Читать книгу Alexis - Karl Immermann - Страница 3
Erster Aufzug
ОглавлениеErste Szene
Moskau. Eine Straße. Zwei Bürger. Später Ein Schiffer und Volk.
ERSTER BÜRGER.
Und du, du selber hört'st es, Sokolof?
ZWEITER BÜRGER.
Bin ich ein Narr, der nach Gerüchten schwatzt?
ERSTER BÜRGER.
Tot, sagst du?
ZWEITER BÜRGER.
Tritt beiseit', hier kommt der Schiffer,
Der ihn gefahren hat.
Ein Volkshaufen kommt. Darunter ein Schiffer.
DAS VOLK.
Nun redet, Schiffer.
DER SCHIFFER.
Ihr guten Russen ...
EINIGE.
Heda! Schließt 'nen Kreis.
SCHIFFER.
Ihr guten Russen, ach, warum muß ich
Euch diese schauderhafte Neuigkeit ...
EINER.
Erst sagt uns an: Wer seid Ihr, fremde Seele?
SCHIFFER.
Claus Madsen, Madsens Sohn aus Kopenhagen,
Ein wackres Schifflein hatt' ich untern Füßen,
Und fuhr ums Eiland Ösel. Wisset nun:
Ich hatte Euren großen, gnäd'gen Zar
In Lübeck eingenommen. Jetzt versteht mich:
Im Finnenmeer, dort um das Eiland Ösel,
Starrt es von Klippen, gleich 'ner Hechel. – Wie?
Mein Steuermann ... (Er brenne in der Hölle!)
Der steuert quer. Er war so was betrunken.
Auf einmal gibt's 'nen Stoß. Alles fällt hin.
Ich kucke über Bord ...
EINER.
Fielt Ihr nicht auch?
SCHIFFER.
Wer? Ich? Warum nicht gar! Ich hätt' ja sonst
Nicht über Bord ...
EINER.
Ihr bliebt alleine stehn?
ANDRE.
Laßt ihn, er macht's natürlich, daß man's sieht.
SCHIFFER.
Kuck' also über Bord. Ei, schönes Zeug!
Wir sitzen fest auf einem Stück von Fels,
Von Sandbank, oder sonst dergleichen Ding.
»Hülfe!« ruft's unten. Eine mächt'ge Faust
Streckt aus den Wellen sich. Zornrot geschwollen
Sieht Eures Zaren Haupt empor. Lang fluten
Die aufgelösten schwarzen Haare nach.
Er hatte spähend auf dem Deck gestanden,
Und war von dem gewalt'gen Stoß hinab-
Geschleudert in die Flut. Nun setzt' ich eilig
Ein Boot mit sechszehn starken Kerlen aus,
Den Herrn zu retten. Aber jählings warf
Der wilde Strom das Boot zum Schiff zurück.
Es schaffte nichts. Und jammernd, aus dem Schiff,
Sahn wir den Leib des Herren weitertreiben,
Zuletzt verschwand der Leichnam in der Brandung;
Drei Tage fischten wir, jedoch umsonst.
O Rußland, in dem Meer erlosch dein Licht,
Und auf dem Grunde liegt der Kerze Stumpf.
Mich strafe Gott und hol' der Teufel, sagt' ich
Ein Wort zuviel, zuwenig, oder falsch!
Zu melden dies den mächtigen Bojaren
Schickt Admiral Apraxin mich von Kronstadt.
Ein dumpfes Schweigen unter dem Volke.
EINER nach einer Pause.
Hm!
EIN ZWEITER.
Ja!
EIN DRITTER.
Und ist der Zar denn also tot!
EIN VIERTER zu einem Fünften, der weint.
Was schluchzest du, Iwaschka?
DER FÜNFTE.
Ach Batuschka!
Ach unser Väterchen! Du heller Mond,
Der über Rußland schien!
DAS VOLK herzudringend.
Wer weint?
DER VIERTE.
Iwaschka.
DAS VOLK.
Warum?
DER VIERTE.
Er weint um unsres Zaren Tod.
VOLK.
So, darum weint er.
SCHIFFER.
Nun Adjes, Ihr Leute.
EINER.
Wir gehn mit Euch. Ihr sollt noch mehr erzählen.
Wir hören's gern zweimal. Wie der nur mocht'
Aussehn im Todeskampfe!
Zu den beiden Bürgern.
Geht ihr mit?
ZWEITER BÜRGER.
Behüt' uns Gott!
Das Volk mit dem Schiffer ab. Die beiden Bürger bleiben.
ERSTER BÜRGER.
Was das nun geben wird?
ZWEITER BÜRGER.
Ich denke: Knute.
ERSTER BÜRGER.
Weil der Zar gestorben?
Aus welchem Grund?
ZWEITER BÜRGER.
Aus welchem Grund? – Du Tropf!
Die Ursach' liegt im Stiel und in den Riemen.
ERSTER BÜRGER.
Das ist ein furchtbar Land!
ZWEITER BÜRGER.
Wenn man drin aufwuchs,
Kommt's einem ganz natürlich vor. Ich war
Mit meinen Zobelfell'n auf Handel, weit
In Ungarn, Hamburg, Sachsen, Amsterdam.
