhr nach hause. Rote Ampeln interessierten mich nicht, Kreuzungen durchquerte ich ohne System und Stoppschilder ignorierte ich total. Durch den Tränenschleier erahnte ich lediglich die Straßenführung und erreichte in einem Wahnsinnstempo unsere Wohnung.
Die nächsten Tage erlebte ich wie durch einen Blauschleier. Kochte für Laurenz, entstaubte seine geliebten Bierkrüge und tat so als wäre nichts geschehen. Das konnte ich gut, hatte ich von Tante Martha gelernt, die Zeit ihres Lebens einen Geliebten hatte und ihrem Mann eine glückliche Ehe vorgaukelte. Aber ich hatte sie als Kind in den Armen dieses Anderen erwischt, tja und seit diesen Tagen habe ich von ihr gelernt. Schlechte Verhaltensweisen lernt man schnell und gerne. Das ist so.
Kaum war Laurenz morgens aus dem Hause oder beim Sport durchstöberte ich die Internetseiten. Und siehe da: Rizin schien eine wahres Wundergift zu sein. Allein zwei Samenkörner könnten schon zu einer tödlichen Vergiftung führen. Bei dem muskulären Körper meines Laurenz entschied ich mich direkt zehn dieser Samenkörner zu bestellen. Ich wollte kein Risiko eingehen. Die bohnenähnlichen Samen des Wunderbaums wurden auch per Express geliefert und ich versteckte sie in meinem kleinen Fläschchen, welches ich wiederum in den dunkelgrauen Bierkrug stellte.
Und nun war der Tag gekommen. Das Fläschchen in meiner Hosentasche, den Champagnerkelch in der rechten Hand stand ich auf dem Balkon, genoss die laue Sommernacht und wartete auf meinen Laurenz.
Gleich würde er kommen, mir einen flüchtigen Gruß entgegenwerfen, im Bad verschwinden und duschen. So wie jeden Abend in den letzten Wochen, in denen er seine Influenza hatte.
Ich hörte den Schlüssel, sah wie er die Tür aufmachte und grüßte fröhlich mit meinem Champagnerkelch in der Hand.
Ich hörte das Zuschlagen der Badezimmertür und das fließende Wasser der Dusche.
Dann kam Laurenz aus dem Bad. Frisch rasiert, frisch geduscht und gekämmt. Kam direkt auf mich zu und sprach: „Du, meine Liebe, vielleicht hast Du es ja schon bemerkt, aber ich liebe eine Andere. Sie ist so ganz anders als Du. Sie ist so zärtlich, so sportlich, so sensibel, so aufopfernd, so einfühlend und so jung!“
Ich schluckte, verschluckte mich an meinem eigenen Speichel, ich hustete, kippte den restlichen Champagner in mich hinein und hielt mich an der Balkonbrüstung fest. Unbemerkt fühlte ich das kleine Fläschchen mit den Samenkörnern in meiner Hosentasche. Mein Plan die Samen in ein Glas Bier von Laurenz zu schütten nahm plötzlich Gestalt an. Ich schaute Laurenz in die Augen: „Ja, ich habe es geahnt. Komm, lass uns zum Abschied noch ein etwas trinken, dann kannst Du Deine eigenen Wege gehen. Du weißt dass ich Dich liebe und nie und nimmer ohne Dich glücklich werden kann. Laurenz!“ Jetzt kamen mir die Tränen. Ich sah Laurenz, ich schüttete ihm ein Bier in einen seiner Bierkrüge und mir füllte ich den Kelch mit dem herben Champagner. Dann holte ich das Fläschchen vor den Augen von Laurenz aus meiner Hosentasche, entnahm die Samenkörner und legte sie vorsichtig und langsam in meinen Champagnerkelch. Ein Samenkorn nach dem Anderen.
„Weißt Du Laurenz, wenn ich Dich nicht lieben darf dann will ich auch keine Andere neben Dir sehen.“
Mit beiden Händen umklammerte ich den Kelch und kippte den Inhalt in meine Kehle.
Das Letzte was ich von Laurenz wahrnahm war ein:
„NEIN!! - NEIN!!! - Nicht, Antilla!“
„Es kam kein Brief.
Was wollte mir der Absender damit sagen?“
Karl Heinz Karius