Читать книгу Schattenjäger Teil 2 - Katrin Lindemann - Страница 4
ОглавлениеKapitel 1 : Am Rande der Schattenwelt
Dunkelheit! Mehr nahm ich kaum noch wahr. Die Schmerzen hatten glücklicher Weise nachgelassen. Wie auch immer, aber ich war dankbar dafür. Schrecklich und ungewohnt langsam versuchte ich zusammen zu fassen was passiert war. Aber alles um mich herum war dunkel und neblig. Dumpfe schwache Geräusche um mich herum, von denen ich nicht wusste, ob sie Realität oder Trugbild waren. Es machte mich fertig, aber ich war dankbar für meinen Zustand. Nur warum war ich das? So sehr ärgerte ich mich darüber, dass sich grade absolut nichts greifen ließ. Nicht einmal mein Zustand. Zum Glück war mein Kopf noch wach, auch wenn ich keine Ahnung hatte wo ich mich befand und ob ich es je wieder schaffen sollte mich aus dieser Dunkelheit zu befreien. Ich fühlte absolut gar nichts physisches, nur wieder ein par weit entfernte Geräusche drangen zu meinem Gehirn durch. Und dann fühlte ich etwas, dass ich lange nicht mehr in mir hatte. Verzweiflung! Starb ich hier etwa? War mein Leben schon vorbei, wo doch eben noch alles perfekt gewesen war? Diese Stille um mich herum machte mich wahnsinnig. Ich wollte fluchen, rum schreien und einmal ausrasten. Aber mein Geist war gefesselt an einen Körper, der sich nicht rühren konnte. Von oben bis unten vollkommen betäubt. Es wurde jetzt auch noch immer schwieriger sich wach zu halten, wenn man meinen Zustand überhaupt so nennen konnte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass mich tief unter mir wieder etwas zurück in die Dunkelheit ziehen würde. Ich versuchte es zu verhindern, aber leider erfolglos. Ich hatte nichts woran ich mich festhalten konnte, nichts was mir half. Noch nicht. Denn dann veränderte sich etwas. Ein Gefühl, dass ich in sehr viel stärkerer Form irgendwoher kannte. Nur was war es? War jemand bei mir, den ich kannte? War es…..ja es war Katrina. Ich war mir sicher. Sie musste bei mir sein, denn dieses Gefühl, auch wenn ich mich daran erinnerte, dass es eigentlich viel stärker war wenn sie in meine Nähe kam, löste nur sie aus. Und jetzt wollte ich wirklich schreien, wollte sie fragen was hier los war. Was genau schief gelaufen ist und wieso ich ihre Nähe fühlte, aber nicht ihre Berührung, ihre beruhigende Kälte und die Tatsache wie ihre Haut sich unter meinen Händen immer etwas aufwärmte. Wieso war ich so gefesselt. Die Gewissheit machte sich in mir breit, dass ich schon vollkommen wütend war. Auf wen auch immer, der für meinen Zustand verantwortlich war. Reichte es nicht, immer das schwache Glied in einer Verbindung zu sein, die einem den Atem nehmen konnte? War ich nun auch noch dazu verdammt, gar nichts mehr in dieser Bindung zu sein?
Ich versuchte mich auf die Richtung zu konzentrieren, aus der das bekannte Gefühl zu kommen schien, aber immer noch nichts. Nur wieder dumpfes, was war es nur, flüstern? Ja das konnte es sein, jemand flüsterte neben mir, doch ich verstand kein Wort. Verflucht, das war doch nicht zu fassen. Und jetzt schluchzte sie auch noch, sie weinte. Doch nicht etwa meinet wegen?
Und dann traf es mich endlich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich erinnerte mich an das, was meine Dankbarkeit für diesen Zustand ausgelöst hatte. Schmerzen, jede Menge Schmerzen und ein hoher Blutverlust. Dieses verrückte Vampir Weib hatte sich eine Weile einen Spaß daraus gemacht, mich zu zerlegen. Es war einiges an Zeit vergangen, bis ich endlich in eine dankbare Ohnmacht gesunken war. Und jetzt konnte ich auch endlich begreifen was hier offenbar los war. Ich war tatsächlich betäubt und gefesselt. Von jede Menge Schmerzmittel und Geräten. Ein Krankenhaus Zweifels ohne. Und anscheinend so sehr verletzt, dass ich völlig ruhig gestellt wurde. Man konnte nicht behaupten, dass ich begeistert war. Aber bevor ich richtig in Begeisterung ausbrechen konnte, geschah etwas Merkwürdiges. Einen dumpfen Schnitt an meinem Handgelenk fühlte ich noch, bevor sich kurz danach ein Schmerz durch meine Hand in meinen Arm hoch zog. Es war auszuhalten, aber dennoch sehr unangenehm. Noch!
