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„Asher! Asher, lass sie los. Zwing mich nicht dazu, dir einen Schlag zu verpassen!“

Es war nicht so, dass Asher Echo nicht hören konnte, die ihm ins Ohr kreischte. Es war eher so, dass es ihn nicht interessiert. Nicht Echo. Nicht Rhys, dessen Finger jetzt Asher im Nacken packten. Nicht Mere Marie, die wahrscheinlich sehr viel Schlimmeres tun würde, als ihm einen Schlag zu verpassen.

Ashers Bär hatte die vollständige Kontrolle und im Moment war Ashers Bär nur daran interessiert, in die Hocke zu gehen und Kira von der Anwesenheit jedes anderen Lebewesens auf diesem Planeten abzuschirmen. Vielleicht war es eine Art Belohnungsaufschub. Asher hatte seinem Bären fast fünfzehn Jahre lang den Anblick, Berührung, Geruch und Geschmack seiner Gefährtin verweigert.

Jetzt würde sein Bär all das in sich aufsaugen. Dabei war es ihm völlig egal, dass um sie herum das reinste Chaos herrschte. Es war völlig egal, dass die kleine, wundervoll kurvige, aschblonde Schönheit gegen seine Arme ankämpfte und ihn gerade erst geschlagen hatte.

Asher vergrub sein Gesicht an ihrem Hals und leckte ein oder zwei Mal unverfroren über die empfindliche Haut dort, während er sie in einer erdrückenden Umarmung hielt.

„Asher!“, erklang Kiras gedämpfter Schrei. Sie wand sich in seinen Armen, was seinen Körper gefährlich hart werden ließ. Was ihn daran erinnerte, wie sehr sich doch allein ihre Anwesenheit auf ihn auswirkte. „Asher! Lass mich runter!“

Kira knurrte, als Asher sie hochhob und sich durch den Rest des Wächter Teams drängte. Er verstand kein Stück, was hier vor sich ging, warum sie hier war, wie das möglich war. Aber den Bären in ihm scherte das nicht und momentan war Asher geneigt, dem beizupflichten. Asher und der Bär waren beide der Meinung, dass Kira sicher in seinem neuen Schlafzimmer im Herrenhaus sein sollte. Also würde genau das passieren.

Asher sprintete beinahe zur Eingangshalle des Herrenhauses, wo er eine scharfe Linkskurve machte und direkt auf die Wand zu rannte. Der Schlupfwinkel, den Mere Marie vor einigen Tagen erschaffen hatte, öffnete sich in Reaktion auf seine Gegenwart und Asher lief direkt hindurch in dem Wissen, dass ihm keiner der anderen Wächter folgen konnte. Der Schlupfwinkel war magisch auf ihn abgestimmt und bot ihm seine eigenen Privaträume, die denen von Rhys, Gabriel und Aeric glichen.

Die Tür zu seinem Schlafzimmer auftretend hielt Asher erst an, als er Kira auf die Kante seines Bettes setzte. Er schob ihre Knie auseinander und stellte sich zwischen ihre Schenkel. Er umschloss ihr Kinn, um ihren aufmüpfigen Blick nach oben zu zwingen, was ihm Zugriff auf das gewährte, was er mehr als alles andere wollte: tief in Kiras umwerfende winterblaue Augen schauen.

In dem Moment, in dem sich ihre Blicke ineinander verhakten, erinnerte sich Asher an das letzte Mal, als sie ihn genau so angesehen hatte. Die wunderschöne neunzehnjährige Kira, nur in ein Laken von Ashers Bett gewickelt, dicht an seinen Körper gekuschelt. Sie hatte ihn mit diesen großen blauen Augen angeschaut, ihre vollen rosa Lippen hatten sich an den Winkeln angehoben und da hatte Asher es gesehen.

Liebe. Echte, wahre Liebe. Nicht nur das Gefährten-Zeug, obwohl sie erst seit wenigen Monaten zusammen gewesen waren. Nein, Kira hatte ihn mit dieser einzigartigen und unverkennbaren Mischung aus Zuneigung, Erregung und Heiterkeit angesehen. Dieser Blick hatte ihm ihr Vertrauen, ihre Akzeptanz und ein Versprechen für die Zukunft angeboten.

Ein besserer Mann, hätte dieses Versprechen wahr werden lassen.

