Читать книгу Operation Sandsturm - Karlheinz Seifried - Страница 4

Prolog

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Ich wusste, dass ich träumte, aber ich wusste auch, dass mich diese Erinnerung immer noch mitnahm, mich immer noch belastete. Ich bemerkte, wie mir der Schweiß ausbrach und ich wusste, das war real. Gut, ich hatte bei dieser Episode keine körperlichen Schäden erlitten, aber umso größer waren die Wunden in der Seele. Verrat ist immer schlimm, aber wenn es ein Freund und Kamerad ist, der einen verrät, ist es umso schlimmer.

Es war ein Albtraum der mich immer noch verfolgte!

Clemens, Rene und ich, bei der Seefahrt als „Kalle“ bekannt, trafen uns damals an Bord eines Seeschiffes. Wir fuhren eine Zeitlang zusammen und erzählten uns von unseren gemeinsamen Träumen, einmal durch Afrika zu fahren, einmal Afrika zu entdecken, einmal auf eigene Faust durch Afrika zu fahren. So kam es, dass wir nach und nach einen Plan entwickelten um unseren gemeinsamen Traum zu verwirklichen.

Wir wollten über Ungarn, durch die Türkei, über Syrien nach Israel fahren. Dort ein paar Tage pausieren, uns ein wenig umsehen und im Mittelmeer baden gehen. Dann sollte es weiter nach Ägypten gehen, den Nil hinunter, in den Sudan und weiter in die Central African Republik. Hier solle die Fahrt nicht mehr Richtung Süden weiter gehen, von hier wollen wir durch das Herz Afrikas nach Kamerun fahren. Direkt durch die Wüste weiter durch Nigeria, Algerien und weiter nach Marokko in die Stadt Al-Hoceima. Hier hatten wir dann vor, ein paar Tage zu bleiben. Danach wollten wir über Gibraltar wieder nach Hause fahren. Wir planten, es in vier Monate zu schaffen und sparten Geld auf einem gemeinsamen Konto an. Jeder überwies pro Monat eine abgesprochene Summe, dann, nach sechs Monaten, war der Zeitpunkt gekommen den Plan zu verwirklichen.

Wir heuerten ab und nahmen unseren Urlaub. Jeder hatte seine Aufgaben zugewiesen bekommen.

Clemens, unser Österreicher, besorgte uns von der österreichischen Armee zwei ausgediente Steyer Geländewagen. Die beiden fingen an, sie nach unseren Vorstellungen umzubauen. In jedem Wagen wurden an den linken Seitenwänden zwei Betten eingebaut. Wir hatten uns deshalb für zwei Betten pro Fahrzeug entschieden, damit wir flexibler waren, so konnten wir, wenn es nötig wurde, auch zu dritt in einem Auto fahren. Im hinteren Teil wurde je eine Küche eingebaut und zwar so, dass wenn man die hintere Klappe öffnete, der Küchenschrank mit der Kochplatte heraus gezogen werden konnte. Wir hatten uns für Gasbrenner entschieden und als Reserve auch Espit Brenntabletten dabei, um im Notfall auch ohne Gas kochen zu können. An der rechten Seitenwand wurden die Kisten mit unseren Utensilien verstaut. Auf den Dachträgern wurde eine Art Hochsitz gebaut, hinter und vor den Hochsitzen wurden Staukästen montiert, die auch als Schutz dienen konnten. Links und rechts hatten wir Sandsäcke befestigt, die auch vor einem Beschuss Schutz boten.

An den Hecktüren wurden statt ein, zwei Reservereifen angebaut und noch zwei auf das Dach über der Fahrerkabine gelegt. Die Frontpartien der Fahrzeuge wurden von uns durch sogenannte Stierfänger verstärkt. Metallrohre, die Scheinwerfer und Kühler schützen sollten, dazwischen wurden Seilwinden angebaut. So hatten wir zwei identische Fahrzeuge, die in der Lage waren überall durchzukommen, oder sich gegenseitig zu helfen und zur Not kamen wir auch nur mit einem Fahrzeug weiter. Die Tanks haben wir vergrößert und von außen auch noch durch Matten vor Beschuss geschützt, ein Leck im Tank konnte in der Wüste den sicheren Tod bedeuten. Oben auf den Dächern, zwischen den Kisten, wurden noch Reservekanister, jeweils sechs Stück mit je zwanzig Litern befestigt. Drei waren mit Benzin und drei mit Wasser gefüllt.

Clemens war Mechaniker und hatte die Leitung beim Umbau der Autos übernommen. So hatten wir unsere Fahrzeuge in gut vier Wochen fertig. Da wir genug Geld gespart und freies Wohnen hatten, gab es keine finanziellen Probleme. Auf unser gemeinsames Konto hatte jeder von uns zehntausend Mark eingezahlt, für unsere Vorbereitungen und als Reisegeld für die nächsten vier Monate, die wir in Afrika verbringen wollten. Für den täglichen Bedarf nahmen wir unsere Heuer und das Urlaubsgeld.

Sobald ich beim Umbau nicht mehr benötigt wurde, kam das Organisatorische an die Reihe, das war meine Aufgabe. Ich erstellte eine Liste aller Deutschen Konsulate in den Ländern, die wir durchfahren wollten und reichte sie im Außenministerium ein, mit der Bitte, die Botschafter zu informieren, dass wir uns den auf der Liste angegebenen Zeitpunkten melden und auch eventuell Bargeld benötigen würden. Es wurde eine Bankvollmacht, verlangt die ich dann noch nachreichte.

Dann habe ich in den jeweiligen ausländischen Botschaften der Länder, die wir durchfahren wollten, für jeden ein Visum oder eine Durchreisegenehmigung beantragt. Das habe ich gleich mit einer Erlaubnis, Jagdwaffen mitführen zu können, verbunden. Wir mussten angeben, dass wir diese Waffen nur zum Schießen von Essen, oder um uns gegen wilde Tiere zu Wehr setzten zu können, mitführen wollten.

