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Kapitel 2: Lockere Gesellen

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An dem Zusammenflusse der Elde und des Mayen an der Mecklenburgisch-Priegnitzischen Grenze, anderthalb Meilen nördlich von Lenzen an der Elbe, lag das feste Schloß Garlosen, später Gorlosen genannt. Es hatte von je her das Schicksal gehabt, unruhigen Geistern, die entweder dem Landesherrn oder den Landstraßen gefährlich wurden, zum Aufenthalte zu dienen und wurde jetzt besessen von vier Männern, die ihr Schwert gut zu führen verstanden und am liebsten den Wein tranken, den Andre bezahlt hatten. Es waren dies der alte und der junge Boldewin von dem Kruge, ihr Vetter Thomas von dem Kruge und der tapfere Claus von Quitzow, zu Stavenow wohnhaft.

Die vier wackern Degen kamen des Morgens auf Garlosen zusammen, erzählten sich von ihren Fehden und Kriegsthaten oder sannen auf neuen Ruhm und tranken dazu mit einer Ausdauer, daß Cuno, der alte Kellermeister, gar öfters sich auf eine der Stufen setzte, um von dem ununterbrochenen Auf— und Absteigen ein wenig zu verschnaufen. Wenn dann der Abend hereingebrochen war und das edle Naß nicht mehr recht durch die rauben Gurgeln wollte, so ließ Der von Quitzow sich von seinen zwei Knappen auf das Roß heben, um, hüben und drüben gehalten, heimwärts zu reiten, während die Drei von dem Kruge nach dem gemeinschaftlichen Schlafgemache taumelten und sich mit den unmöglichsten Abenteuern anlogen, bis Einer nach dem Andern die Sprache verlor und ein dreifaches Schnarchen bewies, daß die Recken nun ernstlich begonnen hatten, von ihrem schweren Tagewerke auszuruhen.

Anders freilich verlief der Tag, wenn eine Fehde auszufechten war oder sich ein Zug mit Kaufmannsgütern nahete; da erhob sich ein gar kriegerisches und lebhaftes Treiben zwischen den Mauern des Schloßhofes, und wenn das Thor sich öffnete, um die Schaar der Gewappneten zu entlassen, so kehrten sie gewiß nicht anders denn als Sieger wieder, denn die vier Herren zeigten sich zwar täglich vom Trinken ermüdet, waren aber noch niemals vom Dreinschlagen matt geworden.

Es war an einem kalten Februartage, als auf der Straße von Lenzen nach Grabow ein Ritter wohlgemuth dahintrabte. Der Gaul, auf welchem er saß, zeigte zwar wenig überflüssiges Fleisch, hatte aber desto stärkere Knochen, und die Art und Weise, wie er ausschritt, ließ kaum eine Art von Schwäche vermuthen. Auch die lange, hagere Gestalt des Reiters saß so stramm im Sattel, als seien erst zwanzig Sommer über sie dahin gegangen, und doch zeigte das Grau von Bart und Haupthaar und der Faltenreichthum des wetterharten Gesichts alle Spuren jenes Alters, in welchem man den warmen Ofen allen Schönheiten eines wintersstarren Waldes vorzieht.

»Ist das eine Dummheit,« sprach er vor sich hin, »ein Schloß so weit in’s Land hinein zu bauen, wo auf der Elbe so reicher Fang zu machen ist! Da reite ich nun – aber halt, wer ist der Mann, der da vorn so langsam dahinschlendert, als ginge er zur Sommerszeit spazieren? Muß ihn ‚mal fragen, wo der Weg nach Garlosen mündet!«

Er gab dem Pferde die Sporen zu kosten und befand sich bald an der Seite des Fußwanderers, welcher, ohne den Ritter groß zu beachten, langsam seines Weges fürbaß schritt. Er war eine gewaltige Figur mit mächtigen und muskulösen Gliedern. Aus dem verwitterten Gesichte ragte ein mit Pech zusammengedrehter Schnauzbart zu beiden Seiten der Nase um eine Handlänge in die Luft hinaus und gab der Physiognomie einen grimmigen Ausdruck. Die Tracht des Mannes war aus ungegerbtem Leder gefertigt und bestand aus hohen Stiefeln, unsauberen Elennhosen, einem abgenutzten Wamms und einem schäbigen Hute, der so breite Ränder hatte, daß man aus der Ferne recht wohl annehmen konnte, der kräftige Patron trage einen Mühlstein auf dem Kopfe. Von dem Hute wallten mehrere rothe Hahnenfedern zur Seite herab, und an einem ebenso rothen Gurte hing ein ungeheurer, langer Raufdegen. —

»Heda, alter Bursche,« rief ihm der Ritter zu, »woher des Wegs und wohin willst Du?«

»Alter Pursche!« antwortete der Gefragte. »Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper der Deiwel soll Den anplasen, der da behaupten thut, daß ich alt pin! Woher ich komme und wohin ich gehe, das ist nur meinen eigenen Peinen ihre Sache; ich bin Wachtmeister und heiße Kaspar Liepenow, und wer mich noch einmal einen alten Purschen nennt, Mordelement, den zerhacke ich, pis er in Fetzen davonreitet!«

Unser guter Kaspar Liebenow, den wir noch von »Fürst und Junker« her kennen, fühlte sich jedenfalls durch die Anrede an seiner persönlichen Ehre gekränkt; seine Augen funkelten, und seine Hand legte sich drohend um den Griff des Schwertes. Doch schien der Ritter diese Zornesäußerungen gar nicht zu bemerken; er fuhr in dem vorigen Tone fort:

»Also Kaspar Liebenow heißest Du und Wachtmeister bist Du? Wohl bei den Rittern von dem Kruge?«

»Peim Kruge, ja, da pin ich stets Wachtmeister, so lange als ein Tropfen zu sehen pleipt, aper pei den Rittern vom Kruge – nein, da will ich plos ‚mal nachfragen, op Herr Dietrich von – na, das ist auch wieder Sache für meine eigenen Peine!«

»Bleibe mir mit Deinen Beinen vom Halse,« lachte der Reiter, »und behalte Deine Weisheit meinetwegen so lange Du nur immer willst, für Dich! Aber sage mir, wie lange ich noch bis Burg Garlosen zu reiten habe.«

»Pis Purg Garlosen? Nicht weiter, als pis Ihr d’ran seid, Mordelement, Gott straf mich, wenn’s nicht wahr ist! Den Weg weiß ich selper nicht; aber er wird pald zu finden sein. – Ich will zu Herrn Claus nach Stapenow und zuvor nachfragen, op er vielleicht bei den Poldewins zu treffen ist,« setzte er hinzu, vertraulicher gemacht durch die Mittheilung des Ritters, daß dieser nach Garlosen wollte.