Dort sind sie anders, menschlicher. So heißt's.
Mir konnt's da nicht gefallen. Immer dacht' ich
An unser altes, heil'ges Russenreich.
ERSTER BÜRGER.
Wer wohl den Thron besteigen wird?
ZWEITER BÜRGER.
Schweig still
Von Thron und solchen Sachen, Erich Igel!
Wir schwören Treu', wir Bürger, wenn die Herrn
Bojaren, Erzbischöfe, Bischöf', Äbte
Die Sache abgemacht. Bis dahin, Ruh'!
Wie ist's? Gehst mit? Ich hab' ein Fäßchen Kwaß
Vom besten, kriegt' auch Hausen von der Wolga.
Nun? Auf 'nen Imb's? Nicht wahr?
Sie wollen abgehn.
Zweite Szene
Alexander Kikin. Basil Dolgoruki. Beide mit Gefolge. Vorige.
KIKIN zu Dolgoruki.
Dort stehn zwei Bürger.
Zum zweiten Bürger.
Bist du nicht Sokolof, der Pelzhändler?
ZWEITER BÜRGER.
Zu deiner Gnaden gnädigstem Befehl.
Ich küsse deines Rockes Saum, Erlaucht.
Er küßt den Rock des Bojaren.
KIKIN zum ersten Bürger.
Und Ihr? Wie heißt Ihr?
ERSTER BÜRGER.
Zeugschmidt Erich Igel;
Patentisiert vom Hof.
DOLGORUKI.
Der Mann bleibt aufrecht;
Er muß ein Fremder sein.
ERSTER BÜRGER.
Aus Kexholm, Fürst.
KIKIN.
Hier war ein Auflauf. Sprecht, was gab's?
ZWEITER BÜRGER furchtsam.
Erlaucht,
Das Volk schrie durcheinander. Man vernahm
Kein Sterbenswort.
ERSTER BÜRGER.
Wozu die Lüg'? Die Fürsten
Begehren es zu wissen. Hohe Herrn,
Der Zar ertrank im Finnenmeer.
DOLGORUKI.
Sankt Niklas,
Ein schwerer Schlag für Rußland!
KIKIN.
Wer bracht's aus?
ERSTER BÜRGER.
Der Schiffer, Herr, der unsren Zaren fuhr.
KIKIN rasch.
So muß man's glauben! Hört Ihr? Glauben muß man's!
Verschließt die Häuser, gute Bürger, harrt
Des Ausgangs still. Groß Ding steht nun bevor.
Zum ersten Bürger.
Kannst du mir tausend Stück Gewehre liefern?
ERSTER BÜRGER.
Zweitausend, gnäd'ger Herr, wenn Ihr befehlt.
KIKIN.
Bring sie zu Stepanof, dem Waffenmeister.
Ich zahle bar und auf der Stelle. Geht.
Die Bürger ab.
DOLGORUKI.
Du bist zu rasch.
KIKIN.
Zu langsam du, Basil.
Ich hab' von diesem Peter was gelernt;
Die Eile zwingt den Stärksten.
DOLGORUKI.
Nun, was soll's?
KIKIN.
Jagd auf das fremde Wild in Rußlands Forst.
Hast du verschlafen diese zwanzig Jahre?
Verträumt die Not, den Druck, die Peinigung?
Verschmerzt die Schwielen, und der Ehre Wunden?
DOLGORUKI.
Oho! Ich bin ein Russ', heiß' Dolgoruki.
Ein Dolgoruki focht an Wladimirs
Des Großen, Seit'. Dein Stamm? Wo war er damals?
Der Name Dolgoruki ist ein Merkwort
Von allem Preislichen seit Ruriks Tagen.
Doch hört ich nie von meinen Ahnen, daß
Sie auf dem Markt gestürmt, getost. Der Pöbel
Lärm' in den Gassen! Einem Fürsten ziemt's
Zu schweigen und zu handeln.
Zu seinem Gefolge.
Öffnet weit
Die Pforten meines Hauses! Geht umher,
Und ladet mir die Freunde zum Gelag!
Es ströme der Tokaier! Deckt die Teppich'
Von Samarkand auf Bank' und Tische!
Zu Kikins Gefolge.
Helft
Ihr Euren Kameraden! Euer Herr,
Mein Freund, erlaubt es Euch.
Die beiden Gefolge ab.
KIKIN.
Was soll's?
DOLGORUKI.
»Was soll's«?
So fragst du selber nun. Hör' Alexander:
Der Atem des Tyrannen streift', ein Nebel,
Ob unsrem unglücksel'gen Vaterland.
Im Nebel kennt man die Gesichter nicht.
Nun denk' ich so: Wir schaun der Freunde Antlitz
Zuerst genauer an, und haben wir
Die frühern Lineament' erkannt, so gehn
Wir allesamt ...
KIKIN.
Wohin?
DOLGORUKI.
Zu Stephan Glebof.
KIKIN.
Warum zu dem?
DOLGORUKI.
Er ist, du weißt's wir alle
Sind dessen kundig; mehr noch, als ein Freund
Von der Zariza.
KIKIN.
Welcher?
DOLGORUKI.
Kahler Scherz!
