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2. Der Liebestrank

Als Golina sich der Lichtung nähert, auf der die Hütte steht, kommen ihr Ruuna und ihr Freund Willert entgegengerannt. Robinson, der Papagei, flattert hinter ihnen her.

„Weg hier! Schnell!“, ruft die Hexe. „Rette sich wer kann!“

„Oh je, ich hab’s ja gleich gesagt!“, krächzt der Papagei. „Schon wieder zu viel Knallpulver!“

Erschrocken folgt Golina den beiden zurück zum Flussufer. Ruuna bleibt dort stehen und hält sich die Ohren zu. Nach einem kurzen Moment nimmt sie die Hände wieder herunter.

„Och, schade“, sagt sie.

Willert rollt nur mit den Augen.

„Was ist denn los?“, fragt Golina. „Wieso seid ihr weggerannt?“

„Eine reine Vorsichtsmaßnahme“, erklärt Ruuna. „Ich bin gerade dabei, einen Kuchen zu backen.“

„Und der könnte explodieren?“, erkundigt sich Golina. „Hast du denn Knallpulver in den Teig getan?“

„Nein. Das ist ein ganz normaler Kuchen, auch wenn die Pilze, die ich reingetan habe, schon ein bisschen komisch gerochen haben.“

„Wieso hast du dann Angst, dass er explodieren könnte?“

„Angst? Ich hab keine Angst. Aber Willert sagt, er habe die Nase voll davon, dass ständig alles in die Luft fliegt, und ich solle in Zukunft gefälligst etwas vorsichtiger sein. Also bin ich sicherheitshalber weggerannt, nachdem ich den Kuchen in den Ofen geschoben habe.“

Golina wirft einen Blick zu Willert, der nur mit den Schultern zuckt.

„Man kann nie wissen“, kommentiert Robinson.

„Wieso bist du eigentlich im Wald gewesen?“, fragt Ruuna. „Wolltest du uns besuchen?“

„Ich wollte eigentlich mit dir über etwas reden.“

„Das trifft sich gut. Ich habe gerade einen Kuchen im Ofen. Komm, du kannst gleich ein Stück probieren.“

„Äh, danke, aber ich habe keinen Hunger“, erwidert Golina.

Doch sie folgt den beiden durch den Wald zu ihrer Hütte. Budda, der Kugelwolf, sitzt wie immer am Rand der Lichtung und beobachtet sie mit seinen klugen Augen. Er lässt sich offenbar durch nichts aus der Ruhe bringen.

Vorsichtig öffnet Willert die Tür der Hütte. Nachdem kein Rauch und keine giftigen Dämpfe herausquellen, treten die drei ein. Ruuna holt den Kuchen aus dem Ofen und ein appetitlicher Duft erfüllt den Raum. Entgegen ihren Vorsätzen probiert Golina doch ein Stück davon. Der Kuchen schmeckt wirklich großartig. Sie fragt sich, wie Ruuna es schafft, immer so lecker zu kochen, obwohl sie sich offensichtlich an kein Rezept hält und oft sehr ungewöhnliche Zutaten verwendet.

„Ich hoffe, er ist nicht zu fade geworden“, sagt Ruuna, als Golina gerade den letzten Bissen in den Mund stopft. „Ich hatte nicht mehr genug Spinnenaugen.“

Golina braucht ihre ganze Willenskraft, um das Kuchenstück nicht wieder auszuspucken.

„Äh, nein, er schmeckt sehr gut, wirklich“, sagt sie, nachdem sie es heruntergewürgt hat.

„Worüber wolltest du eigentlich mit mir sprechen?“, fragt die Hexe.

Golina wirft einen Blick zu Willert. „Das ist eigentlich eher ein Frauenthema“, sagt sie. „Ich will euch beide damit nicht langweilen.“

„Ich geh’ mal ein paar Pilze pflücken“, verkündet Willert, der verstanden hat, dass Golina lieber allein mit Ruuna reden möchte.