»Meinst Du den Claus von Quitzow?«

»Denselpen!«

»Du sprachst vorhin von Herrn Dietrich! Bist Du vielleicht Einer von den Quitzow’schen auf Friesack?«

»Das ist schon wieder Sache für meine eigenen Peine; aper Ihr sollt es wissen, wenn Ihr mir vorher sagt, wer Ihr seid. Ich hape Euch noch nie gesehen und kenne Eure Farpen nicht.«

»Hast Du noch Nichts gehört von dem Heyso von Steinfurth auf Alvensleben?«

»Heyso von Steinfurth? Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper der Heyso ist ein Kerl, vor dem ich Respect hape! Er ist reich wie ein Prinz, denn er hat mehr als zwanzig Purgen und Dörfer, und haut eine Klinge, pesser als der Deiwel selper. Den – den kenne ich wohl, opgleich ich ihn noch nicht gesehen hape. Er war mit Herrn Hanns von Quitzow gegen den Prandenpurger und sitzt dem Krämervolke immer tapfer auf dem Nacken. Seid Ihr es denn vielleicht selper?«

Der Ritter nickte und Liebenow fuhr fort:

»Da prauche ich vor Euch keine Angst zu hapen und kann Euch sagen, wer ich pin, denn Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, Ihr werdet meinen Herrn, den Ritter Dietrich von Quitzow nicht verrathen, wenn Ihr ihn etwa auf Garlosen findet!«

»Dachte mir’s – denn nur ein Mann Dietrichs wagt es, mit einem Ritter so zu reden. Ich habe Euer Unglück vernommen und auch gehört, daß Herr Dietrich entkommen sei. Denkst Du, ihn auf Garlosen zu finden?«

»Nein, aper der Claus sitzt den ganzen Tag pei den Poldewins, und von ihm kann ich erfahren, ob sich Herr Dietrich vielleicht bei ihm verporgen hält. Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, ich will auf der ganzen Welt weiter Nichts hapen, als nur meinen Herrn, und nachher wollen wir den Nürnperger Purggrafen zusammenfuchteln, daß er all’ sein Leptage daran denken soll!«

Während dieser geharnischten Rede waren auf einem Waldwege seitwärts aus den Büschen zwei Reiter hervorgekommen, welche auf den ersten Blick die Aufmerksamkeit der Beiden in Anspruch nahmen. Der Vorderste war von einem ungeheuren Leibesumfange und saß auf einem ebenso dicken Schimmel, so daß seine kurzen Beine kaum über den halben Leib des Thieres herabreichten; aus dem vollen, runden Gesichte ragte eine Nase hervor, welche, hochroth gefärbt, fast die knorrige Gestalt einer ungeheuren Kartoffel hatte und an ihrer Spitze in allen Nuancen der blauen Farbe erglänzte; die kleinen, listigen Aeuglein waren kaum im Stande, über die mit Fett gepolsterten Backen hinweg zu sehen; die Zügel hingen lose über dem Halse des Thieres und die beiden Hände des Reiters hatten sich in sorgloser Beschaulichkeit über den Bauch gefaltet, als könne es dem Schimmel im ganzen Leben nicht einfallen, einen ordnungswidrigen Schritt zu thun. Und wirklich arbeitete der corpulente Gaul seine schwere Körpermasse mit einer Behaglichkeit weiter, die auf eine wahre Engelsfrömmigkeit schließen ließ und höchstens die Gefahr besorgen ließ, daß er einmal in seinem eignen Fette stecken bleiben könne.

Hinter diesem wohlgenährten Bilde der Gemüthlichkeit schaukelte mit steifen Beinen sich eine Rosinante vorwärts, deren mattgelb durchschimmernde Knochen nur durch eine Haut zusammengehalten wurden, auf welcher es nur nach angestrengtem Suchen möglich war, ein vereinsamtes Haar zu entdecken; auf dem grad emporstehenden, kahlen Schwanzstummel wiegte sich ein Etwas, dessen Aehnlichkeit mit einem von den Motten zerfressenen Borstenwische unverkennbar war; die beiden Ohren gaben sich alle erdenkliche Mühe, eine aufwärts gerichtete Stellung einzunehmen, fielen aber immer wieder ermüdet auf den schwindsüchtigen Hals herab, und die Lippen des wackern Vierfüßlers hatten jene in sich gekehrte und Mitleid erregende Haltung eingenommen, welche ein Zeichen von der vollkommenen Unschädlichkeit des Gebisses ist. Auf dem scharfkantigen Rücken balancirte sich eine Gestalt, deren lange, spindeldürre Beine fast bis herab zur Erde reichten, während die spitzen Ellbogen fast eine halbe Pferdeslänge über den Rücken ihres Besitzers hinausragten; eine fürchterliche Stößernase sprang aus dem schmalen, blassen Gesichte hervor, und über die schmalen Lippen hingen hüben und drüben zwei oder drei Haare herab, welche als Stellvertreter des Schnurrbartes zu dienen hatten. Und das Ganze krönte ein Ding, welches, halb Hut, halb Helm, halb Sturmhaube, selbst nicht zu wissen schien, weshalb es eigentlich da oben auf dem Schädel sitze. —

Als die beiden Neuangekommenen unsre zwei Bekannten erblickten, hielten sie an, um die fremden Erscheinungen einer sorgfältigen Prüfung zu unterwerfen. Der Schimmel spreizte, um das sicherste Gleichgewicht zu erhalten, die Beine so weit wie möglich auseinander, und sein magerer College verdrehte die Augen vor Betrübniß darüber, daß es hier auf der Straße keinen Nagel gab, an dem er einstweilen seinen müden Kopf aufhängen könnte.

Endlich schien der Dicke zu einem Entschlusse gekommen zu sein. Er versuchte, durch bittende Worte und ermahnende Püffe sein Pferd zum Weitergehen zu bewegen, und als ihm dies endlich gelungen war, hielt er grad’ auf Heyso zu, räusperte sich nachdrücklich und begann:

»Hrrr! Hm! Woher des Weges, Ritter? Hrrr! Hm!«

»Von daher!« lachte der von Steinfurth, indem er nach rückwärts zeigte.