Ich denk', für uns gibt es nur eine Zarin,
Und 'ne gekrönte Bauerdirne.
KIKIN.
Dann?
DOLGORUKI.
Glebof ist Freund, Vertrauter, Rat der Zarin.
Der Zarewitsch will, was die Zarin will,
Und unsere Gedanken, denk' ich, wandern
Nur eine Straße. Über Kloster Susdal
Führt sie ins Haus des arg gekränkten Sohns.
Der Glebof steht in dieses Weges Mitte,
Recht wie ein Mal von Stein, so stumm und kalt.
An diesem Male ziemt's, sich zu versammeln,
Und weitern Rat zu pflegen.
KIKIN.
Laß ihn fort.
Er hielt sich fern von uns, liebt nur sein Laster.
Er hat kein Herz, sieht immer spöttisch aus,
Beleidigend sind seine Reden oft.
DOLGORUKI.
Zuwider ist er mir, wie dir. Doch wenn
Der Kampf um Kronen geht, heißt's nicht: Wen mag ich?
Man fragt: Wer nützt uns? Und der Glebof ist
Der Mann des Tags, der Not, des Nutzens! – Komm!
Beide ab.
Dritte Szene
Saal in Glebofs Hause.
Glebof. Der Schiffer.
GLEBOF.
Wie nahm das Volk die Nachricht auf?
SCHIFFER.
Sie nahmen
Sie gar nicht auf.
GLEBOF.
Wie das?
SCHIFFER.
Die Lüge liegt
Noch auf der Straß', wo ich sie fallen lassen.
»Hm!« »So!« und: »Ei!« war alles, was ich hörte.
Sprach ich vom Wetter, macht's dieselbe Wirkung.
GLEBOF.
Gut.
SCHIFFER.
Bloß ein paar zerlumpte alte Weiber
Schrien, daß die Hunde an zu bellen fingen:
»Daß Gott erbarm'! So war die Prophezeihung
Von unsres Zaren bald'gem Tod doch richtig!«
GLEBOF.
Gut.
SCHIFFER.
Dem hochwürd'gen Erzbischof von Rostow,
Sei's, sagten sie, im Traume so erschienen.
GLEBOF.
Gut.
SCHIFFER.
Drauf versetzte wer: »Was kümmert's uns?«
GLEBOF.
Gut.
SCHIFFER.
Gut? – Mein gnäd'ger Herr, was ist da gut?
Ich dacht', Ihr hättet deshalb aus den Eisen
Mich losgemacht, in Schifferrock und Hose
Gesteckt, und auf mein leider zu bekannt
Gesicht, den Hut gedrückt mit breiter Krempe;
Ihr hättet deshalb mir ...
GLEBOF.
St! – Glaubten sie's?
SCHIFFER.
Beim heiligen Georg! Ich meine, denen
Könnt' man vorschwatzen; außer Rußland sei
Die Welt zu Ende, wie 'nes Sünders Leben.
Ach ja, geglaubt ward's wohl.
GLEBOF nach einem Tische deutend.
Dort liegt ein Beutel;
Nimm den zum Lohne. Flieh!
Verbirg dich fern am Irtysch in der Wüste.
Du bist nun frei. Sieh deine Wunden an,
Die dir die Fessel rieb; und denke stets,
Daß Galgen stehn in Rußland!
DER SCHIFFER.
Freilich! Freilich!
Ich dank' für deine Lehre dir, Erlaucht,
Und werde sie befolgen. Meiner Treu'!
Je wen'ger man zu leben wert, so mehr
Liebt man, zu leben.
Ab.
Vierte Szene
Glebof. Nachher: Ein Diener.
GLEBOF allein.
Dieser Schelm sagt mir
'Ne bittre Wahrheit. – Meine Tage sind
Ein wüst Gewirr von Lust und Ekel. – Still!
Weshalb den Kläger spielen gegen dich?
Vor einem Kalender und einer Landkarte.
Heut ist der sechste Junius. Meines Wissens
Ist Peter noch in Lübeck. Vierzehn Tage
Gehn auf die Fahrt nach Kronstadt. Dann verlaufen
Der Tage fünf, bis wir erfahren, daß
Er angekommen. Also neunzehn Tage
Sind unser zu des Plans Gedeihn. Nun, mehr
Hat Cäsar nicht gehabt, um Rom zu stürzen. –
Das Volk ist gut, hielt meine Probe aus.
Sie waren Sklaven, blieben's, sind's noch mehr
Durch dich geworden, Zar.
Ein Diener tritt auf.
Was gibt es, Bursch?
DIENER.
Herr, die Bojaren kommen truppweis vom
Palaste Dolgoruki.
GLEBOF.
Hieher?
DIENER.
Ja.
Die Säbel klirr'n, der Balaleika Ton
Begleitet ihren Zug.
GLEBOF.
Wen sahst du?
DIENER.
Viele;
Den Alexander Kikin, den Basil
Und Fedor Dolgoruki. Die Wasemskys,
Die Narischkins und ihre Sippschaft, Woinofs,
Den Bruder der Zariza, Abraham,
Den heil'gen Erzbischof von Rostow, und
Noch manchen andern.
GLEBOF.
Führ' die Herrn zu mir.
Diener ab.
Am Fenster stehend.
