Читать книгу Waldröschen VII. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 2 - Karl May - Страница 1

1. Kapitel

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Es war einige Tage später, da erzitterte die Ebene, die sich nördlich von Santa Katharina ausbreitete, unter dem Hufschlag galoppierender Pferde.

Eine Anzahl von dreihundert Reitern sprengte im Galopp über die freie, von kurzem, dünnem Gras bewachsene Prärie. Sie waren verschieden gekleidet und verschieden bewaffnet, schienen aber eine zusammengehörige Truppe zu bilden.

An der Spitze ritten drei Männer, zwei ältere und ein jüngerer. In dem älteren erkennen wir Pablo Cortejo, der jüngere war Josefa, seine Tochter, in Männertracht gekleidet und auch nach Männerart im Sattel sitzend. Es schien ihr dies nicht leicht zu werden, wie man aus ihrer unsicheren Haltung ersah. Der dritte war nicht ganz so alt wie Cortejo, hatte aber ebensoviel Erfahrung wie dieser. Sein Gesicht war nicht nur kein Zutrauen erweckendes, sondern geradezu ein häßliches und abschreckendes. Er war bewaffnet bis an den Hals und hatte ganz das Aussehen eines Mannes, mit dem nicht ungestraft verkehrt werden kann. Gerade jetzt schien sein Gesicht einen noch finstereren Ausdruck zu besitzen als gewöhnlich. Seine stechenden Augen musterten den Horizont und kehrten immer wieder mit einem unbefriedigten Blick auf die nächste Umgebung zurück.

Endlich stieß er einen lauten, gotteslästerlichen Fluch aus und fügte hinzu:

»Wann hat endlich dieser verdammte Ritt ein Ende, Señor Cortejo?« – »Geduldet Euch nur noch kurze Zeit«, antwortete dieser. »Wir werden sogleich links einbiegen und absitzen können.« – »Wo? Ich sehe doch die Hazienda nicht!« – »Blickt da scharf nach links hinüber! Seht Ihr den dunklen Streifen?« – »Ja. Was ist das?« – »Ein Wald.« – »Ein Wald? So meint Ihr, daß wir in einem Wald absitzen sollen?« – »Ja.« – »Warum?« – »Um uns auszuruhen und zugleich einen Kundschafter auszusenden.« – »Ihr seid wohl nicht recht bei Sinnen, ich bin kein Mann, der sich gern im Wald herumdrückt. Wozu einen Kundschafter, he?« – »Aus Vorsicht. Wir müssen erst sehen, wie es auf der Hazienda steht.« – »Das sehe ich nicht ein. Wozu diese lange Einleitung? Wir sind fast dreihundert Mann und brauchen nichts zu fürchten. Wir reiten einfach vor die Hazienda, dringen ein, töten, was sich uns widersetzt und sind dann die Herren des Ortes. Ich habe Euch meine Leute zugeführt, um in Eurem Dienst gute Beute zu machen, nicht aber, um uns in den Wäldern herumzudrücken.« – »Wer sagt Euch denn, daß Ihr das letztere tun sollt?« – »Ihr soeben.« – »So habt Ihr mich ganz verkehrt verstanden. Es handelt sich nur um einen kurzen Aufenthalt, nicht aber um ein längeres Bleiben im Wald.« – »Auch dieser kurze Aufenthalt ist unnötig.« – »Meint Ihr? Wie nun, wenn sich Franzosen auf der Hazienda befinden?« – »Alle Teufel, das ist wahr! Die kriechen überall herum. Aber ich denke, die Hacienda del Erina liegt so sehr einsam. Was wollen die Franzosen dort?« – »Ja, sie liegt einsam, aber doch immer auf dem großen Reitweg nach Coahuila. Da ist es sehr leicht denkbar, daß der Feind sich ihrer bemächtigt hat, um ein Etappenkommando hineinzulegen.« – »Dieses würde wohl nicht sehr stark sein.« – »Das steht allerdings zu erwarten; aber es ist zugleich höchst wahrscheinlich, daß in diesem Fall der Feind die Hazienda befestigt haben wird.« – »Hm, Ihr mögt recht haben. Senden wir also einen Boten ab, der Erkundigungen einzieht; aber wir wollen scharf reiten, damit wir rasch den Wald erreichen.«

Der vor den Reitern liegende Streifen trat deutlicher hervor und ließ sich schließlich als ein Forst erkennen, auf den die Pferde zuflogen. Es war derselbe Wald, in dem die früher erzählten Ereignisse geschehen waren. Als er erreicht wurde, drangen die Reiter ein Stück in denselben ein und ließen die Pferde unter Aufsicht weiden. Sie selbst lagerten sich auf dem Boden und zogen Lebensmittel hervor, die sie bei sich führten.

Die drei, die vorhin an der Spitze des Zuges geritten waren, saßen beieinander.