»Hrrr! Hm! Und wohin des Weges? Hrrr! Hm!«

»Dahin!« antwortete Heyso, noch lauter lachend, indem er nach vorwärts zeigte.

»Hrrr! Hm!« räusperte sich weiter der Dicke, indem er seine über dem Bauche gefalteten Hände löste und die Rechte nach hinten streckte. »Balthasar, mein Schwert!«

Der Knappe ergriff den verlangten Gegenstand, welcher bisher quer über seinen beiden Knieen gelegen hatte, und reichte ihn seinem Herrn hin, indem er zugleich nach seinem eigenen Schwerte griff.

»Hrrr! Hm! Wollt Ihr mir nun wirklich sagen, woher Ihr des Weges kommt – hrrr! hm! – und wohin des Weges Ihr wollt, Ritter?«

Es war eigenthümlich, was für eine Veränderung mit den vier zwei— und vierbeinigen Wesen in dem Augenblicke vorging, in welchem der Sprecher nach der mächtigen, zweischneidigen Waffe griff. Er selbst schien mehrere Zoll größer geworden zu sein, seine Aeuglein blitzten höchst unerschrocken unter den überhängenden Brauen hervor, und die ganze Gestalt zuckte in eine Haltung empor, die augenblicklichen Respect einflößte. Ebenso ging es mit Balthasar, dem Knappen, dem man es sehr deutlich ansah, daß jetzt mit ihm nicht sehr zu spaßen sei; der Schimmel begann vor Vergnügen zu tänzeln und schnaubte muthig durch die Nüstern, und der magere Fuchs stieß gar ein helles, trompetenartiges Wiehern aus und sprang vor Vergnügen mit allen Vieren zugleich in die Luft.

»Was soll das heißen?« frug Heyso jetzt ernst.

»Hrrr! Hm! Das soll heißen, daß der Ritter Claus von Quitzow auf Stavenow sich die schuldige Antwort mit dem Schwerte holt, wenn er sie nicht freiwillig bekommt. – Hrrr! Hm! Zieht blank, Ritter, ich werde Euch die Lippen öffnen!«

»Herr Claus von Quitzow?« rief Heyso, halb erfreut, halb betroffen, denn der Ruf des Muthes und der Tapferkeit, in welchem Claus stand, machte ihn doch an dem Eindrucke, welchen die äußere Erscheinung desselben auf ihn hervorgebracht hatte, ein wenig irre. »Verzeiht, Ritter, das habe ich nicht gewußt! Gebt Euer Schwert immerhin wieder zurück. Ich bin der Steinfurth auf Alvensleben und gedachte, Euch auf Garlosen bei den Baldewins zu treffen.«

»Der Ritter Heyso? Hrrr! Hm! Das läßt sich hören. Balthasar, hier hast Du das alte Eisen wieder.«

Der Knecht folgte dem Rufe, und während die beiden Herren neben einander voranritten, lenkte er seinen Fuchs an die Seite des Wachtmeisters, um mit ihm nachzufolgen.

»So, also!« schnarrte er, »zum Heyso von Steinfurth gehörst Du? Bei dem giebt es ein lustiges Leben, keine Sorge, keine Noth, Schlägerei und Wein die Hülle und die Fülle. Verdammtes Leben dagegen auf Garlosen und Stavenow! Wein genug, aber keine Fehde, keinen ehrlichen Kampf die ganze ewige Winterszeit. Bin in die Haut gerostet wie eine alte, verschimmelte Schlackwurst und sehne mich einmal nach einem guten, richtigen Degenstoß!«

»Heyso von Steinfurth, sagst Du? Der mag meinetwegen ein ganzer Kerl sein, aper gegen meinen Ritter kommt er doch nicht auf. Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper einen Herrn wie den Dietrich von Quitzow giebt’s nicht wieder, so weit man denken kann!«

»So, also?« rief erstaunt der Andere. »Du gehörst zu dem edeln Herrn Dietrich, den sie jetzt in Friesack eingeschlossen haben?«

»Eingeschlossen? Herausgeworfen hapen Sie ihn, herausgeworfen wie einen Dachs, dem die Hunde zu viel geworden sind. Aper das Gesindel hätte es gar nicht fertig gepracht ohne die unverschämte große Püchse, mit der sie den Mond vom Himmel schießen. Doch hape nur keine Sorge, Pruder Palthasar; wenn ich nur erst meinen Ritter finde, dann, Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, werden wir die Püchse holen und Perlin, Prandenburg, Magdepurg und die ganzen Heidennester in die Erde hinein begrapen!«

»So, also! Dann ist Ritter Dietrich wohl geflohen?«

»Geflohen?!« rief der Wachtmeister. »Höre, Pruder Steckelpein, nimm Deine Knochen zusammen, sonst schüttle ich sie Dir hinunter in die Stiefel. Ritter Dietrich und geflohen! Durchgeschlagen hat er sich, durchgeschlagen, um ein Heer anzuwerpen, mit dem er den Markgrafen pis zurück nach Schwapen prügeln wird. Das merke Dir, sonst pist Du mein Freund gewesen!«

»So, also! Denkst Du etwa, der Balthasar fürchtet sich vor irgend Jemandem? Ihn und seinen Gregorimanorosewitsch hat noch Niemand zum Falle gebracht!«

»Gregomianorodewisch?! Wer ist denn eigentlich der Türkenhund, der diesen gotteslästerlichen, heidnischen Namen führt? Solche sündhaften Dinge sollten in einem christlichen Lande gar nicht gelitten werden!«

»Ein Türkenhund?« lachte der Hagere. »Nimm mir’s nicht übel, aber meinen Fuchs mit einem Türken zu verwechseln, das hätte ich einem Quitzow’schen nicht zugetraut! So, also jetzt weißt Du es!«

»Ja, jetzt weiß ich es, daß nur Dein Gaul einen so langen und dürren Namen hapen kann, als wie Ihr Peide selper seid. Aper wie ist er denn zu dem Glegimanilatefisch eigentlich gekommen?«