Ein besserer Mann hätte alles angenommen und akzeptiert, was Kira Louise Hudson zu bieten hatte. Hätte darauf gebaut, es wertgeschätzt und ihr zehnfach vergolten.

Jedoch nicht Asher. Er hatte einen Blick auf sie geworfen und erkannt, dass er einer solchen Liebe niemals gerecht werden könnte und hatte dann alles zerstört.

„Asher“, sagte Kira und brachte ihn zurück in die Gegenwart. „Hör auf. Lass mich gehen.“

Sie drückte gegen seine Hand und er gab sie frei, aber als sie versuchte, ihn einen Schritt zurück zu schieben, blieb er standhaft.

„Ich will nicht – ich will dich nicht so nah bei mir haben“, sagte Kira, die eine finstere Miene aufsetzte und einige Zentimeter auf dem Bett nach hinten rutschte. „Ich verstehe nicht, was hier passiert. Warum bist du hier? Warum bin ich hier? Hast du… hast du mich entführen lassen?“

In ihren letzten Worten schwang eine ordentliche Portion Angst und Misstrauen mit und Asher fühlte die Anschuldigung wie einen körperlichen Schlag.

„Das würde ich niemals tun“, knurrte er, verschränkte die Arme und machte einen Schritt zurück, bevor sich sein Bär wieder erheben und die Kontrolle übernehmen konnte. Sein Bär sehnte sich verzweifelt danach, sie zu berühren und zu schmecken. Ihm war Kiras Meinung nicht sonderlich wichtig, ganz egal, wie schlecht sie aktuell sein mochte. Asher kämpfte seine Urinstinkte nieder und bemühte sich, sich auf das Wort entführt zu konzentrieren. Wenn seiner Gefährtin etwas passiert war, dann sollte er verdammt nochmal besser auf den Grund des Ganzen vordringen. „Erzähl mir, was passiert ist.“

Kiras anschuldigende Miene bröckelte. Einen Wimpernschlag später traten ihr Tränen in die Augen und ihre Unterlippe zitterte.

„Ich… ich bin mir nicht sicher“, brachte sie irgendwie hervor. „Ich lief die Straße in Baton Rouge entlang –“

„Baton Rouge?“, unterbrach Asher sie verblüfft. „Warum warst du nicht in Union City?“

Er hatte in Union City einen gut bezahlten Gestaltwandler angestellt, der ein Auge auf Kira haben und sie aus Schwierigkeiten raushalten sollte.

„Ich lebe seit drei Jahren in Baton Rouge“, giftete sie. „Nicht, dass du das wissen würdest, aber meine Oma Louise starb vor ein paar Jahren und dann gab es nichts mehr, das mich in Union City gehalten hat. Außerdem fingen die Leute an zu bemerken, dass ich nicht mehr alterte. Man kann nicht einfach für immer wie fünfundzwanzig aussehen und hoffen, dass es keiner bemerkt. Ich lebte fast ein halbes Jahrhundert in der gleichen Stadt. Irgendwann kann man es nicht mehr nur auf die guten Gene schieben.“

Asher wurde von dieser Enthüllung einen Moment aus der Bahn geworfen. Kira sah älter aus als in den Erinnerungen, die er an sie hatte, klar. Sie hatte allerdings recht. Es war fast fünfzehn Jahre her, seit er ihr in jener Nacht erzählt hatte, dass er sich den Marines angeschlossen hatte und nicht zu ihr zurückkommen würde.

Diesen Gedankengang abschüttelnd, bohrte er weiter.

„Du wurdest von der Straße entführt“, hakte er nach.

Kira nickte knapp.

„Sie steckten mich in einen Van und sperrten mich in einen Keller.“ Sie wurde beim Sprechen zunehmend aufgebrachter und Asher konnte einfach nicht anders, als eine Hand auszustrecken und ihre zu ergreifen. Er verflocht ihre Finger ineinander und genoss die Möglichkeit, sie zu berühren, während er weiterhin versuchte, mehr zu erfahren.

„Wie lange?“, fragte Asher. „Ich muss alles wissen.“

„Vier Tage, vielleicht fünf.“ Kira hob eine Schulter und schluckte. Die zierliche Säule ihrer Kehle arbeitete, während sie darum kämpfte, die Ruhe zu bewahren. „Dann wieder der Van und… dann war ich hier.“

„Wem hast du von mir erzählt?“, wollte Asher wissen, dessen Gedanken ziellos umher wirbelten. „Lass niemanden aus.“

Kira gab ein humorloses Lachen von sich.

