Читать книгу Was wirklich zählt im Leben - Kathrin Emely Springer - Страница 7
Оглавление2. Was bedeutet Erfolg?
In diesem Kapitel geht es um ein paar ganz grundlegende Fragen: Was versteht unsere Gesellschaft unter Erfolg? Wie definieren wir Erfolg für uns persönlich? Gibt es da einen Zusammenhang? Außerdem werde ich Ihnen erklären, warum man mit unlauteren Mitteln und mangelnder Selbstreflexion Erfolg auf jeden Fall verhindert.
Wie definiert unsere Gesellschaft Erfolg? Und was bedeutet das für uns?
Was zählt in unserer Gesellschaft? Nach welchen Kriterien wird beurteilt, ob man erfolgreich ist oder nicht? Die Antwort kennen Sie, sie ist einfach: Erfolg bemisst sich noch immer nach Status, Ansehen, Macht und Geld. Mehr von alldem bedeutet mehr Erfolg und ist deshalb höchst erstrebenswert. Glück bedeutet in diesem Zusammenhang, im direkten Vergleich mit der Konkurrenz mehr vorweisen zu können. Die absurden Folgen dieses Wettstreits hat ein Werbespot aus den achtziger Jahren auf die Schippe genommen, vielleicht erinnern Sie sich? Ein Mann im Anzug sitzt in einem eleganten Lokal. Ein zweiter Mann kommt dazu und begrüßt ihn, offensichtlich kennen sich die beiden, haben sich aber schon längere Zeit nicht mehr gesehen. Auf die Frage, wie es ihm gehe, antwortet der erste Mann: »Blendend!« Er zieht ein paar Fotos aus der Innentasche seines Jacketts und knallt sie wie die Trümpfe eines Kartenspiels auf den Tisch: »Mein Haus! Mein Boot! Mein Auto!« Der zweite Mann lässt sich davon nicht beeindrucken und knallt seine Fotos auf die, die schon auf dem Tisch liegen: »Mein Haus! Mein Boot! Mein Auto!« Und er hat noch mehr »Asse im Ärmel«, einen riesigen Brunnen, einen Swimmingpool und ein Pferd. Da kann der erste Mann nicht mithalten, der Gewinner steht fest. Und der Verlierer? Darf er sich überhaupt noch als erfolgreich bezeichnen? Er hat natürlich immer noch mehr, als die meisten anderen jemals besitzen werden. Aber ob das reicht? Und was macht er jetzt mit seinen Besitztümern? Hat er überhaupt noch Freude daran, immerhin sind sie »schuld« an seiner Niederlage. Was für ein armer Mann! Unglücklicherweise lebt er in einer Gesellschaft, in der »mehr« viel zu oft mit »besser« gleichgesetzt wird. Was für ein Irrtum!
Nebenwirkungen
Die »Nebenwirkungen« dieser unseligen Verknüpfung sind dramatisch. Sie führen nicht nur zu hässlichen Konkurrenzkämpfen, die auf Dauer niemand gewinnen kann, sie bringen uns außerdem dazu, nur das als Erfolg zu werten, was in diese enge Definition passt. Und alles andere? Ist es etwa kein Erfolg, wenn jemand mit viel Disziplin das Abitur in der Abendschule nachgeholt hat? Wenn ein Vater es geschafft hat, sein Kind zu einem mutigen, aufrechten Menschen zu erziehen? Wenn sich jemand trotz aller Schwierigkeiten aus einer Abhängigkeit befreit? Zählt das alles nichts? Sind das keine Erfolge?!
Doch, natürlich sind das Erfolge, große sogar! Erfolg bedeutet ja nichts anderes, als dass man ein selbst gestecktes Ziel erreicht hat. Welches Ziel Sie wählen, bestimmen allein Sie, niemand sonst. Sie würden sich wirklich aus tiefem Herzen über ein schönes, großes Haus freuen? Wunderbar, dann legen Sie sich ins Zeug. Sie möchten Ihre Schüchternheit loswerden? Arbeiten Sie daran! Erfolg hat so viele Facetten, er bedeutet für jeden etwas anderes. Lassen Sie sich nicht vorschreiben, wie Sie erfolgreich zu sein haben, entscheiden Sie das selbst!
Wie definieren Sie Erfolg?