»Das ist sehr einfach: er stammt aus einem russischen Tabun und muß deshalb auch einen russischen Namen haben. Sein Vaterhengst hieß Gregorewitsch, dem sein Vater hieß Rimanowitsch und dem seiner hieß Rosewitsch, und darum heißt er zum Andenken an seine drei letzten Ahnen Gregorimanorosewitsch. So, also! Hast du das verstanden? Und daß er nicht übermäßig vom Fette trieft, das ist ja grad eine Ehre für ihn: er hatte nämlich eine Herzallerliebste, und als er von ihr getrennt wurde, konnte er das nicht verwinden und hat sich fünfundzwanzig Jahre lang so darüber gekränkt, daß er fast ein wenig vom Fleische gekommen ist.«

»Ja, die Liepe, die hat schon Manchen vom Fleische gepracht, der nicht gerade ein Pferd gewesen ist. Aper Pruder Steckelpein, sage mir doch, was das für ein altes Gepäude ist, das da über den Päumen hervorplickt!«

»Das ist Schloß Garlosen.«

»Das alte gichtprüchige Nest wäre das perühmte Garlosen?! Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper das muß ja zusammenstürzen, sopald ich mich nur mit dem Rücken d’ranlehne.«

»Warte es ab! Die Gräben sind so breit und tief und die Mauern so fest und stark, daß keine Donnerbüchse Etwas dagegen thun könnte. Und dazu sind die Ritter von dem Kruge die drei tapfersten in der ganzen

Runde, von meinem Herrn Claus gar nicht zu sprechen, der ein Vierteldutzend zinnerne Teller mit der bloßen Hand zusammenrollt.«

»Das ist keine Kunst, Pruder Steckelpeinewitsch, aper ein ganzes Dutzend irdene Teller zusammenwickeln, das ist eine Kunst! Doch höre einmal, hast Du Nichts gespürt von Herrn Dietrich von Quitzow? Ich denke, er muß sich in die Gegend von Stavenow geschlagen hapen, um sich bei Euch ein Asyl zu suchen.«

»Bis jetzt noch nicht, doch frage Herrn Claus; vielleicht weiß der mehr. So, also, da ist das Schloß. Hörst Du das Zeichen?«

Der Thorwart hatte jetzt die Ankommenden erblickt und gab mit dem Horne das Signal; kurze Zeit darauf rasselte die Zugbrücke nieder, das Fallgatter wurde in die Höhe gezogen und die eisenbeschlagenen Flügel des mächtigen Thores öffneten sich. Im Schloßhofe stand der alte Boldewin, um die Gäste zu empfangen. Er hatte sich auf einen Stock gestützt und verrieth beim Gehen durch die schmerzlichsten Verzerrungen seines Gesichtes, daß er von dem Zipperlein heimgesucht sei.

Nachdem er die beiden Ritter gebührend bewillkommnet hatte, stieg er mit ihnen die Treppe empor. Balthasar gab seinem Pferde einen Schlag, worauf es sich augenblicklich dem Stalle zuwandte, und schritt dann mit Caspar Liebenow nach der Gesindestube.

Während hier der gewaltige Wachtmeister bald die Mannen der Boldewins um sich versammelt hatte und, den Schnurrbart drehend, von seinen Thaten erzählte, saßen droben die Ritter beisammen und hatten gar heimliche und wichtige Dinge mit einander zu verhandeln.

»Es ist keine faule Mähr, sondern ganz gewiß und sicher,« sagte Heyso in halblautem Tone; »ich habe meine Späher in Berlin und Brandenburg, und wer gut bezahlt, der wird auch gut berichtet.«

»Hrrr! Hm!« machte Claus von Quitzow. »Das wäre ein Fang, wie er so leicht nicht wieder kommt, ja, wie er noch gar nimmer dagewesen ist. Wie schön könnten wir da dem Markgrafen den Streit mit meinem Vetter, dem Dietrich, heimzahlen! Also zweimal hundertundfünfzigtausend Goldgülden hat er zu beschaffen? Eine Heidensumme, die man sich gar nicht denken kann! Und wie viel soll dazu von Hamburg kommen?«

»Das weiß ich nicht genau; aber wenig ist es nicht. Wenn der Streich gelingt, so können wir mit dem großen Mogul um die Wette trinken!«

»Und fünfzigtausend Weiber haben, wie die Könige vom Morgenlande,« fiel der junge Boldewin hier ein. Die Dreie von dem Kruge hatten bisher mit weit offenem Munde den Enthüllungen Heyso’s von Steinfurth gelauscht und ihr Erstaunen über den Inhalt derselben war so groß, daß sie nur ganz allmälig wieder in den Besitz der Sprache kamen.

»Zweimal hundertundfünfzigtausend Goldgülden!« stieß seufzend der alte Boldewin hervor und that einen Zug aus seinem Humpen, als wolle er sich vor Freude ersäufen.

»Zweimal hundertundfünfzigtausend Goldgülden!« rief sein Vetter Thomas von dem Kruge und schlug dabei mit der Faust auf die Tafel, daß es krachte. »Da kaufe ich mir das Frankenland und trinke den Wein ganz allein der dort wächst. Topp, Herr Heyso, ich bin dabei, und ein besseres Schwert als das meine, sollt Ihr gar nicht finden.«

Er streckte dem Genannten beide Hände hin, in welche dieser auch kräftig einschlug. Der alte Boldewin war, wenn ihn die Geister des Weines nicht beherrschten, ein gar überlegsamer Kopf und voll der weisesten Rathschläge. Er nahm auch jetzt die Sache von einer weniger leidenschaftlichen Seite und meinte vorsichtig:

»Ein schönes Geld ist es, und wohl etwas mehr werth als das halbe Schock böhmischer Groschen, welches wir vorige Woche dem Juden abnahmen, aber haben – haben muß man die Goldfüchse, das ist die Hauptsache. Wer weiß denn, wann der Transport hier vorübergeht? Er ist gar leicht zu versäumen!«

»Da ist es eben unsere Sache, Tag und Nacht auf der Lauer zu liegen, damit er uns nicht entgehe,« meinte Heyso. »Ich werde mit einer guten Schaar meiner Mannen zu Euch stoßen, denn die Bedeckung wird eine zahlreiche sein.«

»Hrrr! Hm!« räusperte sich Herr Claus. »Nehmt’s nicht übel, Ritter, aber ich denke anders als Ihr. Hrrr! Hm! Der Markgraf ist viel zu klug, um durch eine große Anzahl Reisiger die Aufmerksamkeit erst auf den Zug zu lenken; mich dünkt vielmehr, daß der Transport in aller Stille und unter irgend welcher listigen Verkleidung vor sich gehen wird.«

»Hast Recht, Bruder!« rief der alte Boldewin. »Komm trink!

