Читать книгу Schneeflockenträume in New York - Karin Koenicke - Страница 11

Sienabraun Nelly

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Mit der Farbe Braun ist das so eine Sache: Sie kommt nicht im Regenbogen vor, der Himmel tönt sich nie in Braun, nicht mal braunes Licht gibt es. Und eine der Grundfarben ist sie erst recht nicht, sie muss erst mühsam gemischt werden. Man könnte sich fast fragen, ob Braun überhaupt existiert, zumal sie die Farbe ist, die die meisten Menschen ablehnen. Ist sie also nur eine Fata Morgana, die man besser nicht beachten sollte? Oder … steht sie vielleicht doch für die Beständigkeit der Erde, für verlässlichen Boden unter den Füßen und natürlich für – Holz?

My creative oasis prangte auf dem Schild über der Tür, die Nelly gerade aufdrückte. Natürlich war es völliger Irrsinn, was sie da tat. Da half es auch nichts, dass dieses Hinterhof-Atelier, in dem Kurse und Künstler-Events stattfanden, sehr gemütlich aussah. Die Fakten blieben. New York hatte 8,5 Millionen Einwohner und allein in Manhattan lebten fast 2 Millionen Menschen. In der Schule hatte Mathematik zu Nellys Hass-Fächern gehört, aber selbst sie konnte ausrechnen, wie hoch die Chancen waren, Julian zu finden. Mal angenommen, nur jeder hundertste Einwohner würde hin und wieder malen, dann wären das 20.000 Pinselschwinger in Manhattan. Beim Lottospielen hätte sie bestimmt bessere Aussichten.

Sie seufzte tief. Aber vielleicht stimmten die Zahlen gar nicht? Als eine junge Frau in einem farbbespritzten Malerkittel auf sie zukam, sprach Nelly sie direkt an. „Wissen Sie zufällig, wie viel Prozent aller Menschen malen?“, fragte sie.

Die dunklen Augenbrauen der Frau sprangen nach oben. „Interessante Frage. Vielleicht einer von Tausend?“

„Das wäre gut“, rutschte es Nelly heraus. Damit würde sich die Zahl drastisch vermindern und sich ihre Chancen erhöhen.

„Sind Sie Journalistin?“ Die Frau setzte plötzlich ein äußerst freundliches Lächeln auf. „Wollen Sie eine Reportage machen über unser kleines Atelier für Hobbykünstler?“ Sie machte mit den Armen eine ausladende Bewegung, um stolz all die Bilder zu präsentieren, die an den Wänden hingen oder auf Staffeleien auf ihre Fertigstellung warteten.

„Nein, leider nicht. Es ist eher so, dass ich jemanden suche.“

Die Miene verfinsterte sich deutlich. „Ach so. Und wen?“

„Er heißt Julian, ist um die dreißig und malt Aquarelle. Auch Öl, soweit ich weiß, aber die Ölbilder von ihm kenne ich nicht, nur ein Landschaftsaquarell. Er hat dunkle Haare, kobaltgrüne Augen und ist einen halben Kopf größer als ich. Haben Sie ihn schon mal gesehen?“

Die Frau im Malerkittel verschränkte die Arme vor der Brust. Besonders entgegenkommend sah das nicht aus. „Wie stellen Sie sich das vor? Wir haben fast jeden Tag einen Kurs oder freie Werkstatt. Es sind hunderte von Menschen, die bei uns ein- und ausgehen, da merke ich mir doch keinen Namen!“

Nelly sank in sich zusammen. Nicht, weil der harte Ton ihr zusetzte – da war sie in der Fabrik ganz andere Sachen gewöhnt. Sondern weil ihr erneut klar wurde, wie unwahrscheinlich es war, Julian irgendwo zu finden. Ja, er hatte erwähnt, dass er manchmal in ein Atelier in Manhattan ging, um einen Kurs zu besuchen oder sich mit anderen Farbkünstlern zu treffen. Aber dass sich jemand an seinen Namen erinnerte, war wohl trotzdem zu viel verlangt.

