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Aus der hinteren Ecke des Restaurants schallt lautes Gelächter. Sicherlich Touristen. Er sieht zu ihnen hinüber. Er weiß, dass sie des guten Essens wegen und des umwerfenden Angebotes an Speisen hierher kommen. Und außerdem haben sie die Wahl zwischen dem Essen, was sie kennen, oder aber auch einer riesigen Auswahl an typisch Mexikanischem, wie Tacos, Fajitas, Enchiladas, Buritos & Chimichanga. Und dann sind da noch die farbigen Cocktails, die die Ausländer dazu animieren sollen, ihr Geld in diesem Restaurant zu lassen. Das gute Aussehen der Kellner ist Absicht, soll es doch die allein stehenden Damen anlocken. Dies hatte schon öfters geklappt. Auch er hatte genug begehrliche Blicke gespürt und Telefonnummern zugesteckt bekommen, sich aber nie darauf eingelassen.

Ab und zu mixt auch er Cocktails. Dafür hat er von Fernando, dem Barkeeper, ein Buch zum Nachschlagen bekommen. Es dauert etwas, bis er alle Mixturen drauf hat, denn er muss sich alles abgucken, jede Zutat, jede Menge einprägen. Mit einem Buch kann er nichts anfangen. Doch er versteht es, seine Unzulänglichkeit gut zu verbergen, indem er vorgibt, gerade mit etwas anderem beschäftigt oder noch irgendetwas anderes erledigen zu müssen. Und so fällt es nicht auf, wenn er überfordert ist und gar nicht weiß, wie der gewünschte Drink gemixt wird.

Ihm bringt es, seit er auch als Barkeeper arbeitet, etwas mehr ein, vom Trinkgeld mal abgesehen. Meist hilft er ab Donnerstag und übers Wochenende aus. Und das Beste daran ist, dass er das Geld für seine Arbeit immer gleich nach seiner Schicht empfängt. Schlaf bekommt er allerdings manchmal wenig, auch, weil er die Woche über noch in Juan`s kleiner Autowerkstatt schraubt.

Sie sind laut. Sehr laut. Und wie er jetzt sehen kann, haben sie bereits zwei Tische zu einem langen Tisch zusammengestellt, um alle daran Platz zu finden. Es sind ungefähr zehn. Er ist jetzt auf dem Weg zu ihnen, um ihre Bestellung entgegenzunehmen. Wenn die Leute heute richtig Umsatz bringen würden, könnte er bei seinem Chef punkten und ihn wenigstens damit zufrieden stellen. Und vielleicht würde für ihn ja auch etwas an Trinkgeld übrig bleiben. Aber wohl eher nicht. Er weiß, dass die Leute, die Geld hatten, eher geizig waren.

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Es ist überhaupt voll heute Abend. Er bringt den Leuten das gewünschte Essen an die Tische und füllt dann den Kühlschrank der Bar auf. „Machst du uns paar Drinks?“ vernimmt er eine Stimme in seinem Rücken. Er dreht sich zu ihr um und beginnt zu starren. Blonde lange Haare, grau-grüne Augen, breites, offenes Lächeln. Dann räuspert sie sich. Er wird unwillkürlich rot, als er bemerkt, dass er sie die ganze Zeit über ansieht.

Doch auch sie mustert ihn. Irgendwie kommt er ihr bekannt vor. Dann weiß sie es wieder: „Bist du nicht der mit dem Motorrad?“ Er nickt. „Arbeitest du etwa hier?“ Er nickt wieder. „Kannst du auch reden oder bist du stumm?“ Seine Hände fangen an zu schwitzen. Er ist unsicher. Sie macht ihn unsicher. Er streift mehrmals kurz mit den Händen über den Stoff seiner Hose, und zwar an den Oberschenkeln, um sie wieder trocken zu bekommen.

Sie dreht sich um und ruft ihren Leuten am Tisch zu: „Wer will alles Bier?“ Er kann sehen, dass drei Hände in die Luft gehen. „Wer will Tequila?“ Fünf Hände. „Und zwei Margaritas!“ Er weiß Bescheid. „Bringst du uns die Getränke dann an den Tisch dahinten?“ und schon ist sie weg.