Claus that ihm gehörigen Bescheid und fuhr dann weiter fort:

»Und wer soll sich jetzt im Winter Tag und Nacht in den Bruch oder auf das Moor legen, um den Fang gehörig abzuwarten! Hrrr! Hm! Das ist eine Arbeit, die ich selbst meinem Balthasar mit seinem Gregorimanorosewitsch nicht zutraue, und das sind doch Zwei, die Alles möglich machen. Nein, ich schlage vor, daß wir einen Kundschafter aussenden, durch den wir erfahren, was uns zu wissen nothwendig ist.«

»Ihr habt weise gesprochen, Herr Claus,« meinte Heyso. »Aber es wird schwer sein, einen Mann zu finden, der klug und treu genug ist für dies Beginnen.«

»O, der ist schon gefunden,« beruhigte der junge Boldewin. »Es giebt im ganzen Reiche keine besseren Kundschafter, als den Pater Eusebius, unsern Burgkaplan. Und wo es sich um einen Streich gegen den Nürnberger Burggrafen handelt, da ist er mit Freuden dabei. Laßt uns ihn rufen!«

»Der ist nicht daheim, sondern nach Grabow gegangen, um irgend eine arme Seele vom Verderben zu retten. Hahaha, Pfaffentrug geht doch zehnmal über Weiberlist! Aber da ist er ja! Gott zum Gruß, ehrwürdiger, frommer Vater! Ich habe doch den Thorwart nicht vernommen. Ihr seid wohl durch die Seitenpforte eingetreten?«

Mit salbungsvollem Gruße nahte der Kaplan, eine kurze, runde Gestalt mit einem außerordentlich pfiffig-frommen Gesichte.

»Des Herrn Gnade walte über Euch, Ihr edlen Ritter!« Und sich zu dem Frager wendend, antwortete er: »Die Wege der Kinder Gottes sind ohne Geschrei und im Verborgenen, und ihr Fuß geht dem Verlorenen nach, um zu suchen und zu retten, die da wandeln in Irrthum und Finsterniß.

»Hrrr! Hm!« machte Herr Claus mit listig blinzelnden Aeuglein. »Habt Ihr vielleicht wieder einmal eine arme Seele gefunden, welche wir retten können vom Verderben?«

Nach dem hingehaltenen Humpen des Burgherrn greifend und denselben in einem Zuge leerend, nickte der Priester bejahend.

»Der Jude Aron Itzig aus Gardelegen mit seinem Schwager Veit Schmuel sind in Schwerin gewesen und kehren mit einem ganzen Wagen voll Güter, welche die Motten und der Rost fressen, zurück in die Heimath. Nächste Nacht werden sie unter einer Bedeckung von Reisigen, die ihnen der Ritter von Karenzin mitgegeben hat, hier vorüberkommen. Aber, wo der Herr nicht das Haus behütet, da wachen die Wächter umsonst, und die Kinder Israels erwartet Heulen und Zähnklappen, wenn sie nicht umkehren zum rechten Wege, denn sie haben den Gesalbten an das Kreuz geschlagen.«

»Der Teufel soll mich holen, Pater,« rief Thomas von dem Kruge, indem er drohend auf den Tisch schlug, »wenn Ihr nicht ein außerordentlich frommer Mann seid, und ein kluger dazu! Wenn wir die Juden bekommen, so werden wir sie Euch schenken, und Ihr könnt sie dann in den Himmel kuriren oder in die Hölle, ganz wie es Euch beliebt!«

»Ich danke Euch, Herr Thomas! Aber es ist auch noch ein junges Mägdlein dabei, eine ungläubige Tochter Sebulono der Isaschar, welche des Wortes von der Barmherzigkeit bedarf!«

»Ist sie schön?« fuhr da der junge Boldewin dazwischen, noch ehe sein Vetter antworten konnte.

»Ich habe sie noch nicht gesehen!« antwortete Eusebius zögernd und mit einem lauernden Blicke auf den Frager.

»So! Wenn sie schön ist, so wollen wir erst noch einmal über die Sache reden. Ein Diener der heiligen Kirche hat es nur mit der armen Seele zu thun; die Schönheit aber ist für uns andere sündhafte Menschen!«

»Junker Boldewin,« entgegnete der Pater mit etwas schärferer Stimme und einem nicht ganz freundlichen Blicke seiner stechenden Augen, »Ihr vergeßt, daß die Kirche sich nicht nehmen oder schenken läßt, was ihr gehört, und zudem – —«

»Hrrr! Hm!« fiel Ritter Claus dem Zürnenden, um jeder Entzweiung zuvorzukommen, in das Wort. »Laßt die Juden jetzt, Eusebius, und setzt Euch anher an meine Seite. Wir haben Wichtigeres zu besprechen, und die Gardelegener kommen auch noch an die Reihe!« – — —

– — – Es war am späten Abende desselben Tages, als zwei Männer durch den finstern Wald schritten, welcher Burg Garlosen umgab.

»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche!« meinte der Eine; »ist das eine pech-rapenschwarze Finsterniß! Wenn der liege Mond nicht pald kommt, so sehen wir von dem Schmuel und Itzig nicht einen einzigen Zipfel!«

»Aber hören werden wir sie ganz gewiß. Die Straße ist hart und fest gefroren, und die Räder werden also genug Lärm machen, um bemerkt zu werden.«

»Das ist wahr. Aper, Pruder Steckelpein, pei dieser Kälte ist es nicht gut, im Schnee liegen und auf Juden lauern. Das ist ein Geschäft, welches ich seit langer Zeit nicht mehr mitzumachen nöthig gehapt hape, und ich pin plos mit Dir gegangen, weil Du und Dein Gregolonaseflitsch es mir miteinander angethan hapt.«

»Danke schön, Bruder Kaspar! Ich kann Dich auch gut leiden, und wollte, Du bliebest für immer bei uns. Was aber die Kälte betrifft, so ist für uns gesorgt. Dort im Dickicht, ganz nahe an der Straße haben wir uns eine Hütte gebaut, in der wir Wache halten, wenn wir einen Fang erwarten; dort werden wir nicht frieren! Und hier ist auch ein guter Schluck, der uns erwärmen soll!«