„Kann ich wenigstens einen Zettel aufhängen?“ Nelly zog ein Blatt aus ihrer Tasche. „Damit er sich bei mir melden kann, wenn er mal zufällig hier auftaucht?“

„Sieht es hier aus, als hätten wir eine Wand für Kontaktanzeigen?“, zischte ihr Gegenüber. „Melden Sie sich auf einer Partnerbörse an, wenn sie einen Lover suchen! Wir sind ein Kunstatelier und keine Litfaßsäule!“

Schon klar, hier würde sie nicht weiterkommen.

Nelly bedankte sich knapp und ging hinaus in den Winterabend, der ihr einen eisigen Wind ins erhitzte Gesicht blies. Es war längst dunkel geworden über der Stadt. Hektische Scheinwerfer spiegelten sich in den Pfützen, die der Schnee hinterlassen hatte, aus den Läden fiel kaltes Neonlicht auf den Gehweg, ein kahler Baum streckte seine Äste in den nebelschwarzen Himmel. Nelly schlang ihren Mantel enger um sich. Gut, dass wenigstens ihr Kater wieder aufgetaucht war! Es kam ihr vor, als wäre er das einzige bisschen Wärme, die das Leben für sie übrig hatte. Warum war es ihr denn nicht vergönnt, wenigstens noch ein paar schöne Tage mit Julian zu verbringen? Ihn zumindest ein einziges Mal wiederzusehen, das wünschte sie sich doch so sehr, da könnte das Schicksal doch wirklich ein Einsehen haben und dafür sorgen, dass …

Halt! Ärgerlich über sich selbst schüttelte sie den Kopf. Das war Quatsch! Sie musste aufhören, sich in Selbstmitleid zu suhlen. Klar, die harte Arbeit und der raue Ton in der Fabrik setzten ihr zu, das war leider ganz anders als in ihrem früheren Job, den sie so geliebt hatte. Und natürlich litt sie unter der Einsamkeit. Aber es gab jede Menge Menschen, denen es noch viel, viel schlechter ging. Der Straßenmusiker in seinem abgewetzten Mantel fiel ihr ein. Sicher hatte der deutlich weniger Geld zur Verfügung als sie selbst, vielleicht nicht mal ein anständiges Dach über dem Kopf. Und bestimmt keinen lieben Kollegen, der heute Abend mit ihm zum Schlittschuhlaufen ging. Nein, sie hatte wirklich keinen Grund, sich zu beklagen!

Nelly beschleunigte ihre Schritte. Sie würde jetzt zum Bryant Park fahren und auf der Eisfläche jede Menge Spaß mit Cole haben! Und zwar ohne einen einzigen Gedanken an irgendwelche eingebildeten Probleme zu verschwenden, erst recht nicht an Julian.

Nach diesem Entschluss war ihr deutlich leichter ums Herz. Als sie an der 42sten Straße aus der U-Bahn ausstieg, kam Cole schon auf sie zu. Er streckte ihr eine Plastiktüte entgegen.

„Meine Nachbarin hat deine Größe, so sparen wir uns eine Menge Geld und können es in Hot Dogs investieren.“

Dankbar nahm sie die Schuhe an. „Ich liebe praktisch denkende Männer“, erwiderte sie. „Selbst, wenn sie total verfressen sind.“

Gemeinsam schlenderten sie zur Eisfläche. Auf einem Schild stand, dass der Eintritt gratis war, man aber tatsächlich saftige zwanzig Dollar hinblättern musste, wenn man sich Schlittschuhe mieten wollte. So viele Hot Dogs konnte nicht mal Cole verdrücken.

Mit einiger Mühe schnürte sich Nelly die Schuhe zu, anschließend stakste sie zur Bande und sah sich erst mal um.

Die Eisfläche war riesig! Eingebettet zwischen den in Manhattan unvermeidlichen Wolkenkratzern und auf einer Seite begrenzt von stattlichen Bäumen, in die man Lichterketten gehängt hatte, wartete sie geduldig auf Vergnügungssüchtige.

„Ist ja ganz schön was los“, stellte Nelly fest, denn es tummelten sich natürlich schon eine Menge Menschen auf dem Eis.