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Völlig kraftlos zusammengebrochen hockte ich auf dem Boden und starrte zu dem völlig verzerrten Bild Adrians. Scheiße dachte ich nur, hätte ich doch nur nicht so viel Zeit verplempert. Keine 2 Minuten war es her, dass Sam mir offenbarte, dass der Mann den ich so sehr brauchte, sterben würde. Wie zum Teufel konnte es in so kurzer Zeit nur so weit kommen? Was hatte dieses sadistische Miststück nur für eine kranke Einstellung, sich einen Spaß daraus zu machen, Menschen zu quälen während sie sich ernährte. Obwohl ich mir bei Adrians Anblick nicht mehr sicher war, ob man es noch ernähren nennen konnte. Ich kroch förmlich zu dem Bett und zwang mich aufzustehen. Ich ließ mich in den Stuhl fallen, in welchem die Schwester vorher noch gesessen hatte und lehnte mich über Adrians Arm nach vorn. Und ich weinte. Was auch sonst. Sam war beinah unbemerkt hinter mich getreten und hatte eine Hand auf meinen Rücken gelegt. „ Es tut mir sehr leid, dass wir aus menschlicher Sicht nichts mehr für ihn tun können. Ich weiß, dass du das hier nicht so früh wolltest, aber….“ Ich riss meinen verheulten Kopf hoch und sah Sam an. Was redete er da. Menschlich? „Was?“ Ich bekam einen langen ernsten Blick zugeworfen, der mir zu verstehen gab, dass ich eigentlich schon hätte verstehen müssen. „Warte, natürlich.“ Es klickte in meinem Kopf. „ Eine Verwandlung ist seine einzige Rettung, hab ich das richtig verstanden?“ Sam nickte und irgendwoher fasste ich neuen Mut. Beinah war es mir egal, welchen Ausweg es geben würde, wenn nur einer Adrians Tod verhindern würde. „Aber wie, ich meine ich hab immer so aufgepasst ihn nicht zu verwandeln. Was muss ich tun, Sam?“ Ich hatte meinen Blick wieder von Sam abgewandt und blickte in das schweigende Gesicht vor mir. Als mein Freund hinter mir wieder das Wort ergriff, sprach er ruhig. „Lass dich einfach von deinen Instinkten leiten. Vergiss deine Vorsicht und saug nicht jeden Tropfen sauber von der Wunde bevor du absetzt. Lass das Toxin in deinem Speichel einfach seine Arbeit machen und sich in seinem Körper ausbreiten. Am besten wäre es natürlich, wenn du es in mehrere Wunden fließen lässt.“ Ich nickte nur leise vor mich hin während ich Sam genau zuhörte. Es klang eigentlich ganz einfach, doch wenn man die zahlreichen Wunden und Schwellungen sah, die über Adrians Körper verteilt waren, bekam ich schon einige Skrupel ihm noch mehr Wunden zuzufügen. Doch egal was ich mir einredete, es würde sich nicht vermeiden lassen. Als nächstes hörte ich wie die Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Das Schloss klickte und würde verhindern, dass in den nächsten Stunden jemand durch diese Tür kommen würde. Mein Blick senkte sich auf den Arm der direkt vor mir lag. Seine Adern erhoben sich kaum noch unter seiner Haut, sein Blut zirkulierte nur noch schwach.
Ein letztes Mal sah ich noch auf seine geschlossenen Augen bevor ich meine Oberlippe hoch zog und meine Fänge sanft in sein Handgelenk sinken ließ. Ohne Vorsicht, wie Sam gesagt hatte, und ohne groß darüber nachzudenken, ließ ich meinen Instinkten freie Hand. Jedoch nicht zu viel, denn das leer saugen eines Opfers stand leider auch auf der Liste meiner Triebe. Ich nahm nur sehr wenig von ihm und ließ zu, dass mein Speichel sich in seiner Wunde ausbreitete. Nur einen kurzen Moment wartete ich noch ab, dann betrachtete ich die Wunde genauer. Sie blutete nicht, nachdem ich mich von seiner Haut gelöst hatte. Nicht ein Tropfen verließ seinen Arm, obwohl der Weg durch die geöffneten Punkte offen stand. Ich war fasziniert, trotz der Scheu die ich immer vor diesem Augenblick hatte. In meinen Erinnerungen meldeten sich Sams Worte. Also ging ich um das Bett herum und wiederholte das Ganze an seinem anderen Arm. Wütend darüber, dass ich meine Zähne direkt neben frischen fremden Bisswunden in sein Fleisch bohrte, musste ich mich mehr konzentrieren als je zuvor. Und als ich schließlich den Blick auf seinen Hals wendete und das Pflaster löste, was auch dort bereits bestehende Wunden abdeckte, flüsterte ich leise neben seinem Ohr. „Verzeih mir!“ Dann biss ich auch dort ein letztes Mal zu. So sanft wie ich konnte. Während ich mit seinem Blut dort in Berührung kam, stellte sich mein Geist auf seinen ein. Ich konnte spüren, dass er bei mir war in seinen Gedanken. Dass er, auf was auch immer für eine Weise, wach war und entfernt wahr nahm, was ich tat. Die Erinnerungen an meine eigene Verwandlung stiegen in mir auf, aber da ich befürchtete diese Bilder in seinen Kopf zu projizieren, schob ich sie beiseite. Ich wollte wissen, was er fühlte, ob er die selben Schmerzen leiden musste. Doch was ich fand, war annehmbar. Durch das viele Morphium in seinem Blut, war die Wirkung anscheinend nur abgeschwächt. Sicher konnte es ebenso gut sein, dass sein Körper einfach viel zu beschädigt war, als dass er noch viel hätte fühlen können. Als ich spürte, wie neue Wut in mir aufstieg, ließ ich von seinem Hals ab. So etwas sollte er auf gar keinen Fall fühlen, bei dem was ihm bevor stand.
Völlig geräuschlos krabbelte ich auf sein Bett, hob seinen Oberkörper hoch und lehnte ihn gegen mich. Alles so vorsichtig es ging, denn ich war mir sicher, dass der Schlauch in seinem Hals nicht verrutschen sollte. Zumindest noch nicht. Also saß ich hinter ihm und hielt ihn zumindest halb in meinem Armen. Fragen tauchten in meinem Kopf auf. Was würde sein, wenn er wach wird. Ob er es mir verzeihen kann, was ich ihm angetan hatte? Erst brachte ich sein Leben in Gefahr und nun, um ihn nicht zu verlieren, machte ich ihn auch noch völlig egoistisch zu meines Gleichen. Verdammte ihn zu einem Leben im Schatten, wo er doch seine spanische Sonne so sehr liebte. Oder was wenn er zusätzlich noch dazu Probleme haben wird, seine eigenen Triebe unter Kontrolle zu halten? In den ersten Wochen oder gar Monaten überwältigte einen jedes Gefühl, weil man es plötzlich 100 Mal so intensiv erleben konnte. Und dazu kam noch der Durst. Frisch verwandelt würde es ihm sicher Probleme machen, das unter Kontrolle zu bringen. Seinen Job konnte er nun auch vergessen. Und für all das, wird er mir die Schuld geben. Wo selbst wenn er es nicht täte, ich mir trotzdem bewusst war, dass ich sie hatte. Die Schuld an allem was passiert war.
Mit der Zeit, wurde der Herzschlag der mir so nahe war etwas stärker, aber auch etwas langsamer. Sein Körper wurde härter und von Stunde zu Stunde sank seine Temperatur. Er würde mich nicht mehr als kalt empfinden, was vielleicht ein der wenigen Vorteile war. Vor der Tür war niemand mehr. Was ich fest stellte, als ich mir endlich wieder die Mühe machte, meine Aufmerksamkeit weiter auszudehnen, als auf dieses Zimmer. Wir waren allein. Ich war mir sicher, dass die gesamte Etage nun leer war.
