Читать книгу Ovid - Katharina Volk - Страница 7
Zum Inhalt des vorliegenden Buches
ОглавлениеDieses Buch soll eine neue Generation von Lesern an einen Dichter heranführen, der uns auch über zwei Jahrtausende hinweg etwas zu sagen hat. Es ist nicht für Altphilologen gedacht (obwohl auch sie darin auf Interessantes stoßen könnten), sondern für Ovidleserinnen und -leser, die ihr Verständnis für die Texte vertiefen möchten. Studierende, die sich dem Dichter über das lateinische Original oder eine Übersetzung nähern, Vertreter anderer Fachrichtungen wie der Kunstgeschichte oder den vergleichenden Literaturwissenschaften oder aber jene schwer zu fassende Kategorie des »breiten Publikums« – sie alle werden, wie ich hoffe, auf den folgenden Seiten auf Gedanken und Informationen stoßen, die ihr Verständnis von Ovid zu klären und zu vertiefen helfen. Der Einführungscharakter des Buches gestattet es mir, etwas zu tun, wovor der Latinist Stephen Hinds 1987 in einem berühmten Artikel ausdrücklich warnte2: Ich werde »Verallgemeinerndes zu Ovid« präsentieren, das heißt, ich werde ungeniert relativ weitgesteckte Aussagen über das Wesen seiner Dichtung machen. Es steht zu erwarten, dass einzelne Leser bei bestimmten Punkten anderer Meinung sind und dass manche Ovidspezialisten einige der besprochenen Themen von einer anderen Warte aus betrachten. Dennoch glaube ich, dass das Buch einen Ovid vorstellt, in dem Experten und Laien gleichermaßen den Autor erkennen, der ursprünglich ihr Interesse geweckt hat.
Die herkömmliche Methode, das Œuvre eines Dichters den Lesern nahezubringen, besteht darin, nacheinander jedes seiner Werke zu besprechen. Die Mehrzahl der Bücher zu Ovid, die auf dem Markt sind (vergleiche »Literaturhinweise«) gehen so vor. Abweichend von diesem Schema habe ich meine Abhandlung hingegen nach Themen strukturiert. Obwohl Ovid im Verlauf seiner dichterischen Karriere eine Reihe von höchst eigenständigen und ganz unterschiedlichen Werken verfasst hat, so zeigen diese doch durchgehend ähnliche Anliegen und Interessen, auch über die Grenzen der Gattungen und einzelner Gedichte hinweg. Durch die Fokussierung auf diese Themen hoffe ich, die innere Kohärenz von Ovids Œuvre herausarbeiten zu können, ohne dessen Entwicklung über die Jahre hin aus dem Blick zu verlieren. Einzelne Werke werden dabei durchaus auch im Detail besprochen, doch liegt der Schwerpunkt auf den übergreifenden Motiven, die das Gesamtwerk zur Einheit machen. Mir ist bewusst, dass manche Leser und Leserinnen sich nur für einige oder einige wenige von Ovids Dichtungen interessieren, doch glaube ich, dass auch sie der Diskussion folgen und ihr die für ihre Zwecke unmittelbar relevanten Informationen entnehmen können; vielleicht lassen sie sich sogar zur Lektüre von ihnen noch unbekannten Werken Ovids anregen. Wer dieses Buch ohne jede vorherige Kenntnis des Dichters zur Hand nimmt, erkennt im Idealfall, was ihm bisher entgangen ist, und wird sich bemühen, möglichst schnell an einen Ovidtext zu kommen.
Kapitel 1 (»Ovids Werke«) vermittelt die notwendigen Grundinformationen. In chronologischer Reihenfolge finden sich hier Beschreibungen von Ovids Gedichten, wobei nacheinander die Liebesdichtung (Amores, Heroides, Medicamina faciei femineae, Ars amatoria und Remedia amoris), die Großwerke (Metamorphosen und Fasti) und die Exildichtung (Tristia, Ibis und Epistulae ex Ponto) abgehandelt werden. Es wird ergänzt durch das Kapitel 2 (»Ovids Leben«), das sich mit Ovids Biographie beschäftigt, die allerdings, wie bei fast allen Autoren der Antike, nur dürftig belegt ist. Statt harter Fakten zu seinem Lebenslauf liegt uns seine äußerst stilisierte »Vita« vor, die Beschreibung seiner dichterischen Karriere, die Ovid im Lauf seiner Werke »konstruiert« und die ich im Detail untersuche. Das Kapitel schließt mit einer Erörterung von Ovids Exil und der Art und Weise, wie er seine traumatische Erfahrung literarisch umsetzte.