Cole hielt ihr seine Hand hin. „Komm, Prinzessin, wir stürzen uns ins Getümmel!“

Das taten sie. Die ersten Schritte waren noch wacklig und Nelly war froh um Coles Arm, an dem sie sich festhalten konnte. Doch mit jedem Meter wurde sie mutiger. Sie fand den richtigen Rhythmus und glitt verträumt über die schimmernde Fläche. Gott, es war ewig her, dass sie Schlittschuh gelaufen war! Allmählich kam alles zurück, selbst die Unbeschwertheit, die sie als Kind dabei gespürt hatte. Sie lachte übermütig, als sie stolperte und sich gerade noch rechtzeitig an der Bande festhalten konnte, stieß sich aber sofort wieder ab und glitt auf Cole zu.

„Es ist großartig!“, rief sie atemlos. „Ich hatte völlig vergessen, wie schön das sein kann.“

Cole hatte sich eine rote Mütze über die Haare gezogen und sah mit seinem Bart ein bisschen aus wie ein freundlicher Waldschrat. Auch er grinste.

„Du flitzt ja hier rum, als würdest du dich für eine Rolle in ‚Die Eiskönigin‘ bewerben“, neckte er sie.

Nelly versuchte eine Drehung, ruderte mit den Armen und musste sich schließlich an seiner Schulter einkrallen, wobei sie aus dem Lachen nicht herauskam. Alles war so leicht! So herrlich glitzernd und schimmernd und voll Lebendigkeit. Einfach übers Eis gleiten, die Arme zur Seite strecken, den Wind spüren. Dazu Musik aus den Lautsprechern, das Kichern von kleinen Kindern, und über allem dieser klare Januarmond, der sicher jeden Moment seinen Mund zu einem vergnügten Lächeln verziehen würde, weil er sein Silberlicht auf eine so schöne Szenerie werfen durfte. Viel zu lange hatte Nelly die Schwere gefühlt, hatte in die Dunkelheit geschaut und die traurigen Seiten des Lebens wahrgenommen. Nun kam es ihr vor, als würde das Pendel zumindest für diesen Abend in die andere Richtung ausschlagen und sie mit fröhlicher Lebenslust überhäufen. In den Fensterscheiben der Hochhäuser spiegelten sich die Sterne, am unteren Rand der beheizten Galerie, von der aus man den Eisläufern zuschauen konnte, hingen lustige Eiszapfen und die Atemluft der Schlittschuhfahrer ließ helle Wölkchen entstehen.

Nelly wurde übermütig, sie drehte sich um, versuchte, rückwärts zu laufen, und brachte irgendwie ihre Beine durcheinander. Mit einem Plumps fiel sie auf ihr Hinterteil.

„Autsch.“ Grinsend drückte sie ihre Hände, die zum Glück in Handschuhen steckten, auf die Eisfläche, um sich in den Kniestand zu drehen und wieder aufzurichten. Von einem kleinen Sturz ließ sie sich nicht unterkriegen, sie würde gleich wieder stehen und weiter herumflitzen.

Da spürte sie etwas.

Wo bisher nur die federleichte Heiterkeit in ihrem Bauch gekribbelt hatte, als hätte sie eine Familienpackung Brausepulver verschluckt, breitete sich ein anderes Gefühl aus. Eines, das so mächtig war, dass sie einen Moment lang sitzen bleiben musste, weil ihre Knie zitterten.

Sie sah auf. Hunderte von Beinen, Jacken, Kufen um sie herum – unmöglich, hier jemanden zu erkennen. Und doch … dass ihr Magen sich so zusammenkrampfte und gleichzeitig vor Wärme fast überquoll, das hatte sie nur bei einem einzigen Menschen gespürt. Bei Julian.

Nelly sprang auf die Beine. Noch nie war ihr das gelungen, immer hatten die anderen Kinder sie ausgelacht, weil sie zwar ganz ordentlich fahren konnte, aber sich beim Aufstehen anstellte wie ein tapsiger Grizzlybär. Heute jedoch schaffte sie es innerhalb von Sekunden, auf den Kufen zu stehen.

Wo war er?

Oder hatte sie es sich nur eingebildet?