Ein wackrer Haufen. Eine Herde, die
Des Hirten noch bedarf. – Wird's glücken? Wird's?
In solchen Stunden, da verlohnt's, zu leben.
Dann ist der Tag was wert, wenn an dem Tage
Das Los von Tausenden, gleich einer Frucht,
Gezeitigt hängt. – Ha, wird es auch wohl glücken?
Wer gibt den Barometer uns, an dem
Der menschlichen Gedanken Stand sich zeigt?
In jeglichem Gemüte ist ein Wechsel
Von allen Jahreszeiten, jeden Tag.
So kann auch ich, auf Sommerhitze rechnend,
Den trägen Winter finden. – Prüfen wir's!
Er setzt sich an einen Tisch zu Büchern und Papieren.
Fünfte Szene
Glebof. Kikin. Dolgoruki. Abraham Lapuchin in Trauer Erzbischof von Rostow. Viele Bojaren. Sie treten nacheinander ein.
KIKIN.
Guten Morgen, Glebof.
DOLGORUKI.
Wir begrüßen dich.
LAPUCHIN.
Der Zeiten Not zwingt Lapuchin zu dir.
ERZBISCHOF.
Ich geb' dir Gott zum Gruß.
DOLGORUKI.
Er hört uns nicht.
ERZBISCHOF.
Was? Ist er so vertieft?
Er rührt ihn an.
Sieh auf, mein Sohn.
GLEBOF emporblickend.
Wer ist? ... Mein Gott! Hochwürd'ger Erzbischof,
Wie komm' ich ...
Er steht auf.
All Ihr Heiligen! Verzeiht
Sehr edle Herrn! Ich hab' Euch nicht bemerkt.
Wenn ich bei meinen Büchern bin, ist nur
Der träge Leib am Platz; die Seele wandert,
Wohin die Lettern sie geleiten; oft
Hat dies vertiefte und zerstreute Wesen
Mich lächerlich gemacht. – Seid mir gegrüßt!
Welch' eine vornehm glänzende Versammlung
In Eures armen Dieners Haus! Ich seh'
Die Blüte Rußlands.
Zu Kikin.
Gebt mir Eure Hand,
Herr Admiral!
Zu Dolgoruki.
Auch Eure, Generallieutenant.
Da beide ihre Hand zurückziehn.
Wie? Weigert Ihr dem Freunde dieses Zeichen?
KIKIN.
Der Admiral des Zaren ist nicht hier.
DOLGORUKI.
Nennt nicht die Titel, welche jünger sind,
Als unser wahrer Ruhm.
EIN BOJAR.
Ich bin ein Narischkin.
Kein Mensch auf Erden kann die Narischkins
Erhöhn. Ihr Name ist das Höchste.
GLEBOF.
Wohl!
Ich rechte nicht mit so erlauchten Gästen.
Nach altem Brauche: Vettern, Brüder! also.
Stephan Iwanowitsch Glebof dankt von Herzen
Für den Besuch. Nun setzt Euch. Heda, Mundschenk!
KIKIN.
Wir haben schon gefrühstückt. Laßt's.
GLEBOF.
Setzt Euch
Denn mindestens.
Sie setzen sich. Lapuchin unten.
Da unten, Lapuchin?
Nein Abraham, nicht unten ist dein Platz.
Den Ehrenstuhl für Abraham Lapuchin!
LAPUCHIN.
Soll Schand' auf einem Ehrenstuhle sitzen?
GLEBOF.
Du edler Trauernder!
LAPUCHIN.
Ich trage Schwarz
Um meiner Schwester Los. Wollt' Gott im Himmel,
Ich hätte keine andre Trauer, Glebof!
GLEBOF.
Heut ist ein Tag, an dem mein Glück gelacht.
Mich dünkt, du sahst mir scheel, mein Abraham,
Und miedst den Freund. Doch das ist nun vorüber,
Denn Lapuchin sitzt auf des Glebof Stuhl.
LAPUCHIN.
Ich setzte mich auf deinen Stuhl, wie ich
Auf einen Balken mich mit meinem Todfeind
Im Schiffbruch setzen würde. Spottest du?
Ich bin ein Mann von alter, reiner Art,
Verstoßen hat der Zar Eudoxien,
Glebof hat sie beschimpft.
GLEBOF die Hand am Säbel.
Dies Wort verdient ...
Dolgoruki Laßt Eure Zänkerein!
GLEBOF.
Ja wohl, ja wohl.
Er ist an seinem Tische stehn geblieben.
Nun, was ist Eu'r Begehren, meine Herrn?
ERZBISCHOF.
Du weißt, welch' eine Post mit Feuerschritten
Durch Moskaus Straßen ging. Der Schutzverwandte,
Der Bürger, Gast, Kosak und Hattaman,
Stadthäupter, Älteste, Bojarenkinder,
Sie alle rufen: »Unser Zar ist tot!«
Zum dritten Mal auf Fahrt nach fremdem Land,
Ich weiß nicht, welche fremde Kunst zu holen,
Dem falschen Meere lieber sich vertraund,
Als Rußlands treuer Erde, schlang ihn ein
Das falsche Meer.
GLEBOF.
Ihr habt's vorhergesagt.
