Читать книгу Leonardus Lofti und die Katzenmumie - Karla Schniering - Страница 7

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FLUGREISENDE

Als Fred am nächsten Morgen ausgeruht das Wohnzimmer betrat, sprach der Professor gerade in einen Messingtrichter an der Wand. Fred wollte sich schon wieder umdrehen, weil er nicht stören wollte. Da sah ihn der Professor und winkte ihn zu sich heran.

»Nein, meine Liebe«, sagte Lofti in den Trichter, »wir benötigen eine Taube für zwei und eine für mich und das Gepäck.«

»Grrugrruuut, Lllrrrofftii«, schallte es aus dem Trichter, »ddrrraas wiirrrd, grrruuu, ssooofforrt errrlediggggruuut.«

»Wunderbar!«, rief Lofti. »Dann wie besprochen in einer Stunde.«

Erleichtert stopfte er einen Korken in den Trichter und sah Fred an.

»Grausamer Dialekt, findest du nicht auch? Guten Morgen, übrigens. Ich werde nie begreifen, warum diese Tauben sich nicht eine normale Aussprache angewöhnen können.«

Fred grinste. »Guten Morgen. Ich habe kein Wort verstanden, Professor. Worum ging es denn?«

»Siehst du? Was ich immer sage, eine gepflegte Aussprache ist ganz wichtig! Wo kämen wir denn hin, wenn jeder so spräche wie er wollte. Ach ja. Wir fliegen in einer Stunde zum Museum. Habe alles organisiert. Weck mal den Colonel, wir müssen noch diverse Einzelheiten besprechen, und nimm doch da drüben die Röhren von der Wand. Habe Leuchtstäbe eingepackt, hochgefährlich, aber ganz nützlich. Werde dieser Katze was erzählen. Glühwürmchen klauen, also so was! Stell die Leuchtstäbe zu der Reisetasche. Danke, mein Junge, und jetzt beeil dich, hol mir den alten Haudegen her.«

*

Fred ließ sich nicht zweimal bitten. Er rannte wie der Blitz zum Zimmer des Colonels, nachdem er die Leuchtstäbe neben der Reisetasche aufgestellt hatte. Als er vorsichtig an die Tür klopfte, hörte er von drinnen ein kerniges: »Herein!« Langsam drückte Fred die Klinke herunter und steckte den Kopf durch die Tür.

»Morgen, Colonel, der Professor lässt dir mitteilen, dass wir in einer Stunde starten.« Fred stutzte. Sein Onkel lag auf dem Boden und streckte alle viere von sich.

»Was machst du da eigentlich?«, fragte Fred und trat näher.

Der Colonel blinzelte und sprang mit einem Satz auf die Füße.

»Na, mein Junge, was sagst du dazu? Diese Morgenübungen halten mich fit, und wir können uns jetzt getrost aufmachen, um mit dem Professor zu starten. Weißt du schon, wie wir hier wegkommen?«

Während sie plaudernd das Zimmer verließen, erzählte Fred seinem Onkel von dem »Telefonat« des Professors mit der Taube. Der Colonel nickte verstehend und trat kurz darauf mit einem strahlenden Lächeln ins Wohnzimmer.

»Professor!«, rief er voller Tatendrang. »Einen erfolgreichen guten Morgen wünsche ich Ihnen und uns. Übrigens, wenn Sie schon den Dialekt der Tauben schrecklich finden, dann sollten Sie einmal mit einem niederbayrischen Spatz sprechen. Selbst wenn Sie sich Mühe geben, versteht man nichts. Ach was sage ich, gar nichts.«

Professor Lofti lachte und zog seinen blütenweißen Kittel aus. Im Gegensatz zum Vortag sah er jetzt so aus, wie man sich einen Gelehrten in Mäusekreisen normalerweise vorstellte. Von der Brille auf der Nase bis zu der Fliege unter dem Kinn und dem soliden Tweedanzug machte der Professor einen überaus gediegenen Eindruck. Der Colonel in seinen sandfarbenen Sachen mit dem blauen Barett auf dem Kopf wirkte dagegen uniformiert, und Fred trug seine Lieblingssachen: eine blaue Latzhose, ein weißes T-Shirt und einen dicken Pullover, den er sich lässig um den Hals gelegt hatte.

So stand das ungleiche Trio im Raum, als Blanche das Frühstück servierte. Fred, der ein mulmiges Gefühl im Magen hatte, weil er noch nie geflogen war, nahm sich nur ein kleines Brot. Der Colonel dagegen griff ordentlich zu.

Endlich war es so weit. Fred sah sich noch einmal um und nahm insgeheim Abschied von dieser gemütlichen Wohnzimmer-Labor-Kombination. Dann griff er nach der Reisetasche des Professors und folgte ihm mit dem Colonel durch einen langen, dunklen Gang. Der Professor trug ein dickes Glühwürmchen in der Hand und beleuchtete damit den Weg so gut es ging. Sie kamen an Ecken und Nischen vorbei und mussten durch kleinere Löcher und über größere Stufen klettern, bis sie schließlich weit hinten das Tageslicht sahen.

»Flieg zurück zu Blanche«, sagte Lofti zu dem Glühwürmchen, und der kleine Käfer mit dem hellen Hinterteil brauste sofort los.

»So, meine Herren, es ist so weit! Wenn wir jetzt den Ausgang erreicht haben, müssen wir uns beeilen. Ich werde die Reisetasche mitnehmen und die vordere Taube besteigen, Sie werden Haltegurte, Sitze und Griffe auf der zweiten Taube finden. Keine Bange, die Tauben kennen sich aus. Manchmal fliegen Blanche und ich ein paar Runden mit, besonders im Sommer ist das hervorragend. Also, alles bereit?«

Fred und der Colonel nickten. Dann traten sie hinter dem Professor an den kleinen Ausgang unterhalb eines Busches. Die beiden Tauben warteten schon gurrend, und Fred sah, dass beide Tauben so etwas wie einen Gürtel um die Brust trugen.