Etwa eine Stunde verging noch, bis ich wieder Schritte hören konnte. An ihrem Rhythmus erkannte ich Sam. Er fragte bereits auf dem Flur um die Ecke, ob er den Raum betreten dürfte. „Natürlich.“ Sagte ich sehr leise, grade so, dass er es hören würde. Nur eine Sekunde danach schwang die Tür auf, und Sam stand mit einer Kühlkiste in der Hand neben mir. Die Kiste landete auf dem Tisch neben mir und Sam betrachte Adrian genauer. Ein Blick auf die Uhr, verriet ihm etwas, dass mir verborgen blieb. Denn als Reaktion darauf, schaltete Sam sämtliche Geräte ab und zog den Schlauch aus Adrians Hals. Auch die Infusionsnadeln entfernte er schnell und entsorgte alles in den medizinischen Abfall. „Was machst du da?“ fragte ich vorwurfsvoll, als er damit anfing. „Er braucht das jetzt nicht mehr. Er wird auch nicht begeistert sein, wenn er aufwacht und die Dinge zerbrechen, wenn wir versuchen sie aus einem Stein zu ziehen.“ Das leuchtete mir ein. „Und was ist in der Kiste?“ wollte ich weiter wissen. „Na was glaubst du denn? Blut natürlich. Auch wenn ich es nicht gern sage, schütze ich mein Personal gern, denn du weißt nicht wie stark sein Instinkt sein wird, wenn er zu sich kommt.“ Das war, so leid es mir tat, natürlich auch richtig. „Was hast du deinem Personal gesagt?“ Ich wunderte mich immer noch, dass keiner mehr kam um nach Adrians Befinden zu sehen. Sam senkte seinen Blick und befühlte Adrians linken Arm, wo inzwischen nur noch ein Schatten der bestehenden Wunden zu sehen war. „ Ich sagte ihnen, er sei gestorben und du wolltest dich verabschieden. Lediglich Janine kennt die Wahrheit.“ Dann musste ich Sam genauer betrachten und auch er sah mich aufmerksam an. „Sie macht sich große Sorgen um dich.“ Pff, na klar um mich macht sie sich Sorgen. Lachhaft. Ich verdrehte noch die Augen, sagte nichts dazu und senkte wieder meinen Blick. „Urteile nicht zu früh über deine Freundin.“ Sofort riss ich den Kopf wieder hoch. „Schnüffelst du schon wieder?“ Sam sah doch tatsächlich bedrückt und etwas schuldbewusste aus. „Verzeih. Aber ihre Sorgen sind berechtigt. Denn sie macht sich Gedanken, wie das nun alles verändern wird. Wie es dich verändern wird.“ Ich nickte Sam zu. „Von mir aus, aber halt dich aus meinem Kopf raus!“ Diese Worte kamen vielleicht etwas zu scharf raus, aber es kümmerte mich grade wenig. Adrian in meinem Arm wurde unruhiger, bewegte sich immer wieder und ich hatte tatsächlich langsam Mühe ihn zu halten. Er wurde stärker und auch die anderen Veränderungen machten sich breit. Sam hatte den Raum ohne ein weiteres Wort verlassen. Das war auch besser so, ich wollte ihn nicht da haben, wenn es vorbei war. Ich wollte niemanden da haben.
Die Stunden vergingen weiter, ohne dass ich mich auch nur rührte. Ich konnte regelrecht sehen, wie Adrian litt und versuchte nur noch so gut es ging ihn zu beruhigen. Ich war mir sicher, dass er mich inzwischen hören konnte, also redete ich auf ihn ein. Beruhigte ihn immer wieder, obwohl ich wusste was mir noch bevor stand, wenn es endete. Sein Herz hämmerte noch so gut es konnte, kämpfte den letzen Kampf um sein Leben, den es gleich verlieren würde. Nur zu gut, erinnerte ich mich daran, wie es sich anfühlte. Gleich würde es immer langsamer und leiser werden, würde nach und nach versteinern und aufgeben. Einfach auch nicht mehr in der Lage sein, diese Bewegung auszuführen und so gemein es auch klang, es wurde dann einfach nicht mehr gebraucht.
Leider zog es sich noch lange hin, bis es soweit kam. Vielleicht lag es an den vielen Verletzungen, die geheilt werden mussten oder ich habe einfach nicht genug Toxine in seinen Körper gebracht. Doch noch atmete er, wenn auch heftig und begann sich an meine Arme zu krallen. Mit viel mehr Kraft, als ich es von ihm gewohnt war. Dann schlugen auch endlich seine Augen auf und das erste was ich hörte war „Katrina“. Ich versuchte zu lächeln, aber ich wusste auch, dass er immer noch litt. „Ja ich bin da, beruhige dich, es ist bald vorbei.“ Doch er regte sich nur noch mehr auf. Worte sprudelten nur so aus ihm raus als hätte er sie lange zurück halten müssen. „Was ist vorbei? Was passiert hier überhaupt? Ich habe die ganze Zeit diese Schmerzen, und sie sind überall, die Verrückte hat mich regelrecht zertrümmert und jetzt krieg ich die Quittung oder? Bitte sag mir doch endlich, was hier vor sich geht!“ Er wand sich unter meinen Armen, krümmte sich vor Schmerzen, doch er sah mir mit einem entschlossenen Blick in die Augen. Meine Stimme war ruhig, als ich antwortete. Völlig ausdruckslos, denn ich musste ihn sagen, was ich angerichtet hatte. „Du stirbst.“ Brachte ich heraus, als wenn mich diese Tatsache nichts anging. Schock. Mehr verriet sein Blick nicht mehr. Ob er verstanden hatte? „Du hast… mich….“ Bevor er es aussprach, schloss ich die Augen und nickte. Ja ich hatte ihn getötet, um ihn zu retten. Ich erinnerte mich, als wenn es gestern war, an die Worte sie ich zu Sam einmal gesagt hatte. –Ich werde sein Leben nicht für ihn beenden- Und nun hatte ich es doch getan, nein, hatte es tun müssen. Damit er nicht starb.