Dann, als alles soweit erledigt war, fuhren wir noch alle drei in das Tropeninstitut nach Hamburg, um uns gegen alle möglichen oder auch nicht möglichen Krankheiten impfen zulassen und uns Informationen und Tipps über Afrika zu besorgen. Ein Tropenarzt hat uns dann eine Liste aller notwendigen Medikamente und Seren mitgegeben, die wir benötigen würden und die wir uns kaufen mussten. Da ich während meines Fachschulbesuches Seefahrt auch ein Semester Medizin hatte, und ich in dieser Zeit auch im Unfallkrankenhaus Altona gearbeitet habe, konnte ich auch mit Spritzen umgehen. Deshalb war auch der medizinische Bereich während der Expedition mein Part. Clemens hat sich dann noch einen Werkzeugkoffer zusammengestellt, um für alle eventuellen Reparaturen gerüstet zu sein.

Rene war unser Scout, zuständig für Route, Landkarten und Streckenführung. Er besorgte uns Generalstabskarten. Bis Israel war das nicht mal so ein großes Problem, aber wo bekommt man gute Karten über Afrika her? Er fuhr die Botschaften ab, der Vorteil war, dass wir uns ja schon überall angemeldet hatten, dass man uns kannte und so bekam er nach und nach auch Kartenmaterial von Afrika.

Man hielt uns für verrückt und gab uns gute Ratschläge mit, aber wir wussten, was auf uns zukam und was alles passieren konnte. Aber sage einem Bergsteiger einmal, er soll nicht auf den Berg steigen, weil er ja abstürzen könnte. Was sagt er dann? Ein Risiko gibt es überall, auch wenn ich über die Straße gehe und das war auch unsere Meinung.

Unsere Freundschaft wuchs von Tag zu Tag und wir konnten uns voll auf den anderen Verlassen. Wir gingen immer wieder alle Möglichkeiten, die eventuell vorkommen könnten, durch. Von Krankheiten über Fahrzeugausfall bis zu eventuellen Überfällen, alles wurde durchgesprochen und geübt, solange bis wir alles im Schlaf konnten.

Um ganz sicher zu gehen, belegten wir noch einen Überleben Land-Lehrgang. Hier lernten wir zu überleben, ohne etwas zu haben, außer den von der Natur bereit gestellten Nahrungsmitteln. Da wir aber in Afrika meistens mit Sand zu tun hatten, haben wir uns auch damit beschäftigt und viel über die Sahara und die Tücken des Landes gelesen.

Dann war es soweit, alle Ausrüstungsgegenstände waren verstaut, wir hatten alles am Mann was man brauchen konnte, Jagdmesser am Oberschenkel, die Macheten lagen griffbereit neben den Sitzen und die Jagdgewehre waren hinter den Vordersitzen in Kisten sicher eingeschlossen.

Ich verabschiedete mich von meiner damaligen Frau und versprach, dass wir uns von unterwegs, bei den vorgegebenen Punkten, den Konsulaten, immer wieder melden würden.

Die erste geplante Etappe verlief recht zügig, über die Autobahn bis zur Österreichischen Grenze. Von hier sollte es dann am nächsten Tag weiter gehen Richtung Türkei. Die erste Nacht verbrachten wir auf einem Rastplatz, saßen am Abend zusammen und fieberten dem nächsten Tag entgegen. Denn da sollte es schon in unbekanntes Land gehen.

Clemens und Rene schliefen in dem einen und ich, alleine, in dem zweiten Fahrzeug. Am frühen Morgen, es war noch dunkel, klopfte es an der Seitenwand, und ich hörte Rene rufen:

»Kalle, komm schnell rüber. Clemens geht es nicht gut, der hat Fieber und ist ganz weggetreten!«

»Ich komme«, sagte ich und rutschte von der Liege, schnappte mir meinen Medikamentenkoffer und stieg aus. Wir hatten zum Schlafen alle unsere Trainingsanzüge an und so konnte ich gleich zum anderen Fahrzeug gehen. Rene hatte schon die Tür geöffnet und ich stieg ein, man konnte schon riechen, dass es hier um mehr als eine Erkältung ging. Es roch nach Schweiß und Exkrementen. Ich hielt meine Hand an seine Stirn und zuckte zurück, kochen heiß war sie.

»Rene gib mir mal ein Becher Wasser«, sagte ich zu ihm und nahm ein Aspirin aus der Tasche um es im Becher aufzulösen. Das sollte erst einmal helfen, jedenfalls bis wir im Krankenhaus waren.

»Lass uns ins nächste Krankenhaus fahren, Du fährst den Wagen und ich komme mit dem anderen hinterher. Schau mal auf der Karte nach, wo das nächste Krankenhaus ist«.

Er setzte sich auf den Fahrersitz und schnappte sich die Karte. Ich gab Clemens einen Schluck aus dem Becher zu trinken. Das hätte ich mal lieber nicht machen sollen, er schrie auf und hielt sich den Bauch.

»Er muss etwas mit dem Darm haben. Rene, fahr vorsichtig, er hat starke Schmerzen«, sagte ich, nahm meine Tasche und stieg aus.

»Hast du schon ein Krankenhaus gefunden?«

»Ja, hier, in zirka fünfzehn Kilometern Entfernung.«

»Gut, dann mal los!«

Ich schloss die Tür und ging zu dem zweiten Wagen zurück, während Rene schon losfuhr. Ich stieg ein und fuhr ihm hinterher.

Ich konnte mir absolut nicht vorstellen, was Clemens mit dem Darm haben sollte, haben wir uns doch alle Wochen vorher von Ärzten untersuchen und durchchecken lassen. Ich stellte mir vor, was wäre gewesen, wenn das in der Wüste passiert wäre? Ich glaube dann wären die Spaten, die wir natürlich auch dabei gehabt hatten, zum Einsatz gekommen. Nach gut einer halben Stunde Fahrweg, bog Rene in die Auffahrt des Krankenhauses ein, wir stoppten an der Tür für die Notaufnahme. Kaum waren wir ausgestiegen, wurde die Tür zur Notaufnahme von innen aufgestoßen und wir wurden angebrüllt.

»Was macht Ihr den mit den Fahrzeugen in der Krankenwagenauffahrt? Ihr habt hier nichts zu suchen, das ist doch kein Parkplatz!«

Ich konnte erkennen, dass es ein Pfleger der Notaufnahme war und antwortete ruhig.

