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Im Dienst eines Padrone

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Es war letztlich ein Zufall, dass sich für Händel in Rom so schnell und an so zentraler Stelle eine angemessene Position auftat, denn bei den großen Musikmäzenen der Stadt waren alle entscheidenden Posten längst besetzt. Ruspoli aber brauchte just damals einen jungen Musiker vom Schlage Händels, der es ihm ermöglichte, mit den Musik liebenden Kardinälen in Konkurrenz zu treten. Die drei wichtigsten von ihnen – die Kardinäle Pietro Ottoboni, Benedetto Pamphilj und Carlo Colonna – zählten zu seinen engsten Freunden, nicht zuletzt seines neu erworbenen Reichtums wegen, von dem besonders Ottoboni via großzügiger Kredite profitierte. Zwischen den drei Kardinälen herrschte ein freundschaftlicher Wettstreit um den Vorrang im Musikleben Roms. Als Händel am Tiber eintraf, schickte sich Ruspoli gerade an, dieses Trio der Mäzene zum Quartett zu erweitern.

Cembalist und Komponist im kleinen Hausorchester des Marchese zu sein, hatte für Händel gleich mehrere Vorteile: Er diente einem Padrone, der als gesellschaftlicher Aufsteiger sein gewaltiges Vermögen vehement zur Hebung seines Prestiges einsetzte, wozu im päpstlichen Rom um 1700 die Musik das wirkungsvollste Mittel war. Er konnte beim Aufbau einer exklusiven Hofkapelle mitwirken und hatte dort alle Musiker an der Hand, die er brauchte, um ungestört im italienischen Stil komponieren und experimentieren zu können. Und er fand sich mitten im Zentrum eines mäzenatischen Netzwerks wieder, das nicht nur die Musik der Metropole beherrschte, sondern auch über Verbindungen zu den besten Literaten und bildenden Künstlern verfügte, die man brauchte, um Vokalmusik zu schaffen und sie im großen Stil aufzuführen.

Alle drei Aspekte wiederholten sich 1713 in London, als Händel in den Palast des Earl of Burlington einzog, und noch einmal 1717, als er in den Dienst des Earl of Carnarvon, James Brydges, trat, des späteren Duke of Chandos. Beide waren wie der Marchese Ruspoli junge, ehrgeizige Adlige in exponierter Stellung, bei beiden blieb Händel für zwei bis drei Jahre Hausgast in einem Dienstverhältnis ohne feste Verpflichtungen. Auf allen drei Positionen konnte Händel, ohne als „Hofkapellmeister“ an den eng umgrenzten Dienst einer deutschen Hofkapelle gebunden zu sein, vom hohen gesellschaftlichen Rang seiner Auftraggeber und ihrem mäzenatischen Ehrgeiz profitieren. Um Musiker von höchster Qualität brauchte er sich ebenso wenig zu sorgen wie um Aufführungsmöglichkeiten für seine Stücke. Die Freiheiten des Patronatssystems im Gegensatz zum deutschen Hofdienst, aber auch den Luxus des aristokratischen Lebens wusste er zu schätzen und hat beides als adäquat für seine Person betrachtet. Davon legten später in London nicht nur die stattlichen Porträts des Meisters und sein Haus in der Brook Street beredtes Zeugnis ab, sondern auch sein berühmt-berüchtigter lukullischer Lebensstil und seine ungezwungenen Umgangsformen mit seinen Londoner Auftraggebern.

Für all dies musste Händel mit Musik bezahlen: Sein musikalischer Stil hatte dem Rang und dem Geschmack seiner Auftraggeber zu entsprechen. Er musste repräsentativ, festlich, groß und angenehm schreiben,„majestically sweet“, wie es der englische Adel später an seinen Werken so schätzte29, doch nicht zu kunstreich und kompliziert. Eine Musik für Kenner voll dichter Mittelstimmen und kontrapunktischer Künste zu schaffen, wie es Johann Sebastian Bach selbst an den Fürstenhöfen in Weimar und Köthen tat, hätte sich Händel nicht leisten können. Die dreifache rhetorische Aufgabe der Musik im Barock – das Movere, Docere und Delectare, das Bewegen, Belehren und Erfreuen – reduzierte sich für ihn schon in Rom weitgehend auf das Movere und Delectare.

In all diesen Aspekten nahm das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen Händel und seinen adligen Auftraggebern, wie es seine spätere Existenz in London bestimmen sollte, zuerst in Rom Gestalt an – im Dienst des Marchese Ruspoli und seiner Freunde. Schon im Januar und Februar 1707 konnte Händel, wie wir gleich sehen werden, von den Verbindungen seines Padrone profitieren. Zunächst aber nahm er an jenem kostbaren, vergoldeten Cembalo Platz, das römische Handwerker für ihn im Advent 1706 in Ordnung gebracht hatten. Vielleicht war es jenes „bellissimo cembalo a sette registri“, ein Instrument mit sieben Registern, das kein Geringerer als Ferdinando de’ Medici 1703 der Ehefrau des Marchese Ruspoli, Isabella Cesi, geschenkt hatte30. Es waren offenbar genau diese guten Beziehungen der Marchesa Ruspoli zum Granprincipe di Toscana, die Händel den Weg von Florenz nach Rom geebnet hatten.

Händel in Rom

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