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3. Grenzerfahrungen in der Lebensmitte und was darin gewachsen ist

Herumgetrieben auf dem stürmischen Meer – Die Verwundung und die Folgen

Ignatius

Tatsächlich, Teresa, meine Welt war wirklich eine ganz andere. Nach meiner Ausbildung am Hof hoffte ich auf eine große Karriere und träumte von ritterlichen Großtaten. Bald bot sich anlässlich der Verteidigung der Festung Pamplona gegen die Franzosen eine hervorragende Gelegenheit, meinen Mut und meine Tüchtigkeit zu beweisen. Da die Lage aussichtslos war, dachte die kastilische Truppe bereits ans Kapitulieren. Nun wollte ich meinen Mut unter Beweis stellen. Ein Zeuge berichtete später über mich: »Angetrieben von seiner Kühnheit und seinem heißen Wunsch nach Ehre … sprengte [er] mit einer kleinen Gruppe Soldaten im Galopp in die Stadt hinein.«2 Und was geschah? Eine Kugel zertrümmerte mein rechtes Bein – und es kam noch schlimmer: Nach dem mühsamen Transport in das Schloss meiner Familie in Loyola mussten die Ärzte nochmals alles aufschneiden und die Knochen neu richten. Das setzte mir so sehr zu, dass die Ärzte mit meinem Tod rechneten. Ich erholte mich dann zwar, jedoch nur langsam. Die Zeit im Bett vertrieb ich mir mit Ritterphantasien und dem Träumen von Heldentaten. Wie du, Teresa, hätte ich gerne Ritterromane gelesen. Doch es waren keine im Haus. Meine Schwägerin Magdalena brachte mir dann zwei religiöse Bücher, nämlich eine »Vita Christi« und eine Sammlung von Heiligenlegenden. Was mich sowohl bei den Ritterromanen wie bei den Heiligenlegenden interessierte, waren die Heldentaten. Ich träumte immer noch davon, etwas Besonderes zu vollbringen. Manchmal dachte ich an Heldentaten als Ritter, manchmal an ein heroisches Leben als Heiliger.

Teresa

Oh Ignatius! Ich habe dir ja schon erzählt, wie ich als Heldin gegen die Mauren kämpfen und als Märtyrerin sterben wollte. Da das nicht möglich war, entschied ich mich fürs Kloster, um, wie schon gesagt, der Hölle zu entkommen und patriarchalen Zwängen weniger ausgeliefert zu sein. Dort suchte ich über viele Jahre meinen ganz eigenen Weg als Frau. Meine praktische Begabung und meine Kontaktfreudigkeit schützten mich vor allzu verstiegenen Träumen.

Doch wie hast du, Ignatius, vom Träumen ins reale Leben gefunden?

Ignatius

Mit der Zeit brachte mich die radikale Unterbrechung meiner Karriere in eine Krise, die mich zum Nachdenken zwang und zu einer grundlegenden Umorientierung führte. In den langen Stunden auf meinem Krankenbett entwickelte und vertiefte sich meine Selbstwahrnehmung. Ich stellte fest, dass die Träume von Ritterabenteuern und Heldentaten mich leer zurückließen, während ich nach der Beschäftigung mit spiritueller Literatur eine positive Energie in mir spürte und ich mich bestärkt und getröstet fühlte. Die früheren

Karriereziele kamen mir zunehmend leer und sinnlos vor. So entschied ich mich, in meinem Leben neue Prioritäten zu setzen.

Teresa

Ich staune über deine entschiedene Neuorientierung, Ignatius. Bei mir zog sich der Prozess der Umorientierung viel länger hin. Du weißt ja um die Schwierigkeiten in unseren Klöstern. Es gab zwar viele eifrige Mitschwestern, aber die Bedingungen waren für das kontemplative Leben nicht günstig. In »meinem« Kloster der Menschwerdung lebten 180 Nonnen, die auch aus purer wirtschaftlicher Not viele Außenkontakte pflegten. Es ging zu wie in einem Bienenhaus. Die vielen mündlichen Gebete im Auftrag unserer Wohltäter erlebte ich oft als äußerliche Pflichterfüllung und meine Seele fand kaum Nahrung. Aber es gab etwas ganz Entscheidendes, das mich in diesen schwierigen Jahren, in diesem Hin und Her getragen hat, nämlich das innere Gebet. Es war jedoch ein langer und schwieriger Weg. In meiner Vida schrieb ich über diese stürmische Zeit: »Weil ich mich an dieser starken Säule des inneren Gebetes festklammerte, trieb ich mich fast zwanzig Jahre auf diesem stürmischen Meer herum mit diesem Fallen und Aufstehen, aber das nur schlecht – denn ich stürzte wieder … Ich kann nur sagen, dass das eine der mühseligsten Lebensweisen ist, die man sich meines Erachtens vorstellen kann, denn weder erfreute ich mich Gottes, noch fand ich in der Welt mein Glück« (V 8,2). Es war sehr hart und ich litt an meinem inneren Zwiespalt, hin- und hergerissen zwischen meinen vielen Kontakten sowie weltlichen Zerstreuungen und meiner Freundschaft mit Jesus. Trotzdem: Das innere Beten vertiefte sich und wurde immer mehr zur tiefsten Quelle meiner Spiritualität.

Mit Charme gewinnen - kämpfend vorangehen

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