»Ganz ruhig Mann, wir haben einen Notfall im Auto. Unser Freund hat tierische Schmerzen im Unterbauchbereich, vielleicht eine Blinddarmentzündung oder einen Magendurchbruch. Schnell holen Sie eine Liege«, dass musste ich ihm nicht zweimal sagen. Wie von der Tarantel gestochen machte er kehrt, lief wieder ins Haus und rief dabei laut:

»Ein Notfall, ein Notfall, in den OP damit. Verdacht auf Blindarmdurchbruch!» und schon kam er mit einer Liege angelaufen mit zwei Schwestern und einem Arzt im Schlepptau. Der Arzt stieg in den Wagen und untersuchte Clemens in dem er ihm den Bauch abdrückte, was einen tierischen Schrei seinerseits nach sich zog. Der Arzt zuckte erschrocken mit der Hand zurück und sah mich an.

»Das kann kein Blinddarm sein, dass sieht wie ein Magendurchbruch aus. Seit wann hat er denn die Schmerzen?«, fragte er.

Ich sah zu Rene hinüber, er zuckte nur mit der Schulter.

»Wir haben nichts davon bemerkt, dass er Schmerzen hat und er hat auch nichts gesagt. Erst heute Morgen, als er starkes Fieber hatte, wurden wir darauf aufmerksam.«

»Wie dem auch sei, helfen Sie uns doch mal ihn aus dem Wagen zu hieven, ohne dass er allzu viel Schmerzen dabei hat«, bat uns der Arzt.

Wir versuchten in aus dem engen Kofferwagen mit vier Mann und zwei Schwestern langsam heraus zu heben und ihn auf die Liege zu legen, was auch soweit ganz gut klappte. Er hat dabei nur dreimal vor Schmerzen aufgeschrien. Sofort schnappte sich der Pfleger die Liege und schob ihn rein, nicht ohne uns vorher noch über die Schulter zuzurufen:

»Die Auffahrt müsst Ihr aber sofort wieder frei machen. Parkt vorne am Eingang«, und schon fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss.

Wir stiegen in die Fahrzeuge ein, fuhren um das Krankenhaus herum zum vorderen Eingang, suchten uns zwei Parkplätze, stellten die Fahrzeuge ab und gingen durch den Haupteingang wieder rein. Beim Pförtner erkundigten wir uns nach der Notaufnahme und gingen bis zur Tür, auf der: “Notaufnahme! Kein Zutritt für Unbefugte. Bitte im Schwesternzimmer melden“, stand.

Das Schwesternzimmer lag direkt daneben, wir klopften an und gingen hinein. Es war leer, na klar, die waren ja alle bei Clemens im OP. Wir ließen die Tür auf, damit wir hören konnten, wenn jemand vom hinteren Bereich aus in das Schwesternzimmer kam und setzten uns beide im Flur auf eine Holzbank.

Was machen wir den jetzt mit unserer Expedition? Sollen wir jetzt alleine fahren?«, fragte mich Rene.

»Wir können Clemens jetzt nicht alleine hier liegen lassen. Erst mal hören, was die Ärzte sagen, und dann sehen wir weiter. Im Prinzip könnten wir die Tour auch alleine machen. Aber erst, wenn es Clemens besser geht«.

»Gut, dann warten wir mal ab, was Sache ist. Wollen wir gleich in die Kantine gehen und frühstücken?«, fragte er mich.

»Am besten wäre es, wenn einer immer hier ist. Die wissen doch gar nicht, wer Clemens ist und wo wir dann sind. Geh du schon mal los und löse mich dann ab«.

»Gut, dann Tschüss«, sagte er, stand auf und ging den Flur runter.

>Wieso Tschüss?<, dachte ich, bevor sich meine Gedanken wieder mit Clemens beschäftigten.

Es verging eine, es vergingen zwei Stunden. Weder Rene noch eine Schwester kamen vorbei. Dann wurde die Tür zur Notaufnahme aufgerissen und der Pfleger kam raus.

»So, es ist alles gut gelaufen, er wird überleben und wieder gesund werden. Jetzt brauche ich noch die Daten Ihres Freundes. Wo ist denn der andere geblieben? «, fragte er mich. Ich zuckte nur mit den Schultern.

»Weis ich nicht, er wollte nur frühstücken gehen und mich dann hier ablösen, damit ich auch was zwischen die Zähne bekomme.«

»Das können Sie ja gleich tun, erst füllen wir mal die Unterlagen zusammen aus«, sagte er bestimmt.

Wir gingen in das Schwesternzimmer und ich setzte mich neben den Schreibtisch, um seine Fragen zu beantworten. So langsam wurde es Zeit, dass ich etwas zwischen die Kiemen bekam, das Krankenhaus füllte sich auch immer mehr und ich ging, nach dem alle Formalitäten erledigt waren, in die Kantine.

An der Tür schaute ich mich um und hielt Ausschau nach Rene. War er noch hier, oder etwa schon zur Station zurückgegangen? Da ich ihn nicht sehen konnte, ging ich zur Theke und bestellte ein Frühstück mit Kaffee und einem Ei, setzte mich damit an einen Tisch und fing an zu Essen. Ich ließ mir Zeit damit und holte mir noch eine Tasse Kaffee, bevor ich das Tablett wieder zurück brachte. Ich dachte an Clemens und ging wieder zurück zur Notaufnahme und fragte den Pfleger, der uns heute Morgen empfangen hatte:

»Haben Sie meinen Freund gesehen, der heute Morgen mit dabei war?«

»Nein, hier war niemand. Aber Ihr anderer Freund liegt jetzt auf der Intensiv.«

»Schön, und wie komme ich da hin?«, fragte ich ihn.

»Die Intensivstation liegt eine Etage höher im Flur B, dann am besten die Stationsschwester fragen, ob Sie schon zu ihm können. Müssen dann aber einen Kittel anziehen.«

»Danke für die Hilfe«, sagte ich und ging zum Treppenhaus und eine Etage höher. Hier klopfte ich an die Tür zum Schwesternzimmer und öffnete sie.

»Guten Tag, ich wollte zu meinem Freund Herrn Clemens Binzel. In welchem Zimmer liegt er denn? «, sprach ich die Schwester, die an ihrem Schreibtisch saß, an.

Sie sah mich von oben bis unten an und sagte dann:

»Ah, ist schon Besuch für Herrn Binzel da. Das geht aber so nicht, da müssen Sie sich einen Kittel überziehen.«

»Ja und wo bekomme ich den her?«

»Tja, und dann dürfen natürlich nur engere Angehörige auf die Intensivstation. Sind Sie der Bruder?«, fragte Sie mich lauernd und gab mir damit eine wunderbare Vorlage.