Ihr Bauch verneinte, indem er weiterhin vibrierte wie einer dieser riesigen Gongs vor einem tibetanischen Tempel. Reglos stand Nelly auf dem Eis, starrte nur auf das Gewusel rings um sie herum, versuchte etwas zu erkennen. Ihn zu erkennen. Seinen dunklen Haarschopf, seine typischen Bewegungen, seine Augen. Sie musste noch ein einziges Mal in diese Augen schauen!

Dort hinten! Eine Steppjacke in Sienabraun. Ihr Herz hämmerte wild los, als sie den Mann sah. Das waren Julians Haare! Nelly bewegte sich hektisch, drängte sich durch die Menge, beachtete Cole nicht, der ihr irgendwas zurief. Ein paar Jugendliche mit Hockeyschlägern kreuzten ihre Bahn, sie musste ausweichen. Sah die Jacke nicht mehr.

„Verflixt, passt doch auf!“, fuhr sie die Rowdys an. Nahm die Verfolgung wieder auf. Plötzlich waren da zwei hellbraune Jacken, eine vor ihr, eine hinter ihr. Nellys Hände zitterten. Welche davon war Julian?

Sie überließ sich ihrem Bauchgefühl. Die Jacke vor ihr war genau in dem Sienabraun, das er bei seinem Aquarell verwendet hatte, um das Schilf am Uferrand zu malen. Kein dunkles Vandycke, kein ins Olivgrün fließendes Umbra natur, nein, es war genau dieses Braun.

„Julian!“, rief sie über die Eisfläche, obwohl er sie natürlich nicht hören konnte. Viel zu voll war es, viel zu laute Musik, zu knirschende Kufen, zu eifrige Gespräche. Aber vielleicht würde er sie spüren? So wie sie ihn?

Jemand packte sie am Ärmel. Ihr Herzschlag setzte einen Moment aus. Sie fuhr herum, kaum fähig, auch nur zu atmen.

„Willst du jetzt auch noch unter die Eisschnellläufer gehen?“ Es war nur Cole.

„Nein, es ist …“, stammelte sie. „Ich glaube, ich habe Julian gesehen. Es fühlt sich zumindest so an.“

Coles buschige Augenbrauen trafen sich fast in der Mitte. „Es fühlt sich so an?“, wiederholte er ungläubig und schüttelte den Kopf. „Also echt, Nelly, manchmal glaub ich, du hast in deinem alten Job zu viel Lösungsmittel geschnüffelt.“

„Ich muss die Jacke finden“, erklärte sie unbeirrt und wandte sich von ihm ab. „Hilf mir suchen! Sie ist sienabraun.“

Schon fuhr sie wieder los. Erst nach den ersten Metern in Richtung des hinteren Teils der Eisfläche fiel ihr auf, dass Cole bestimmt keinen Schimmer hatte, wie diese Farbe aussah. Egal. Wenn jemand Julian finden konnte, dann wäre es sie selbst, das spürte sie deutlich.

Runde um Runde glitt sie übers Eis, die Augen unermüdlich auf der Suche nach der Steppjacke. Der Knoten in ihrem Bauch schnürte sich mehr und mehr zusammen, denn es kam ihr immer unwahrscheinlicher vor, dass sie ihn finden würde. „Aber ich habe dich doch gefühlt!“, flüsterte sie sich selbst zu, als ihre Beine müde wurden und die Kälte des Eises in ihre Knochen kroch. Alles vergebens. Sie hätte ihm längst begegnen müssen.

Geschrei hinter ihr. Die Hockey-Jungs beließen es nicht mehr nur dabei, auf den Puck einzudreschen, sondern verprügelten sich jetzt gegenseitig. Einer wurde gegen Nelly geschleudert, riss sie mit, sie krachten gegen die Bande.

„Sag mal, spinnst du?“, brüllte sie den Rüpel an und rieb sich den schmerzenden Ellbogen, mit dem sie aufgeprallt war.

„Sorry“, nuschelte der Teenager und stürmte schon wieder los, auf die anderen zu.

