Читать книгу Gelinkt - Katrin Fölck - Страница 2

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„Mist, verdammter!“ Der Motor seiner Maschine stottert wieder. Er reißt am Gasgriff. Doch das macht es nur noch schlimmer. Hatte er etwa vergessen, zu tanken? Oder hatte Marqez wieder heimlich ein paar Runden auf seinem Bike gedreht? Er sieht auf die Tankanzeige. Da scheint jedenfalls alles in Ordnung zu sein. Trotzdem bekommt die Maschine keinen Sprit mehr. Wieder setzt der Motor kurz aus. Nach einigen Metern ist es ganz vorbei. Er lässt sich ausrollen. Das kann doch nicht wahr sein, denkt er, dass er hier, mitten in der Pampa, stehen bleibt! Und weit und breit keine Menschenseele. Er bleibt noch einen Moment auf seiner Maschine sitzen und wischt sich mit dem rechten Jackenärmel den Schweiß, der ihm mittlerweile von der Stirn ins Gesicht rinnt, weg. Dann erhebt er sich und stellt die Maschine auf den Ständer. Auch heute war er auf seinem Motorrad unterwegs, um der Enge und Eintönigkeit seines Lebens mal kurz zu entfliehen, den Kopf wieder freizubekommen, das Gefühl von Freiheit zu spüren, dass er viel zu selten hat. Dabei kann er die Stille und die Weite genießen, die sich ihm eröffnet, bis hin zum Horizont. Doch jetzt wird ihm die Ausweglosigkeit seiner Situation klar, denn hier gibt es nur Felsen, Steine, Geröll und Staub. Verdorrtes Gras, umgeben von grünen Bergformationen und ab und an Palmen und einzelne Kakteen. Und die Sonne, die unbarmherzig brennt. Hier ist er wirklich aufgeschmissen. Er weiß, er muss zurück in die Zivilisation. Und das heißt, sein Motorrad bis zur Autopiste schieben.

Von weitem kommt eine Staubwolke auf ihn zu: Er sieht, sie gehört zu einem Wagen, der mit hoher Geschwindigkeit dem Straßenverlauf folgt. Hoffnung keimt in ihm auf. Als der Wagen näher kommt, erkennt er, dass es ein offener Wagen ist. Auf der Rückbank sitzen drei außerordentlich hübsche Mädchen. Er erhascht einen kurzen Blick auf sie, als das Auto vorüber fährt. Ihre langen Haare wehen im Fahrtwind. Sie lachen und machen sich lustig über ihn. Er hört sie rufen: „He Süßer. Deine Braut will wohl nicht so wie du, was? Hat sie dich im Stich gelassen?“ Wieder Gelächter.

Enttäuscht darüber, dass er von denen keine Hilfe erwarten kann, hockt er sich erneut neben sein Motorrad. Und wird voll von der Staubwolke, die sie hinter sich herwirbeln, eingehüllt. Er kneift die Augen zusammen und hustet.

Dann, ungefähr zwanzig Meter weiter, stoppt der Wagen urplötzlich.

Er hört eins der Mädchen sagen: „He, David, fahr doch mal zurück. Wenn wir ihm schon nicht helfen können, vielleicht können wir ihn wenigstens irgendwohin mitnehmen?“ Der Fahrer setzt zurück und bleibt in Höhe des Motorrads stehen.

„Hallo?“ vernimmt er die Stimme einer der Drei vom Rücksitz: „Kannst du uns verstehen? Comprente mi?“ versucht sie sich jetzt auf spanisch. Er blickt hoch zu ihr und muss, ihrer Sprachversuche wegen, grinsen. Er nickt. „Hast du Panne?“ Er nickt wieder. Er sieht sie länger an. Sie ist schön, denkt er. Wie ein Model. Sie wird ungeduldig. Warum kann er ihr nicht ordentlich antworten? Sie wird sauer, als sie bemerkt, dass er sie mustert: „Sollen wir dich irgendwohin mitnehmen?“ Er schüttelt den Kopf. Seine Maschine würde er hier draußen bestimmt nicht alleine zurücklassen. Die würde er nie wieder sehen. „Dann eben nicht! Idiot!“ Sie fahren los, wieder eine Staubwolke hinter sich herziehend. Diesmal sieht er ihnen nicht hinterher.