»Bei drei rennen wir los!«, rief der Professor und pfiff einmal durch die Zähne. Die Tauben setzten sich sofort hin. »Eins, zwei, drei!« Wie der Blitz rannten die drei Mäuse zu ihren Flugtauben und kletterten auf den Rücken der Tiere.

»Anschnallen!«, brüllte der Professor, und Fred und der Colonel nahmen die kleinen Gurte, die vor ihnen an der Taube herabhingen, und zurrten sie fest.

»Können wir starten?«, fragte Lofti. Die Tauben tippelten nervös auf und ab und gurrten aufgeregt. In diesem Moment hob der Colonel den Daumen nach oben.

Lofti winkte begeistert.

»Auf ins größte Abenteuer unseres Lebens!«, rief er. Die Tauben breiteten die Flügel aus und waren nach ein paar Flügelschlägen schon über den Dächern der Häuser. Fred hatte vor Schreck die Augen geschlossen und hielt sich krampfhaft an den Gurten fest.

»Fred, mein Junge, Augen auf, du verpasst doch das Beste überhaupt!«, forderte der Colonel seinen Großneffen auf. Fred blinzelte zwischen den geschlossenen Lidern. Ihm stockte der Atem, als er sah, wie weit es rechts und links in die Tiefe ging. Doch dann spürte er den ruhigen Flügelschlag und das gleichmäßige Atmen der Taube. Sein Herz klopfte zwar immer noch wie verrückt, aber die Angst ließ nach. Wie Spielzeuge sahen die Häuser unter ihm aus. Sogar die Kirche weit unten wirkte ziemlich klein, und Fred lehnte sich seufzend ein wenig zurück.

Der Colonel genoss den Flug so sehr, dass er Fred über die Schulter etwas zurief. Fred verstand kein Wort, der Wind pfiff ihm um die Ohren, und so drehte er sich vorsichtig zum Colonel um.

»Was hast du gesagt?«, rief Fred in das Ohr des Großonkels.


»Großartiger Flug, was? Ich glaube, der Professor hat Recht, das wird das größte Abenteuer unseres Lebens.«

»Ja, sicher«, sagte Fred und sah nach unten. Anscheinend waren die ruhigen Museumszeiten ein für alle Mal vorbei.

»Das größte Abenteuer unseres Lebens«, flüsterte er. »Das kann ja was werden.«

Er hatte den Satz kaum zu Ende gedacht, da sackte die Taube unter Fred wie ein Stein nach unten. Sie fielen und fielen, und bevor Fred vor Schreck ohnmächtig werden konnte, brauste plötzlich wieder der Wind unter den Schwingen, und der Flug ging normal weiter.

»Gerade noch einmal Glück gehabt!«, rief der Colonel begeistert und drückte sein Barett mit beiden Händen wieder auf dem Kopf fest. »Wir mussten einem Turmfalken ausweichen. Dachte schon, unser letztes Stündlein hätte geschlagen. Alles in Ordnung, mein Junge?«

Fred nickte. Natürlich war alles in Ordnung, er durfte jetzt nur keine Schwächen zeigen. Er blinzelte nach links und sah die Taube mit dem Professor ganz ruhig neben ihnen herfliegen. Fred hob zaghaft die Hand, und der Professor winkte zurück.

»Wir sind gleich da!« Der Colonel hing seitlich in den Halteriemen und beschirmte mit der Hand die Augen, um besser sehen zu können. Jetzt zeigte er nach unten. »Da ist unser Museum, oder ich müsste mich schon sehr täuschen. Siehst du, links daneben fließt der kleine Bach, und da ist auch die Eiche im Garten. Bin mal gespannt, wo wir landen werden.«

Jetzt hielt sich der Colonel wieder richtig fest. Es wurde aber auch höchste Zeit, denn die Tauben gingen in den Sinkflug. Alle drei Passagiere mussten sich gut festhalten, um nicht nach vorne zu kippen oder aus den Sitzen zu rutschen. Aber alles ging gut. Die Tauben landeten direkt neben dem kleinen Kücheneingang der Mäuse, und ihre Fluggäste sprangen einerseits erleichtert, andererseits begeistert hinunter.

»Wiiirrr wwwaaarrrtten auff demmgurr Darrrch«, gurrten die Tauben, verneigten sich mehrmals und flogen wieder los.

Fred sah hinter ihnen her. Diesmal hatte er verstanden, was die grauen Meisterflieger gesagt hatten. Wie gut, dass er zu Hause war und nicht mehr mit ihnen zurückfliegen musste. Da sah er, wie der Colonel und der Professor im Eingang verschwanden.

»Wartet auf mich!«, rief Fred und rannte hinterher. Er war wieder daheim. Herrlich, hier kannte er sich aus, hier fühlte er sich wohl, und er konnte allen von seinen Abenteuern erzählen.

Keiner der drei Ankömmlinge ahnte jedoch, dass sie argwöhnisch beobachtet wurden.

»Putzig, diese kleinen Kerle«, raunte eine Stimme. »Ah, das Fliegen habt ihr also gelernt. Das da muss diese schlaue Maus sein, Professor Leonardus soundso. Viel zu viel Name für eine mickrige Maus, lächerlich! Ha, das wird SIE interessieren. Zu schön, dass ich sie entdeckt habe, zu schön … «

Leonardus Lofti und die Katzenmumie

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