Auch wenn ich es im letzten Abschnitt schon kurz angerissen habe (man kann es gar nicht oft genug wiederholen): Was Erfolg für Sie persönlich bedeutet, entscheiden ausschließlich Sie! Sie entscheiden auch, wie wichtig Erfolg für Sie ist und was Sie bereit sind, dafür zu tun. Vielen Menschen ist das nicht bewusst.
Um herauszufinden, wo Sie gerade stehen und was Sie mit dem Begriff »Erfolg« verbinden, können Sie einmal Folgendes probieren:
Nehmen Sie sich ein großes Blatt Papier, etwas zu schreiben, und setzen Sie sich entspannt hin. Überlegen Sie nun, wer aus Ihrer Sicht erfolgreich ist.
Schreiben Sie alle auf, die Ihnen einfallen.
Schreiben Sie außerdem zu jeder Person auf, warum sie erfolgreich ist.
Notieren Sie als Nächstes, wie diese Person auf Sie wirkt. Authentisch? Zufrieden? Glücklich? Gestresst?
Schreiben Sie auf, was die betreffende Person für ihren Erfolg tun muss und welche Konsequenzen der Erfolg für ihr Leben hat.
Fragen Sie sich nun: Wäre ich bereit, genauso viel zu investieren wie diese Person? Würde ich die Konsequenzen akzeptieren?
Wenn Sie diese Fragen ehrlich beantworten, werden Sie sehr schnell ein Gefühl dafür bekommen, wie Ihr ganz persönlicher Erfolg aussehen könnte – und wie auf gar keinen Fall. Nur dann, wenn unser Ziel wirklich zu uns passt, werden wir erfolgreich sein und wirkliches Glück erleben. Alles andere ist Fassade.
Noch etwas: Finden Sie Ihre persönliche Definition von Erfolg, das ist entscheidend. Diese Definition ist Ihr Orientierungspunkt. Sie brauchen ihn, wenn Sie Gefahr laufen, Ihr Ziel aus den Augen zu verlieren. Wenn Sie nicht sicher sind, ob Sie überhaupt noch Ihrem Weg folgen. Ohne diese Definition laufen Sie Gefahr, Ihre eigenen Erfolge zu übersehen. Dann werden Sie schon Erreichtes nicht als Erfolg wahrnehmen, im schlimmsten Fall bekommen Sie den Eindruck: »Erfolgreich? Sind immer nur die anderen …«
Erfolg braucht kein Publikum
Wir vergessen viel zu oft, dass nicht jeder Manager eines Dax-Unternehmens werden oder an Weltmeisterschaften teilnehmen muss. Erfolg ist auch, einen Beruf ausüben zu können, der einem Spaß macht und der den eigenen Talenten und Bedürfnissen entspricht, selbst wenn dieser Beruf nicht gut bezahlt oder gesellschaftlich anerkannt ist. Erfolg ist auch, wenn ich ein persönliches Ziel erreiche, das nur für mich selbst wichtig ist und von dem andere vielleicht gar nichts mitbekommen. Ist dieser Erfolg deshalb weniger beeindruckend, ist er weniger Wert als der plakative, laute Erfolg, dem unsere Gesellschaft ohne Unterlass hinterherhetzt? Nein! Echter Erfolg braucht kein Publikum, er braucht keine Bestätigung von außen. Schön, wenn Sie Anerkennung bekommen. Aber das sollte nie die Motivation sein, nach Erfolg zu streben. Ihre »Belohnung« ist, dass Sie Ihr ganz persönliches Ziel erreicht haben. Für die Welt da draußen spielt das möglicherweise keine Rolle, für Sie aber schon.
Gute Vorbilder
Könnten Sie ein paar Anregungen, ein paar gute Idee gebrauchen? Dann schauen Sie sich den Werdegang erfolgreicher Menschen an – nicht um diese zu kopieren, sondern um sich inspirieren zu lassen. Was bei diesen Menschen auffällt: Alle haben – auf die ein oder andere Weise – etwas getan, was nicht »normal« war, und alle waren mutig genug, den Weg zu gehen, den sie für richtig hielten, auch gegen mögliche Widerstände.