Er weiß, was jetzt auf ihn zukommt. Ihm bricht der Schweiß aus, schon beim bloßen Gedanken daran, welche Kraftanstrengung bei der Hitze und dem Gewicht seiner Maschine ihm bevorsteht. Aber er muss zur Autostraße, denn nur dort kann ihm irgendjemand helfen oder ihn vielleicht sogar jemand mitnehmen. Also klappt er mit dem Fuß den Seitenständer hoch und setzt sich in Bewegung.

Es geht nur langsam voran. Das Motorrad ist schwer und es ist heiß. Bestimmt an die 33 Grad. Die Sonne brennt. Immer wieder wischt er sich den Schweiß vom Gesicht. Und seine Boots reiben. Als er das nächste Mal stehen bleibt, um kurz auszuruhen, wirft er einen Blick auf seine Armbanduhr: In einer dreiviertel Stunde sollte er besser in „Carlos`n Charlie`s“

Restaurant in Punta Diamante hinterm Tresen stehen. Wenn er Glück hat, könnte er es noch pünktlich schaffen.

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Sein Hemd ist mittlerweile klatschnass geschwitzt und klebt an seinem Rücken. Er hat sich Blasen gerieben. Daran sind die schweren Lederstiefel Schuld. Als endlich Hilfe in Form eines Eselkarrens naht und neben ihm anhält, ist er völlig fertig. Doch die Freude wird sofort durch die Erkenntnis getrübt, dass sie sein Motorrad unmöglich auf die Ladefläche des Hängers hieven können. Der Bauer mit seinem Eselgespann will ihm dennoch helfen und schlägt vor, er könne sich ja seitlich an dem Anhänger festhalten. So machen sie es dann. Wenn die Esel nicht bocken, könnte es klappen. Er hält sich mit der linken Hand hinten am Anhänger fest und versucht, auf seiner Maschine sitzend, Balance zu halten. Es bedarf höchster Konzentration beider. Der Kutscher muss sein Gespann möglichst ruhig in der Spur halten und die Esel mit gleich bleibender Geschwindigkeit laufen lassen und er seinerseits jeden kleinen Schlenker dabei ausgleichen.

Er lässt sich zu Juan in die Werkstatt bringen. Der vermutet sofort, dass irgendetwas mit dem Vergaser nicht in Ordnung ist. Er kann nur hoffen, dass die Reparatur nicht so teuer wird. Dem Bauern dankt er für dessen Hilfe und steckt ihm noch einige Pesos zu. Dieser winkt zum Abschied überschwänglich.

Um den Schweiß abzuwaschen und sich etwas zu erfrischen, was bei einer Wassertemperatur von achtundzwanzig Grad nicht wirklich möglich ist, geht er kurz in die Fluten. Er lässt sich von Juan mit dem Chevy zum Restaurant fahren. Seine Haare sind noch nass, und er hat auch keine Zeit mehr, sich Zuhause umzuziehen. Er fragt einen der Kellner, ob dieser ihm ein weißes Hemd und eine schwarze Hose leihen könne. Und obwohl er keine Begeisterung in dessen Blick lesen kann, reicht der ihm die Sachen doch noch. Schnell zieht er sich um und wirft einen prüfenden Blick in den Spiegel. Dann streift er sich übers Haar, zieht es straff nach hinten und bindet es zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammen. Das musste ausnahmsweise mal so gehen. Zum Glück ist sein Boss heute nicht hier. Der hätte ihm seines Aussehens wegen die Hölle heiß gemacht oder ihn gleich gefeuert. Aber er braucht das Geld. Und zwar dringend.

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