»Na klar doch, wer sonst. Wo bekomme ich denn jetzt den Kittel her?«, fragte ich um möglichst weitere Fragen von ihr vorzubeugen.

Sie rührte sich nicht von ihrem Stuhl und sah mich noch misstrauischer an.

»Sie sehen sich aber gar nicht ähnlich«, stellte sie fest.

»Na ja, ist doch klar. Wir haben verschiedene Väter«, log ich was das Zeug hergab und ohne zu zögern, um hier endlich weg zu kommen. Jetzt bewegte sie ihr, ich muss zugeben, recht ansehnliches Fahrgestell vom Stuhl hoch und kam auf mich zu.

»Na, dann kommen Sie mal mit«, sagte sie immer noch nicht ganz zufrieden gestellt.

Sie ging an mir vorbei und bog links ab zu der mit Intensivstation! Durchgang verboten beschriftete Tür, öffnete sie und ging gleich in das erste Zimmer auf der linken Seite, ich immer folgsam hinter ihr her.

»Hier ziehen Sie sich das über, ich warte draußen vor der Tür«, sagte sie und reichte mir einen grünen langen Kittel aus dünnem Stoff.

Dieses Bekleidungsstück kannte ich auch schon aus dem Unfallkrankenhaus Altona, in dem ich gearbeitet hatte. Ich zog ihn mir über und ging raus zu ihr.

»So, dann wollen wir mal zu Ihrem Bruder gehen. Er ist aber von der Narkose noch etwas weggetreten. Die OP ist sehr gut verlaufen, nur braucht er noch zwei Wochen bis er entlassen werden kann«, erklärte sie mir den Gesundheitszustand meines Bruders.

Sie öffnete eine Tür und ging hinein.

»Hallo Herr Binzel, hier ist schon der erste Besuch für sie da, Ihr Bruder. Wie fühlen sie sich denn?«, sprudelte es aus ihr heraus. Clemens sah mich noch weggetreten und verdutzt an und ich nickte ihm zu.

Er nahm die Situation sofort auf und checkte was gemeint war, trotz Narkose! Er hob die Hand als Gruß zu mir und nuschelte etwas zu der Schwester, was sich wie:

»Es geht. Ich habe Hunger«, anhörte.

»Sie dürfen erst mal noch nichts Essen Herr Binzel, Sie hatten immerhin einen Magendurchbruch. Aber ich mache Ihnen einen Lappen mit Wasser nass, da können Sie sich dann die Lippen mit anfeuchten, gegen den Durst«, fügte Sie noch hinzu.

»Bleiben sie nicht zu lange, Ihr Bruder ist noch geschwächt. Kommen Sie lieber morgen noch mal wieder«, sagte Sie an mich gewandt und ging hinaus.

»War Rene schon bei dir?«, fragte ich Clemens neugierig. Obwohl ich die Antwort ja schon kannte. An diesem Drachen von Schwester kam keiner vorbei, aber Rene war auch mit allen Wassern gewaschen. Clemens schüttelte vorsichtig den Kopf und sah mich fragend an.

»Ja, heute Morgen als du operiert wurdest, wollte er frühstücken gehen und seitdem ist er weg, und ich habe ihn nicht mehr gesehen«, versuchte ich ihm die Situation zu erklären.

Er nickte und nuschelte vor sich hin:

»Rene mag keine Krankenhäuser«, sagte er. Das Genuschel kam von dem Schlauch, den man während einer OP in den Hals bekommt und dadurch alles wund wird.

»Na ja, es hat ja Gott sei Dank keine Komplikationen bei der OP gegeben. Ich werde jetzt erst mal raus zum Wagen gehen und mich etwas frisch machen. Ich komme heute Nachmittag wieder und schau nach dir, lass es dir bis dahin gut gehen. Tschüss Clemens bis später.«

Beim Hinausgehen hob ich grüßend die Hand und verließ das Zimmer.

So langsam musste ich mal nachsehen, wo Rene steckte. Ich ging hinunter auf den Parkplatz und stellte überrascht fest, dass das Fahrzeug von Rene war weg. Ich hatte das Gefühl, als wenn in meinen Magen Ratten tätig waren und an meiner Magenwand knabberten.

>Warum war er weggefahren? Hatte er etwas zu besorgen?< Ich ging zu meinem Wagen in der Hoffnung, eine Nachricht von ihm vorzufinden. Nichts!

>Jetzt machst Du dich erst einmal fertig<, dachte ich mir. Rasieren, waschen, umziehen und dann sieht man weiter. Als ich mit meiner Morgentoilette fertig war, war es schon Mittag. Ich setzte mich auf einen Klappstuhl neben den Wagen und überlegte, was ich am besten machen könnte.

»He, sie da. Hier ist kein Campingplatz, das ist ein Krankenhausparkplatz!«, wurde ich mit scharfer Stimme von hinten angesprochen.

Ich drehte mich um, um mir die Person anzusehen, die mich da anmachte. Da stand ein Wachmann vom Krankenhaus, die Hände in die Hüften gestemmt und sah mich mit strenger Mine an.

»Tja, ich weiß. Aber ich habe heute Morgen meinen Freund mit Magendurchbruch eingeliefert und wohne in Hamburg. Deshalb bin ich hier gleich stehen geblieben, um nachher noch mal zu ihm rein zu gehen. Wir wollten eigentlich eine Expedition durch Afrika machen und sind hier hängen geblieben.«

Er kam interessiert näher und seine Mine wurde etwas freundlicher.

»Ah so. Sie sind auf der Durchreise nach Afrika, deshalb auch der umgebaute Wagen. Wann fahren Sie denn weiter?«

»Das weiß ich im Moment noch nicht so genau. Ich warte noch auf einen Freund mit dem zweiten Wagen. Der ist weggefahren, und ich weiß nicht wohin.«

»Ja, den habe ich bei Schichtbeginn vom Parkplatz fahren sehen. Er ist Richtung Stadt gefahren.«

Die Ratten in meinem Magen verstärkten ihre Tätigkeit schon wieder, warum nur?