»Schön! Ich glaupe, mit Euch läßt es sich nicht ganz üpel hanthiren, und es wäre gar wunderschön gewesen, wenn ich Herrn Dietrich auf Garlosen oder Stavenow gefunden hätte. Aper ich muß ihn finden, und wenn ich pis zu den Mongolen laufen soll. Ich gäpe siepen Jahre von meinem Lepen hin, wenn ich diesen Nürnperger Purggrafen einmal vor meine Klinge gekommen könnte! Elf Schlösser verloren, Herr Dietrich fort, und Schwalpe, Pruder Schwalpe, Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, wo mag der gute Junge sein!«

»Wer war denn dieser Schwalbe?«

»Höre, Pruder Steckelpein, Respect vor dem Schwalpe! Er war der Leipknecht des Herrn Dietrich, ein treues, lustiges Plut, und klug und tapfer wie – wie – na, fast wie ich selper. Er wurde von der Seite unsers Ritters weggefangen, und ich weiß nun nicht, op er noch lept, oder op sie ihn vielleicht gar geschlachtet, gepraten und gefressen hapen. Ich glaupe, wenn ich ihn wiederfände, so könnte ich mir vor Freuden meinen Part wegpeißen!«

Im Gedanken an dieses Manoeuvre fuhr er sich mit den beiden Händen an die Spitzen seines Schnauzbartes, und da er wegen der Finsterniß die ersteren bisher als Fühlhörner gebraucht hatte, so rannte er jetzt mit dem Kopfe an den Stamm eines Baumes, den er im freudigen Gedanken an das Wiederfinden seines Kameraden unbeachtet gelassen hatte.

»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper da steht der Kerl auch grad’ da, wo ich hinlaufe! Konnte er denn nicht auch wo anders hingewachsen sein?«

»Pst, Kaspar, jetzt nicht so laut; wir sind hart an der Straße und müssen nun vorsichtig sein!« mahnte Balthasar und drängte sich, den Wachtmeister nach sich ziehend, vorsichtig in ein dichtes Gestrüpp, welches hier den Rand der Waldung bildete.

Nach einer Weile blieb er halten und deutete auf einen niedrigen, dunkeln Gegenstand, welcher vor ihnen lag.

»Das ist die Hütte. Laß uns hineinkriechen, aber bücke Dich sehr!«

Der Sprecher bog sich nieder auf die Erde und schob sich in das Innere des kleinen, dicht von Moos und Strauchwerk umschlossenen Raumes. Kaum aber befand er sich mit den Schultern darin, als er einen Ruf der Ueberraschung ausstieß und erschrocken wieder zurückfuhr.

»Mordelement, Pruder Steckelpein, stickt der Deiwel in dem Loche?« fragte halblaut Kaspar Liebenow.

»Ich habe ein Paar Beine gefühlt,« antwortete Balthasar, und zu gleicher Zeit ließ sich ein schnarchendes Stöhnen vernehmen, wie es ein Mensch ausstößt, welcher, ohne ganz zu erwachen, im Schlafe gestört worden ist.

»Heda, wer stickt da drin?« rief der lange Kriegsknecht halblaut in die Hütte.

Keine Antwort war zu hören, aber ein rasches, zuckendes Geräusch und darauf folgende tiefe Stille ließen vermuthen, daß der Schläfer jetzt erwacht sei und horche.

»Nun, ich frage, wer in der Hütte ist!«

»Wer?« antwortete jetzt von innen eine gähnende Stimme. »Und ich werde fragen thun, wer da draußen is.«

»Mache keene Faxen, Kerl, und komm heraus, daß man Dich sehen kann!«

»Mach keine Faxen nick, und komme ‚rin, daß man Dir greifen thut!«

Bei der ersten Antwort des unwillkommenen Hüttenbewohners hatte Liebenow gestutzt; jetzt aber schob er Balthasar rasch auf die Seite und fuhr mit dem Kopfe nieder zu dem engen Loche, welches den Eingang bildete.

»Schwalpe, Pruder Schwalpe, pist Du es, oder ist es Dein Geist?!«

»Liebenow, Kaspar Liebenow, thut es möglich sin, daß ich Dir hier getroffen haben thue?!« Und zu gleicher Zeit barst die Hütte auseinander, denn der hocherfreute Insasse derselben nahm sich gar nicht erst Zeit, langsam hervorzukriechen, sondern fuhr mit Kopf und Schultern gleich direct durch die verwitterte Moosdecke. »Daß Dich dat Wetter! Wo thust denn Du herkommen thun, alte Kriegsmaschine, in diese ungeheuerliche Nacht. Ich denke, sie haben Dir todt geschlagen oder uffgehangen, und da thust Du jetzt frisch und gesund lebendig vor mich stehen bleiben!«

»Todtgeschlagen oder aufgehänkt? Mordelement? Gott straf mich, wenn ich fluche, aper Pruder Schwalpe, hat Dich die Kälte so um den Verstand gepracht, daß Du denkst, den Wachtmeister Kaspar Liepenow könnten sie zum Paumeln pringen oder gar mit dem Säpelauf den Hut klopfen, daß es ihm an’s Lepen ginge? Da sollte dem Gezüchte doch gleich der Deiwel in die Peine fahren! Aper komm an mein Herz, Pruder Schwalpe; ich muß Dir einen Kuß gepen, den man pis Friesack hören soll!«

»Schön, hier hast Du mir! Wenn Dich dat Umärmeln Spaß machen thut, so kannst Du dat Vergnügen haben, so lange es Dich gefallen thut. Aber erweise mich die Liebe und schiebe Deinen Bart erst in die Höhe, damit ich Dich auch richtig auf den Schnabel kommen thue!«

Sie umarmten sich mit brüderlicher Herzlichkeit, und wäre es nicht finstere Nacht, sondern Tag gewesen, so hätte man in den Mienen Beider die Rührung bemerken können, in welche sie durch das unverhoffte und freudige Wiederfinden versetzt worden waren.