Kapitel 3 (»Die Elegie«) behandelt die literarische Form, die Ovids poetisches Schaffen dominiert: Mit Ausnahme der Metamorphosen lässt sich sein gesamtes erhaltenes Werk dieser Gattung zuordnen. Nach einem Exkurs zur Gattungsgeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Untergattung der römischen Liebeselegie, wie sie von Ovids älteren Zeitgenossen Gallus, Tibull und Properz gehandhabt wurde, untersuche ich Ovids Verwendung und Transformation der Elegie, von seinen frühen Liebesgedichten über die aitiologischen Fasti bis hin zu den Klagen der Exildichtung. Im Brennpunkt stehen dabei Ovids häufiges Reflektieren über seine Gattungsauswahl und die humorvolle Dekonstruktion des Codes der römischen Liebeselegie in seiner erotischen Dichtung.
Kapitel 4 (»Der Mythos«) ist der Rolle des Mythos in Ovids Gesamtwerk gewidmet, unter besonderer Beachtung von Gattungsfragen, dem Charakter der Metamorphosen als Epos und der Intertextualität. Dies mündet in eine narratologische Erörterung der Erzähltechnik der Metamorphosen und eine Untersuchung von Ovids Behandlung des Phänomens der Zeit – ein Anliegen, das in vielen seiner Werke augenfällig ist, am ausgeprägtesten in seinem Kalendergedicht, den Fasti.
Während Kapitel 3 und 4 einen ersten Überblick über Ovids Œuvre bieten (Kapitel 3 behandelt die Elegien, Kapitel 4 rückt die Metamorphosen in den Mittelpunkt), beleuchten die nächsten drei Kapitel spezielle Themen. Kapitel 5 (»Die Kunst«) beschäftigt sich mit dem meiner Meinung nach zentralen Anliegen Ovids: seinem allgegenwärtigen Interesse an dem Wesen der Kunst (lateinisch ars), der ästhetischen Imitation der Realität durch Sprache und andere Medien. Das Kapitel erörtert Ovids oft gerügten Einsatz der Rhetorik, seine vielfältige Darstellung von Künstlern in den Metamorphosen und sein gelegentlich schockierendes Propagieren von künstlerischer Raffinesse und Künstlichkeit.
Kapitel 6 (»Die Frauen«) ist Ovids Umgang mit dem Thema Frauen gewidmet. Das offensichtliche Interesse des Dichters am weiblichen Geschlecht und sein wiederholtes Einnehmen weiblicher Perspektiven sind unterschiedlich interpretiert worden: einmal als außergewöhnliche Sympathie für Frauen und zum anderen als eklatante Misogynie. In der Behandlung dieser Frage konzentriere ich mich besonders auf Ovids forcierte »Heterosexualität« (im Sinne einer Bevorzugung gegengeschlechtlicher Beziehungen und Sexualakte) und auf sein Bewusstein kulturell konstruierter Geschlechterrollen.
Kapitel 7 (»Rom«) untersucht Ovids Interesse an der Hauptstadt und ihre Darstellung in seinem Werk. Ovid, ein durch und durch urbaner Dichter, gebraucht Rom als Hintergrund für seine erotischen Instruktionen in der Ars amatoria, verherrlicht die römische Vergangenheit in den Metamorphosen und im besonderen Maße in den Fasti und sucht die Stadt, als er sie verloren hat, in seinen Exilgedichten wieder erstehen zu lassen. Seine Beziehung zu Rom wirft die Frage nach seiner Einstellung gegenüber Kaiser Augustus auf, der sowohl das Aussehen der Stadt als auch das Leben ihrer Einwohner von Grund auf neu gestaltete, und der Ovid an einen Ort verbannte, den dieser als das wahrhaftige Gegenbild zu Rom empfand. In diesem Zusammenhang gehe ich auf direkte Erwähnungen des Kaisers und auf Anspielungen auf ihn in verschiedenen Dichtungen Ovids ein, um dessen Bild von Roms mächtigstem Mann zu erhellen.
Das darauf folgende Kapitel 8 (»Rezeption«) wirft einen Blick auf einige der vielen kreativen Reaktionen auf Ovids Werk in der abendländischen Literatur und Kunst. Schwerpunkte liegen dabei auf der Darstellung Ovids als »Liebeslehrer« in der lateinischen Dichtung des Mittelalters, auf von den Metamorphosen inspirierten Kunstwerken der Renaissance und des Barock sowie schließlich auf zeitgenössischen »Ovidromanen«, die sich mit dem faszinierenden Rätsel von Ovids Exil auseinandersetzen. Ein Schlusskapitel bietet unter dem Titel »Literaturhinweise« eine Vielzahl von Vorschlägen für Leser, die ihr Interesse an Ovid über den Umfang dieses Buchs hinaus vertiefen wollen.