Die letzte halbe Stunde war schrecklich. Er redete nicht mehr mit mir, lag nur noch still auf dem Rücken und atmete tief. Er wartete darauf, dass es aufhörte. Mit jeder weiteren Minute die verging wurde er ruhiger und sein Herz langsamer. Das Geräusch hatte sich verändert, Steine die aneinander reiben machten sicher ein ähnliches Geräusch. Mit seinen Händen hielt er meine und starrte mich jetzt an. Ich saß jetzt neben ihm auf meinen Knien im Bett. Gleich würde es überstanden sein, und dann kam das Donnerwetter. Zumindest rechnete ich mit einem. Dann war es auch endlich soweit, sein Herz tat den letzen Schlag und verstummte. Adrians Atem wurde ganz flach und langsam. Vielleicht merkte er schon, dass er ihn nun eigentlich nicht mehr brauchen würde. Er richtete sich auf und sah mich genauer an. Und ich betrachtete jede seiner Veränderungen. Seine Haut war mit der meinen nun identisch. Sie reflektierte jedes Licht schwach, war glatt und hart wie Marmor. Seine Hände hatten die exakt selbe Temperatur wie meine und waren nun ebenfalls hart und gar nicht mehr zerbrechlich. In mir meldete sich der Impuls ihn zu küssen, mich zu vergewissern, dass es ihm gut ging. Aber vor allem auch um zu sehen, ob er noch der Selbe war.
Ich hielt mich natürlich noch zurück, wartete für Erste seine Reaktion ab. Diese kam auch prompt. Er ließ meine Hände los und sprang aus dem Bett. Seine Bewegungen waren schnell und vollkommen kontrolliert. Er stand neben mir, sah auf seine Hände und sich dann im Zimmer um. Die gefühlte Ewigkeit, die er sich Zeit ließ um endlich etwas zu sagen, war wie Folter für mich. Ich saß weiterhin ruhig auf dem Bett und beobachtete ihn sehr genau. Ließ ihm einfach die Zeit, die er brauchen würde um die Kraft zu finden mich anzuschreien.
Eigentlich hätte ich mich inzwischen daran gewöhnen müssen, dass er nie, oder zumindest selten so reagierte wie ich es erwartete. „Du hast es getan? Du hast mich verwandelt?“ Er sprach sehr ruhig, sehr leise. Ich war mir nicht sicher, ob ein Mensch das noch hätte verstehen können. Unfähig ihm schon zu antworten, nickte ich ihm nur zu. „Und du hast somit mein Leben gerettet?“ wieder nickte ich, aber etwas unwilliger als vorher, denn wäre ich nicht, hätte es nie soweit kommen müssen. Jetzt kam er auf mich zu, oder besser gesagt, er stand im Bruchteil einer Sekunde direkt vor mir und nahm wieder meine Hände. „Und das tut dir leid?“ Was? Ich riss meine Augen auf und starrte ihm in seine. „Nein, wie kommst du denn darauf? Es tut mir doch nicht leid, wenn ich dein Leben rette!“ Nur, dass ich überhaupt Schuld war, dass das nötig wurde. Jetzt lag eine seiner Hände an meinem Gesicht. Dass er sich nun so schnell bewegen konnte wie ich, erschreckte mich nicht, aber sich daran zu gewöhnen würde nicht so leicht werden dachte ich. „Warum leidest du dann so?“ Jetzt war ich doch etwas verwundert. „Wieso weißt du das? Ich habe doch noch gar nichts gesagt?“ Jetzt küsste er endlich meine Stirn. Es fühlte sich ganz anders an als sonst, logisch. Er war ja auch ganz anders nun. „Ich sehe es dir an, deine Augen verraten dich.“ Wie bitte? Na toll, als wenn er menschlich nicht schon viel zu aufmerksam gewesen war. Ich seufzte und schloss meine Augen. „Du siehst mehr als mir lieb ist.“ Dann sah er mich wieder an. Auch sein Blick war anders als vorher, noch eindringlicher wie ich es eh schon gewohnt war von ihm. Offenbar fiel es ihm nun noch leichter mich zu durchschauen. Als er immer noch abwartete, dass ich ihm meinen Zustand erklärte, zwang ich mich weiter zu reden. „Wenn ich nicht wäre, wäre es gar nicht nötig gewesen dein Leben retten zu müssen.“ Ich war total geknickt und konnte ihn nicht mehr ansehen. Also sah ich auf seine Hand die in meinen lag. Und die, die sich grade anspannte. „So einen Schwachsinn will ich nie wieder hören.“ Und damit war er fertig mit diesem Thema. „Ich weiß, was es dich an Überwindung gekostet haben muss, das zu tun, aber du weißt genau, dass ich es eh wollte oder?“ Nun sah ich ihn doch wieder an. War er denn gar nicht sauer? Nicht mal ein bisschen? „Du meinst, du bist mir kein Stück böse, dass du nun meinet wegen so bist?“ Toll, jetzt lachte er mich auch noch aus, das passte ja. Aber er hatte ja auch noch keine Ahnung was auf ihn zukam. „Natürlich nicht, ich habe es doch so gewollt. Sicher hätte ich es gern aus einer anderen Situation heraus erlebt, aber das Ende vom Lied, ist dennoch das Selbe.“ Damit hatte er tatsächlich Recht. „Wie fühlst du dich?“ wollte ich dann wissen. Darüber dachte er einen Moment nach, als forschte er genau nach, was er tatsächlich fühlte. Nachdem er einige Sekunden an die Wand hinter mir gestarrt hatte, sah er mir wieder in die Augen. Sein Ausdruck war ernst, aber nicht unglücklich. Bis auf ein Brennen in meinem Hals, geht es mir eigentlich ausgesprochen gut. Nur dass jetzt alles anders ist. Du siehst für mich anders aus, ich höre Dinge, die ich nicht zuordnen kann und was meine Augen alles sehen muss ich dir glaube ich nicht erklären. Alles ist…“ – „Hundertfach verstärkt?“ unterbrach ich ihn. Natürlich kannte ich diesen Zustand mehr als genau und ich wusste sehr gut, wie er sich fühlen musste. Er grinste zu meiner Überraschung. „Ja so kann man es nennen.