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Der Riskonto

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Eine alte Pfründnerin, die kleine, bucklige, zittrige Hafnerin, hatte ihren Riskonto verloren, auf dem ein Gewinst von vier Gulden, das heisst acht Kronen stand. Die alte Hafnerin rechnete konsequent nur nach Gulden und Kreuzern. Vom Eck der Gasse her, beim Kaufmann, musste der Verlust erfolgt sein. Dort hatte sie ihr Sacktuch aufgeknotet und zehn Heller aus ihrem Schatze entnommen. Ausser einigem Bargeld enthielt er auch den gewinstreichen Riskonto.

„Was suachen S’ denn, Muatterl?“ fragte ein Strassenkehrer die immer erregter auf- und abtrippelnde und suchend gebeugte Alte.

„Marrand Anna — vielleicht hab’n S’ ’hn g’seg’n. A Rischkonta war’s, a gelber.“

„Kunnt’ mi’ net erinnern, Muatterl. So a Papierl waht der Wind davon, und ma’ hat gar ka’ Idee, wohin? War was drauf?“

„A Amba war’s.“

„Ui jegerl! No, war’n a paar schöne Vierterln Wein g’wes’n.“

„Ja freili’, für Euchere Männergosch’n war’ alles nur auf an’ Wein. Helfen S’ mir liaba suach’n!“

„Was suacht denn die Frau?“ fragte der daherschlendernde Wachmann angesichts der aufs neue aufgeregt suchenden Pfründnerin den Strassenkehrer.

Der erklärte den Sachverhalt.

„War was drauf?“ forschte der Wachmann.

„No ... a Amba, sagt s’.“

„A Amba? Gabert grad a paar Vierterln Wein.“

Die alte Pfründnerin hatte das Wort erlauscht.

„An’ Wein? Sunst weiter nix? Ob ma’ von an’ Mannsbild was anders hörert als vom Saufen. Schauts liaber, vielleicht find’ts ’n aner.“ Und sie ging daran, ein altes, im Rinnstein liegendes Zeitungspapier, das der Strassenkehrer schon tagelang vergessen hatte, umzukehren.

„Was suacht denn dö Frau?“ fragte ein Kohlenträger, der mit seiner leeren Butte daherkam und sehr neugierig war.

„An’ Rischkonta.“

„War was drauf?“

„Mir scheint, a Amba oder Ambasolo,“ sagte der Strassenkehrer.

„War’ grad recht auf a Sprüngerl ins Wirtshaus. Gabert a paar schöne Vierterln Wein ...“

„Was suacht denn dö Frau?“

Die Frage war allgemein geworden. Denn der Kohlenträger hatte seine Butte niedergestellt und las schmutzige Papiere auf, unter die sich vielleicht der Gewinstzettel verirrt haben konnte. Auch der Strassenkehrer hatte sich der Aktion angeschlossen, indem er mit der Eisenspitze seines Besens desgleichen tat. Der Wachmann wollte nicht zurückbleiben und nahm das Schleppeisen seines Säbels zu Hilfe.

„Was wird denn g’suacht?“

„A Rischkonta soll valur’n ganga sein. Mit an’ Terna!“

„Fix Laudon no’mal, da kunnt’ ma’ amal scho’ urndli’ drahn. Da gangt scho’ was oba!“

„Was wird denn g’suacht? Was wird denn g’suacht?“

Binnen kurzem beteiligte sich mit Inbegriff einer zahlreichen Strassenjungenschaft jeder Vorbeigehende an der Entdeckung des kostbaren Stückchens Papier. Als dürfte dieses nicht ein solches, sondern eine schwere Münze gewesen sein.

Allgemein wurde der Meinung Ausdruck gegeben, dass man sich viel Wein und viele „Drahrer“ um das verlorene Geld kaufen könnte. Die alte Hafnerin als Verlustträgerin war ganz vergessen. Man suchte. Mit Leidenschaft. Aus Sport.

Endlich ein Aufschrei.

„Da is das Malefizviech. In Sack hab’ i’s g’habt, und i hab’ g’mant, i hätt’s eing’wickelt g’habt. Na, an den Schrocken wir’ i denken, und wann i hundert Jahr’ alt wir’!“

„Was war’s denn eigentli’?“

„Ah nix. Dö narrische Alte macht a Angeh’n weg’n an’ Rischkonta, auf dem a Dreckerl von an’ Amba war.“

Die Aufklärung des wahren Sachverhalts mochte der Ansammlung ein Ende.

Man ging erregt auseinander.

Nur der Wachmann, der Strassenkehrer und der Kohlenträger fanden Worte des Unmuts wegen der verschwendeten Zeit, die das Suchen erfordert hatte.

„Weg’n der verruckten Schacht’l ihr’n blöden Rischkonta versam’ i mein G’schäft,“ sagte der Kohlenträger.

„Gengan S’ ham!“ herrschte der Wachmann die alte Pfründnerin an. „An’ Auflauf ha’m S’ g’macht, dass dö ganze Gassen rebellisch is.“

Der Strassenkehrer begann unmutig brummend wieder sein nervenzerrüttendes Tagewerk. Man konnte nur vernehmen:

„Jetzt ... auf a paar Vierterln Wein hätt’s grad g’längt.“

Von früher und heute. Wiener Skizzen

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