„Äh, niemandem“, erwiderte sie, eindeutig verstimmt von seiner Frage. „Da gibt es nichts zu erzählen.“

Asher war da ganz anderer Meinung, aber jetzt war nicht die Zeit dafür.

„Seit ich Union City verlassen habe, hast du es niemandem erzählt?“, fragte er.

Kira schürzte die Lippen, dann seufzte sie und schien ernsthaft über seine Frage nachzudenken.

„Vielleicht meinem Ex“, gestand sie. „Ich habe ihm nicht alles erzählt… Nicht, dass es viel zu erzählen gibt –“

„Dein was?“, brachte Asher zähneknirschend hervor.

„Aua!“, schrie Kira und zog ihre Hand aus seiner. „Meine Fresse, brich mir nicht die Finger. Mein Ex-Freund, Marshall Logan. Du weißt, von wem ich rede. Wolfgestaltwandler, sandblondes Haar…“

Asher schloss kurz die Augen in dem Versuch, den roten Schleier zu verdrängen, der sich vor sein Sichtfeld geschoben hatte. Er kannte Logan nur allzu gut, da sie gemeinsam bei den Marines gedient hatten. Nicht nur das, sondern Logan war auch der so genannte Angestellte, den Asher weiterhin bezahlte in der Annahme, dass er Kira beschützen würde. Beschützen und weit weg von anderen Männern halten würde.

Mit ihm würde er noch abrechnen und zwar bald. Marshall Logan würde ein oder zwei Dinge über Schmerzen lernen und es würde sehr viel schlimmer sein als in der Grundausbildung.

Asher zwang sich dazu, sich zu entspannten, seine Fäuste und Kiefer zu lockern. Als er wieder die Augen öffnete, verdrängte er Logan und den Begriff ‘Ex-Freund‘.

„Es tut mir leid, dass das passiert ist, Kira. Ich schwöre dir, ich werde dich beschützen“, beteuerte er und betrachtete sie eindringlich.

Kira hob eine Braue.

„Ich nehme keine Versprechen von Lügnern an“, fauchte sie spöttisch.

Ashers Lippen zogen sich zurück und er hatte schwer damit zu kämpfen, bei dem Wort Lügner nicht die Zähne zu fletschen.

„Ich habe dich nicht belogen, Kira. Ich habe dir gesagt, dass ich nicht zurückkommen würde“, zischte er.

„Das war das einzige Versprechen, das du nicht gebrochen hast“, konterte sie. „All das Zeug, dass du mein vom Schicksal bestimmter Gefährte wärst, mich beschützen würdest, allen anderen abschwören würdest…“

Weißglühende Wut strömte durch Ashers Adern, weil er all diese Versprechen gehalten hatte, ob das Kira nun wusste oder nicht.

„Du bist meine vom Schicksal bestimmte Gefährtin“, sagte er stattdessen, wobei sein ernster Tonfall sie dazu herausforderte, ihm zu widersprechen.

„Ha!“, machte Kira nur. Sie benahm sich wirklich aufsässig, doch Asher ergriff die Gelegenheit beim Schopf, es ihr zu beweisen, ihr zu beweisen, dass sie auf jeder möglichen Ebene miteinander verbunden waren.

Asher beugte sich im Nu über sie, drückte sie nach hinten auf das Bett und fixierte sie mit seinem großen Körper. Er grub die Finger einer Hand in ihre Haare, während die andere ihren Kiefer umfing, und küsste sie.

Hart. Fordernd. Wütend.

Asher legte all sein Begehren und Frust in den Kuss, löste Kiras Widerstand mit seinen Lippen und Zunge und Zähnen auf. Zwickte, leckte und knabberte, bis Leben in sie kam. Kira wand sich unter ihm, ihr Körper hielt sein Gewicht, ihre Arme legten sich um seinen Hals, ihre Fingernägel kratzten über seine Schultern.

Die winzigen Laute begieriger Lust, die sie in seinen Mund stöhnte, der Druck ihrer Brüste an seiner Brust, das sanfte Wiegen ihrer Hüften an seinen, wie sie sich gleich einer Wildkatze an ihn krallte…

Das. Das war die Kira, die Asher kannte, nach der er sich sehnte.

Doch im nächsten Moment änderte sich etwas zwischen ihnen. Kira erstarrte und schubste ihn weg. Asher versuchte, sie erneut zu küssen und sie schlug ihn doch tatsächlich.