“ Er legte den Kopf leicht schief, heckte er etwa was aus? Und eh ich reagieren konnte, packte er mich, hob mich hoch und drückte mich an sich. Meine Beine waren um seine Hüfte gelegt weil er sie dorthin beförderte. Mist, nun war er genauso stark wie ich, vielleicht sogar noch stärker. So etwas konnte ich nun nicht mehr verhinder. „Danke.“ Flüsterte er dann so leise, dass nur ich es verstehen konnte. Ich kam nicht dazu etwas zu sagen, denn dann küsste er mich endlich. Und zwar richtig. So wie ich es schon die ganze Zeit gewollt habe, aber ganz anders wie ich es gewohnt war. In meinem Kopf klickte es und ich wusste, dass ich alle Vorsicht fallen lassen konnte. Ich würde ihm nicht mehr weh tun. Somit floss meine ganze Leidenschaft, die ich immer in Zaum halten musste in diese Situation. Auch Adrian musste die Veränderung gespürt haben, denn er knurrte leise in den Kuss hinein. Ein Geräusch, dass ich nicht nur von ihm nicht kannte, sondern generell überhaupt nicht. Wenn ein Vampir knurrte, verband ich das eigentlich nur mit Wut und Kampf. Doch in diesem Fall, war es so anders, dass es mich auch ansteckte. Ich grinste an seinen Lippen, zeigte ihm wie sehr mir seine Reaktion gefiel. Bevor er jedoch noch weiter ging, musste ich ihn unterbrechen. Also zog ich meinen Kopf etwas zurück und sah ihm in die jetzt noch dunkleren Augen. „Dann verzeihst du mir also, was ich dir angetan habe?“ Er schüttelte nur belustigt den Kopf über mich. „ Es gibt nichts zu verzeihen.“ Ich war nicht seiner Meinung, aber das behielt ich vorerst für mich. Ich wurde nun ernst. „Du solltest etwas trinken.“ Ich wusste, was diese Aussage bei ihm auslösen würde, und ein doch recht verstörter Blick bestätigte mir das auch sofort. „Du meinst…?“ er ließ mich runter und sah sich um. „..die Kiste hm?“ Was? Wie kam er denn nun darauf, aber meine Sinne gaben mir die Antwort. Denn diese Kiste war noch das Einzige im Raum was nach menschlichem Blut roch. Natürlich roch er das ebenso gut wie. Also nickte ich, als er mich wieder ansah und eine Antwort erwartete. Ich ging um das Bett herum und schüttete das Wasser aus dem Glas, welches auf dem Schrank neben dem Bett stand. Dann holte ich einen Beutel Blut aus der Kiste und riss ihn auf. Das Blut schüttete ich in das Glas. Während dessen hatte Adrian sich nicht gerührt. Im Gegenteil, er stand so still da und hatte sich nicht bewegt, wie es sonst nur eine Statue konnte. Also ich ihn endlich wieder ansah, war sein Blick skeptisch auf das Glas in meiner Hand gerichtet. Ich sah ihm an, wie verlockend es roch und dass sich seine Instinkte meldeten.
Sämtliche Beutel die in der Kiste waren, lagen nun leer darin. Adrian hatte ca 5 Liter Blut getrunken, ich war mir sicher, das würde eine Weile vorhalten. Ich stand an der Wand und er stand am Bett mir gegenüber. Für den Augenblick sah er mich nicht an. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ wollte ich wissen, als meine Neugier schließlich zu groß wurde. Er sah mich an, er überlegte. „Ich war noch nicht darauf vorbereitet, aber ich habe es mir schwerer vorgestellt. Ich muss erstmal mit all dem Zurecht kommen!“ Ha, wem sagst du das, dachte ich. Ich musste genau durch die gleichen Probleme durch, nur war ich allein dabei. Ich setzte mich in Bewegung auf ihn zu, doch er war schneller. Er ahnte wohl was ich vorhatte und hatte mich bereits im Arm. Eine seiner Hände wühlte sich in meine Haare als er mich intensiv küsste. Viel stürmischer als es ihm bisher möglich gewesen war. Nach einem langen Moment war es vorbei und er sah mich fragend an. „Wollen wir nicht nach Hause?“ Dann sah er sich noch einmal im Raum um. „Wo sind wir hier überhaupt genau?“ Über diese Frage musste ich schmunzeln. „Wir sind in Sams Klinik, also mitten in Frankreich.“ Dann war sein Blick überrascht. „Er hat mich hier her gebracht?“ Schon wieder nickte ich. „Und wie kommen wir jetzt nach Hause?“ Ich lachte. „Na wie schon, wir laufen.“ Seine Augen wurden groß. Er sah mich an, als wollte er abschätzen, ob ich das ernst meinte. Trotzdem er eigentlich wusste, dass ich jede weite Strecke am liebsten lief. Es ging einfach viel schneller. „Ernsthaft?“ hakte er dann trotzdem noch einmal nach. Ich musste schon wieder lachen und nickte dann. Dann schnappte ich mir seine Hand und zog ihn hinter mir her aus dem Zimmer. Die Tür war nicht mehr verschlossen, also konnten wir ohne große Geräusche das grässliche Krankenzimmer verlassen, in das ich niemals zurück kehren würde.
Nur wenige Schritte weit kamen wir, während wir nun beide den Geräuschen in dem Gebäude lauschten. Zumindest dachte ich mir, dass auch Adrian sich nun auf viele andere Geräusche verlassen konnte. Als ich bekannte Schritte auf uns zukommen hörte, bremste ich uns ab und wartete einfach. Sam kam zu uns, in menschlichem Tempo. Denn er hatte Janni im Schlepptau. Die wohl einzige in dem ganzen Gebäude die informiert darüber war, was genau in dem Zimmer in den letzten knapp 15 Stunden passiert war. Ihr Herzschlag raste als die beiden uns immer näher kamen. Aber ich dachte an etwas anderes als an ihre Aufregung als ich das vernahm. Denn Adrian würde mit seiner neuen Nase gleich direkt vor einem Menschen stehen. Seiner potenziellen Beute.
