Читать книгу Sandburgen & Luftschlösser - Band 1 - Karl Michael Görlitz - Страница 5
ОглавлениеSTATT EINES NACHWORTS
Hier sitze ich nun, zwei Jahre nach der ersten Fassung, die staunenswerte 1.200 Seiten umfasst, um die lesenswerten Teile herauszulösen. Zwei Jahre dauerte die Niederschrift, zwei Jahre kursierten die zehn Exemplare, die auf dem Heimcomputer erstellt worden waren, im Bekanntenkreis. Das wird jetzt ein ganz anderes Buch, denn die Urteile der Leser waren alle ähnlich.
Zu lang, zu überfrachtet mit guten Ratschlägen. Zu viel laienhafte Psychologie. Besonders im Mittelteil, nachdem ich tatsächlich meine Psychomacke herausbekommen hatte. Da hab ich mich wirklich schier endlos ausgebreitet. Als Eigentherapie mochte das wohl seinen Sinn gemacht haben, aber welchen Leser interessiert schon der ganze Quark.
Dazwischen aber war man amüsiert. Besonders wenn ich mich nur auf den reinen Handlungsstrang konzentrierte.
Und doch. Zum ersten Mal im Leben habe ich etwas zu Ende gebracht. Fünfzig Jahre war ich mir selbst ein Rätsel. Fünfzig Jahre verlief mein Leben nach zwei Grundmustern: Entweder ich preschte los und irgendein Baum fiel mir in den Weg. Oder ich überwand alle Schwierigkeiten und hörte doch kurz vor dem Ziel auf. Weil da noch etwas war.
Etwas, das mich wie ein unlösbares Gummiband auf den Nestrand zurück katapultierte. Und je mehr ich mich abstrampelte, je näher ich bei meinen Flugversuchen dem ersehnten Ziel kam, desto heftiger zog es in die Gegenrichtung. Etwas wollte vorher gelöst werden.
Als Schwuler bin ich eine Laune der Natur, eine verspielte Arabeske. Ich bin ein Ornament und meine Kunst ist das Ornament. Ich habe mich stets gewundert, warum ausgerechnet Ornamente solche Faszination auf mich ausüben. Besonders jene der klassizistischen Epoche. Warum ich Möbelbeschläge sammle und sich zu Hause die Vorlagen türmen. Jetzt weiß ich.
Ich weiß, warum ich unverdrossen Empire-Kränze und Palmetten auf die Biedermeier-Möbel nagele. Warum auf den Wänden zu Hause, auf den grafischen Arbeiten im Beruf, immer wieder Ornamente auftauchten. Schon beim ersten Entwurf, den ich als Lehrling des grafischen Gewerbes vorlegte, räkelten sie sich im Hintergrund.
Endlich weiß ich einigermaßen darüber Bescheid, und seltsamerweise wurde ein Ornament zum Schlüssel zu dem Verschütteten.
Gelegentlich glich mein Leben Wagners Opern in der Fassung für Salonorchester und Blockflöte. Besonders dann, wenn die Simulation des Fortpflanzungsvorgangs und seine Folgen mein ganzes Denken beherrschte.
Ich habe überlebt, weil ich stark und tapfer bin. Andere umschreiben das eher als zähes Luder, was zwar nicht ganz so charmant klingt, aber in etwa die gleiche Aussage beinhaltet.
Haben Sie es sich gemütlich gemacht? Die Beine hochgelegt? Beachten Sie bitte den Flüssigkeitsverlust bei längerer Lektüre. Jetzt fangen wir gleiiich an.