Wild gewordene Ameisen kribbelten bis in Nellys Fingerspitzen und vertrieben für einen Moment die Unruhe in ihrem Magen. Sie fluchte noch mal vor sich hin, weil der Arm immer noch wehtat. Gerade wollte sie nach Cole Ausschau halten, der sicher schon Eiszapfen als Beine hatte, da fiel ihr Blick auf die Leute, die auf der anderen Seite die Eisfläche verließen. Einer der Männer trug eine sienafarbene Jacke.

Ohne zu überlegen, flitzte sie los. Wich mit traumwandlerischem Geschick allen entgegenkommenden Läufern aus, fuhr einen gewagten Bogen um die Hockeyspieler, landete atemlos am Ausgang. Sah ihn, seinen Rücken, in Rufnähe. Krallte sich an der Bande fest. Spürte ein eisiges Schwert der Enttäuschung in ihre Brust eindringen.

Er war es nicht. Der Mann, der Julian von hinten tatsächlich zum Verwechseln ähnlich sah, führte ein Kind an der Hand. Einen kleinen Jungen – oder war es ein Mädchen? – der ihn glücklich anlächelte. So wie ein Kind nur den Menschen anlächelt, zu dem es die engste aller Beziehungen hat, mit ganz viel Liebe und Vertrautheit. Sie wusste aber ganz sicher, dass ihr echter Julian keine Kinder hatte. Das hätte er ihr gesagt. Sie waren so ehrlich miteinander umgegangen an diesem Sommertag, hatten von den geheimsten Wünschen gesprochen, sich beide so sehr geöffnet – da war kein Platz für Unwahrheiten gewesen.

Also hatte sie sich getäuscht. Ihr Bauch und ihr dämliches Herz waren keine verlässlichen Antennen. Sie musste nicht seinen Namen rufen und darauf warten, dass er sich zusammen mit all den anderen Menschen umdrehte und sie ein fremdes Gesicht erkennen würde. Nein, das war zwecklos. Es gab schließlich viele braune Jacken in Manhattan. Und sie war nur eine dumme Kuh, die Wunsch und Realität nicht mehr trennen konnte.

„Hast du den Kerl in dieser sahara-braunen Jacke gefunden?“ Cole tauchte neben ihr auf.

Sie mühte sich mit einem Lächeln ab angesichts seines Versuchs, sie aufzumuntern. „Hab ich. Aber es ist nicht Julian. Immerhin habe ich etwas gelernt heute.“

Er neigte den Kopf zur Seite. „Dass Schlittschuhlaufen hungrig macht und du dringend einen Hot Dog mit superscharfer Chilisoße brauchst, um dich innerlich aufzuwärmen, stimmt‘s?“

„Ganz genau.“ Sie nickte zustimmend. „Und dass ich mich endlich von dieser Idee trennen muss, ihn wiederzusehen. Es ist Unsinn. Und je schneller ich das in meinen Dickschädel bekomme, umso besser.“

„Sag ich doch schon seit Monaten!“ Cole streckte ihr die Hand hin und half ihr nach draußen. „Einem einzigen Kerl nachzuhängen, ist wirklich verrückt. So viele andere laufen herum. Vergiss diesen langweiligen Maler und such dir einen anderen heißen Typen.“

Nelly schob die Kufenschoner auf die Schuhe. In ihr war plötzlich nichts anderes als eine finstere Leere.

Vielleicht hatte Cole recht. Vielleicht war es wirklich an der Zeit, von Julian Abschied zu nehmen, nicht mehr an seine feingliedrigen Hände zu denken, sich nicht mehr nach seinem Lachen und dem schelmischen Blitzen in seinen Augen zu sehnen. Vielleicht sollte sie diesen kobaltgrünen Glasstein, der auf ihrem Nachttisch lag und in den sie manchmal ihren Blick versenkte, um sich die Illusion zu geben, in seine Augen zu schauen, in die Schublade legen und nie mehr hervorholen.

Und vielleicht würde es sich dann eines Tages nicht mehr so anfühlen, als bliebe beim Gedanken an ein Leben ohne ihn in ihrem Herzen diese kahle Eisfläche zurück, die hundert mal größer war als die hier im Bryant Park.

Schneeflockenträume in New York

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