Er hatte gar nicht gefragt warum wir stehen geblieben waren, er konnte es eben nun genauso gut wahr nehmen wie ich. Doch dachte er auch schon genauso weit wie ich? So schnell es ging, versuchte ich auf eine bruchbare Idee zu kommen. Nur viel mir leider als Einziges ein, ihn hinter mich zu schieben und seine Hände vor meinem Bauch festzuhalten, und das mit aller Kraft die ich hatte. „Was machst du denn?“ Weiterhin in die Richtung blickend in der gleich Sam mit Janni auftauchen würde, flüsterte ich nur. „Versuch zu bleiben wo du bist, wenn nötig verwende deine ganze Konzentration darauf!“ – „Aber…“ hörte ich ihn noch leise sagen, aber spätestens jetzt musste er sie bereits riechen können. „Oh.“ Vernahm ich dann hinter mir, und was folgte war eine komplette Anspannung seines nun eben so harten Körpers. Kurz darauf waren Sam mit Janni an der Hand dann auch zu sehen. Moment mal, an der Hand? Was hatte ich in der kurzen Zeit verpasst? Und noch etwas stach mir wie ein rotes Tuch sofort ins Auge. Sie trug die Kette, die ich Sam zu Weihnachten geschenkt hatte. Genau die Kette, die einst Aleen gehört hatte. Die menschliche Frau die lange an Sams Seite lebte, bis zu ihrem tragischen Tod. Aber was zum Teufel das zu bedeuten hatte, musste ich später heraus finden. Fürs erste war es wichtig, dass der Vampir den ich liebte nicht meine menschliche beste Freundin anfiel. Ich verließ mich jedoch auch auf Sam, denn gemeinsam würden wir ihn sicher aufhalten können. Trotzdem machte es mir zusätzlich Sorgen, was er von sich denken würde, wenn er Janni angriff. Jedoch völlig umsonst. Er sollte sich im Griff haben.
Sam blieb mit seinem Anhängsel ein par Meter entfernt stehen. Ich konnte genau beobachten, wie Janni Adrian von oben bis unten anstarrte. Offensichtlich völlig gebannt ließ sie sich schwer unterbrechen. „Janni, packst du es?“ fragte ich sie, als sie nicht aufhören wollte. Daraufhin sah sie nun mich endlich an. Gut, dass ich vor kurzem erst jagen war. „Ja, ja sicher.“ Doch dann schob sie sich etwas dichter an Sam heran. Als wenn das helfen konnte, sagte ich mir. Er ist schließlich genau so ein Marmorklotz wie ich. Aber meine in mir aufsteigende Wut behielt ich in diesem Moment lieber für mich. Also nickte ich Janni nur noch einmal zu und wandte mich dann an Sam. „Wir wollen erstmal nach Hause, Adrian braucht sicher einige ‚Zeit um sich an sich selbst zu gewöhnen.“ Mein Gesprächspartner nickte mir verständnisvoll zu. „Sicher, bitte meldet euch bald ja?“ Ich zischte etwas verächtlich. „Natürlich mache ich das bald, worauf du dich verlassen kannst. Du musst mir das da…“ dann zeigte ich auf die verschränkten Hände der beiden und warf ihm einen bedeutenden Blick zu „mal ganz genau erklären.“ Wieder nickte er nur, aber sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Er machte mir deutlich, dass etwas entscheidendes mir noch vorenthalten wurde. Vielleicht war das auch ganz gut so, ich wollte jetzt erstmal für Adrian da sein, ihn würde es früher oder später noch umhauen! Also schob ich den angespannten Felsen hinter mir langsam rückwärts, mit äußerster Vorsicht darauf bedacht, seine Hände weiter fest zu halten. „Danke für alles.“ Sagte ich noch und dann drehte ich mich auch um. Natürlich zog ich mit genügend Kraft Adrian an einer Hand hinter mir her, dass er gar nicht auf irgendwelche komischen Ideen kommen konnte. Dich zusammengefasst musste ich schon zugeben, dass er sich erstaunlich gut im Griff hatte. Angestrengt versuchte ich mich an meine erste Begegnung mit einem Menschen zu erinnern, nachdem ich wieder zu mir gekommen war. Naja, ich hatte ihn fast ausgesaugt und getötet. Da war Adrian doch auf jeden Fall besser in der Lage sich zu beherrschen. Nur war er auch glücklicher Weise nicht allein. Und das würde er auch nie sein, ich würde immer auf ihn achten, wenn es sein musste. Irgendwann würde es sicher nicht mehr nötig sein, doch fürs Erste ließ ich ihn nicht aus den Augen.
Ich sprang von dem Balkon der Klinik aus dem dritten Stock. Adrian hatte meine Hand los gelassen und mir nachgesehen. Er stand immer noch da oben, anscheinen nicht sicher ob er einfach hinterher hüpfen sollte. „Komm schon“ sagte ich leise. Dann konnte ich noch beobachten wie er mit den Schultern zuckte und dann stand er auch schon neben mir. „Wow.“ Flüsterte er und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Er sah mich an und grinste zurück. „Ich muss dir wohl hinterher laufen, oder?“ Jetzt musste ich richtig lachen. „Die Vorstellung hat etwas Verlockendes.“ Scherzte ich und rannte einfach los. Ohne groß zu zögern kam er mir nach. Ich konnte ihn hinter mir hören, er hielt locker mit mir mit. Zumindest noch. „Hast du meine Fährte in der Nase?“ fragte ich dann neugierig. Ob er sich wohl schon darauf konzentrieren konnte? „Klar und deutlich, es ist fast leichter als dich im Auge zu behalten. Obwohl mir das erstaunlicher Weise auch nicht schwer fällt.“ Dann musste er lachen. „Mit dem erschrecken ist es jetzt wohl vorbei hm?“ hörte ich ihn noch fragen. Ich musste weiterhin Grinsen. Adrian wusste eigentlich genau wie schnell ich war, hatte er das etwa vergessen? „Warts nur ab, Schatz.“ Brabbelte ich leise, doch ich wusste er würde es verstehen können. Angestachelt durch seine Aussage beschleunigte ich meine Schritte noch mehr. Zu der Schnelligkeit zu welcher ich in der Lage war, mehr als er oder Sam oder sonst ein Vampir. Es war so leicht mit ihm umzugehen nun, und irgendwie machte es mich glücklich die Sorge um meinen ach so zerbrechlichen Partner endgültig vergessen zu können. Sicher würde gewisse Schwierigkeiten noch immer vor uns liegen, denn Carmela und ihr Partner mussten gefunden und was mich anging auch ganz klar vernichtet werden. Soweit ich konnte, würde ich Adrian aus einem Kampf natürlich raus halten wollen. Auch wenn ich nicht wirklich sehr viel älter war als er, hatte ich doch mehr Kampferfahrungen gemacht. Nur beschlich mich das eigenartige Gefühl, dass Adrian in diesem Fall nicht auf mich hören wird.