Als er die Hütte verlassen hat, erzählt Golina der Hexe von ihrem Problem mit Primo.

Ruuna nickt wissend. „Das kenne ich.“

„Ist Willert manchmal auch so zu dir?“, fragt Golina.

Ruuna schüttelt den Kopf. „Willert? Nein, der ist immer total lieb und aufmerksam.“

Ein kleiner Stich des Neids geht durch Golinas Herz. Alle Männer scheinen sich um ihre Frauen zu bemühen, nur Primo nicht!

„Aber ich kannte mal einen Nachtwandler, der war genauso“, fährt die Hexe fort. „Das war damals, als ich noch im Sumpf gelebt habe.“

„Du warst mit einem Nachtwandler befreundet?“, fragt Golina ungläubig.

„Na klar, warum denn nicht? Das sind doch auch bloß Monster.“

„Na ja, von einem Nachtwandler würde ich nicht erwarten, dass er nett zu mir ist“, entgegnet Golina. „Aber von meinem Mann kann ich ja wohl etwas Aufmerksamkeit verlangen, oder nicht?“

„Das kommt ganz darauf an“, erwidert Ruuna.

„Worauf denn?“

„Ob du ihn richtig behandelst.“

„Willst du mir damit etwa sagen, dass ich selbst an allem schuld bin?“

„Schuld? Nein. Ich meinte, ob du ihn mit den richtigen Zutaten behandelst.“

„Zutaten? Was für Zutaten?“

„Du kochst doch für ihn, oder?“

„Ja. Meinst du, er ist so, weil ihm mein Essen nicht schmeckt?“

„Das nicht. Aber tust du ihm denn auch regelmäßig etwas Liebestrank ins Essen?“

„Liebestrank? Was ist das denn?“

„Ein Trank, der bewirkt, dass man sich in das Erstbeste verliebt, das man sieht. Ist doch logisch.“

„Und den soll ich Primo ins Essen tun?“

„Na klar! Das hab’ ich bei dem Nachtwandler auch gemacht. Der war danach so verliebt in mich, dass er mich am liebsten auffressen wollte.“

„Und ... tust du Willert etwa auch ...“

Die Hexe legt rasch einen Finger an den Mund, dann deutet sie auf Robinson, der auf der Lehne eines Stuhls hockt.

„Aber nein, das würde ich doch niemals tun!“, sagt sie und zwinkert Golina zu.

„Und hast du zufällig noch etwas Liebestrank für mich?“, fragt Golina.

Die Hexe schüttelt den Kopf. „Zufällig? Nein. Ich habe heute Morgen welchen gekocht, aber das war geplant.“

Die Hexe klettert die Leiter herab in den Keller der Hütte, in dem sie ihre Tränke braut. Kurz darauf kommt sie mit einem Glaskolben voller rosafarbener Flüssigkeit zurück. Ein appetitlicher Duft geht davon aus.

„Hier, ein paar Tropfen davon ins Essen genügen, dann hat dein Primo wieder nur noch Augen für dich.“

„Vielen Dank, Ruuna!“

Golina verabschiedet sich und macht sich mit dem Trank auf den Heimweg.

Unterwegs kommen ihr Zweifel. Soll sie Primo wirklich Ruunas Liebestrank ins Essen schütten? Ist es denn überhaupt echte Liebe, wenn er nur wegen des Tranks in sie verliebt ist? Andererseits wäre es schon schön, wenn Primo nur noch Augen für sie hätte ...

Als sie nach Hause kommt, hockt Primo immer noch am Küchentisch und glotzt auf die dämliche Landkarte. Ihn dort sitzen zu sehen, beseitigt alle Zweifel, die Golina noch hatte.

„Schatz, kannst du bitte mal kurz zu Hakun gehen und etwas Rindfleisch kaufen?“, säuselt sie. „Ich möchte heute zum Mittagessen einen leckeren Eintopf kochen.“

„Hmmja, gleich“, murmelt Primo, macht aber keine Anstalten, aufzustehen.

