Читать книгу Woodwalkers & Friends. Katzige Gefährten - Katja Brandis - Страница 10
ОглавлениеTabitha
Wir kauerten uns in der Nähe des Tierheims hinter ein paar Büsche und ich nahm Terry Halsband und Leine ab. Er schüttelte sich erleichtert und hechelte. Danke, Leute! Aber jetzt müssen wir dringend Tabitha helfen. Sie ist eine wirklich gute Freundin von mir!
»Okay«, sagte meine Schwester großmütig. »Was für ein Tier ist sie?«
Keine Ahnung, bekam sie zur Antwort. Verblüfft blickten wir Terry an.
Na ja, ich hab sie nie gesehen, aber wir haben uns ganz oft von Kopf zu Kopf unterhalten, während wir beide in diesem Tierheim gefangen waren, und da haben wir uns angefreundet, berichtete Terry und hob das Bein, um einen Zaunpfahl in der Nähe zu markieren. Sie hat mir Mut gemacht und zu mir gehalten.
»Na gut«, sagte ich. »Wir gehen noch mal zurück und befreien sie, okay?«
Als wir hörten, dass die Tierheimfrau in einem anderen Raum mit Futterzubereiten beschäftigt war, schlichen wir zurück ins Innere. Dort herrschte ohrenbetäubender Krach, weil alle Tiere ihr Futter forderten. Das war praktisch, denn so fiel es nicht auf, dass wir gerade an den Hundeboxen vorbeitappten und jede Menge Gebell abbekamen. Terry brummte: Ja, es ist unfair, dass nicht ihr ausgesucht worden seid, aber jetzt haltet die Klappe und denkt mal über euer Fellstyling nach. Tabitha! Wo bist du?
Keine Antwort. Bei den Hunden war sie offenbar nicht, also weiter. Keinen Moment zu früh, denn schon kam die Tierheimfrau zum ersten Mal mit gefüllten Näpfen durch den Flur. Wir schafften es gerade noch, um eine Ecke zu witschen.
Vielleicht ist Tabitha eine Katze – wär das nicht schräg?, meinte Terry. Wahrscheinlich eine schwarze, sie hat mal erwähnt, dass sie schwarz ist.
»Das ist ein wichtiger Anhaltspunkt – wieso hast du das nicht gleich gesagt?«, meinte ich.
Terry reckte trotzig die Schnauze. Was bedeuten schon Äußerlichkeiten bei einer so wunderbaren, tiefen Freundschaft?
Manchmal hatte der Fellball tatsächlich recht.
Kurz darauf standen wir vor einem Gehege mit großem Kratzbaum, aus dem uns ungefähr fünfzehn Katzen skeptisch oder alarmiert anblickten. Darunter drei schwarze.
Tabitha?, fragte Terry eine von ihnen, die steifbeinig ans Gitter gestakst war, und näherte seine Nase ihrem aufgeplusterten Fell.
Gleich darauf musste er zurückspringen, um keine Kratzspur quer über die Nase zu kassieren.
»Und du bist sicher, dass du dir diese Freundin nicht eingebildet hast?«, fragte Mia und zog ihre rutschende Hose hoch.
Ganz ehrlich? So viel Fantasie hab ich nicht. Auch Terry wirkte allmählich nervös. Moment mal, jetzt weiß ich Bescheid! Sie hat mal erwähnt, dass sie fliegen kann!
Also pirschten wir weiter zu den Käfigen mit den Flatterviechern. Sie waren weniger angriffslustig und beachteten uns überhaupt nicht. Das war die gute Nachricht.
Die schlechte war, dass sie alle bunt waren, es gab Vögel in Orange, Gelb-Weiß, Blau und Grün. Schwarz dagegen war weit und breit nicht in Sicht.
»Spürt ihr hier einen Wandler? Ich nicht – außer euch beiden«, sagte ich und Terry ließ Ohren und Schwanz hängen. Aber sie muss doch hier irgendwo sein. Tabitha, melde dich!
Keine Antwort.
Nun waren gleich auch die Vögel dran mit dem Gefüttertwerden, alarmiert hörten wir die Tierheimfrau näher kommen. Sie sang bei der Arbeit irgendein Lied, in dem es darum ging, dass Landstraßen sie nach Hause bringen sollten, und schüttelte eine Dose mit Körnerfutter.