Die Schritte hinter mir vielen immer mehr zurück, es war ihm nicht ganz möglich mit mir mitzuhalten. Die Grenze von Frankreich lag inzwischen sicher bereits hinter uns. Bei meinem nächsten Gedanken grinste ich wieder, oder grinste ich immer noch? Nein, das war mir bei der Richtung die meine Gedanken eben kurz hatten sicher vergangen. Ich blieb abrupt stehen und lehnte mich gegen einen Baum, dann wartete ich. Wie ich fest stellen konnte, nicht lange. Denn nur Sekunden später schoss Adrian an mir vorbei und blieb dann ebenfalls plötzlich stehen. Seine Nase musste meine Fährte verloren haben, oder auch gemerkt haben, dass sie in eine andere Richtung umgeschlagen war. Also drehte er sich um und sah mich breit grinsend an. „unglaublich wie schnell du bist.“ Noch bei dem ersten Wort, stand er dann bereits vor mir und küsste mich auf die Stirn. Ich beobachtete ihn sehr genau, wollte abschätzen wie die ganze neue Situation für ihn war. Wenn ich hätte raten müssen, hätte ich gesagt er ist glücklich. „Und wie findest du es?“ er legte seine Hände an meinen Hals, senkte den Kopf und sah mir in die Augen. Seine Stirn ruhte an meiner und dann waren seine Augen geschlossen. Adrian atmete einige unnötige Male tief ein und aus bevor er mir antwortete. „Bisher muss ich sagen, ist es perfekt.“ Wieder wurde ich geküsst, aber auf meine Lippen. Ich verkniff mir meine herablassende Bemerkung, oder ich hatte sie bei dem Kuss vergessen, das war ebenso gut möglich. Schließlich war ihm noch nicht vollkommen bewusst, was er da einschätzen sollte.
Nachdem er mit mir fertig war, nahm er wieder meine Hand. „ Lass uns endlich nach Hause bitte. Ich will nicht hier mitten im Wald über dich herfallen müssen.“ Das verfehlte seine Wirkung nicht. Lachend schüttelte ich den Kopf und setzte mich wieder in Bewegung. Er hatte genau das gesagt, was mir schon in den Kopf gekommen war. Den Rest der Strecke, legten wir Seite an Seite zurück. Kaum ein Wort kam mehr über unser Lippen, stattdessen war ich mir sicher, dass wir beide uns auf die gemeinsame Ruhe freuten. Nur viel uns vor seinem Haus ein, dass weder er noch ich einen Schlüssel bei uns hatten. „Na dann springen wir eben.“ Sagte ich, als wir in der Gasse seiner Wohnung gegenüber standen. Die Frage in seinem Gesicht war im Bruchteil einer Sekunde verschwunden. Ich erinnerte mich kurz an die Zeit vor Weihnachten, als ich mit ihm im Arm auf den Balkon gesprungen war und ihm die Luft weg blieb. Vielleicht hatte er den gleichen Gedanken. Denn er zählte bis drei, dann sprangen wir beide gemeinsam ab. Nur musste ich ihn auf der richtigen Höhe bremsen, sonst wäre er wohl über das Dach hinaus geflogen.
Und jetzt traf uns fast der Schlag. Die Wohnung hatte keinen Makel und auch die Balkontür war nur angelehnt. Auch Adrian sah sich skeptisch um. Das Bild noch vor Augen, in welchem Zustand ich ihn in der Klinik vorgefunden hatte, fragte ich mich warum hier alles seine Ordnung hatte. Und dann, als wenn zwei Gehirne gleichzeitig klickten, sahen Adrian und ich uns an. „Sam.“ Kam es von uns beiden wie aus einem Mund. Da war aber noch etwas in dieser Sekunde als wir uns ansahen, als wenn noch etwas klickte. Denn dann klebte er auch schon an mir, wir waren regelrecht gierig aufeinander. Trotzdem konnte ich mich aber nur langsam daran gewöhnen, mich nun nicht mehr zurück halten zu müssen. Es war so anders, aber diesmal weil Adrian nun auch anders war. Stück für Stück forderte er immer mehr von mir ein und ich merkte wie ich nach und nach ich selbst wurde. Bisher hatte ich mich immer so sehr zurück halten müssen, auch wenn ich noch so wild auf mehr war. Das war teilweise frustrierend. Aber das nun einfach so ablegen zu können, war dadurch nur mehr befreiender. Verletzten konnte ich ihn nicht mehr, wenn ich einmal zu doll zupackte, und was wohl noch besser war, die Bisse würden auch ausfallen. Obwohl sich bei diesem Gedanken ein wenig Leid in meine Gefühle mischte. Denn trotz der Gefahr, hatten wir beide es geliebt, wenn wir mehr teilen konnten wie jedes andere Paar auf diesem Planeten. Doch das würde schnell vergessen sein. Bei dem was wir jetzt miteinander erlebten, war das nicht mehr wichtig, nicht mehr nötig. Wir hatten alles was wir brauchten genau hier, im Arm des anderen.
