Читать книгу Die drei Klosterkids - Karla Schniering - Страница 8
Оглавление4. Dezember
AUF DER KANZEL
Jo und Nick saßen am Nachmittag vor dem Computer und suchten nach der Taube und dem Heiligen Geist. Josie blätterte in einem Buch über Malgarten und Umgebung.
„Hier ist zwar eine Menge zu lesen“, meinte Jo und sah seine Schwester an, „aber nichts, was uns irgendwie weiterhelfen könnte.“
„Ich finde auch nur, dass die Fenster alt sind, mehr nicht. Wir sollten nochmal in die Kirche gehen und sehen, ob die Taube vielleicht auf irgendwas deutet.“
„Wie soll sie denn deuten?“, fragte Nick ungläubig. „Mit dem Schnabel?“
„Ja, wer weiß …“
„Machen wir sofort“, meinte Jo und klappte den Laptop zu. „Ich habe sowieso keine Lust mehr, seitenweise zu lesen. Also, kommt ihr mit?“
Natürlich wollten die beiden. Als sie vor das Torhaus traten, schneite es.
„Wie schön!“, rief Josie. „Hoffentlich bekommen wir weiße Weihnachten und nicht wieder so ein Matschwetter wie im letzten Jahr.“
Mit tief in die Stirn gezogenen Mützen liefen sie den Weg entlang zur Kirche. Der Kirchenraum empfing sie wieder sehr still und halb dunkel. Eine alte Frau kniete in einer der Bänke und betete. Die Kinder sahen sich an. Dann zeigte Josie auf eine Bank, und die drei setzten sich brav hin. Wie am Vortag sahen sie sich die Taube von Weitem an.
„Da kann ich wirklich nichts Besonderes dran entdecken“, flüsterte Josie. Jo seufzte.
Plötzlich stieß Nick seinen Ellbogen in Jos Seite und zischte: „Ich werd’ verrückt. Seht mal da.“
Er zeigte auf das Dach über der Kanzel, den Schalldeckel. Und tatsächlich, sie hatten noch nie darauf geachtet, aber jetzt sahen sie es: Unter dem Schalldeckel hing eine weiße Taube.
„Die ist bestimmt geschnitzt und zur gleichen Zeit angebracht worden wie der Altar“, meinte Josie. „Die schauen wir uns mal an.“
Sie sahen sich nach der alten Dame um. Die betete immer noch.
„Da können wir jetzt nichts machen“, raunte Josie ihrem Bruder zu. „Sollen wir nachher nochmal wiederkommen?“
„Nein, wir warten.“
Irgendwann später ging die alte Frau, und die drei standen auf und stiegen die Treppe zur Kanzel hoch. „Da fehlt uns ein halber Meter, um da dranzukommen“, meinte Josie.
„Räuberleiter!“, schlug Nick vor.
„Hebt mich hoch“, meinte Josie. Schon schob sie einen Fuß in Nicks Hand, und Jo stützte sie. Wackelig stand Josie nah unter der Taube und schob eine Hand zwischen Schalldeckel und Vogel.
„Da ist Platz genug, ich fühle etwas“, sagte sie. In diesem Moment hörten sie die Kirchentür.
„Runter!“, rief Nick.
Josie war sofort unten, und alle drei bückten sich hinter die Kanzelbalustrade. Jo versuchte, über das Geländer zu sehen, schüttelte dann aber den Kopf. Die drei waren mucksmäuschenstill.
„Und jetzt?“, flüsterte Nick, dem langsam, aber sicher ein Bein einschlief.
„Psst“, machten die Zwillinge, und Josie warf ihm einen giftigen Blick zu.
Sie warteten und warteten. Da streckte Nick seinen Kopf seitlich der Kanzel oberhalb des Treppengeländers vorbei und – zuckte sofort zurück. „Da steht einer bei den Krippenfiguren. Was machen wir denn jetzt?“ Jo legte seine Hand auf Nicks Arm.
„Warte!“, zischte er. Sie hockten da und lauschten. Dann hörten sie Schritte, die sich Richtung Ausgang entfernten. Die Schwingtür jammerte leise, als der Besucher die Kirche verließ.
„Puh, da haben wir aber Glück gehabt“, sagte Jo. „Also, versuchen wir es nochmal?“
„Ja, aber schnell. Ich wusste gar nicht, dass hier so viel los ist. Jedes Mal kommt einer.“
Sie hoben Josie wieder hoch. Diesmal wusste sie genau, was sie suchte. Mit spitzen Fingern angelte sie in dem schmalen Spalt über der Taube. Endlich bekam sie etwas zu fassen. Es fühlte sich an wie ein Ledermäppchen. Josie zog es mit Zeige- und Mittelfinger vorsichtig heraus und gab es nach unten zu ihrem Bruder. Dann ließ sie sich langsam auf den Kanzelboden herab.