»Wir müssen hier raus, sonst haben wir gleich richtig viel zu erklären«, drängte ich. »Vielleicht können wir unsere Schulleiterin bitten, dass sie Tabitha später …«
»Moment mal, da ist was!« Mia richtete sich plötzlich auf. Ja, nun konnte ich es ebenfalls hören. Es waren keine Worte, nur ein seltsames Geräusch. War das ein Gähnen? Ja, eindeutig.
Dann erklang eine Mädchenstimme in unseren Köpfen. He, Leute, hat mich jemand gerufen? Bist du das, Terry? Hab gerade geschlafen. Ist es noch hell draußen?
Tabitha!, rief Terry, er klang sehr erleichtert. Wir holen dich raus! Was für ein Tier bist du?
Doch ich hatte es schon kapiert. »Schwarz und verschlafen bei Tag – sie muss eine Fledermaus sein«, sagte ich hastig und fügte in Gedanken hinzu: Wo finden wir dich, Tabitha? Sag es uns schnell, wir haben nicht mehr viel Zeit!
Es ist irgendein Zimmer ohne Fenster und dafür mit einem Schreibtisch, sagte Terrys Freundin. Ich stecke schon seit genau dreizehn Tagen, sieben Stunden und fünf Minuten hier fest, wenn die Uhr auf dem Schreibtisch richtig geht, und muss zusehen, wie Mrs Waters sich Kaffee macht, Futter bestellt und Spendenbettelbriefe schreibt!
Eulendreck, das musste das Büro der Tierheimfrau sein. Wenn man uns dort erwischte, würde es schwierig werden mit den Ausreden.
Fledermäuse passen doch gar nicht in ein Tierheim, meinte Terry erstaunt. Euch hat niemand abgegeben, oder?
Nein, sie hält uns als ihre Privathaustiere. Ist das nicht eine Frechheit?, kam es empört zurück. Mich und ein paar andere hat sie eingefangen, weil sie unbedingt auch ein paar Fledermäuse unserer Art haben wollte.
Frechheit, bestätigte ich ihr. So leise wie möglich öffneten wir die Türen, an denen wir vorbeikamen, versetzten ungefähr zwanzig Zwergkaninchen in Panik, stolperten fast über einen Kasten mit einer gefleckten Riesenschlange und schlugen schnell die Tür einer Putzkammer wieder zu, bevor uns der umkippende Besen am Kopf treffen konnte.
Dann endlich, das Büro! Wir schlichen hinein, schlossen die Tür vorsichtig hinter uns und sahen sofort die Voliere mit Fledermäusen, die alle kopfüber an einem Ast hingen wie reife Früchte und ziemlich verpennt wirkten. Die meisten hatten sich die Flügel um den Körper gewickelt, aber nun streckte eine von ihnen die schwarzen, halb durchscheinenden Schwingen. Hey, Leute, schön, dass ihr da seid! Wollt ihr mich ernsthaft befreien? Das fände ich hervorragend.
Na klar befreien wir dich, verkündete Terry stolz. Ich habe gesagt, ich gehe nicht ohne dich. Ist das cool, oder was?
Terry, bist du etwa der Hund?, kam es zurück. Du siehst aber flauschig aus.
Ich bin NICHT flauschig!, knurrte Terry, stemmte sich mit den Vorderpfoten gegen die Glaswände der Voliere und versuchte, in den Riegel an der Außenseite zu beißen. Typisch für einen Woodwalker, der sich noch nie verwandelt hatte.
»Lass mich mal«, meinte ich und untersuchte mit meinen Menschenhänden die Verriegelung der Voliere. Sie sah ziemlich kompliziert aus.
Bitte mach weiter, fremder Woodwalker!, feuerte mich Tabitha an, während ich einen Sicherungsstift herauszog. Von innen geht das mit dem Riegel nicht, ich hab’s auch schon in Menschengestalt versucht.
»Aber du hättest als Mensch die Glasscheibe kaputt machen und so ausbrechen können«, meinte Mia.
Na ja, Vandalismus ist nicht so mein Fall, gab Tabitha zurück.
Vandawas?, fragte Terry.
Blindwütige Zerstörung, übersetzte seine Freundin. Äh, könntet ihr euch vielleicht beeilen? Ich höre Schritte im Flur, wahrscheinlich wird Mrs Waters euch gleich erwischen und den Behörden übergeben …
Jetzt hörten wir anderen es auch. Wir erstarrten – aber nur ganz kurz. Dann tauchte Terry mit einem kühnen Sprung unter den Schreibtisch, wo er auf dem Bauch in Deckung schlitterte. Mia und ich quetschten uns in eine Nische zwischen einem Schrank und der Wand. Doch in der war eigentlich nur Platz für eineinhalb von uns.