»Jetzt sucht einmal einen Mann heraus, auf den wir uns verlassen können«, sagte Cortejo. »Er muß Gewandtheit und Schlauheit besitzen.« – »Da kann ich den ersten besten nehmen. Meine Kerle sind alle gescheit. Vorher aber gilt es, uns klarzuwerden über das, was ich haben soll.« – »Ich denke, darüber sind wir bereits im klaren? Ihr bekommt ja Euren Sold.« – »Sold und Beute habe ich verlangt. Den Sold habt Ihr ehrlich bezahlt, die Beute aber hat bisher auf sich warten lassen. Wie steht es in dieser Beziehung auf del Erina?« – »Ganz gut für Euch. Ihr könnt alles nehmen, nur eins will ich für mich, und zwar die Kaufakten über die Besitzung.« – »Alle Teufel, Ihr seid kein dummer Kerl. Mit diesen Akten kommt ja wohl die ganze Besitzung in Eure Hände. Nun, mir und den Meinigen würde sie doch keinen Nutzen bringen. Die Gebäude können wir auch nicht in die Tasche stecken, aber von dem, was sich darin befindet, wird für Euch wohl nicht viel bleiben.« – »Das ist mir gleich, wenn ich nur die Kaufakten bekomme.« – »Und wie ist es mit den Bewohnern? Geben wir ihnen eine Kugel?« – »Das macht ganz, wie Ihr wollt.« – »Besser ist es, sie sind tot, dann können sie nicht mehr reden.« – »Meinetwegen! Zwei Personen aber müßt Ihr mir überlassen, den Haziendero Pedro Arbellez und eine alte Frau namens Hermoyes.« – »Was wollt Ihr denn mit ihnen?« – »Ich habe ein ganz besonderes Hühnchen mit ihnen zu rupfen.« – »So rupft nur zu, ich will Euch nicht im Weg stehen. Im Gegenteil, wo es sich um eine alte Frau handelt, bleibe ich gern so weit wie möglich entfernt. Wie weit ist es von hier bis nach der Hazienda?« – »In einer kleinen Stunde ist sie zu erreichen.« – »Wird man den Mann aufnehmen, den ich hinschicke?« – »Jedenfalls, wenn er sich nicht etwa vor den Franzosen fürchtet.« – »Das wird ihm nicht einfallen. Als was aber soll er sich ausgeben? Etwa für einen Vaquero, der in die Dienste des Haziendero treten will?« – »Nein, Pedro Arbellez ist ein Anhänger von Juarez, dem er es zu verdanken hat, daß ihm auch noch die Hacienda Vandaqua zugefallen ist. Der Mann mag sich für einen Boten ausgeben, der zu Juarez will.« – »Ah, nach El Paso del Norte?« – »Ja.« – »Von wem soll er denn gesandt sein?« – »Von einem der bekannten Anhänger des Juarez, vielleicht vom General Porfirio Diaz, der der berühmteste Parteigänger des Indianers ist.« – »Gut. Was aber dann weiter?« – »Der Mann wird als Bote des Generals das Vertrauen des Haziendero erringen und alles erfahren. Er wird hören, in welcher Weise die Franzosen, falls welche da sind, überrumpelt werden können. Um Mitternacht mag er also die Hazienda verlassen und vom Tor aus in ganz schnurgerader Richtung vorwärts schreiten. Da wird er uns finden, und wir können tun, was den Umständen nach das beste ist.« – »Dieser Plan ist nicht übel; ich werde gehen, um jemanden auszuwählen.«

Der Sprecher erhob sich und entfernte sich. Josefa hatte sich bisher schweigsam verhalten, jetzt sagte sie:

»Dieser Mann gefällt mir je länger, desto weniger. Dir auch, Vater?« – »Du hast recht. Er spielt den Anführer, der ich doch bin.« – »Man muß sich seiner entledigen.« – »Habe keine Sorge, Kind. Er wird mich nicht lange mehr mit seiner Dreistigkeit ärgern. Erst muß ich den Engländer haben, dann brauche ich den Kerl nicht mehr. Er verdirbt mir auch die Leute, die ich vorher bei mir hatte.« – »So glaubst du wirklich, daß wir den Engländer erwischen werden?« – »Ganz gewiß. Meine Nachrichten sind zu sicher.« – »Welch eine Wonne! Diese stolze Amy soll vor mir niederknien und mich weinend um Gnade bitten; ich aber werde sie mit Füßen treten. Diese Brut muß vernichtet werden. Was jedoch tun wir mit Pedro Arbellez?« – »Er muß die Kaufurkunde herausgeben und wird dann unschädlich gemacht.« – »Tot?« fragte Josefa, indem ihre Eulenaugen funkelten. – »Ja. Nur dann sind wir seines Schweigens sicher.« – »Und diese Marie Hermoyes?« – »Auch sie muß sterben. Sie ist zu tief in unser Geheimnis eingedrungen, als daß wir sie leben lassen könnten.« – »Du hast recht, Vater. Sterben müssen sie, aber nur nicht gleich.« – »Warum nicht?« – »Ist ein rascher Tod eine Strafe für sie? Können wir uns keine größere Genugtuung bieten? Können wir uns nicht an ihren Qualen weiden?« – »Ich nicht, du aber kannst es.« – »Warum du nicht?« – »Weil ich die Hazienda sofort verlasse, um nach dem Rio Grande zu reiten und Lindsay zu suchen. Ich lasse auf del Erina eine Besatzung zurück. Es werden sich auch diejenigen hinzufinden, die von meinen Agenten angeworben wurden. Du bleibst dann in der Hazienda zurück und vertrittst meine Stelle, bis ich wiederkomme. Ich hoffe, daß wir in kurzer Zeit genug Leute haben werden, um losbrechen zu können. Wenn ich die Franzosen angreife und als der Retter Mexikos auftrete, werden mir Tausende zuströmen.« – »Ja, Vater, du der Retter und ich die Retterin. Ich werde von ganz Mexiko verehrt und angebetet werden, denn ich werde mir eine Fahne machen und eine Rüstung kaufen, um mich wie die Jungfrau von Orleans an die Spitze der Armee zu stellen und in den blutigen Kampf zu ziehen.« – »Mädchen, bist du toll? Da wirst du ja erschossen!« – »Fällt mir nicht ein. Wenn das Schießen beginnt, geht man auf die Seite.«

Vater und Tochter konnten dieses höchst interessante Gespräch leider nicht fortsetzen, denn der Mexikaner kehrte zurück, nahm wieder bei ihnen Platz und benachrichtigte sie, daß der Bote, den er nach der Hacienda del Erina bestimmt habe, bereits abgeritten sei.

Waldröschen VII. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 2

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