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b) Die Auseinandersetzung der Kirchenväter und Apologeten mit dem Erbe des griechisch-römischen Heilwissens
ОглавлениеDie Bewahrung des antiken griechisch-römischen Heilwissens durch die frühmittelalterlichen Klöster war indes alles andere als ein selbstverständlicher Prozess. Die Kirchenväter und Apologeten setzten sich ebenso intensiv wie kritisch mit den Inhalten und Konzeptionen der Schriften aus der heidnischen Vergangenheit auseinander. Im Vordergrund stand dabei zunächst die untrennbar mit der christlichen Krankheitskonzeption verknüpfte Frage, ob der Mensch nicht durch ein Studium des Körpers und Versuche zur Behandlung von Krankheiten dem göttlichen Heilsplan zuwiderhandle. Krankheit und Gesundheit waren nach dieser Auffassung keine allein rational erklärbaren Phänomene, sondern gottgewollte Zustände. Die gegensätzlichen Pole, den Körper im platonischen Sinne als erhaltenswerte göttliche Schöpfung zu betrachten und gleichzeitig Erkrankungen eine unabänderbare Funktion innerhalb des unergründlichen göttlichen Heilskonzepts zugestehen zu müssen, waren nicht leicht zusammenzuführen.
Ambrosius, Basilios und Hieronymus
Der Kirchenvater Ambrosius (340 – 397) war der Auffassung, die von Gott gesandte Krankheit gelte sowohl der irdischen Läuterung wie auch der Vorbereitung auf das Jüngste Gericht. Den Arzt wollte er dennoch nicht ausgeschlossen wissen. Dieser sollte mit all seinem Vermögen den Dienst an den Kranken versehen. Basileios der Große (329 – 379), Bischof von Caesarea und Gründer eines großen Xenodochiums, einer legendenumwobenen Einrichtung zur Betreuung Fremder, Kranker und Armer, sah in der Heilkunst ebenso eine göttliche Gabe wie in der Krankheit. Der Kirchenvater Hieronymus (348 – 420) propagierte das Bild vom einzig wahren heilenden und zugleich heilbringenden Arzt, dem Christus Medicus; eine Vorstellung, die für die Medizin im mittelalterlichen Abendland prägend bleiben sollte. Augustinus (345 – 430) schließlich billigte der Medizin zwar zu, hilfreich für die Christenheit zu wirken, doch erfüllte Krankheit in seinen Augen die Funktion einer göttlichen Ermahnung. Mit dieser Vorstellung befand er sich fest auf dem Boden der Heiligen Schrift. So heißt es darin schon bei Jesus Sirach im 15. Vers des 38. Kapitels: „Nur wer vor seinem Schöpfer sündigt, wird in des Arztes Hände überliefert.“ Entsprechend sollten die Mittel zur Krankheitsbehandlung – und dies durchaus nicht nur im übertragenen Sinne – ebenso bitter sein wie die Buße. Strikt wandte sich Antonius gegen die Anatomie, die in seinen Augen nichts dazu beigetragen habe, jene rechten Maßverhältnisse zu entdecken, auf denen die Harmonie eines Körpers beruhe. Dieser werde vielmehr nur durch seine innerliche wie äußerliche Ganzheit zu einem vollkommenen Organismus. Eine Vorstellung, die weitreichende Folgen für die Entwicklung und Rolle der mittelalterlichen Anatomie und Chirurgie haben sollte.