»Gut, dann werde ich mal hinterher fahren. Kann ich denn vielleicht heute Nacht hier stehen bleiben, damit ich morgen früh gleich wieder meinen Freund besuchen kann?«, fragte ich ihn mit der nettesten Stimme, die ich hervor bringen konnte.

»Na ja, das Campen ist hier ja verboten. Aber wenn sie nichts draußen stehen lassen, sieht man ja nicht ob jemand im Auto schläft. Ich sage meiner Ablösung Bescheid, dann geht es schon mal.«

»Schön und vielen Dank dafür. Dann werde ich jetzt mal in die Stadt fahren und nachsehen, wo mein Freund bleibt.«

Ich verstaute den Klappstuhl im Fahrzeug, schwang mich ins Fahrerhaus, fuhr vom Parkplatz runter, Richtung Stadt. Die war nicht weit entfernt und ich war nach kurzer Fahrzeit mitten auf dem Marktplatz. Schon beim Einparken versammelten sich einige Menschen um den Wagen und schauten ihn neugierig an. Ich stieg aus und versuchte mich zu orientieren.

»He, ist hier irgendwo ein Nest? Gibt es noch mehr von Euch«, wurde ich von einem Jugendlichen gefragt.

Ich sah ihn an und ging langsam auf ihn zu.

»Wieso? Hast du heute schon einmal so einen Wagen gesehen?«, fragte ich ihn, die Antwort schon im Voraus kennend.

»Ja, heute Morgen ganz früh, als ich zur Schule ging. Der hat mich gefragt, wo hier eine Bank ist«, kam die Antwort.

Jetzt hatten die Ratten die Magenwand durchgebissen, ich brauchte unbedingt etwas Hartes zum Trinken um sie zu beruhigen.

»Und wo ist die nächste Bank?", fragt ich ihn.

»Gleich hier um die Ecke, wenn Sie herkommen können Sie sie sogar sehen«, sagte er und zeigte nach rechts auf die Häuserecke.

»Gut danke. Bist du so lieb und passt mir etwas auf den Wagen auf?«

»Ja klar, aber nur, wenn ich nachher mal reinschauen kann.«

»Gut. Abgemacht. Wenn ich zurückkomme, zeige ich Dir alles«, gab ich ihm geistesabwesende zur Antwort.

Ich war schon auf dem Weg zur Bank und in Gedanken versuchte ich mir vorzustellen, was Rene hier wohl gewollt hatte. Ich hatte Glück, sie hatte gerade noch auf und ich ging zum Schalter. Da ich der einzige Kunde war, kam ich auch gleich dran:

»Guten Tag. Ich würde gern eine Kontoauskunft von meinem Konto einholen«, sprach ich die Schalterkraft an.

»Tja, kein Problem. Sagen Sie mir doch bitte ihre Kontonummer.«

»Es ist so, ich habe das Konto nicht bei Ihrer Bank. Sie müssten bitte bei meiner Bank anrufen und sich die Information geben lassen. Hier ist mein Ausweis und meine Kontovollmacht, die Sie dem Kontoverantwortlichen bei meiner Bank dann bestätigen können.«

»Wie stellen sie sich das denn vor? Wer soll dann das Telefonat bezahlen und das Ganze hin und her geht doch nicht...«, war ihre abweisende Antwort. »...Es ist ja schon das zweite Mal heute, dass ein Kunde so etwas machen will. Wo kommen wir denn hin, wenn wir für andere Banken die Arbeit machen und auf den Kosten hängen bleiben würden.«

»Könnten sie mir den sagen, ob er Geld abgehoben hat? Dann brauchen Sie auch nicht bei meiner Bank anzurufen«, versuchte ich sie zu locken.

»Wo kommen wir denn da hin, wenn ich von einem Kunden von anderen Kunden Informationen weiter gebe«, sagte sie spitz.

»Aber ich denke, er war kein Kunde von ihnen«, versuchte ich es mit Logik.

»Immer diese Spitzfindigkeiten, natürlich ist er Kunde, wenn wir ein Geldgeschäft mit ihm tätigen«, antwortete Sie aufgebracht.

»Gut, dann sind Sie doch so lieb und rufen bei meiner Bank an«, redete ich weiter, obwohl sie meine Frage ja schon beantwortet hatte und mein Verdacht zur Wahrheit wurde. Aber vielleicht hatte Rene auch keine Lust mehr, alleine weiter zu machen und nur seinen Anteil abgehoben.

»Heute Nachmittag, wir haben jetzt Mittagspause. Kommen sie um fünfzehn Uhr wieder, dann machen wir wieder auf«, antwortet Sie trotzig, kam um den Schalter herum und ging zur Tür, um sie abzuschließen.

Ich resignierte, drehte mich und verließ die Bank. Langsam ging ich zu meinen Wagen zurück, an diesem lehnte mein junger Freund und hatte einen Pulk Gleichaltrige um sich versammelt.

»Na, alles klar bei Dir«, fragte ich ihn als ich am Wagen ankam.

»Ja klar doch. Zeigen Sie uns jetzt alles?«, kam die Frage wie aus der Pistole geschossen.

Da ich ja sowieso Zeit hatte und nichts Besseres vorhatte, machte ich eine Besichtigungstour um den Wagen und gab Erklärungen ab, zeigte den Jungs auch alles von drinnen, beantwortete alle ihre Fragen und ließ Sie auf das Dach steigen So langsam leerte sich der Markt und es wurde ruhiger.

»Danke dass Sie sich so viel Zeit genommen haben, uns alles zu erklären«, sagte mein junger Freund, der noch als Einziger bei mir stand.

»Gern geschehen, hat mir auch Spaß gemacht, kann man hier irgendwo etwas zu Essen bekommen«, fragte ich ihn, da mein Magen sich schon wieder meldete, aber diesmal aus Hunger.

»Ja, klar. Kommen Sie, ich bringe Sie hin, es ist gleich dort drüben in der Nebenstraße«, sagte er und ging schon los.

Ich folgte Ihn und musste einen Zahn zulegen, so schnell lief er.

»Die Gaststätte ist gut, das Essen schmeckt und es ist nicht zu teuer, sagt mein Onkel immer«, erzählte er im Gehen.

»Musst du nicht nach Hause, wartet niemand mit dem Essen auf dich?«, fragte ich ihn, weil es mich doch verwundert, dass er der Einzige ist der noch hier blieb.