Mit Sicherheit mussten Stunden vergangen sein, seit wir wieder in Adrians Wohnung waren, oder waren es Tage? Beinah hätte ich bei dieser Überlegung mit den Schultern gezuckt, denn wen interessierte das schon? Ich war sicher die letzte die sich darum scherte gerade und auch der Mann vor mir machte nicht den Eindruck als wenn er über etwas in der Richtung nachdachte. Um genau zu sein, sah er sehr lange nicht so aus, als wenn er überhaupt nachdachte. Die Zeit verging für uns nun ganz anders, niemand musste vor Erschöpfung eine Pause machen oder weil sein Magen knurrte. Um ehrlich zu sein, hätten wir ohne große Sorgen locker eine Woche so weiter machen können, solange bei keinem von uns der Durst zu groß wurde. Im Grunde waren es nur die zerschepperten Möbel, die mich in einem Augenblick nach dem gewissen Augenblick etwas ablenkten. Ich pustete unnötige Luft durch meine Lippen als mein Blick auf einen Haufen von Stoff, Polstern und Holz fiel. War das nicht mal die Couch? Naja, zumindest hatten Teile davon noch die gleiche Farbe. Da Adrian mir mit seinem Gesicht zugewandt war, folgte er meinem Blick als er ihn bemerkte. „Das geht schneller, wie man denkt hm?“ fragte er mich sehr leise, bevor er mich wieder ansah und zu meiner Überraschung breit grinste. Ich nickte. „Ja zu dumm, dass es keine Versicherungen für zerstörerische Vampire gibt.“ Dann lachten wir beide und ich erinnerte mich, dass mir dieser Gedanke schon einmal gekommen war. Nur war diese vergangene Situation viel weniger erfreulich. Noch vor einigen Wochen hatte ich vor Wut seine Tür und sein Sofa zerlegt weil er gebissen worden war und diese Bisswunde nicht von mir stammte. Aber ich beschloss, dass jetzt der ganz falsche Zeitpunkt war, um an etwas in der Art zu denken. Für Vergeltung würde der Zeitpunkt noch früh genug kommen. Also veranlasste mich Adrians Aussage eher mich noch mehr umzusehen. Und meine Augen wurden sicher immer größer. Denn nicht nur das Sofa war Schrott, sondern auch fast alles vom Rest der Einrichtung. Ich wusste nicht ob ich lachen oder heulen sollte, so wie die Wohnung aussah. Vielleicht mussten es doch Tage sein, die vergangen waren. Aber ich konnte nicht anders als zu grinsen, vor allem als Adrian mich genauso grinsend wieder ansah. Natürlich hatte auch er sich umgesehen und das Chaos genau registriert. Und als wir den Haufen Glassplitter bemerkten, auf dem wir regelrecht saßen, war es vorbei mit jeder Ernsthaftigkeit. Etwas in der Art war mir natürlich noch nicht passiert und auch für Adrian, der natürlich das erste Mal in seinem neuen Leben überhaupt Sex hatte war es eine Überraschung. Aber offenbar eine sehr witzige. „Das heißt dann wohl shoppen was?“ scherzte ich lachend und legte mich ruhig in seine Arme. „Damit wir noch einmal alles zerstören können meinst du?“ fragte er mich und lachte mich aus. „Stimmt! Die Tatsache, dass da drüben etwas Putz von der Wand gekommen ist, sagt uns doch eigentlich, dass wir uns etwas zusammen reißen sollten.“ auch ich musste immer noch lachen, sah ihm dann aber gespielt ernst in die Augen. „Oder möchtest du das nächste Mal bei deinen Nachbarn landen, wenn wir grade voll dabei sind?“ Er überlegte eine Sekunde lang, aber nur um dann das Gesicht völlig albern zu verziehen. „Nee lass mal lieber.“ Dann wurde ich wieder geküsst und zum Schweigen gebracht. Wie schnell die eigene Stimmung in eine ganz andere Richtung umschlagen konnte war sehr faszinierend.
Nur mein Telefon wurde nach einigen weiteren Stunden langsam zu einem Störfaktor. Die Zeit zwischen den von uns bisher erfolgreich ignorierten Anrufen wurde immer kürzer und das Klingeln immer länger. Bis wir schließlich beide genervt genug waren um eine Pause für möglich zu halten. Als ich das Gespräch nach 34 verpassten Anrufen endlich entgegen nahm, hatte ich eine etwas wütende Janni an der Strippe. „Ach kannst du auch endlich ran gehen?“ schon wieder grinste ich. Ich hockte auf dem Boden und sah Adrian nebenbei dabei zu, wie er den größten Schaden zusammen schob. „Bist du mal auf die Idee gekommen, dass ich schwer beschäftigt sein könnte?“ – „Seit über 13 Stunden?“ schrie sie mich fast an. Oh dachte ich nur, was? 13 Stunden ignorierte ich schon das Telefon? Bei dieser Aussage riskierte ich einen flüchtigen Blick aus dem Fenster um wenigstens schon einmal fest zu stellen, ob es Tag oder Nacht war. Wie wenig mich diese Tatsache interessiert haben musste, bemerkte ich erst jetzt so richtig. Da es stockfinster in den Augen eines Menschen war, ging ich von Nacht aus. Logisch. „Hast du nicht mal mit Sam darüber gesprochen? Ich denke nämlich, dass sowas ganz normal für unser eins ist.“ Das wollte sie jetzt aber genauer wissen. „Willst du mir erzählen, dass du seit über 13 Stunden Sex hast?“ Adrian am anderen Ende des Raumes begann zu lachen. Ich sah ihn an und hatte verstanden. Natürlich waren seine Ohren so gut, dass er jedes Wort von Janni verstehen konnte. „Wenn du ihr jetzt sagst, dass es eigentlich schon fast drei Tage sind, dreht sie vermutlich durch.“ Er lachte weiter und sah mich an, aber mein Gesicht war wie vom Donner gerührt. War das möglich? Konnte man dermaßen das Gefühl für Raum und Zeit verlieren, dass man nicht mehr mitbekam was man zerlegte und wie lange schon? „Naja…“ nuschelte ich ins Telefon, Janni hatte sicher nicht gehört, was der Mann den ich liebte da eben gesagt hatte, aber ich suchte noch nach meiner Konzentration, die teilweise auch drauf ging, weil er noch nicht viel an hatte. „Naja was?“ Janni wartete immer noch auf eine Antwort. „Egal.“ Sagte ich dann nur noch. „Jetzt bin ich ja dran. Was gibt es denn?“ Obwohl ich bereits eine Ahnung von dem hatte, was es da geben konnte, fragte ich sie trotzdem. Innerlich hatte ich vielleicht die Hoffnung auf eine normale Zukunft für Janni noch nicht ganz aufgegeben. Auch wenn es noch so albern war. „Naja ich wollte dich um Hilfe bitten.“ Hä? „Hilfe wobei?“ hakte ich nach. Ihre Antwort kam zögernd. Ich hatte noch immer Adrian im Auge, und auch er war zu mir gekommen und wartete auf ihre Antwort. „Naja, also, ich will zu Sam ziehen. Ich werde Jared verlassen!“