Читать книгу Synthese - Karoline Georges - Страница 6

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Ich wurde geboren zwischen dem Erscheinen von Darwins Über die Entstehung der Arten und dem Augenblick, da die Voyager 1 das Sonnensystem verließ und auf ihrem Weg durch die Raumzeit die Kurve der Evolution nachzeichnete.

Ich tat meinen ersten Atemzug in einer Blase, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts immer schneller immer größer wurde, in einem elektrischen Mahlstrom, einem Summen der integrierten Schaltkreise, Maschinen und verwandelten Stofflichkeiten und Allzweckdinger, in einem aufgeblähten Wust aus Informationen und Sendungen, einer pilzförmigen Hypertrophie, so überwältigend wie die Rauchwolke der Zar-Bombe einige Sekunden nach der Explosion. Auf dem Bild der größten Detonation der Atomgeschichte erhebt sich das ganze 20. Jahrhundert bis zum Mond, dann wirbelt es über die Milchstraße hinaus, den Ursprung des Universums im Blick.

Die Epoche, in die ich hineingeboren wurde, ähnelt einem pilzförmigen Auge, das sein Blickfeld erweitern will, um Makrokosmos und Mikrokosmos zugleich wahrzunehmen und dann alles durch das Maul der Medien wieder auszuspucken, vor dem ich einen Gutteil meines Lebens zur Statue erstarrt saß, im Schneidersitz seit der Kindheit, ob ich nun vor einem Zeichentrickfilm in die Hände klatschte oder sie ob der großen Stille, als das World Trade Center einstürzte, vor den weit offenen Mund schlug.

Doch inmitten der Entdeckungen, der elektronischen Technologien und anderen Wunder der Wissenschaft, die seit zwei Jahrhunderten alles auf den Kopf stellen, bestimme ich jetzt mit einer Maske und einem Paar Handschuhe den Horizont meiner Evolution selber. Seit fast einem Jahrzehnt befinde ich mich jeden Tag in der virtuellen Realität, meinem Double aus Pixeln gegenüber, und versuche, durch dieses Double Gestalt anzunehmen.

Fast hätte ich es geschafft.

Doch dann fing meine Mutter an, sich aufzulösen.

Synthese

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