Was außerdem auffällt, ist die Haltung dieser Menschen. In ihrer Wahrnehmung stellen Hindernisse eine Herausforderung dar, eine Aufgabe, die man eben irgendwie lösen muss. Wenn etwas nicht klappt, ist das keine Katastrophe, die all ihre Bemühungen, schlimmer noch, ihre Fähigkeiten grundsätzlich infrage stellt. Was immer sie tun, sie gehen die Dinge aktiv an, sie warten nicht, bis ihnen vielleicht irgendwann einmal eine Chance geboten wird, sie schaffen sich die Chancen im Grunde selbst.
Ein gutes Beispiel dafür ist der Werdegang von Roland Trettl. Vielleicht kennen Sie ihn? Als Executive Chef war er über zehn Jahre im Restaurant »Ikarus« im Hangar-7 am Flughafen Salzburg tätig. Während dieser Zeit bekam das Ikarus seinen ersten Stern.
Nach einer Kochlehre in seiner Südtiroler Heimat hatte Trettl beschlossen, dass die nächste Station Eckart Witzigmanns »Aubergine« in München sein sollte – ziemlich vermessen für einen »Grünschnabel«, egal, wie gut er kochte. Davon ließ sich Trettl aber nicht abhalten.
Er überlegte sich, wie er wohl die Aufmerksamkeit des Sternekochs auf sich lenken könnte, und hatte eine Idee: Er schrieb seine Bewerbung kurzerhand auf ein Holzbrett und schickte es nach München. Witzigmann war offensichtlich beeindruckt, zumindest amüsiert, und der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.
Was hat Roland Trettl von anderen Bewerbern unterschieden? Ganz klar: Das waren seine persönlichen Stärken, die Kreativität, die Fähigkeit, über den Tellerrand hinauszudenken, und sein unbedingter Wille, diesen Schritt seiner Karriere zu meistern. Er hat sich nicht von Bedenken und Befürchtungen leiten lassen (Bin ich überhaupt gut genug? Warum soll er gerade mich nehmen? Da gibt’s doch so viel Bessere!), sondern hat sich auf das konzentriert, was er schon konnte und was auch er als mäßig erfahrener Jung-Koch zu bieten hatte: sehr viel Engagement, sein Talent, eine unbändige Liebe zum Beruf und den Ehrgeiz, ein wirklich erstklassiger Koch zu werden.
Sie sehen also: Wege zum Erfolg gibt es viele, es müssen nicht die »ausgetretenen Pfade« sein. Trauen Sie sich etwas zu! Trauen Sie sich, etwas anders zu machen als die anderen!
Werden Sie kreativ, und denken Sie immer daran: Oft ist der richtige Weg für Sie genau der, an den die anderen nicht denken.
Unlautere Mittel sind keine Option
Eine zuverlässige Möglichkeit, nicht erfolgreich zu sein, ist es, sich unlauterer Mittel zu bedienen. Vielleicht hatten Sie auch schon die Vermutung, dass man als freundlicher, rücksichtsvoller und ehrlicher Mensch offensichtlich nicht erfolgreich sein kann? Auf den ersten Blick scheint es ja tatsächlich so zu sein, dass sehr erfolgreiche Menschen vor allem am eigenen Profit interessiert sind und dass ihnen die Mittel und Wege zum Erfolg herzlich egal sind. Aber lassen Sie sich nicht täuschen: Diese Menschen mögen im Moment erfolgreich scheinen, wirklichen Erfolg in ihrem Leben werden sie aber nicht haben.
Ich würde Ihnen dazu gern zwei Geschichten erzählen. Eine davon ist meiner Freundin passiert. Die hatte vor einiger Zeit mit einer Frau zu tun, die sich offensichtlich dazu entschieden hatte, ihrem Erfolg mittels krummer Geschäfte nachzuhelfen.
Da meine Freundin schon lange nach einem passenden Ferienhaus für ihre Familie gesucht hatte, war sie überglücklich, als sie endlich eines gefunden hatte, das die Bedürfnisse von Mann, drei Kindern, Hund und Großeltern erfüllte. Da der Vorbesitzer bereits eine Haushälterin hatte, bot meine Freundin ihr an, sie zu übernehmen, obwohl meine Freundin von Anfang an ein merkwürdig ungutes Gefühl hatte. Nachdem die Frau aber freundlich erschien und meine Freundin vom Vorbesitzer nichts Schlechtes über sie gehört hatte, schob sie alle Bedenken beiseite und ließ sich sogar auf den Vorschlag der Frau ein, sich beim Verkauf einiger Möbel und Antiquitäten helfen zu lassen. Meine Freundin hatte das Haus mitsamt Möbeln gekauft, und weil nicht jedes Stück ihrem Geschmack entsprach, war sie dankbar für das Angebot der Haushälterin. Abgemacht war, dass sich die Haushälterin erst einmal darum kümmern sollte, den Wert der Möbel und Antiquitäten in Erfahrung zu bringen (ein Verwandter von ihr »kenne sich damit aus«, hatte sie behauptet).
