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Alex Hansard hatte sich noch nie so fehl am Platz gefühlt, als sie in der steifen Rechtsanwaltskanzlei von Herrn Magnus Turner, Esquire, Rechtsanwalt und Mitglied des Berseker Alpharats saß. Und genau dieser Mann sah sie jetzt mit einem eindeutig missbilligenden Blick an, während er durch den Stapel der ordentlich gebündelten Dokumente blätterte, die sie ihm gegeben hatte. Sie zeigten die Position an, die sie darstellte und die Petition, von der sie hoffte, dass er sie unterschreiben würde.

Alex brauchte Herrn Turner, um der erste Alpha Berserker zu sein, der an ihrem Anliegen interessiert war und der ihr half, ihre Kampagne für Gleichberechtigung aufs nächste Level zu bringen; Vorstellung und Petition beim Alpha Rat, der Regierungsbehörde aller Berserker in den Vereinigten Staaten.

Obwohl sie sich der Angelegenheit entsprechend richtig angezogen hatte, indem sie ihren kurvigen Körper mit einem maßgeschneiderten schwarzen Bleistiftrock und einem weiblichen, cremefarbenen seidenen Frackhemd bedeckt hatte, gepaart mit schnittigen schwarzen Stöckelschuhen. Alex fühlte sich dennoch nicht angemessen gekleidet, als sie auf ihre elegant gekleidete Gesellschaft starrte.

Ihre Hand fuhr hoch und berührte die sorgfältig hochgesteckten Locken und vergewisserte sich, dass nicht eine einzige rothaarige Locke aus der Reihe tanzte. Sie erschrak, als sie erkannte, dass sie sich tatsächlich nervös verhielt, und zog ihre Hand wieder zurück auf ihren Schoss. Sie schürzte ihre Lippen und starrte den Mann hinter dem großen Eichentisch an.

„Das erste Problem bei Ihrem Fall, Fräulein Hansard, ist einfach, dass Berserker nicht mit demselben Gesetz wie Menschen regiert werden. Sie nutzen das menschliche Gesetz und Logik in Ihren Argumenten und das passt nicht zum Alpharat“, keuchte Herr Turner und warf Alex einen langen Blick über die Spitze seiner dicken Brillengläser hinweg zu. Sein Haar war fast silbern und wurde schon weiß, sein Körperbau war schon ein wenig in Mitleidenschaft gezogen, aber seine stechenden, grauen Augen knisterten vor Intelligenz.

Alex zappelte auf ihrem starren Lederstuhl herum und ließ ihren Blick in Herrn Turners dunkel gehaltenem Büro herumwandern. Als regierendes Mitglied des Alpharats und als lebenslanger Anwalt, war Turner ein hervorragender Experte im Berserker Gesetz. Er war auch ein Freund von Gregor England, der Berserker, der Alex heute hier hergebracht hatte, um ihren Fall zu präsentieren.

Gregor saß jetzt neben ihr, trug einen makellosen dunklen Anzug und sah sehr flott aus, ihm stand sein Alter besser als Turner. Gregor war erst vierzig im Gegensatz zu Turners 60 Jahren und war immer noch stramm und jung aussehend. Dunkles Haar, gebräunte Haut und ein freundliches Lächeln. Nur seine unverwechselbaren koboldblauen Augen gaben das Geheimnis preis, das er und Alex teilten.

Alex wandte ihren Blick von dem Alpha ab, der während der letzten Monate so einen Tumult in ihrem Leben verursacht hatte und wandte ihre Gedanken wieder dem aktuellen Thema zu.

„Und das zweite Problem?”, fragte Alex und hob ihren Blick, um Herrn Turners zu treffen.

„Das zweite Problem ist das Thema. Berserkers werden von Alphas beherrscht, Alphas sind grundsätzlich männlich. Es gibt nicht viele Alphas, die daran interessiert sind, neue Rechte zugunsten von Frauen und Mischlingen einzuführen“, seufzte Herr Turner.

Alex spürte, wie ihr Gesicht rot wurde, als neue Wut in ihr aufstieg. Als Mitglied beider Kategorien, als Frau und halber Werbär verübelte sie Turners Worte, sogar als sie ihre Wahrheit erkannte.