»Nein, meine Mutter kommt erst heute Abend von der Arbeit und dann gibt es etwas zu Essen. Hier sind wir«, sagte er und deutet auf die Eingangstür einer Gaststätte.

»Hast du Lust, mir etwas Gesellschaft zu leisten und was mitzuessen? Ich lade dich ein.«

Ich wollte jetzt nicht alleine sein und mir Gedanken machen müssen die, die Ratten in meinem Magen wieder aufwecken könnten.

»Ja, das wäre toll. Da können Sie mir noch etwas mehr über die Expedition erzählen«, sagte er voller Begeisterung.

Wir gingen in die Gaststube, setzten uns an einen Tisch, suchten uns etwas von der Speisekarte aus und gaben die Bestellung auf. Während des Essens und auch noch danach, unterhielten wir uns über alles Mögliche und im Besonderen über die Expedition nach Afrika. Dann hatte ich eine Eingebung.

»Sag mal, kennst du die junge Frau in der Bank?«

»Na klar, das ist doch meine Tante, die Frau von meinem Onkel Josef«.

»Gut, und was mag Sie besonders gern? Wie kann ich sie dazu überreden, etwas für mich zu tun?«, wollte ich eine Eingebung umsetzten. Was hatte ein kleines Geschenk schon alles bewirkt.

»Oh, das ist gar kein Problem. Eine kleine Süßigkeit reicht aus, um sie um den Finger zu wickeln, so ein paar Pralinen, die es im Feinkostgeschäft am Markt gibt.

Da steht sie voll drauf und wenn das alles nicht reicht komme ich mit rein", sprudelte es aus ihm heraus und er lachte dabei.

»Was soll Sie den für Sie tun?«, kam auch schon die nächste neugierige Frage.

»Sie soll mir nur bei meiner Bank den Kontostand besorgen, damit ich auf dem Laufenden bin.«

»Ach, das ist doch gar kein Problem. Da komme ich mit rein und wenn Sie sieht, dass wir uns kennen, macht sie alles für Sie«, sprach er selbstbewusst weiter.

So verging die Zeit. Um fünfzehn Uhr machten wir uns dann auf den Weg ins Feinkostgeschäft, besorgten ein paar Pralinen für seine Tante und gehen zur Bank.

»Guten Tag«, sagte ich höflich, als wir zusammen in die Bank gehen.

»Hi Tante«, sagte mein junger Freund gut gelaunt.

»Was machst du denn mit dem fremden Mann hier?«, fragte Sie ihn lauernd.

»Wir haben den ganzen Nachmittag zusammen gegessen und uns über Afrika unterhalten, er ist mein Freund«, fügte er selbstbewusst hinzu.

»Ich möchte mich für Ihre Hilfe erkenntlich zeigen«, sagte ich und schob Ihr das Pralinenpäckchen über die Theke.

»Könnten Sie mir jetzt vielleicht die Information besorgen?«, fragte ich sie direkt, da ich mich nicht den ganzen Tag damit beschäftigen wollte, sie zu überreden. Sie sah zu meinem jungen Freund, nahm das Pralinenpäckchen von der Theke und sagte:

»Geben sie mir doch mal ihren Ausweis und die Kontovollmacht, dann rufe ich bei ihrer Bank an.«

Nachdem ich ihr alles gegeben hatte, ging sie rüber zu ihrem Schreibtisch und rief unsere Bank an.

Ich sah zu meinem Freund rüber und er zwinkerte mir zu.

Wir hörten sie telefonieren und Daten abgleichen, dann schrieb sie etwas auf einem Zettel, legte den Hörer auf die Gabel und kam wieder zu uns an die Theke. Sie legte meine Papiere und den Zettel vor mich hin.

»Das ist ihr derzeitiger Kontostand«, sagte Sie dabei.

Ich nahm den Zettel und las:

>Der Kontostand beträgt fünf Mark.<

Ich starrte auf den Zettel und konnte es nicht fassen. Das Konto war geräumt worden und das konnte nur Rene gemacht haben!

»Stimmt etwas nicht…?«, fragte Sie mich schnippisch und sah mich grinsend an. „… Das Geld hat ihr Freund heute Morgen abgehoben, etwas mehr als Zwanzigtausend Mark«, setzte sie hinzu. Ich sah sie gedankenverloren an.

»Ja, danke«, sagte ich, drehte mich um, verabschiedete mich von meinem jungen Freund und ging hinaus.

Langsam und total leer gebrannt ging ich den Weg zum Wagen und stieg ein. Was sollte ich tun? Kalte Wut stieg langsam in mir auf, ich hätte sonst was mit ihm machen können, wenn er jetzt hier wäre.

Dieser Verräter!

Bei der erstbesten Gelegenheit beklaut er seine Freunde, so ein Schwein. Ich startete den Wagen und fuhr langsam zurück ins Krankenhaus. Eine Frage beschäftigte mich immer noch: was soll ich tun? Was gab es für Möglichkeiten?

Ich könnte meine alten Verbindungen von früher wieder aktivieren und ihn suchen lassen. Oder mich alleine auf die Socken machen, um ihn zu finden. Die letzte Möglichkeit wäre dann noch, einfach alles vergessen und wieder an die Arbeit gehen.

Mit der Vergangenheit wollte ich ja gerade nichts mehr zu tun haben, also blieben nur noch die Möglichkeiten zwei und drei. Ich war mir ziemlich sicher, dass er Richtung Osten unterwegs war, dass er sich in die Türkei abgesetzt hat, um erst einmal in Sicherheit zu sein. Aber dort hatte ich keine Verbindungen und wollte auch keine aufbauen, aber ganz so einfach davonkommen lassen wollte ich ihn auch nicht. Ich kam am Krankenhaus an und hatte eine Idee.

Ich musste doch nur in der Türkei ein Gerücht ausstreuen. Dass so ein Typ mit viel Geld unterwegs war, seine Beschreibung und die des Wagens im Gespräch einstreuen und schon hatte ich die Neugier der Gesprächspartner geweckt. Warum sollte ich nicht andere für mich arbeiten lassen, davon würden wir zwar das Geld auch nicht mehr zurückbekommen, aber er würde seine Strafe erhalten. Dass er mit seinem Leben bezahlen würde, weil diejenigen die hinter dem Geld her waren, nicht zimperlich mit ihm umgehen würden, war mir egal.