ERZBISCHOF.
Unsel'ge Ahnungsgabe! – Stirbt ein Fürst,
Versammeln sich des Reichs geborne Pfleger
Gemeiner Wohlfahrt halber. Drum sind wir
Vereinigt. – Wir entschlossen uns, auch dich
In unsern Rat zu ziehn.
GLEBOF.
Ihr? Mich? – Recht gut.
Indes ...
Nach einer Pause.
Ich bin der General des Zaren.
ALLE.
Was?
GLEBOF kalt.
Menzikof verwaltet loco regis
Mit Katharinen dieses Land. Sie sind
Die treu'n Gefäße seines höchsten Willens.
DOLGORUKI.
Kath'rina! Menzikof!
KIKIN.
Siehst Du? Er meint
Es falsch. Ich sagte dir's.
GLEBOF.
Zu ihnen geht,
Und fragt, was der, wie's heißt, ertrunkne Zar
In casum mortis angeordnet.
LAPUCHIN.
Kommt!
Bojaren auf!
Sie sind im Begriff aufzubrechen.
GLEBOF.
Halt, einen Augenblick!
DOLGORUKI.
Was willst du noch von uns?
GLEBOF.
Daß Ihr die Lobschrift
Vernehmt, die auf den Toten ich entworfen.
ALLE.
Die Lobschrift?
GLEBOF mit erhobner Stimme.
Nun? Soll ein so großer Mann
Denn ungerühmt zum Grabe gehn? Das wäre
Stumpfsinn von uns, den er so oft gescholten.
LAPUCHIN.
Ich sage, kommt nach Haus!
DOLGORUKI.
Ich sage, bleibt!
Ich wittr' ein Schauspiel.
GLEBOF beiseite.
Recht. »Die Narrn des Glebof.« –
Er nimmt ein Papier vom Tische und beginnt zu lesen.
»Lobschrift, verfaßt mit ungeschickter Feder
Von Stephan Glebof, auf den großen Zar.«
EINIGE.
Sind wir um Possen hier?
ANDRE.
Still! Still! Hört zu.
GLEBOF liest.
»Rußlands Bojaren zogen auf im Land,
Ein jeder mit zehntausend Pferden mindstens. –
Rußlands Bojaren setzten Herrscher ein,
Und Herrscher ab. Aus ihrem Munde floß
Die Quelle der Gesetze. Also war's. –
Da kam ein Zar, hieß Fedor. Dieser ließ
Die Bücher bringen auf den heil'gen Kreml,
Worin verzeichnet unsre Titel, Vorzüg',
Und unser uraltfestgewalt'ges Recht.
Zar Fedor sprach: ›Entzündet mir ein Feuer!‹
Und als das Feuer lodert' im Kamin,
Da warf der Zar die Bücher all' hinein,
Und sprach: ›Hiemit verbrenn' ich Euer Recht.‹ –
Der Roßrad flog als Asche in die Luft,
Und die Bojaren sahn's und blieben stumm.«
EINER.
Ich nicht. Ich murrt'.
GLEBOF.
Ja doch, und sprachst kein Wort.
Liest.
»Dann kam ein Zar, hieß Peter. Dieser fand
Nur Sklaven von der Newa bis zum Don.
Ein Großer und Gewalt'ger! Sprach: ›Ich will
Der Knechte ganzer Herr sein! – Ihre Körper
Gehorchen schon, nun soll'n die Seelen auch,
Wie Puppen, tanzen an des Lenkers Draht.‹
Fuhr übers Meer nach Holland, Frankreich, Deutschland,
Und – lernte Schiffe baun: Der große Mann!
Und – lernte schmieden Erz: Der große Mann!
Und weil er's vorgelernt, so sollten's ihm
Nachlernen die verkleinerten Bojaren,
Und werden Schmied' und Zimmerleut' ...«
Bewegung in der Versammlung.
ERZBISCHOF.
Ein Lob,
Das kann man gelten lassen.
DOLGORUKI.
Warum uns
Bekannte Schand' erzählen?
MEHRERE.
Weiter! Weiter!
GLEBOF liest.
»Die Fürsten waren ungefüg, und lernten
Langsam das edle Handwerk. Alsobald
Ließ dieser große Mann von fern herbei
Sich schnell're Köpfe kommen, bess're Schüler.
Da strömt' es über unsres Reiches Grenzen
Aus England, Welschland, Frankreich. Fremde führten
Das Heer; das doppelaar'ge Siegel; Fremde
Führten die neugeschnitzte Flott'. Was sag' ich?
Fremd war ja niemand hier, als just der Russ'!
Nicht alle Russen, nein nicht alle! Nur,
Was hoch und herrlich war! Nein, mit dem Staub
Auf heim'schem Boden, schloß der große Mann
Ein innig Wahlverbündnis. In die Hand
Nahm er hier Staub, dort Staub, und formte draus
Gewalt'ge Untergötter! –
Weil Alexander Menzikof sehr schmackhaft
Pasteten buk, war er nach dem Geschmack
Des großen Manns, und ist ein Fürst. Und weil
Die Witwe des Dragoners schöne Augen
Besaß, taugt sie – das Aug' des Reichs zu sein.«
Die Bewegung in der Versammlung ist immer stärker geworden.
