Читать книгу Leonardus Lofti und die Katzenmumie - Karla Schniering - Страница 6
ОглавлениеDIE ÄGYPTISCHE
KATZENMUMIE
Der Colonel gab sich große Mühe, so genau und ausführlich wie möglich zu berichten, und noch Jahre später hätte Fred fast jedes Wort wiederholen können. Er war schließlich dabei gewesen, als die Katzenmumie aus Bubastis in Ägypten geliefert wurde. Er, Fred, hatte zusammen mit seinem Großonkel alles aus sicherer Entfernung beobachtet. Und selbst jetzt konnte er sich noch an die Schriftzeichen auf dem kleinen Sarkophag der Katzenmumie erinnern, das Entziffern war schließlich sein Hobby.
Damals, im Frühjahr, war die Lieferung aus Ägypten genauso normal gewesen wie ein antiker Topf oder eine prähistorische Vase. Normalerweise wurden alle Gegenstände von der Museumsleitung mit einer Nummer versehen und in eine Vitrine oder ein Regal gestellt. Da blieben sie dann für Monate, manchmal sogar Jahre. Aber in diesem Fall spukte es ganz mysteriös im Museum, kurz nach der Katzenmumienlieferung. Später passierten dann schlimme Dinge, überwiegend im Sommer und meist bei Nacht.
»Es begann tatsächlich mit der Katzenmumie. Ein paar Wochen danach bekamen wir Probleme mit der Katze des Museumswärters«, sagte der Colonel gerade. Er hatte wieder nach seinem Glas gegriffen und drehte es nachdenklich in den Pfoten.
»Die Katze und wir hatten ein Abkommen. Sie ließ uns in Ruhe, und wir knabberten nichts im Museum an. Das mussten wir ja auch nicht, wie Sie wissen. Wir leben schließlich seit Generationen in diesem alten Gemäuer und hatten uns seit ewigen Zeiten aus dem Garten und der Museumsküche ernährt. Die Räume des Museums dienten uns lediglich zu Studienzwecken. Jeder in der Stadt weiß, dass der Bildungsstand einer Museumsmaus ungeheuer hoch ist. Selbst Sie, Professor, kommen ja aus einer angesehenen Museumsfamilie.«
Lofti nickte bestätigend. Er hatte sich zwar vor Jahren von der Archäologie abgewandt und sich mehr seinen Erfindungen gewidmet, aber ohne die Wissensgrundlage der Museumsmäuseschule wäre er nie so weit gekommen.
Einige Mitschüler aus seiner ehemaligen Klasse – ein sehr intelligenter Jahrgang übrigens – hatten sich wie Lofti eine neue Wohnung gesucht und verfeinerten ihre Studien gerade im Keller des Raumfahrtzentrums, an der Universität oder einem anderen interessanten Ort.
Der Colonel fuhr fort: »Aber eines schönen Tages bemerkten wir, dass unsere Vorräte kleiner wurden. Irgendjemand stahl das, was fleißige Mäuse Tag für Tag zusammentrugen, um alle Familien im Museum zu ernähren. Dann verschwanden viele Glühwürmchen, unsere freundlichen Helfer in der Nacht. Es wurden immer weniger, und keiner wusste, wo sie waren. Aber wirklich schlimm wurde es, als einige unserer Kinder von den Nacht- und Studienausflügen im Museum nicht mehr zurückkehrten. Sie sind noch verschwunden, genau wie die Glühwürmchen und unsere Vorräte. Dazu kommt noch, dass die Museumskatze plötzlich Jagd auf uns macht und total aggressiv geworden ist. Wir sind verzweifelt, Professor, sogar ein alter Haudegen wie ich weiß nicht mehr weiter. Sie müssen uns helfen, bitte!«
Der Colonel zog ein großes Taschentuch aus der Hosentasche und putzte sich die Nase, während Fred überlegte, ob er nicht etwas vergessen hatte. Mit einem Mal fiel Fred was ein.
»Außerdem waren immer so komische Geräusche zu hören«, sagte er und sah den Professor aus großen Augen an.
Professor Lofti nahm die Pfeife aus dem Mund und beugte sich vor. »Interessant, welche Art Geräusche?«
»So ein Scharren und Schaben, als würde jemand große Lasten über den Boden schieben.«
»Aha!«
Der Colonel hatte seine Fassung wiedergewonnen und steckte sein Taschentuch zurück.
»Professor Lofti, mehr können wir Ihnen nicht sagen. Würden Sie mit ins Museum kommen? Wir können sofort loslaufen.«
Professor Lofti lächelte. »Natürlich werde ich versuchen zu helfen. Aber jetzt werden wir zu Bett gehen, denn für heute waren es genug Abenteuer. Außerdem muss ich noch überlegen, was ich alles einpacke. Eine gute Gelegenheit für Fred und Sie auszuschlafen. Zu Fuß wären wir übrigens viel zu lange unterwegs. Ich denke, wir nehmen eine Reisetaube, und sollte ich etwas vergessen haben, kann ich das gute Tier zu Blanche zurückschicken. Sie sehen, meine Herren, es wird bestens für alles gesorgt, und Sie müssen sich keine Sorgen machen. Gute Nacht! Blanche wird Ihnen Ihre Zimmer zeigen.«
Erleichtert standen Fred und der Colonel auf. In diesem Moment erschien Blanche im Zimmer, und der Professor verließ mit einem aufmunternden Kopfnicken den Raum.
Erst jetzt merkten die beiden Abenteurer, wie erschöpft sie waren. Dankbar folgten sie der weißen Maus zu ihren Zimmern. Und weil sie viel zu müde waren, nahmen sie noch nicht mal ein heißes Bad und schliefen kurze Zeit später tief und fest in den Gästebetten des Professors.