Er holt das Bier aus dem Kühlschrank, öffnet die Flaschen und stellt sie aufs Tablett. Dann stellt er die Gläser dazu und füllt sie mit Tequila. Er schneidet die Zitronen in Spalten und legt sie auf die Öffnung der Bierflaschen. Er bemerkt ihre Blicke. Obwohl sie sich Mühe gibt, sie aussehen zu lassen, als würde sie ihn zufällig streifen. Es macht ihn irgendwie nervös. Was ist denn heute mit ihm los? Er ist es gewohnt, dass er angesehen wird, meistens natürlich von Frauen. Alleinstehenden Frauen. Auch älteren. Er hatte schon manch eindeutiges Angebot bekommen, Und sicher hätte er auch einiges an Geld damit verdienen können.

Der Typ sieht wirklich zum Anbeißen aus, denkt sie. Sein Hemd steht offen und sie kann die feinen gekräuselten Haare auf seiner Brust sehen und das Spiel seiner Muskeln beobachten, während er arbeitet. Das Weiß des Hemdes sticht hervor und steht im krassen Kontrast zu seiner gebräunten Haut.

„Melanie?“ „Eh, Mel! Sag mal, wo bist du denn mit deinen Gedanken? Träumst du?“ Susan boxt ihr in die Seite. Sie folgt deren Blick. „Das ist schon ein Schnuckelchen, was? Aber lass lieber die Finger von dem. Bei den Latinos weiß man nie…“ Und auch David hatte ihre Blicke bemerkt.

Der Fotograf sieht seine Felle davonschwimmen und rückt jetzt näher an sie heran. Wie zufällig streift er ihre Hand.

„Ich geh mich mal frisch machen.“ Sie rutscht seitwärts vom Stuhl und ist froh, ihm so zu entkommen. Sie mochte diesen Typen irgendwie nicht. Manchmal weiß sie nicht mehr, wie sie ihn loswerden soll, er hängt an ihr wie eine Klette. Merkt er denn nicht, dass sie ihn immer wieder abblitzen lässt, sie nichts von ihm will?

Das ist eben die andere Seite des Modellebens, denkt sie. Eigentlich nicht ihre Welt… Andererseits, wo konnte man schneller und einfacher zu Geld kommen? Ab und zu bekam sie eines der Kleider, die sie trug, geschenkt, und von den Reisen ganz zu schweigen. Und das gute Aussehen hatte sie umsonst bekommen. Also, warum soll sie es dann nicht nutzen? Solange sie jung und schön war und die Leute für ihre Bilder Kohle hinblätterten…

Als sie wieder an den Tisch zurückkommt, bringt ihnen der Kellner mit dem kleinen Zopf eine weitere Runde. Sie sieht, wie David sein Bein ausstreckt. Obwohl der Kellner noch versucht, auszuweichen, fangen die Flaschen auf dem Tablett an, zu wackeln. Sie kippen und fallen klirrend auf den Fußboden. „Nichts passiert. Alles gut.“ Nachdem er die restliche Bestellung auf den Tisch abgestellt hat, beugt er sich schon hinunter, um die Scherben aufzusammeln. „Ich bringe sofort Neue.“ Er blickt auf. Er hat die Augen zusammengekniffen. Sie sieht, dass er weiß, dass es Absicht war und sie sieht noch etwas anderes in seinen Augen: Stolz.

David blickt Melanie fest an, schüttelt den Kopf und grinst. „Was für ein Trottel…“ Jetzt ist sie sicher. Er wollte den Kellner absichtlich dumm da stehen lassen. Aber warum? Dieser hatte ihm doch gar nichts getan.

Ein dicklicher kleiner Mann im Anzug mit schwarzen gegelten Haaren hat das Restaurant betreten. Er scheint recht aufgebracht und redet energisch auf den Kellner ein. Er fuchtelt die ganze Zeit mit seinen Armen. Dann kommt er an ihren Tisch: „Bienvenidos a Acapulco. Sie sind das erste Mal hier? … heute erst angekommen? Tut mir leid wegen meinem Personal. Ich will nicht, dass sie Unannehmlichkeiten haben. Die nächste Runde geht aufs Haus.“ Und dann ruft er seinem Kellner zu: „Riccardo, Tequila für die Leute hier am Tisch! Das zieh ich dir vom Lohn ab.“

Melanie hat genug: „Mädels, wir müssen morgen wieder früh raus. Wer kommt mit? Ich glaub nicht, dass sich Augenringe gut auf den Fotos machen oder David?“

Als sie auf dem Weg zum Ausgang an ihm vorübergeht, lächelt sie ihm zu: „Ich hätte gerne einen von deinen Cocktails probiert. Das nächste Mal?“

Er hat noch den Duft ihres Parfums in der Nase und blickt ihr sprachlos hinterher.

Gelinkt

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