EINIGE.
Ha wackrer Glebof!
ANDRE.
Guter Lobredner!
EINIGE.
Tod diesem Menzikof!
ANDRE.
Tod Katharinen!
DOLGORUKI.
Tod dem Tyrannen!
GLEBOF ihn scharf fixierend: lachend.
Ei, der ist ja tot!
Liest.
»So schändete der Zar ...«
EINIGE.
Ihr sollt nicht mehr
Vom Zaren lesen!
ANDRE.
Sollt uns führen!
ALLE außer Kikin, Dolgoruki, dem Erzbischof und Lapuchin.
Sollt
Des Unternehmens Haupt sein.
Sie erheben sich.
GLEBOF.
Das klingt anders.
DOLGORUKI.
Hört mich, Bojaren!
LAPUCHIN.
Nicht im Sturme ...
KIKIN.
Halt!
GLEBOF wirft das Papier zu Boden.
Wer ruft hier: »Halt!« wenn ich gebiete: »Vorwärts!«
Er zieht den Säbel. Die Bojaren desgleichen, bis auf Kikin, Dolgoruki, Lapuchin.
Die alte Moskau, unser Heiligtum,
Ward zur verhöhnten Wüste! In dem Qualmsumpf
Der Newa baute der Despot die Zwingburg!
Wir sind gekränkte Bettler! Um den Thron
Des Rurik wuchern Pilze! In dem Kreml
Seufzt unsre Hoffnung, unsrer Bräuche Freund!
Gehaßt, weil er uns liebt, beschimpft, weil er
Uns Ehre gönnt! Hochherzige Bojaren,
Folgt mir zum Zarewitsch!
Sie wenden sich nach der Türe.
Sechste Szene
Eudoxia durch die Flügeltüre auftretend. Vorige.
ALLE bei Eudoxias Anblicke zurücktretend.
Ha, die Zariza!
GLEBOF.
Was? Sie? Wo kommst du her?
EUDOXIA.
Aus meiner Gruft.
GLEBOF.
Was suchst du hier?
EUDOXIA.
Ein Reich und eine Krone.
GLEBOF.
Wer hat dir das erlaubt?
EUDOXIA.
Ich selbst mir selber.
GLEBOF.
Du solltest bleiben, bis ich dich beriefe!
EUDOXIA.
Bis dahin wär' Eudoxia gestorben.
GLEBOF.
Folgt mir zum Zarewitsch!
EUDOXIA.
Hört seine Mutter!
GLEBOF.
Hört sie nicht an!
ERZBISCHOF.
Wie? Die Zariza? Glebof,
Du bist gewaltig kühn.
MEHRERE.
Sprecht, hohe Frau.
GLEBOF.
Fluch allen Weibern!
Er tritt zur Seite.
EUDOXIA.
Bin ich überflüssig?
Wenn Rußlands Fürsten dieses Landes Leid
Erwägen, fehlte dann Eudoxia
In solchem Kreis? Ist ein Gebäude fertig,
Bevor der Giebel ward gefügt? Ihr baut
Von Schmerz ein Haus! Was habt Ihr? Fundamente!
Die Spitze fehlt dem Turm. Was littet Ihr,
Das nicht vergütet könnte sein? Was mißt Ihr,
Das nicht mit Zins und Wucher jeder Tag
Euch rückerstatten könnte?
Mein Leiden ist ein unerschöpfter Born,
Mein Schmerz ist eine ew'ge Qualenwunde!
Ihr seid Vasallen im Gebiet der Trübsal,
Ich aber bin die Königin des Jammers!
EIN BOJAR.
Ach, arme Frau!
EIN ZWEITER.
Wie sie so majestätisch
Umherblickt!
EIN DRITTER.
Seht, sie weint!
EIN VIERTER.
Das schöne Weib!
EUDOXIA.
Moskau prangt gülden in begrünter Au!
Im Föhrenwald graut Susdal, bleich und tot.
Der Thron des Zaren ist des Lebens Sitz,
Der Betstuhl Kloster Susdals ist ein Sarg!
Wer liegt im Sarg? Eudoxia! Das ist,
So hör' ich sagen, ja dieselbe, die
Vorlängst auf jenem Sitz des Lebens saß.
Ei, die muß eine große Sünderin sein!
Unglück, Ihr Fürsten, macht Gedächtnis stumpf;
Ich hab' vergessen der Eudoxia Frevel.
Warum, Ihr Fürsten, ward Eudoxia
Vor ihrer Zeit ins Grab verstoßen? Kann's
Mir einer sagen, der verbindet mich!
Ich bitt' Euch, sagt es mir ...
DOLGORUKI.
Er hat unmenschlich
An Euch gehandelt.
LAPUCHIN.
Um die Buhlerin
Verstieß er Dich.
EUDOXIA.
Das kann nicht möglich sein!
Ihr irrt Euch ganz gewiß. Wie? um 'ne Buhlerin?
Ein pflichtgetreues Weib! O nicht doch! Nicht doch!
In Nacht und Tod die Zarin um 'ne Metze?
Und solche Untat hätt' zwölf Jahre lang
Die Erde Gottes getragen, und Rußlands Adel?