Als meine Freundin und ihre Familie das nächste Mal die Tür zu ihrem Ferienhaus aufschlossen, war dieses zur Hälfte leer.
Alles von Wert war verschwunden, die wirklich schönen, teuren Stücke, die meine Freundin auf jeden Fall hatte behalten wollen, die Antiquitäten und sogar die teuren Designermöbel auf der Terrasse. Meine Freundin war fassungslos. Sie stellte die Haushälterin zur Rede. Die behauptete allerdings, das Ganze sei so abgesprochen gewesen, überhaupt hätte sie viel zu viel Arbeit mit dem Verkauf gehabt und fast nichts für die Möbel bekommen, großzügigerweise würde sie meiner Freundin aber einen Teil des Verkaufserlöses geben – ein Bruchteil dessen, was die Möbel und die Antiquitäten tatsächlich wert waren.
Die Haushälterin hatte sich großzügig die Taschen gefüllt. Das ärgerliche Ende dieser Geschichte: ein hoher finanzieller Schaden, ein Haus, in dem das halbe Mobiliar fehlte und eine Anzeige bei der Polizei.
Wie sich später herausstellte, war meine Freundin nicht die Einzige, die auf diese Frau hereingefallen war. Und sie war nicht die Letzte. Die Reihe der Geschädigten wurde länger und länger. Damit wuchs aber auch die Zahl derjenigen, die über die Frau Bescheid wussten, was sich auf ihr »Geschäftsmodell« eher negativ auswirkte.
Mit anderen Worten gesagt: Die Luft für sie wurde immer dünner. Das ergaunerte Geld war sehr schnell weg; soweit ich weiß, ist sie inzwischen arbeitslos und denkt darüber nach wegzuziehen.
Makler auf Abwegen
Eine noch dramatischere Geschichte hat ein Kunde von mir erlebt. Während eines Urlaubs in Frankreich hatte er einen Makler für Luxusimmobilien und dessen Frau kennengelernt. Und weil dieser Mann zurück nach Deutschland wollte (offensichtlich ohne seine Frau), hatte er meinen Kunden dringend um einen Job gebeten. Er war äußerst freundlich und hilfsbereit, fast schon unterwürfig, und erzählte immer wieder, wie übel ihm mitgespielt worden sei, dass man ihn um viel Geld betrogen habe und überhaupt alle gegen ihn seien. Seine Geschichte klang wenig glaubwürdig, und die Frau meines Kunden, die den Mann ebenfalls kennengelernt und als sehr unangenehmen Menschen empfunden hatte, riet ihm von einer Einstellung dringend ab. Auch mein Kunde hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache, trotzdem bekam der Mann – mehr aus Mitleid – den Job. Was mein Kunde zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Der Mann, den er gerade in sein Unternehmen geholt hatte, hatte in den Jahren zuvor mehrfach die Stelle gewechselt, hatte nicht nur als Makler in verschiedenen Unternehmen gearbeitet, sondern auch in der Gastronomie. Erfolg hatte er nirgendwo gehabt, und jeden, mit dem er zu tun gehabt hatte, beschimpfte und bedrohte er später. In seiner Wahrnehmung hatten ihn alle betrogen.
Zurück in Deutschland stellte sich schnell heraus, dass die Skepsis meines Kunden und seiner Frau völlig berechtigt gewesen war. Statt, wie vereinbart, Kunden im Auftrag des Unternehmens zu besuchen, blieb der Mann einfach zu Hause – in einer großzügigen Wohnung, die mein Kunde ihm zur Verfügung gestellt hatte. Danach verschwand er für mehrere Wochen. Wie sich herausstellte, war er nach Frankreich geflogen. Zur Rede gestellt behauptete er, dort die ganze Zeit im Home Office gearbeitet zu haben – eine glatte Lüge, denn selbst im Home Office hätte er sich regelmäßig im Unternehmen melden müssen.