»So Pruderherz, da hat die Schnäpelei ein Ende, und nun mußt Du wissen, wer der Kamerad ist, der hier nepen Dir steht.«

»Na nu, ich thue selbst ein wenig neugierig sin und habe gar keene Ahnung nick, wie Du in diese Gegend kommen thust mit Eenen, den ich noch niemals nick gesehen haben thue!«

»Das ist dem Herrn Claus von Quitzow auf Stapenow sein Leipknappe, Palthasar geheißen, ein ganz verdeiwelt streitparer Degenknopf, den die Natur ein Pischen zu viel in die Länge gezogen hat, weil es in der Quere keinen Platz mehr gegepen hat. Er ist mit seinem Flegisahnolieperpitsch durch aller Herren Länder gezogen und kann von manchem schönen Strauß erzählen!«

»So, also!« bekräftigte der Dürre. »Ja, der bin ich selber!«

»Schön,« machte Schwalbe. »Aber wer thut denn eigentlich der tapfere Resiganotriebelisch sin, von dem Du Deine Rede gehalten haben thust?«

»Das, Pruder Schwalpe, ist der Fuchs hier von dem Ritter Steckelpein, auch ein ganz verdeiweltes Vieh, das den lependigen Drachen im Leipe hat, wenn es zum Zuschlagen geht. Das Biest steht pei den andern Pferden da drüben hinter dem Pusche, wo unsere Leute auf das Zeichen warten.«

»Wat thust Du für een Zeichen meenen?«

»Wir liegen hier im Hinterhalte gegen zwei Juden, die von Schwerin mit Waaren kommen, und gepen – Halt, Pruder Schwalpe, hast Du nicht Etwas gehört?«

Die drei Männer lauschten einige Sekunden mit angehaltenem Athem in die Nacht hinaus. Es ließ sich von fernher ein Geräusch, ähnlich demjenigen von rollenden Rädern, hören.

»Es is mich ganz so, als ob een Wagen kommen wollen thäte; wat thust Du dazu meenen, Balthasar?«

»So, also! Da kommen sie; ich habe es auch gehört!«

»Ja, da kommen sie. Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper das wird eine Freude für meinen Säpel sein!«

»Wegen der paar Judens braucht Ihr keene große Freude nick zu haben thun!«

»Höre Pruder Schwalpe, das versteht sich ja ganz von selpst, daß ich Die gleich mit den ploßen Händen zu Pulver zerreipe, aper es sind eine Anzahl Reisige Dessen von Karenzin dapei, und die werden sich nicht freiwillig apthun lassen. Weißt Du was, Pruder Steckelpein – — halt, der ist nicht mehr da, der ist uns davongelaufen, um die Anderen zu penachrichtigen; aper das thut nichts, denn wir prauchen ihn hier gar nicht. Du thust mit, Pruderherz?«

»Dat versteht sich ganz von selber. Ich thue zwar keene Waffe nick haben, aber die Karenziner werden mir wohl eine borgen thun.«

»Keine Waffe? Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper das ist doch eine ganz pesondere Schande für einen Kerl wie Du. Es muß Dir schlecht gegangen sein pisher, und das mußt Du mir später erzählen.«

»Dat werde ich thun; doch thue jetzt ruhig sein und gieb mich wenigstens Dein Messer; sie sind schon da!«

Während dieses im Flüstertone geführten Gespräches war der erwartete Zug allmälig immer näher gekommen und passirte jetzt die Stelle, an welcher die beiden Männer hinter dem Gebüsch verborgen standen. Obgleich die Einzelheiten sich in der Finsterniß nicht leicht unterscheiden ließen, war doch wahrzunehmen, daß die Zahl der begleitenden Reiter nicht eine ganz geringe sei. Die geladenen Güter mußten also schon einen bedeutenden Werth repräsentiren, da es sonst den Juden nicht eingefallen wäre, die hohe Gratification für die Reisigen zu bezahlen.

Voran ritten zwei Männer hüben und drüben an den beiden Straßenrändern, um scharfe Augen auf die Säume des Strauchwerkes zu haben; erst eine gute Strecke hinter ihnen kam der von vier Pferden gezogene Wagen, welcher von einer Anzahl Kriegsknechten beschützt wurde, und hinter ihm ritten die Uebrigen, um ihn von hinten zu decken und bei einem etwaigen Ueberfalle schnell bei der Hand zu sein.

Die Gegend, welche man jetzt passirte, war als eine gefährliche bekannt, denn noch selten war es einem Geschäftsmann gelungen, mit seinem Eigenthum ungeschädigt Garlosen zu passiren, und ganz besonders waren es die Bürger der zur Hansa gehörigen Städte, zu deren Hab und Gut die Boldewins mit ihren Verbündeten eine auffällige Zuneigung an den Tag zu legen pflegten. Darum befleißigte sich jeder Reisende hier einer ganz besonderen Vorsicht, und die beiden Besitzer des Wagens, welche auf ihren mageren und abgetriebenen Kleppern zur Seite desselben ritten, fühlten ihre verzagten israelitischen Herzen schneller und ängstlicher als sonst klopfen.

Der Eine von ihnen lenkte jetzt sein Pferd zu dem Anführer der Kriegsschaar.

»Ist mir doch, Herr Ritter, als ob wir kämen an einen Ort, wo wir müssen halten offen die Augen, damit nicht komme über uns die Rotte der Philister, welche verderben möge der Gott unserer Väter in alle Ewigkeit!«

»Sei ruhig, Itzig. Man muß hier jedes Geräusch beobachten, und wenn Du plauderst, höre ich nichts!«

Itzig zog sich zu seinem Genossen zurück.

»Hat er etwas gesagt, der große Kriegsheld, ob wir sind geritten vorbei an der Gefahr?« frug ihn dieser.

»Nichts hat er gesagt! Ruhig soll ich sein, hat er gesagt! Als ob ich könnte sein ruhig, wenn ich höre im Geiste das Getrappel von Pferden, auf welchen sitzen die Räuber und Mörder, welche kommen dahergesprengt auf der Straße, um mir zu nehmen meine Sachen und mein schönes Kind, welche ist die Perle der Kinder Juda und die Freude von meinen alten Tagen.«

»Aber er muß doch haben gesagt, warum Du sollst sein ruhig! Wenn Du ihm bezahlst Dein Geld, mußt Du doch auch dürfen sprechen von dem Gedanken Deines Herzens!«

»Er hat gesagt, ich soll sein ruhig, weil in dem Walde stecken die Ammoniter, Moabiter und Jebusiter, welche uns wollen überfallen mit der Schärfe ihres Schwertes. – Gott, der Gerechte!« unterbrach er sich, vor Schreck nach dem Arme Schmuels greifend; »hörst Du nicht kommen da vorn die Kinder Midian, welche sind wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Meere? Mögen sie gestraft werden mit ewiger Blindheit, bis wir sind gekommen zehn Tagereisen von hier.«

Wirklich waren jetzt die Schritte von Pferden zu hören, welche, dem Zuge entgegen, langsam die Straße dahergetrabt kamen. Sofort wurde dieser zum Stehen gebracht und die Reisigen griffen zu den Waffen.