„Es gibt mehr Frauen, als Männer auf der Welt, Herr Turner“, sagte Alex und hielt ihren Ton ausgeglichen. „Sogar in der Werbär Gemeinde, sind Frauen leicht in der Überzahl. Was Mischlinge angeht, da sind es viel mehr von uns als Sie vielleicht erkannt haben.“

Alex räusperte sich und drückte sich in ihren Sitz, stolz drückte sie ihr Rückgrat durch.

Obwohl sie erst vor ein paar Jahren von ihrem Werbär Erbe erfahren hatte und sie ihre Beziehung zu Gregor England erst vor ein paar Monaten entdeckt hatte, fühlte sie sich stark für die Anliegen der Berserker. Der Alphacode war veraltet und überholt, nicht vereinbar mit der menschlichen Lehre in Nordamerika.

Turner warf ihr einen weiteren unergründlichen, suchenden Blick zu. Das Gewicht dieser langsamen Betrachtung ließ Alex nervös werden und sie fühlte sich wie eine reinrassige Preisträgerin, die vor dem Verkauf untersucht wurde. Der Blick war genau der, den Alex an den Werbär Gesetzen hasste; sie war kein Objekt, etwas das einem Ehemann oder einem Vater oder einem Alpha gehörte. Sie hatte ein Leben und einen Job und eine Existenz. Sie war mehr wert, als die Summe der Teile oder der Form ihres Körpers, mehr als nur ihre Fähigkeit, Nachwuchs in der Beserker Linie zu erzeugen.

„Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen, Miss Hansard?“, fragte Herr Turner und sein Ton war ruhig.

Alex verschränkte ihre Hände auf ihrem Schoss, um keine verärgerte Geste zu machen.

„Sicherlich, warum nicht?”, seufzte sie und presste ihre Lippen zusammen.

„Können Sie sich verwandeln?“, fragte er.

Alex Lippen teilten sich vor Überraschung. Das war nicht die Frage, die sie in diesem Moment erwartet hatte.

„Ja“, sagte sie mit einem Seufzen. „Obwohl ich mir nicht sicher bin, warum das wichtig ist.“

„Haben Sie sich schon in frühem Alter verwandelt, so wie die meisten unserer Art?“

Alex runzelte die Stirn und hielt ihre Wut im Zaum.

„Nicht ehe ich vierzehn war“, sagte sie schließlich.

„Glauben Sie, Ihre Kinder werden sich verwandeln können? Glauben Sie, sie werden vollblütig sein? Was, wenn Sie einen weiteren Mischling als Partner nehmen? Was wird dann passieren?”, fragte Herr Turner und stellte seine Fragen kurz und knapp.

Alex stand verärgert auf und registrierte kaum die Tatsache, dass Gregor ihr nicht folgte.

„Ich glaube, wir sind hier fertig. Sie müssen nicht unverschämt werden, nur weil Sie mit meiner Idee nicht einverstanden sind“, sagte sie und warf ihm ihren gebieterischen Blick zu.

„Verzeihung Fräulein Hansard“, erwiderte Turner und hob seine Hände. „Ich stelle Ihnen nur die Fragen, die jeder Alpha im Rat Sie fragen würde. Ich bringe das zur Sprache, weil Ihr persönliches Erbe das dritte Problem bei Ihrem Anliegen ist.“

„Meine Gene gehen niemanden etwas an“, keifte Alex.

„Wenn Sie wieder Platz nehmen würden”, sagte Turner und zeigte auf den Stuhl, von dem sie aufgestanden war.

Alex schaute Gregor an, der ausdruckslos zuckte. Sie knurrte, als sie erneut ihren Platz einnahm, Ungeduld brodelte in ihrer Brust.

„Alphas geht es nur um Macht und Erbe, Alexandra. Indem Sie die Rechte der Frauen und Mischlinge erhöhen, riskieren Sie die Macht der Alphas und das Erbe. Dabei haben Sie selbst gar keine Abstammungslinie. Um ehrlich zu sein, eine uneheliche Mischlingsfrau… Es gibt zu viele Faktoren, die gegen Sie sprechen.“

„Und was schlagen Sie vor? Soll ich mich wie ein Mann anziehen? Soll ich lügen, dass ich keine menschliche Mutter habe? Ich kann die beiden Dinge nicht ändern und ich will sie auch nicht ändern.“

„Ich schlage vor, dass Sie sich überlegen rechtmäßig zu werden“, sagte Turner und verschränkte seine Arme und lehnte sich in seinen Sitz.

