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„Warum verbringen wir nicht den Abend miteinander?“, fragte Kemal Maffet und musterte Linda Dorsey strahlend. Er saß neben ihr am Tresen der Hotelbar. Linda nippte an einem Martini, während der attraktive, dunkeläugige Maffet mit dem Genuss eines puren Bourbons bewies, dass er die Bestimmungen seiner Glaubensgemeinschaft sehr großzügig handhabte.

Linda lachte. „Ich kenne Sie kaum. Nur den Vornamen, den Sie mir vor ein paar Minuten genannt haben. Es wäre nicht sehr passend, wenn ich einer x-beliebigen Einladung Folge leistete.“

„Oh, ich bin kein x-Beliebiger“, erklärte Kemal Maffet lächelnd. Er trug ein weißes Dinner-Jackett. Sein gestärktes, weißes Hemd war mit Brillantknöpfen besetzt.

„Das sagen Sie!“

Linda hatte sich neben ihn an den Bartresen gesetzt, wie zufällig, versteht sich. Er hatte prompt begonnen, sie in ein Gespräch zu verwickeln und zu einem Drink einzuladen. Sie hatte ihm erzählt, dass sie Modell sei und von der Agentur in dem Hotel einquartiert worden wäre. Das Funkeln in Kemal Maffets onyxschwarzen Augen ließ erkennen, dass er Linda hinreißend fand und entschlossen war, sie nicht ohne weiteres gehen zu lassen.

„Wir könnten ein Theater besuchen“, schlug er vor.

„Sie kennen Chicago nicht. Was sehenswert ist, ist ausverkauft.“

„Sie kennen Kemal Maffet nicht. Wenn etwas sehenswert ist, verschafft er sich Einlass.“

„Es geht nicht.“

„Warum nicht?“

„Ich bin verabredet.“

„Sagen Sie ihm einfach ab, geben Sie mir eine Chance“, meinte Kemal Maffet und zeigte beim Lächeln seine festen, untadelig weißen Zähne. Er wusste um seine Wirkung auf Frauen und ging dementsprechend burschikos vor.

„Oh, es ist sehr schwer, Ihnen das zu erklären. Ich bin nicht mit einem Mann verabredet, sondern mit einem Wort“, sagte sie.

Er hob verblüfft die Augenbrauen. „Mit einem Wort?“, echote er.

„Ja. Mit einer Parole. Wer sie kennt und nennt, bekommt Einlass in einem Klub. Ich habe eine heimliche Leidenschaft, wissen Sie. Ich spiele gern. In Chicago gibt es einen Klub, den nicht jeder betreten darf, nur ausgewählte Gäste. Sie kennen das Wort, die Parole.“

„Ich spiele ebenfalls gern“, meinte Maffet. „Warum erlauben Sie mir nicht, dass ich Sie begleite?“

Zwei Stunden später betraten er und das Mädchen Wingates 'Top Five' Klub. Der Hauptraum ließ nicht erkennen, dass sich hier vor allem Spieler zusammenfanden. Er war als aufwendiges Disco-Glitzerding konzipiert, mit viel Fantasie und noch mehr Lichteffekten ausgestattet, von Mitgliedern der High Society bevölkert und mit einigen nicht weniger luxuriösen Neben- und Hinterzimmern ausgestattet, die den Gästen Gelegenheit boten, ihr Glück zu versuchen.

Die Atmosphäre war gelöst und betont heiter. Die Bedienung durch geschulte Ober ausgezeichnet, der Sitzkomfort der mit Veloursleder bespannten Sofas und Sessel über jeden Zweifel erhaben. Die tanzenden Damen boten einen Querschnitt durch die neuesten Modetorheiten, und die meisten Leute kannten sich untereinander. Über allem lag ein Hauch von kribbelnder Spannung.

Linda und ihr Begleiter tanzten, dann begaben sie sich in eines der Spielzimmer. Kemal gewann, Linda verlor.

„Ich hätte ins Theater gehen sollen“, sagte Linda, als sie sich von einem Taxi zurück ins Hotel bringen ließen.

Maffet lachte. Er zog ein paar Banknotenbündel aus der Tasche und warf sie Linda in den Schoß. „Nehmen Sie das Zeug“, sagte er. „Ich habe genug davon.“

Linda riss die Augen auf. „Das ist nicht Ihr Ernst. Das kann ich nicht annehmen.“

„Nehmen Sie es. Ich habe Ihnen kein Glück gebracht, jedenfalls nicht am Spieltisch, dafür möchte ich geradestehen“, erklärte Maffet.