»Halt! Wer seid Ihr?« rief der Anführer den Nahenden entgegen.

Es waren das nur zwei Männer, welche, Einer hinter dem Anderen, gemächlich herangeritten kamen. Der Hochwald trat an dieser Stelle etwas von der Straße zurück, und dadurch wurde die Dunkelheit etwas weniger dicht, so daß man wenigstens die Umrisse der nächsten Umgebung erkennen konnte. Der Vordere von ihnen, eine runde, dicke Gestalt auf einem ebenso umfangreichen Thiere, hielt sein Pferd an, und der hinter ihm Folgende, dessen spindeldürre Figur von dem nächtlichen Scheine in das Riesenhafte gezogen wurde, spornte sein scheinbar ebenso gigantisches Roß an die Seite des Ersteren.

»Wer wir sind? Hrrr! Hm! Ich bin der König Salomo, und das hier ist meine Frau, die schöne Melusine,« antwortete Claus – denn dieser war es – bei den letzten Worten auf seinen Balthasar deutend. »Hrrr! Hm! Wir haben ein Gebot ausgehen lassen, daß alle Welt geschätzet werde, und bei Schmuel und Itzig wollen wir es selber thun!«

Balthasar zog vor Erstaunen über die herrliche Rede, die sein Ritter gehalten hatte, die beiden Kniee bis an den Leib heran und bog sich weit zur Seite, um zu sehen, ob es wirklich noch Herr Claus sei, der auf dem fetten Schimmel da neben ihm hielt. Er hatte von ihm eine gar hohe Meinung, aber daß er eine solche Rede thun könne, das hatte er doch noch nicht gewußt.

Auch der Anführer der Bedeckung war für die Dauer eines kurzen Augenblicks verblüfft, aber es währte nicht lange, bis ihm die rechte Ahnung kam und er antwortete:

»Treibt Eure Narrethei mit wem Ihr wollt, uns aber geht mit dem Mummenschanz zur Seite!«

»So, also! Mummenschanz?« brummte der Dürre. »Wir werden Euch bemummen und beschanzen, daß Ihr der Narrethei gedenken sollt!«

»Hrrr! Hm! Jetzt wißt Ihr, wer wir sind!« gab der dicke König Salomo auf seinem Schimmel zur Antwort. »Und nun geht Eure Wege zurück nach Karenzin. Wir werden Euren Veit und Aron selbst zu schützen wissen!«

Damit war er mit einem weiten Satze, den man dem Schimmel ganz unmöglich zugetraut hätte, zwischen den Knechten hindurch, hatte Aron Itzig beim Kragen, warf ihn mit einem gewaltigen Rucke empor quer über den Sattel und flog mit ihm wieder zwischen den Reisigen, denen dieser Angriff so plötzlich kam, daß sie die Fassung vollständig verloren hatten, davon. Balthasar hatte das Manöver seines Herrn mit derselben Geschicklichkeit nachgemacht, so daß er in gleichem Tempo, den unglücklichen Veit Schmuel vor sich auf dem Fuchse, mit ihm davonsprengte. Und zu gleicher Zeit erhob sich eine dunkle Gestalt vom Erdboden, sprang auf das vorderste Sattelpferd, und fort ging das Doppelgespann, fort, im sausenden Galopp, den beiden kühnen Reitern nach.

Dieses letzte Ereigniß brachte die Mannen der Bedeckung wieder zu sich; auf den Zuruf ihres Führers gaben sie den Pferden die Sporen und sprengten mit lautem Geschrei dem fliehenden Wagen nach. Noch aber hatten sie denselben nicht erreicht, so erscholl ihnen donnernder Hufschlag entgegen, die Knechte Derer von dem Kruge fielen über sie her und es entspann sich ein Kampf, der nach kurzer Zeit mit ihrer vollständigen Niederlage und Flucht endete.

Währen dieses Kampfes trat eine hohe, breitschultrige Gestalt aus dem Gebüsch hervor auf die Straße und schritt nach der Stelle, an welcher der Wagen gehalten hatte.

»Ein Deiwelskerl, dieser dicke Claus; Gott straf mich, wenn ich fluche, aper wahr ist es doch. Zu verwundern giept es dapei freilich nicht viel, denn er ist ein Quitzow, aper wer so einen Pauch hat und so einen Elephanten zwischen den Peinen, wie der Schimmel ist, dem traut man so einen Streich pald gar nicht zu. Und der Palthasar, der ist erst recht ein Deiwelskerl mit seinem Glegi— oder Plegi— oder Flegiwitsch! Da stehen Einem ja alle Haare zu Perge, wenn man die beiden dürren Creaturen so auf der Straße dahindonnern hört! Wenn ihnen nur die paar Knochen peisammen pleipen, pis ich wieder pei ihnen pin! Und der Schwalpe, der ist der größte Deiwelskerl! Schleicht sich auf den Erdpoden hin, reißt den zwei Fuhrknechten die Leine aus den Händen und fährt davon, ohne mir vorher zu sagen, was er im Schilde führt! Und ich? Da stehe ich, und lasse mir die Pachstelzen vor der Nase wegfangen. Ich werde – — gut, da kommen Zwei, die hapen Pferde und ich hape keins!«

Es waren die ersten Flüchtlinge, welche, noch unverfolgt, im scharfen Trabe daherkamen und den Wachtmeister nicht bemerkten, welcher sich vorsichtig zur Erde gebückt hatte. Sobald sie ihn aber erreicht hatten, sprang er empor, riß den Einen von ihnen vom Pferde, saß im nächsten Augenblicke oben, zog seinen langen Degen aus der Scheide und gab damit dem Andern einen solchen Hieb über den Kopf, daß er lautlos vom Thiere glitt.

»So, jetzt hape ich einen Gregowitsch und auch eine Plegiwitsch – und prauche mich vor dem Steckelpein nicht mehr zu schämen! Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper der richtige Deiwelskerl, der allergrößte Deiwelskerl, das pin doch ich, der Wachtmeister Kaspar Liepenow!«

Der beiden Quitzows letzte Fahrten

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