„Schatz, bitte, jetzt gleich, sonst wird der Eintopf nicht rechtzeitig fertig!“, sagt sie energischer.

Primo blickt auf. „Na gut, okay. Was war es nochmal, das ich besorgen sollte?“

Golina seufzt. „Rindfleisch.“

Als er gegangen ist, setzt sie einen Topf mit Suppe auf. Als sie gerade ein paar Tropfen von dem Liebestrank hineinschütten will, geht die Tür auf und Nano kommt herein.

„Hallo Mama. Wieso muss ich eigentlich zum Unterricht bei Birta und Maffi nicht? Das ist total doof. Wenn ich allein bei ihr bin, ist Birta noch gemeiner als sonst. Könnten wir nicht auch mal ans Meer fahren? Was hast du da eigentlich für einen rosa Trank in der Flasche?“

Erschrocken stellt Golina die Flasche neben den Herd.

„Das ... das ist ein Gewürz“, behauptet sie. „Damit das Essen besser schmeckt.“

Nano kommt zu ihr.

„Das riecht lecker!“, sagt er. „Darf ich mal probieren?“ Er greift nach der Flasche.

„Nein!“, ruft Golina.

Sie will ihm die Flasche wegnehmen, doch dabei rutscht sie ihr aus der Hand und fällt auf den Boden. Der Glaskolben zerbricht und eine Pfütze der rosa Flüssigkeit breitet sich aus.

„Jetzt sieh, was du angerichtet hast!“, ruft Golina empört.

In diesem Moment kommt Primo zusammen mit Paul hinzu.

„Was ist denn passiert?“, fragt er. „Hm, das rieht aber gut!“

„Mama wollte diesen Trank ins Essen kippen, aber ich durfte nicht probieren“, erklärt Nano.

Golina hofft, dass Primo nicht sieht, wie sie rot anläuft.

„Das ... das ist ein Gewürz“, erklärt sie.

„Ein Gewürz? Was denn für eins?“

„Von ... von Ruuna“, stammelt sie. „Ich war vorhin bei ihr, um sie nach einem, äh, Rezept zu fragen, und da hat sie mir diesen Liebes... ich meine, das Gewürz gegeben. Paul, aus!“

Der Wolf hat inzwischen angefangen, die rosa Pfütze aufzuschlabbern. Golina scheucht ihn aus dem Haus, ehe er sich noch an den Glasscherben verletzt.

In diesem Moment geht Asimov draußen vorbei. Als Paul ihn und die Katze auf seinem Kopf sieht, bleibt er wie erstarrt stehen. Dann wedelt er mit dem Schwanz und läuft auf Asimov zu.

„Halt mir bloß deinen Köter fern!“, schnarrt der Golem. „Ich habe keine Lust, dass er mich schon wieder vollsabbert!“

Doch statt wie sonst an Asimov hochzuspringen und wütend zu bellen, läuft Paul ganz brav und mit wedelndem Schwanz hinter ihm her, während er zu der Katze auf Asimovs Kopf hochblickt und leise winselt.

„Was ist denn mit dem los?“, wundert sich der Golem. „Ich dachte, wenigstens die Tiere in diesem Dorf wären vernünftig.“

Golina schließt die Tür und wischt den Rest des Liebestranks und die Scherben auf.

„Schade, das roch wirklich lecker“, sagt Nano.

„Stimmt“, gibt Primo ihm recht. „Andererseits, wenn das Gewürz von Ruuna stammt, ist es vielleicht besser, wenn wir es nicht in die Suppe tun. Man kann nie wissen, welche Nebenwirkungen ihre Tränke haben.“

Golina seufzt, wirft das Rindfleisch in den Topf, das Primo mitgebracht hat, und kocht einen ganz normalen Eintopf.

Das Dorf Band 20: Der Bürgermeister

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