Um eine Buhlerin! Ich, Tochter aus
Dem Stamm der Lapuchin! Durchs Sakrament
Geweihet als sein Fleisch! Ich, die Gekrönte!
Ich weiß, ein großer Mann wägt nicht genau
Die Taten ab, doch das? O brich mein Herz!
Denn was zuviel ist, ist zuviel! Um eine –
Stirb, Seele, hin in ein entsetztes Ach! –
Um eine Buhlerin ...
Sie wankt. Glebof unterstützt sie.
GLEBOF.
Kommt, Ossudara,
Denn Ihr seid krank, und kränker, als Ihr meint.
Er führt sie durch eine Seitentüre ab.
Siebente Szene
Die Bojaren ohne Eudoxia. Sie stehen gruppenweise zusammen.
EINER.
Ihr Schmerz zermalmt das Herz.
EIN ZWEITER.
Das Recht' erwogen
Sind wir Ersatz ihr schuldig.
EIN DRITTER.
Sagt mir doch,
Wie war's? ...
Ein Teil der Versammlung redet heimlich untereinander.
Glebof tritt wieder ein, und stellt sich seitwärts allein.
KIKIN zu Dolgoruki und dem Erzbischof.
Gebt acht, sie rufen sie noch aus.
ERZBISCHOF.
Verhüte Gott die Spaltung.
KIKIN.
Und das alles
Ist abgemachtes Spiel von diesem Glebof.
Hättst du uns nicht hieher geführt, Basil!
DOLGORUKI.
Ich kann's nicht glauben. Seht, er steht beiseit,
Nagt an den Lippen, birgt mit Müh' den Zorn.
Nein, das Konzept des Falschen ward verrückt
Durch jene Stürmerin. – Zagt nicht! Ein Vorteil
Ward uns bereits; das Heft der Leitung ist,
Das er so schlau uns aus der Hand gewunden,
Nun wieder ihm entschlüpft. Bleibt nur gelassen.
EINIGE aus der Versammlung.
Ja, so soll's sein.
ANDRE.
Vivat Eudoxia!
DIE ERSTEN.
Tragt auf dem Stuhle sie durch Moskaus Gassen!
DIE ZWEITEN.
Dem Volk die neue Herrscherin gezeigt!
Sie bewegen sich gegen die Seitentüre.
LAPUCHIN tritt ihnen entgegen.
Nein, Nieswurz für Eu'r krankes Hirn gekauft!
EINER.
Was? Du? Ihr Bruder?
LAPUCHIN.
Nieswurz sag' ich, Nieswurz!
Ich bin Eudoxias Bruder, Rußlands Sohn;
Im ersten Grad mit Rußland, nur im zweiten
Verwandt mit der Eudoxia. So steht
Mir Rußland näher. – Dank für Euer Mitleid!
Höchst grausam hat der Zar an ihr gehandelt,
Und eine Säule will ich richten lassen
Hoch, daß der Wanderer von fern sie schaut,
Woran geschrieben stehn soll, daß unschuldig
Eudoxia litt. – Rach' jenen Ohrenbläsern,
Die ihren Sturz erschlichen! Doch, wer wird
Drum herrschenswert, weil er beklagenswert?
Sie soll gerochen werden, nicht gekrönt.
EINER.
Was hast du nur? Fraunherrschaft, gute Herrschaft.
LAPUCHIN.
Für Schleicher, Klätscher, Ränkeschmiede –
Mit einem Blick auf Glebof.
Buhler! –
EINER.
Gehorchten wir nicht der Sophia?
LAPUCHIN.
Soll'n
Die Zeiten der Chawanskys wiederkehren?
Die Tage der Strelitzen-Greul? Und dann
War sie 'ne Romanow. Sind Eide nichts?
Kaum hundert Jahr, und dieser Boden hörte
Die biedern Väter dem Mikaila schwören.
Der Tartar Boris hatt' in Blut getaucht,
In unsrer Väter Blut das Wappen Rußlands,
Der Busen Rußlands war zerrissen worden
Von dem verlaufnen Mönch Otrepiew,
Der zum Demetrius sich log. Wo suchte
Das Volk die Heilung? Bei dem Romanow.
So lang ein Sproß von diesem Baume grünt,
Ist's Frevel, anderswo nach Schatten spähn.
Kurz, wer ein Freund des Rechts, der folgt mir jetzt,
Und meidet diese irrende Versammlung.
Beim ew'gen Gott! Für Weiberregiment,
Das schlechtste, schimpflichste von allen, hebt
Abraham Lapuchin nicht Faust noch Schwert.
Ruft mich, wenn Glocken hall'n von Iwans Turm,
Wenn sich das Volk zur Kirche drängt, die Fürsten
Zur Huldigung bereit, am Altar stehn;
– Glebof nach seinem Rang in diesem Reigen,
Nicht eine Stelle höher oder tiefer –
Und Ihr, Herr Erzbischof, das Chrisma holt,
Den Romanow zu salben.
Er geht.
EIN BOJAR.
Recht hat er.
ANDRE.
Man muß zu ihm sich halten. Er meint's treu.
EIN ANDERER BOJAR.
Kehrt Euch nicht an den alten Murrkopf! Laßt
Uns unsern Schluß vollziehn.