Vorfälle wie diese häuften sich, der Mann wurde immer dreister, und wenn man ihn auf sein Fehlverhalten ansprach, reagierte er aggressiv, nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. Wieder einmal fühlte er sich als Opfer, zeigte sich maßlos enttäuscht und stimmte schließlich einem großzügigen Aufhebungsvertrag zu – nur um diesen wenig später als Frechheit zu bezeichnen. Um es kurz zu machen: Irgendwann regelte der Rechtsanwalt meines Kunden die Sache, was den Mann aber nicht davon abhält, auch jetzt noch Droh-E-Mails an meinen Kunden und seine Frau zu schicken. Zum Glück lassen sich die beiden davon nicht beeindrucken.
Und die Moral von der Geschicht'?
Was zeigen diese beiden Geschichten überdeutlich? Wer wie dieser Mann oder wie die Haushälterin meiner Freundin immer krumme Geschäfte macht und andere schädigt, wer auf Kosten anderer erfolgreich sein will, lügt und betrügt, hat nichts verstanden und wird am Ende des Tages auf einen Scherbenhaufen, nicht aber auf ein erfolgreiches Leben zurückblicken. Weil alles, was wir ausstrahlen, zu uns zurückkommt. Je aufrechter man selbst ist, desto aufrechter kommt man durchs Leben – was manche Menschen leider immer noch nicht verstanden haben.
Erfolg braucht Selbstreflexion
Was Erfolg ebenfalls sehr zuverlässig verhindert, ist ein Mangel an Selbstreflexion. Gelegentlich einen Schritt beiseitezutreten und ehrlich zu schauen, wo man gerade steht, verbessert die Chance, seine Ziele wirklich zu erreichen, erheblich. Es gibt zwar Menschen – Sie kennen wahrscheinlich auch den einen oder anderen –, die mit Ignoranz relativ weit gekommen sind, ihr Erfolg ist aber nie von Dauer.
Der Künstler
Ein gutes Beispiel für einen solchen Ignoranten ist der Ex-Freund einer guten Freundin von mir. Während ihres Studiums hatte sie den jungen Mann kennen- und seine unkonventionelle, lockere Art lieben gelernt. Schnell wurden die beiden ein Paar. Die ersten Wochen waren traumhaft, dann aber zogen erste düstere Wolken am Himmel ihres kleinen Paradieses auf. Während meine Freundin ihr Studium sehr ernst nahm (sie ist ein zielstrebiger, engagierter Mensch), sah der junge Mann die Sache deutlich entspannter. Seine Seminare schwänzte er regelmäßig, statt zu lernen, verbrachte er seine Zeit lieber mit Freunden, und zu Prüfungen ging er nur, weil ihm sonst die Exmatrikulation gedroht hätte, er das Studium also hätte aufgeben müssen.
Während meine Freundin Seminare vorbereitete und ganze Tage in der Bibliothek verbrachte, achtete der junge Mann sehr auf eine »ausgewogene« Work-Life-Balance, mit Betonung auf »Life«. Arbeiten? Durften gern die anderen. Einkaufen? Das erledigte meine Freundin, weil sie keine Lust mehr hatte, hungrig schlafen zu gehen, wenn sie bei ihm übernachtete. Wäsche waschen, Bad putzen, abspülen? Warum denn, irgendjemand in der WG würde das schon erledigen, man musste nur ein bisschen Geduld haben.
Wer allerdings bald keine Geduld mehr hatte, war meine Freundin. Es dauerte kaum ein halbes Jahr, und sie war so genervt, dass sie ihm drohte, die Beziehung zu beenden, wenn er nicht endlich »erwachsen« werden würde. Der junge Mann zeigte sich durchaus reumütig und gelobte Besserung, selbstverständlich änderte sich aber überhaupt nichts. Er ließ weiterhin seine WG-Mitbewohner alle Arbeit machen, feierte mehr, als dass er studierte, und ließ sich weiterhin den Kühlschrank von seiner Freundin füllen. Deren Geduld war allerdings erschöpft. So lustig und charmant sie diesen Kerl am Anfang auch gefunden hatte, so sehr ging er ihr inzwischen auf die Nerven. Sein ständiges »In-den-Tag-hinein-Leben« machte sie wütend, und für seine Unzuverlässigkeit hätte sie ihm den Hals umdrehen können. Kurz: Was ihr zu Beginn ihrer Beziehung als sehr attraktiv erschienen war, trieb sie nun zuverlässig auf die Palme. Wie konnte dieser Mensch nur so wenig Verantwortung übernehmen, sich so kindisch benehmen und so wenig über die Konsequenzen seines Tuns (oder in seinem Fall eher Nicht-Tuns) nachdenken! Entnervt beendete sie die Beziehung.