Alex fühlte den Schweiß auf ihrer Stirn ausbrechen und es brauchte ihre ganze Willenskraft, sich nicht mit einem argwöhnischen Blick zu Gregor umzudrehen. Hatte Gregor ihre Beziehung Turner gegenüber ohne ihre Erlaubnis erwähnt? Sie war sehr offen gewesen mit ihren Wünschen, nicht beansprucht zu werden.

„Ich glaube, ich verstehe Sie nicht“, sagte Alex und hielt ihre Worte wohlüberlegt.

„Suchen Sie sich einen Partner, Fräulein Hansard. Nicht irgendeinen Partner, einen Erben. Jemand, der schon bald ein Alpha sein wird. Ein Partner mit der Macht, Ihren Anspruch zu stärken, gibt Ihnen einen Vorteil, wenn er einen Sitz im Alpha-Rat einnimmt.“

„Das ist doch albern“, schnaubte Alex. „Ich werde nicht heiraten, nur weil Sie glauben, dass das dabei hilft, einen Haufen älterer Männer zu überzeugen.“

Turners Blick wurde hart und er stand auf. Noch ehe er sprechen konnte, stand Gregor auf und ging dazwischen.

„Magnus, ich danke dir”, sagte Gregor und bot Turner seine Hand. Eine schlaue Art, Alex daran zu erinnern, dass sie nur wegen Gregors gutem Willen hier war und dass sie versprochen hatte, die reine Höflichkeit während dieses Gesprächs zu sein.

„Ja, Herr Turner, danke Ihnen. Ich entschuldige mich für meine Unhöflichkeit. Ich bin nur … sehr leidenschaftlich mit meinem Anliegen“, sagte Alex und brachte die erzwungene Entschuldigung hervor, ehe sie es völlig vermasselte.

Turner entspannte sich ein wenig und akzeptierte ihren Händedruck.

„Ich gebe Ihnen den besten Rat, den ich habe, tut mir leid“, sagte er. „Ich persönlich glaube, Sie haben recht damit, wenn Sie einige Berserker Gesetze modernisieren wollen.“

Er klopfte auf ein großes Buch auf seinem Tisch, ein Schinken eingeschlagen in uraltem braunem Leder, seine persönliche Kopie des Alpha Codes.

„Okay. Na ja, ich werde über Ihren Rat nachdenken“, erwiderte Alex und setzte ein sorgfältiges Lächeln auf.

Jemand klopfte an der Tür und eine kleine, blonde Sekretärin steckte ihren Kopf hinein.

„Ihr zwei Uhr Termin ist da, Herr Turner“, sagte die Frau.

„Ah. Ein Landstreit”, sagte Turner zu Alex und Gregor. „Ihr müsst mich entschuldigen“.

„Vielen Dank für deine Zeit“, sagte Gregor. Alex machte ihn nach und war bereits gelangweilt von dem Austausch. Nach einer weiteren Runde Händeschütteln, waren sie frei und traten aus der protzigen Lobby im Erdgeschoss von Turners Bürogebäude.

„Ein Büro in der Druckerzeile“, meckerte Alex. „Das ist altes Chicago-Geld für dich. Turner hat offenbar mehr Geld als Verstand.“

„Alex, alle Chicago Alphas sind so. Turner ist tatsächlich der fortschrittlichste des Haufens, deswegen habe ich dich hierhergebracht, um mit ihm zu sprechen. Sie sind alle konservativer alter Geldadel. Du würdest wissen was das heißt, wenn du jemals zustimmst unseren Vater zu treffen“, seufzte Gregor.

Alex versteifte sich. Sie wirbelte herum, um ihren Bruder anzustarren, Wut stieg aus dem dunklen Platz in ihrem Herzen auf, wo sie ihre Gefühle über ihre geheimen Eltern verschlossen hatte.