„Nein, ausgeschlossen, das ist das Vielfache von dem, was ich verspielt habe“, lehnte Linda ab.

„Zieren Sie sich nicht“, sagte Maffet, griff kurzerhand nach Lindas Abendtäschchen und stopfte das Geld hinein. „Es gehört Ihnen.“

„Sie sind das Verückteste, was mir jemals über den Weg gelaufen ist“, seufzte Linda. Sie fing an, sich ein wenig in Maffet zu verlieben. Sie war leicht beschwipst und freute sich darauf, dass der Abend mit Kemal noch ein paar Folgeerscheinungen haben würde.

„In meiner Suite warten Champagner und Kaviar auf den Abschluss des Abends“, sagte Kemal. „Ich hoffe, Sie mögen das Zeug.“

„Ich kann doch nicht so einfach zu Ihnen kommen ...“

Er lachte. „Warum denn nicht? Sie leben in einem freien Land.“

„Nein, das geht nicht. Wir können gern noch einen Drink in der Hotelbar nehmen, aber dann muss Schluss sein“, sagte Linda, der klar war, dass die zurückgeschobene Trennscheibe dem Taxifahrer erlaubte, jedes Wort mitzuhören. Es konnte später unter Umständen von Nutzen sein, wenn der Fahrer bezeugte, dass sie sich durchaus damenhaft und zurückhaltend benommen hatte.

Eine halbe Stunde später saßen sie in Maffets Suite auf einem kleinen brokatbezogenen Sofa und genossen die Dinge, die der junge Mann avisiert hatte. Linda war ein wenig nervös. Wingate erwartete von ihr, dass die Intimitäten sich in dem von ihm gemieteten Zimmer vollzogen. Dort hatten er und sein Fotograf die notwendigen Vorbereitungen getroffen. Hier ließ sich ein Schäferstündchen nicht belauschen.

Linda fiel ein, dass dieser Umstand seine Vorzüge hatte. Gerade weil sie Kemal anziehend und sehr sympathisch fand, widerstrebte es ihr, ihn in eine Falle zu locken. Noch während sie sich überlegte, wie sie sich verhalten sollte, schloss der junge Mann sie in seine Arme. Er versuchte, sie zu küssen, aber Linda sträubte sich und stand entschlossen auf.

Sie öffnete das Abendtäschchen, warf Kemal das Geld vor die Füße und meinte wütend: „Jetzt weiß ich, weshalb Sie mir das Geld gegeben haben. Ich pfeife darauf! Ich bin nicht reich, aber deshalb bin ich nicht käuflich!“

Sie rauschte aus der Suite wie eine Königin und spürte, dass sie sich einen guten Abgang verschafft hatte. Als es Minuten später an ihrer Zimmertür klopfte, wusste sie, dass Kemal gekommen war, um sich zu entschuldigen. Alles lief nach Plan.

„Ich bin verliebt“, sagte er beim Betreten des Zimmers. „Ich kann es nicht ändern. Das mit dem Geld haben Sie gründlich falsch verstanden, mein Wort darauf.“

Linda lachte. „Ich hätte nicht gleich hochgehen dürfen“, bedauerte sie. „Vielleicht liegt es daran, dass ich so streng erzogen worden bin. Oder auch daran, dass die meisten Männer glauben, ein Modell sei ein Flittchen. Jedenfalls reagiere ich überempfindlich, wenn sich ein Verdacht in dieser Richtung abzeichnet.“

„Ich bin kein Engel“, meinte Kemal, „ich liebe Frauen und mache daraus kein Hehl, aber ich achte auch diejenigen, die leichtlebig sind, die das Amüsement lieben und die nicht gleich entsetzt sind, wenn man ein bisschen forsch auftritt. Ich bin kein Moralist. Ich muss nicht gleich mit jeder schlafen, die ich kennenlerne. Wenn Sie es also vorziehen, nur mit mir zu reden, werde ich mich mit Vergnügen dieser Unterhaltung widmen.“

Er bestellte Champagner. Der Ober brachte ihn. Wenig später tanzten sie. Eine Stunde darauf küssten sie sich. Was danach geschah, lag genau auf der Linie von Linda Dorseys Auftrag.

Nur hatte sie ihn längst vergessen. Sie war ein bisschen betrunken und sehr verliebt. Als Kemal sie verließ, war sie sehr traurig.

Sie döste auf dem Bett ein. Ein Geräusch ließ sie hochfahren. Sie kannte den Mann, der im Zimmer stand. Es war Louis Black.

Louis, der Killer.

Ehrenwerte Killer: 3 Top Krimis

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