»Meine Arme werden gerade zerquetscht«, ächzte ich. »Luft kriege ich auch keine.« Meine Nasenspitze berührte fast die staubige hölzerne Seitenwand des Schranks.
»Egal! Schlimmer ist, dass ein kleines Stück von mir noch ins Zimmer ragt«, berichtete Mia. »Was soll ich machen?«
»Beim großen Gewitter! Warum bist du nicht in den Schrank gekrochen?«
»Hättest du ja machen können.« Mia bleckte die Zähne in meine Richtung, was bei ihren winzigen Menschenzähnen wirklich lächerlich wirkte, und drängte ihren warmen Körper noch enger an mich.
Still, Leute, sie kommt!, rief Terry in unsere Köpfe und wir hielten eilig den Mund.
Ich kam mir vor, als wäre ich zwischen zwei Baumstämmen stecken geblieben. Hoffentlich ging Mrs Waters schnell wieder, sodass wir Tabitha befreien und fliehen konnten!
Fehlanzeige. Wir hörten eine Kaffeemaschine zischen und gurgeln, als sie sich gemütlich ein Tässchen zubereitete. Statt es schnell herunterzuschlürfen und sich dann wieder aufopferungsvoll um irgendwelche ausgesetzten Tiere zu kümmern, machte sie es sich an ihrem Schreibtisch bequem. Ich hörte den Stuhl quietschen, danach das Geräusch von Zeitschriftenseiten, die umgeblättert wurden.
Hinter dem Schrank war sehr, sehr lange nicht mehr geputzt worden. Seither hatten anscheinend einige Tiere dort gewohnt – Tiere, die niemand ausgesetzt hatte. Alte Spinnweben hingen vor meinem Gesicht und kitzelten mich an der Nase. Gleich würde ich niesen müssen … gleich … gleich …
Mrs Waters pupste, stand auf und ging noch mal nach draußen, vielleicht aufs Klo. Kaum war sie weg, schoss eine Art Minihurrikan aus meiner Nase. Immerhin, jetzt waren die Spinnweben weg.
Hastig zwängte sich Mia aus der Nische, lief zur Tür und spähte hinaus. »Sie ist weg – los, kommt!«
Ich wusste es – ihr geht ohne mich!, rief Tabitha verzweifelt. Ich hatte keine Zeit für eine Antwort, stattdessen fummelte ich am Riegel herum, bis ich ihn endgültig offen hatte und die Tür der Glasvoliere aufstoßen konnte.
Ihr seid alle Helden!, jubelte Tabitha, kroch mit halb zusammengefalteten Flügeln in die Freiheit und flog gleich mal eine Runde durchs Zimmer. Ihre Kollegen öffneten ein Auge, schlossen es wieder und schliefen weiter. Falls wir Helden waren, dann welche, die ziemlich blöd dreinschauten. Schon hörten wir Mrs Waters zurückkommen, wir hatten unsere Fluchtchance verpasst.
Mit einem Riesensatz erreichte ich die Nische wieder. Mia folgte mir nicht, sie riss die Tür eines Schranks auf. »Oh nein«, stöhnte sie. »Der ist voll mit Zeug, es ist kein Fitzelchen Platz, um sich reinzuquetschen!«
Einen Moment später ging die Tür auf. Ganz kurz herrschte Stille, dann schrie die Tierheimfrau los: »Was machen Sie in meinem Büro? Versuchen Sie etwa, meine Akten zu stehlen?«
»Nein, die nicht«, hörte ich Mia erklären. »Ich wollte was anderes mitnehmen.«
»Wollen Sie etwa Geld?«
Leider war Mia nicht sehr gut im Lügen. »Das stimmt, wir suchen Geld. Aber nur ein ganz kleines bisschen davon. Was halt so runtergefallen ist.«
Ich stöhnte innerlich.
Die Stimme der Frau wurde noch ein bisschen schriller. »Ich rufe die Polizei! Rühren Sie sich nicht von der Stelle, sonst hetze ich die Hunde auf Sie!«
Mia stieß vor Schreck einen maunzenden Laut aus, Terry sprang hoch, als wäre er auf einen Skorpion getreten, und ich war einem Panikanfall nahe.
Na super. Unser Abstecher in die Stadt hatte genau so geendet, wie ich es befürchtet hatte – in einem kompletten Chaos.