Jetzt werde ich wohl erst einmal Clemens davon erzählen müssen, wenn er schon dazu in der Lage war, es zu verdauen. Ich stieg aus und ging ins Krankenhaus, die Treppe hoch und meldete mich im Schwesterzimmer, zog mir den grünen Kittel über und ging in sein Zimmer.

»Hi Clemens, alles klar bei dir?«, begrüßte ich ihn.

»Hi Kalle. Ja, danke. Kann wieder sprechen ohne Halsschmerzen zu haben«, antwortete er.

Ich nahm mir einen Stuhl und setzte mich an sein Bett. Kaum saß ich, wurde die Tür aufgerissen und eine Schwester kam herein geschossen.

»Wir haben noch keine Besuchszeiten. Bitte verlassen sie das Zimmer und kommen später wieder«, keifte Sie mich an. Ich war nicht in der Stimmung, mich mit so einer Zicke herum zu ärgern und deshalb kam auch eine sehr patzige Antwort von mir zurück:

»Lassen sie mich in Ruhe und machen sie die Tür von außen zu. Ich habe mit meinem Bruder was Wichtiges zu besprechen und ich werde bestimmt nicht bis zur Besuchszeit draußen rum hängen und warten bis es ihnen wieder passt«, sagte ich und funkelte sie böse an.

»So eine Frechheit, das wird Folgen haben. Ich hole den Chefarzt«, drohte sie mir und weg war sie.

Es war mir total egal wen sie holte, ich hatte so eine aufgestaute Wut in mir, dass ich jeden eigenhändig aus dem Zimmer werfen werde, der mich störte. Clemens sah mich verduzt an, so kannte er mich nicht.

»Ist was passiert? Wo ist Rene?«, fragte er mich auch gleich.

»Das ist genau der Punkt über den ich mit dir reden muss. Das Schwein hat unser Geld abgehoben und hat sich verpisst...«, erzählte ich aufgebracht. »...Der ist heute Morgen gleich zur Bank gefahren und hat alles bis auf fünf Mark abgehoben...«, erzählte ich weiter. »...Wahrscheinlich ist er in die Türkei abgehauen, um nicht gefunden zu werden.«

Clemens wirkte in sich gekehrt und nachdenklich. Da wurde die Tür schon wieder aufgerissen und die Schwester kam mit einem Weißkittel rein gestürmt.

»Was geht hier vor? Was machen sie hier außerhalb der Besuchszeit? Der Patient braucht seine Ruhe«, redete der Weißkittel auf mich ein.

»Wer sind Sie denn? Wenn Sie weniger Krach machen würden hätte er auch mehr Ruhe. Raus, beide, wir haben Wichtiges zu besprechen. Dann bin ich auch gleich wieder weg«, schnauzte ich ihn an und meine Augen mussten Feuer versprühen, denn er drehte gleich wieder ab und verlies mit der Schwester den Raum.

Ich schätze, mir blieb nicht sehr allzu viel Zeit, um unser Problem mit Clemens zu besprechen.

»Was meinst du, soll ich ihn zum Abschuss frei geben? Dann hat er wenigstens auch nichts von dem Geld und seine gerechte Strafe bekommen«, fragte ich Clemens, der so aussah, als wenn er von dem Disput mit dem Weißkittel nichts mitbekommen hatte.

Er hob den Kopf und sah mich an, als wenn er mich erst jetzt wahrnehmen würde.

»Was heißt das, zum Abschuss frei geben?«, fragte er mich überrascht.

»Ich gebe ein Gerücht raus, dass so ein Typ mit Geld in der Tasche in der Türkei unterwegs ist, und das wird mit einer Beschreibung von ihm und dem Auto verbunden.«

»Aber an wem gibt du denn die Beschreibung?«, fragte mich Clemens.

»Ganz einfach, ich fahre über die Grenze und frage an dem ersten Autobahnrastplatz herum, ob jemand ihn gesehen hat. Ganz nebenbei erwähne ich das mit dem geklauten Geld, die Summe kann man ja etwas erhöhen um den Anreiz und die Motivation etwas größer zu machen«, erklärte ich ihm.

»Woher weißt du so etwas?«, fragte mich Clemens.

Bevor ich eine Antwort geben konnte, wurde wieder die Tür aufgerissen und es stürmten vier Personen rein. Die Krankenschwester hatte wohl nichts anderes zu tun, der Weißkittel, wahrscheinlich ein Krankenpfleger, ein streng dreinblickender älterer Herr, wahrscheinlich der Stationsarzt und unser bekannter Notaufnahme Pfleger von heute Morgen. Bevor Sie auch nur etwas sagen konnten, ging ich zum Gegenangriff über:

»Ja toll, wie soll denn da der Patient bei diesen laufenden Störungen zur Ruhe kommen? Aber nicht aufregen, ich gehe ja schon«, blaffte ich die vier an und zu Clemens gewandt:

»Na was ist, was sollen wir jetzt tun?«, fragte ich ihn.

»Sie verlassen auf der Stelle das Krankenhaus. Sonst bekommen sie Hausverbot«, übernahm der Arzt das Wort.

»Ach Herr Doktor, die Beiden kenne ich. Das ist der Magendurchbruch auf dem Weg nach Afrika und sein Freund«, klärte der Pfleger den Doktor auf.

Es scheint sich im Krankenhaus schon herum gesprochen zu haben, wer wir waren.

»Ach so, aber so geht es trotzdem nicht meine Herren! Auch für Sie gelten die Besuchszeiten«, redete er, schon etwas beschwichtigt, auf uns ein.

»Ja, ich bin auch gleich wieder weg. Müssen uns nur noch über den weiteren Ablauf einig werden«, klärte ich ihn auf.

»Aber das können Sie ja auch heute Abend noch machen«, stellte er klar.

»Nein Herr Doktor, dann ist es schon zu spät. Noch fünf Minuten und ich bin wieder weg.«

»Nun gut, fünf Minuten und dann gehen Sie aber sofort«, sagte er mit strenger Stimme um seine Autorität zu nicht zu verlieren.

»Danke Herr Doktor«.

Sie drehten sich alle um und gingen hinaus, unsere alter Bekannter, der Krankenpfleger, zwinkerte uns beim Hinausgehen noch zu.

