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Durchbrechen Sie Denkmuster!

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Wer etwas anders macht als andere, der lehnt sich weit aus dem Fenster. Sie wollen sich lieber nicht aus dem Fenster lehnen? Das ist nachvollziehbar, denn wer das tut, gibt vielen die Chance, zu einem vernichtenden Schlag auszuholen. Wer laut sagt, was er denkt, riskiert Kritik. Aber wer es lässt, riskiert Profillosigkeit. Umso mehr ist der Mut des Redners zu bewundern, der ausspricht, was er denkt. Denn Redner, die auch mal polarisieren, regen ihre Zuhörer zum Denken an.


Nur wer sich weit aus dem Fenster lehnt, überblickt den ganzen Horizont: Straffe Reden entwickeln Visionen.

George Orwell hat das einst wunderbar formuliert: „Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann das Recht, anderen Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen.“ Wie wahr. Doch viele Menschen wollen sich in ihrem Denken nicht gestört fühlen. Und gerade alte Denkmuster und falsche Vorstellungen verleiten Menschen dann dazu, unstraffe Reden zu halten. Doch gerade starke Statements und klare Meinungen bringen den Zuhörer dazu, plötzlich aufmerksam hinzuhören. Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie halten eine Rede, und alle hören zu! Klingt witzig, ist aber nicht witzig gemeint. Bei vielen Reden geschieht genau das nämlich nicht. Aber versetzen Sie sich jetzt in die Rolle des Redners: Fühlt sich das gut an, wenn die Zuhörer anfangen, ins Leere zu starren, zu gähnen oder auf die Uhr zu schauen, weil sie wieder nur „Normales“ vorgesetzt bekommen?


Straffe Reden halten ist mehr als nur ein Flirt mit dem Publikum: Es ist ein Heiratsantrag.

Das Geheimnis bei straffen Reden ist, dass ein Redner spürt, wenn seine Zuhörer ihm ihr Ja zuwerfen: Sie hängen an seinen Lippen. Und Lippenhänger im Publikum sind Gänsehautmacher beim Redner. Da fängt es dann auch an, dem Redner Spaß zu machen. Ach ja, noch so ein Satz: Stellen Sie sich vor, Sie halten eine Rede, und es macht Ihnen Spaß!

Beispiel

Mein Kunde wollte einen Vortrag straffen, mit dem er üblicherweise seine Firma vor neuen Kunden präsentierte. Zwei Ansagen prägten die Vorgespräche des Einzelcoachings: „Ich will bei PowerPoint bleiben, das ist so üblich in meiner Branche. Und ich habe überhaupt keinen Spaß am Reden halten!“ Zu Beginn des Coachings ließ ich den Geschäftsführer seinen Vortrag so halten wie immer. Ich nahm alles mit der Kamera auf. Anschließend lasse ich ihn seinen gesamten Vortrag ansehen – eine halbe Stunde lang. Er windet sich auf seinem Stuhl, schüttelt immer wieder den Kopf. Wir halten die Aufnahme alle paar Minuten an, besprechen einzelne Punkte. Am Ende der Aufnahme geht er zu seinem Laptop. Er klappt ihn zu. Er sagt zu mir: „Frau Kerschgens, ich habe verstanden. Und was machen wir jetzt?“ Wir nutzten den gesamten restlichen Tag, um seinen Vortrag mit seinen persönlichen Geschichten zu bereichern. Er lernte, Kopfkino zu erzeugen. Jetzt konnte er nur mit einem Flipchart die Kernaussagen seines Vortrags anschaulich machen. Drei Wochen nach unserem gemeinsamen Termin rief er mich an: „Ich habe zum ersten Mal diesen Vortrag gehalten – und anschließend sagte der potenzielle Kunde zu mir: ‚Das war ein toller Vortrag!‘ Und wissen Sie was, Frau Kerschgens? Es hat mir auch noch Spaß gemacht!“

Lernen Sie aus Ihrem Erfolg!

Ein Redner sollte sich selbst als Zuhörer erlebt haben, um ganz schnell von alten, falschen Vorsätzen abzukommen und die wahren Bedürfnisse seiner Zuhörer zu erkennen – Zuhörer, der er ja selbst auch immer wieder bei anderen ist. Ein Redner, der den Mut hat, Neues auszuprobieren, wird Erfolg und Spaß daran haben. Ja, er wird schon während seines Vortrags Spaß empfinden, denn er weiß um die Wirkung beim Zuhörer und spürt den Effekt straffer Reden. Doch Neuland betreten ist ja bekanntlich das Gegenteil von Sicherheit, die auf den ersten Blick viel verlockender wirkt. Viele Redner suchen die vermeintliche Sicherheit daher auf dem Papier:


„Ich schreibe meine Reden auf, das kann ich schön in Ruhe vorbereiten – und dann mache ich auch keine Fehler bei meinem Vortrag, weil ja alles schon ausformuliert ist.“

Nur die freie Rede ist eine Rede

Wer eine Rede ausformuliert und aufgeschrieben hat, hält keine Rede, sondern eine Lese. Das wirkt nicht nur unpersönlich und unspontan, es klingt meistens gestelzt und ist bespickt mit schwer verdaulichen Worthülsen, Schachtelsätzen und Fachbegriffen. Spontanes Eingehen auf vorherige Redner oder aktuelle Zusammenhänge sind nachträglich nur schwer einzubauen. Oder wie es bereits Henry Kissinger ausdrückte: „Eine abgelesene Rede garantiert, dass Ihnen das Publikum nicht zuhört.”


Reden straffen heißt, frei zu sprechen:

Halten Sie Reden, keine Lesen!

Straffe Redner sprechen frei – und zwar so, wie es ihnen über die Lippen kommt. Das wirkt authentisch und spontan. Wer bei straffen Rednern mal mitschreiben sollte, wird sehen, dass sie entgegen jeder Grammatikregeln sprechen. Das liegt daran, dass frei gesprochener Text gänzlich anderen Regeln gehorcht als geschriebener Text. Ein frei gesprochener Text lebt und bewegt sich mit dem Redner mit. Und nur ein bewegter Redner bewegt auch seine Zuhörer. Das spricht für Stichworte auf einer Redekarte, aber niemals für ausformulierte Sätze.

So weit, so gut. Doch bevor Sie mit den passenden Inhalten wirken, mit Spannung begeistern und Ihre Zuhörer überzeugen, sollten Sie wissen, wie das Gehirn Ihrer Zuhörer funktioniert. Denn da wollen Sie schließlich hinein, oder?

Reden straffen statt Zuhörer strafen

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