Als sie einige Wochen später nach Hause kam und die Tür zu ihrem Zimmer öffnete, traf sie beinahe der Schlag: Vor ihr auf dem Fußboden lagen Hunderte Fotos, die sie mit ihrem Ex-Freund zeigten. Die Fotos waren in Herzform auf dem Boden verteilt worden, »umkränzt« wurden sie von dreckiger Wäsche! Ihr Ex hatte sich von ihrem Mitbewohner unter einem Vorwand den Wohnungsschlüssel besorgt und in ihrer Abwesenheit ein wahres »Kunstwerk« geschaffen, eine Installation der Liebe sozusagen. Aber warum die dreckigen Socken, die verschwitzten T-Shirts und die benutzten Handtücher? Offensichtlich hatte der »Künstler« einfach verwendet, was ihm gerade in die Hände fiel. Die Reaktion meiner Freundin? Sie brach in schallendes Gelächter aus, etwas so Absurdes hatte sie noch nie gesehen. Sie lachte, als sie das Chaos beseitigte, und sie lachte immer noch, als sie mir die Geschichte zwei Tage später erzählte.
Unnötig zu erwähnen, dass die Bemühungen des »Künstlers« nicht zu einer Neuauflage ihrer Beziehung führten. Meine Freundin ließ die Schlösser austauschen (nur für den Fall) und schärfte ihrem Mitbewohner ein, niemals wieder, unter gar keinen Umständen, an irgendjemanden den Schlüssel auszuhändigen. Ihrem Ex machte sie unmissverständlich klar, dass er sich von ihr fernzuhalten habe und dass weitere Aktionen wie diese einen Anruf bei der Polizei zur Folge haben würden.
Durch Zufall erfuhr sie Jahre später, wie es mit ihm weitergegangen war. Seinen Abschluss machte er irgendwann mehr schlecht als recht, seine Freundinnen wechselten in dieser Zeit wöchentlich. Mit seinem »mittelprächtigen« Zeugnis hatte er Mühe, eine Arbeit zu finden. Er schrieb haufenweise Bewerbungen, aber keine der Firmen, bei denen er gern gearbeitet hätte, stellte ihn ein. Irgendwann war er es leid und nahm einen Job an, für den er aufgrund seines Studiums überqualifiziert war, der aber seinen tatsächlichen Fähigkeiten entsprach und den er von ganzem Herzen hasste. Was seine ernsthafteren Beziehungen anging, hatte er auch hier kein Glück. Als er endlich eine Frau gefunden hatte, die bereit war, ihn zu heiraten, hielt die Ehe nur kurz.
Warum wollte ihm einfach nichts gelingen? Mit seinem Charme und seiner unkonventionellen Art, die Welt zu sehen, hätte er Karriere machen können – vorausgesetzt, er hätte diese Talente mit Wissen und Engagement untermauert. Hätte er sich die Mühe gemacht, sein Verhalten zu hinterfragen (Kritik von außen kam ja genug), hätte er gute Chancen gehabt, sich positiv weiterzuentwickeln. Weil er aber so zufrieden mit sich und seiner Art zu leben (und andere auszunutzen) war, weil er dachte, mit seiner »Masche« würde er bis zum Rest seines Lebens durchkommen, hat er jede Gelegenheit, etwas zum Positiven zu verändern, ungenutzt verstreichen lassen.
Nun steht er vor den Scherben seiner Träume und hadert mit der Welt. Selbstverständlich könnte er immer noch das Ruder herumreißen, für eine Veränderung zum Guten ist es nie zu spät. Voraussetzung dafür wäre aber, dass er anfängt, sich und sein Tun kritisch zu beleuchten. Er muss sich seiner Verantwortung stellen – die Schuld bei anderen suchen führt zu nichts.