Fest, direkt auf den Mund.

„Geh. Runter. Von. Mir“, drohte Kira. „Verdammt nochmal, geh runter von mir, Asher. Du kannst das nicht einfach tun.“

Asher wich einen Augenblick später vorsichtig zurück.

„Ich brauche…“, begann Kira, dann stoppte sie. Sie starrte eindringlich auf seine Hand, ihr Blick versengte seine Haut. „Was ist das?“

Asher blickte hinab auf seine geballte Faust und öffnete sie dann, die Handfläche nach unten. Sie starrten beide auf die dünnen Linien schwarzer Tinte, die sich von seinem Daumen zu seinem Handgelenk wanden. Das Tattoo war eine zart umrissene Schwalbe, ein Klecks Schönheit auf der harten Leinwand von Ashers Körper. Fremde machten oft Bemerkungen zu dem Tattoo und diesen Fremden wurde immer gesagt, sie sollten sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern.

„Ein Tattoo.“

Kira zog eine Braue hoch.

„Das ist witzig, denn ich habe genau das Gleiche“, sagte sie und verschränkte die Arme. „Direkt zwischen meinen Brüsten.“

Asher betrachtete sie, ohne zu sprechen, weil er sich nicht erklären wollte.

„Was noch witziger ist“, fuhr Kira fort, „ist, dass ich es mir habe stechen lassen, nachdem du fort warst und du hast es nie mit eigenen Augen gesehen. Wirft die Frage auf, wie es kommt, dass du das genau gleiche Tattoo hast.“

Was wollte sie, dass er ihr erzählte? Dass ihm seine Spione von ihrem Besuch im Tattoostudio berichtet hatten? Dass er den Tätowierer aufgespürt und ernsthaft den Mord des idiotischen Narren in Erwägung gezogen hatte, weil er die eine Frau markiert hatte, die Asher nicht markieren konnte? Dass er sich stattdessen spontan dazu entschieden hatte, sich selbst unauslöschlich mit Kiras selbstentworfenem Design markieren zu lassen?

Ja, diesen Mist würde er ihr so was von nicht erzählen.

„Schön. Weißt du was? Ich denke, es braucht keine Erklärung. Du bist einfach ein genauso großes Arschloch wie an dem Tag, an dem du gingst. Also…“ Sie kletterte vom Bett und brachte Distanz zwischen sie. Ihre Gesichtszüge hatten sich verhärtet. „Ich muss duschen. Ich muss schlafen.“

„Also dann dusch und schlaf“, erwiderte Asher und warf ihr einen verwunderten Blick zu. Sie wusste doch sicherlich, dass alles, was ihm gehörte, auch ihr gehörte?

„Allein“, sagte sie, wobei ihre Stimme zu einem Flüstern sank. „Ich möchte allein sein. Ich – ich kann das jetzt einfach nicht tun. Es ist zu viel.“

„Es gibt ein Gästezimmer“, sagte Asher, der sofort von Schuldgefühlen geplagt wurde.

„In welche Richtung?“, fragte Kira.

„Komm mit“, seufzte Asher, dessen Gedanken wild durcheinander fegten, tausende füllten seinen Kopf. Die Empfindung ließ ihn beinahe schwindeln. Er führte Kira den Flur entlang zum Gästezimmer und zeigte ihr das private Badezimmer und alle Annehmlichkeiten.

„Lass dir Zeit“, sagte Asher, als er aus dem Gästezimmer in den Flur trat. „Du bist hier in Sicherheit. Wir können später alles andere klären. Also mach dir keine Sorgen um… du weißt schon, die Dinge zwischen uns.“

Die Hand auf der Türklinke hielt Kira einen Augenblick inne.

„Asher, da gibt es nichts zu klären. Zwischen uns gibt es nichts mehr.“

Noch ehe Asher ein Wort sagen konnte, schlug sie ihm die Tür vor der Nase zu. Er war verblüfft. Während er zurück in sein Zimmer ging, arbeitete die militärische Hälfte seines Gehirns bereits und schmiedete Pläne, um Kiras Sicherheit zu gewährleisten.

Sein Bär war jedoch eine ganz andere Geschichte. Kiras Worte hatten ihn tief getroffen, sehr viel tiefer als Asher für möglich gehalten hätte.

Konnte es stimmen? Hatte Asher Kiras Liebe für immer verloren?

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