KIKIN zu Dolgoruki.
Du siehst, wie's geht.
Sprich du zu ihnen.
DOLGORUKI.
Hört mich, meine Brüder!
MEHRERE.
Was soll das viele Plaudern? Hört ihn nicht.
ANDRE.
Wir woll'n zum Schluß.
ERZBISCHOF zu Glebof.
Glebof! stillt diese Menge!
Der Himmel wird's vergelten.
GLEBOF.
Würd'ger Bischof,
Wozu den Himmel stets bemühn?
Er tritt vor.
Bojaren!
ALLE.
Still! Hört den Glebof! Glebof redet wieder.
GLEBOF.
Bojaren! Eure Meinung hat entschieden
Für die Zariza. Nun, so wartet ruhig
Jetzt ab, wie die Zariza sich entscheidet.
Ihr saht den Zustand dieser armen Frau;
All ihre Lebensgeister kämpfen wild
Mit schmerzlicher Erinnrung; wahrlich, Brüder,
Es ist die Stunde der Entschlüsse nicht;
Doch hat das Land vor Abend noch den Herrn. –
Stärkt Euren Anhang! Ist der Zar auch tot,
So leben noch Kath'rina, Menzikof,
Und viele leben, deren Glück im Boden
Der neuen Dinge Wurzeln trieb. Sie alle
Sind unsre Feinde, heiße nun das Wort:
Sohn oder Mutter. Wacht, und rüstet Euch!
Die Bojaren gehn. Kikin, Dolgoruki und Erzbischof von Rostow wollen folgen. Diesen winkt Glebof, worauf sie zurückbleiben.
Achte Szene
Glebof. Kikin. Dolgoruki. Erzbischof von Rostow.
GLEBOF.
Ihr kamt hieher, als Euren Nebenmann
Mich anzuwerben. Das mißlang. Ich sollt'
Am Seile gehn, und mich mit einem Brocken
Dann kümmerlich begnügen. Nun, Ihr saht;
Ich hauche mit dem Atem meines Mundes
Die Seifenblas' hinweg.
KIKIN.
Das trag' ich nicht!
Mißreden solcher Art ...
GLEBOF.
Laß gut sein, Kikin;
Ich muß das Kind bei seinem Namen nennen.
Ihr liebt mich nicht. Ich weiß das. Tut auch nichts;
Ich macht's an Eurer Stelle grad' wie Ihr.
Doch glaubt einmal; ich red' als Freund zu Euch,
Tut's Euch zu lieb', nicht mir! Ich mein' es gut.
Ihr seid die Ersten, Vordersten – nach mir.
(Seht, ich bin offen.)
Nicht mächtig g'nug, der Dinge Lauf zu lenken,
Doch stark genug, mir Widerpart zu halten.
Ihr habt zwei Wege. Stört mich, irrt mich, kreuzt mich,
Verbündet Euch dem Hasser Lapuchin,
Laßt seine Tugend Eure Maske sein,
Regt auf Parteiung! Wirkt, daß unsre Kraft,
Statt nach dem Ziel zu dringen, wie ein Kernschuß,
Zwecklos auf halber Bahn ermatte, sich
Zerstreue, unnütz kämpfend in verschiedner
Feindsel'ger Richtung! 'S ist der eine Weg.
Wählt ihn, ich hindr' Euch nicht. Ihr sollt mich finden.
Nur das vernehmt, Ihr Herrn, und glaubt, es wird
Eintreffen sicher, wie Dezemberschnee;
Den Kopf bringt Ihr aus diesem Kampf nicht heim!
Denn eh' wir dessen uns versehn, und wenn wir
Recht in der Höh' und Hitz' des innern Strudels
Uns abmühn, wird ein ungeheures Schicksal
In unsrer Mitte stehn, und Freund und Feind
Mit Riesenarmen stoßen in das Grab.
Sie sehen betroffen vor sich nieder.
Des andern Weges Anfang liegt in Glebofs
Hier ausgestreckter Rechte.
Er streckt seine Hand aus.
Wer schlägt ein?
KIKIN.
Ich, wenn Du ehrlich bist.
GLEBOF.
Was willst du?
KIKIN.
Herrschen.
GLEBOF zu Dolgoruki.
Und Ihr?
DOLGORUKI.
Nun – herrschen.
GLEBOF zum Erzbischof.
Ihr, Hochwürd'ger Herr?
Ich bitt' Euch, sprecht aufrichtig.
ERZBISCHOF.
Hm! Die Herrschaft
Zur Ehre Gottes.
GLEBOF.
Wohl. Und herrschen will auch ich.
Rußland ist groß, man kann sich drum vertragen.
Zum Erzbischof.
Ihr sollt den Patriarchenthron besteigen.
Zu Dolgoruki.
Ihr sollt das Land vom Don zur Wolga haben.
Zu Kikin.
Verwaltet Ihr Smolensk und Nowgorod.
Ich bleib' in Moskau. Ist's Euch so genehm?
ALLE.
Mag es denn sein.
GLEBOF.
So werd' ich auf der Stelle
Verfertigen den König, der uns taugt.
Die Bojaren gehen durch die Haupttüre ab. Glebof durch die Seitentüre.