„Was ist das?“, fragte sie mit Blick auf das „Corpus Delicti“.
Jo pustete erst einmal darüber, und eine dicke Staubwolke verabschiedete sich in Richtung Kirchenraum. „Sieht aus wie ein Schlüsselmäppchen, aber ohne Schlüssel. Egal, lasst uns von hier verschwinden. Sicher kommt gleich wieder jemand.“ Sie schlichen hintereinander die Treppe der Kanzel hinunter. Langsam und leise flüsternd gingen sie am Altar vorbei auf die Krippe zu. Da fiel Josies Blick auf die Krippenfiguren.
„Josef und Maria sind weg!“, rief sie. Die drei standen wie erstarrt vor der Krippe.
„Ein Hirte fehlt auch, komisch. Was machen wir denn jetzt?“
„Wir müssen den Küster informieren.“
„Dann los, das Mäppchen kann warten.“ Sie rasten zur Kirchentür und liefen prompt dem Küster in die Arme.
„Na, na, nicht so schnell“, sagte der lächelnd. „Was ist denn passiert?“
„Die Krippenfiguren wurden geklaut“, riefen alle drei durcheinander. Die Miene des Küsters wurde ernst. „Was habt ihr denn damit zu tun?“
„Nichts, wir waren nur hier und haben das zufällig entdeckt.“
„Und was wolltet ihr hier?“
Josie schluckte, sie dachte an das Mäppchen in Jos Tasche.
„Nur die Krippe ansehen, weil doch bald Weihnachten ist.“
„So so! Dann bleibt mal hier. Ich werde die Polizei anrufen. Wo habe ich denn mein Handy, ach hier. Habt ihr irgendjemanden gesehen?“, fragte er, während er die Nummer der Polizei in sein Handy tippte.
Nein, gesehen hatten sie niemanden, nur gehört, aber das konnten sie dem Küster ja schlecht erklären. Sie schüttelten den Kopf.
„Tja, dann setzt euch mal in eine Bank.“
Mit hängenden Köpfen schlichen sie wieder zu der Bank, auf der sie schon vorhin gesessen hatten.
„Sollen wir ihm das mit den Hinweisen erzählen?“, fragte Josie leise.
„Was denn?“, flüsterte Jo. „Das ist doch völlig unwichtig, denke ich zumindest. Aber gestern, da ist uns doch ein fremder Mann begegnet, der so getan hat, als hätte er uns nicht gehört. Vielleicht sollten wir das erzählen.“
Der Küster kam zu ihnen.
„Was solltet ihr mir erzählen?“, fragte er ernst.
„Hier war gestern ein fremder Mann, der war irgendwie komisch …“
„Wie komisch?“
„Na, komisch eben. Wir haben freundlich, Hallo’ gesagt, und er hat überhaupt nicht reagiert.“
„Könnte wichtig sein“, sagte der Küster, „aber das soll die Polizei rausfinden.“
Jo fasste in seine Jackentasche, und Josie und Nick sahen ihn entsetzt an. Aber er zog nicht das Mäppchen, sondern nur sein Handy heraus. „Ich muss kurz zu Hause Bescheid sagen. Unsere Mutter soll am besten gleich auch Nicks Mutter anrufen, dass es später werden kann.“
„Ja, mach das“, sagte der Küster. „Wobei ich mich immer noch frage, was ihr hier gemacht habt …“ Er sah sie mit zusammengezogenen Brauen an. Dann meinte er: „Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass ihr was mit der Sache zu tun habt.“
Josie sprang empört auf. „Wir klauen doch keine Krippenfiguren. Das können Sie doch nicht sagen!“
Die Miene des Küsters hellte sich auf, er musste grinsen. „Nein, das meine ich auch nicht. Aber kann es sein, dass ihr irgendeiner Sache auf der Spur seid?“
„Nö“, meinte Jo.
„Na, ja, warten wir mal ab, was die Polizei so darüber denkt.“
Kaum ausgesprochen kamen zwei Beamte in die Kirche. Und dann mussten die drei Abenteurer Rede und Antwort stehen, obwohl sie viel lieber das Mäppchen in Jos Tasche unter die Lupe genommen hätten.