»So Clemens, was meinst du, sollen wir es jetzt so machen?«, fragte ich ihn, nachdem wir wieder alleine waren und hatte die Hoffnung, dass er seine letzte Frage vergessen hatte und so war es auch.

»Kalle, meinst du nicht, dass du eine Chance hättest ihn selbst zu finden?", gab er die Hoffnung nicht auf.

»Nein! Ich alleine in der Türkei und nach ihm suchen? Das ist wie eine Nadel im Heuhaufen suchen, da haben wir keine Chance auf Erfolg.«

»Na gut, dann soll er wenigstens nicht ungeschoren davonkommen. Mach es.«

»Gut Clemens, dann fahre ich gleich los, damit ich bald wieder zurück sein kann. Soll ich noch jemanden für dich anrufen? Verwande oder Bekannte?«

»Nein, das erledige ich alles von hier aus. Fahr du mal los und tu was du machen musst«.

Ich stand auf, stellte den Stuhl wieder zurück an den Tisch und ging zur Tür.

»Gut Clemens, dann mach es mal gut. Bis später. Tschüss«, sagte ich und öffnete die Tür.

»Ja Kalle. Tschüss bis später.«

Als ich raus ging, sah ich die Schwester schon lauernd im Türrahmen des Schwesternzimmers stehen und mich beobachten. Ich ging lächelnd an ihr vorbei und sagte lächelnd zu ihr:

»Tschüss Schwester, bis später.«

Sie drehte sich beleidigt auf dem Absatz um und ging ohne ein Wort zu sagen in ihr Zimmer zurück. Jetzt ging es darum, den Plan umzusetzen, also in die Türkei fahren und an der Grenze herumfragen. Die nötigen Papiere hatten wir ja und an Bargeld mangelt es auch nicht. Wir haben uns Geldgürtel mit eingebauten Taschen vom Schuster anfertigen lassen, Diese trugen wir verdeckt um den Bauch, hier war alles sicher aufgehoben. Wir hatten so viel Geld in dem Gürtel dabei, dass wir immer mit einem Flugzeug nach Hause kamen, egal wo wir uns gerade aufhielten. So dass wir auch von den jeweiligen Konsulaten und Banken unabhängig waren. Die verschiedenen Devisen hatten wir uns auch schon besorgt: für Österreich, Jugoslawien, Griechenland und für die Türkei.

Es war eine weite Strecke die ich fahren musste, gut zweitausend Kilometer über Graz, Zagreb, die Mittelmeerküste runter bis Alexandroupolis in Griechenland und dann Richtung Malkara in der Türkei. In Ipsala hatte ich dann vor, das Gerücht über die angebliche Suche zu verbreiten.

Entweder es klappt oder auch nicht, aber ich musste etwas tun und wenn es auch nur die viertausend Kilometer waren die ich fahren musste.

Ich hatte einen eingefahrenen Tagesablauf: fahren, essen, schlafen und alles wieder von vorne. Am Tag schaffte ich so um die achthundert Kilometer, das machte zwei und einen halben Tag bis ich unten war. Nach der Ankunft habe ich bei Tankstellen, Gaststätten und Hotels herum gefragt und die teilweise erfundene Story erzählt. Dass ich den Lumpen unbedingt finden muss, weil es mein Geld war und ich ohne das Geld pleite war, was ja auch stimmte. Um es glaubhafter zu machen, habe ich einen Finderlohn versprochen und hatte Zettel mit meiner falschen Adresse und Telefonnummer verteilt. Mir war klar, dass selbst wenn man den Übeltäter erwischte, das Geld nicht heraus gerückt werden würden. Als ich alle interessante Orte abgeklappert hatte, machte ich mich am späten Nachmittag wieder auf den Rückweg, habe dann noch am Mittelmeer einen kurzen Stopp gemacht, um etwas zu baden und mich zu erholen, bevor ich dann weiter fuhr.

Gut eine Woche später fuhr ich wieder am Krankenhaus vor und ging zum Zimmer von Clemens. Hier auf dem Flur wurde ich auch gleich von der Stationsschwester, diesmal war es eine andere, aufgehalten. Sie teilte mir mit, dass Clemens nicht mehr auf der Intensiv lag, sondern nach unten in die normale Station gebracht wurde. Also kehre ich um und ging zwei Etagen tiefer und siehe da, lag er doch in einem schönen sonnendurchfluteten Zimmer mit Blick auf den Wald.

»Guten Tag Clemens, wie ich sehe, geht es dir wieder gut«, sagte ich beim Eintreten. Er lag nicht alleine im Zimmer, es war noch ein anderer Patient da.

»Hi Kalle, ja es geht mir wieder gut. Wie war es denn bei dir?«.

Ich setzte mich auf die Bettkante und erzählte ihn von der Odyssee in die Türkei.

»Da hast du ja eine Mammut Tour hinter dir, mal so locker viertausend Kilometer fahren. Bis Du kaputt?«, fragte er mich.

»Na ja, es geht. Aber ein paar Tage Ruhe könnten mir schon gut tun.«

»Ja mach das. Fahr nach Hause. Ich fahre sowieso wenn ich entlassen werde auch nach Hause. Da brauchst du nicht hier rum zu hängen.«

»Dann werde ich alles zurückrufen und die Botschaften informieren, verkaufe den Wagen und die Ausrüstung und überweise dir die Hälfte vom Geld«, schlug ich vor.

»Gut, mach das. Ich werde mich auch bei dir melden, wenn ich wieder zu Hause bin. Also los, düse ab und eine gute Fahrt. Grüß mir Deine Frau.«

»Ja Danke. Tschüss Clemens. Schnelle Genesung und bis bald vielleicht«, sagte ich und stand auf.

»Tschüss Kalle«, sagte er.

Ich ging nach unten, aus dem Krankenhaus raus und zum Auto, um nach Hause zu fahren.

Vorher rief ich aber noch bei meiner Frau an und erzählte ihr, was alles passiert war und das ich jetzt auf dem Wege nach Hause sei. Von Rene haben wir nie wieder etwas gehört, das Geld haben wir natürlich auch nie mehr gesehen. Clemens fuhr, als er entlassen wurde, wieder nach Österreich zurück und ist nie mehr zur See gefahren. Er hat sich einen Job an Land gesucht. Auch ihn hat der Verrat hart getroffen.

Operation Sandsturm

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