„Ich will nicht wieder irgendein missratenes Kind sein, Gregor. Unser Vater weiß von mir. Meine leibliche Mutter hat ihm alles erzählt, sogar die Tatsache, dass sie nicht für ein Kind bereit gewesen war und geplant hatte, es zur Adoption frei zu geben. Er hat mich sieben Jahre in die Obhut des Jugendamts gegeben. Wenn meine Adoptiveltern nicht gewesen wären, wer weiß wo ich dann heute wäre?

„Alex … es tut mir leid, dass dir das passiert ist. Wenn es hilft, ich weiß, dass er ein Auge auf dich behalten hat, um sicherzugehen, dass man sich um dich kümmert.“

Gregor konnte sie nicht richtig dabei ansehen, als er diese Worte aussprach. Ein hässliches Lachen entwich Alex Lippen und sie schüttelte ihren Kopf.

„Ich glaube nicht, dass jemand auf mich aufgepasst hat, als Fräulein Legens sich um mich gekümmert hat. Sie hat mich immer mit einem Holzlöffel geschlagen, wenn ich ungeeignete Grammatik benutzt habe. Und die Sharpes erst…“ Alex schauderte. „Gut, dass ich von meinen Eltern adoptiert wurde, weil die Sharpes waren wirklich schlimme Leute. Gott, warum reden wir da überhaupt drüber!“

Alex schluckte und schob ihren Ärger herunter, bis sie wieder atmen konnte.

„Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll, Alex. Ich wünschte, ich hätte das gewusst. Und unser Vater … Er spricht nicht viel darüber, aber ich weiß, dass er sich schuldig fühlt.“

Alex schaute Gregor an, sie schaute ihn wirklich an. Sie hatte ihr Aussehen von ihrer leiblichen Mutter, denn Alex und Gregor sahen sich überhaupt nicht ähnlich. Sie war blass, rothaarig und kurvig. Er hatte olivfarbende Haut, war dunkelhaarig und so athletisch gebaut wie jeder Berserker Mann. Ihre einzige Gemeinsamkeit war ihre Augenfarbe, ein glitzerndes marineblau, dass von Strömungen im tiefsten Teil des Ozeans erzählte.

„Lass uns das nicht machen”, sagte Alex.

„Ich wünschte, ich könnte dich als Teil meiner Linie beanspruchen“, seufzte Gregor. „Unser Alter ist fast richtig … wir könnten Vaters Zustimmung ganz umgehen.“

Alex schnaubte.

„Nur wenn du irgendein Mädchen mit dreizehn oder vierzehn geschwängert hast“, sagte sie und rollte mit den Augen.

„Außerdem. Wir gehen kaum als Halbgeschwister durch, erst recht nicht als Vater und Tochter. Niemand würde das glauben.“

Gregor nickte und zuckte die Achseln.

„Eine nette Idee. Nein, ich glaube, das würde nicht funktionieren. Das lässt uns noch zwei Möglichkeiten übrig. Wir könnten zu Vater gehen und ihn um Erlaubnis fragen oder ..."

„Oder ich heirate einen Alpha ", beendete Alex den Satz für ihn.

„Verpartnern nicht heiraten. Du beleidigst vielleicht jemanden damit. Die beiden Konzepte sind nicht im Geringsten ähnlich."

Alex winkte bei seinen Worten ab, und versuchte sich zu konzentrieren.

„Was würde es bedeuten, wenn ich seinen Segen bekomme?"

„Du wärst Teil des Clans und bekämest Zugang zu unserem Hinterland. Du könntest ohne Angst in deiner Bärenform laufen. Du hättest sofort eine Gemeinde. Wenn man bedenkt, wer dein Vater ist, würdest du mit Freundschaftsangeboten übersät werden. Mehr als Freundschaft, darauf wette ich."

Etwas in Gregors Blick sagte, dass er selbst ziemlich viele Angebote bekommen hatte. Und diese abgelehnt hatte, wenn Alex den Unmut in seinen Augen richtig las.

„Und andererseits ..." fragte sie.

Gregor atmete scharf aus.

„Du wärst unseren Gesetzen unterworfen. Du würdest aufgefordert werden, einen Partner zu finden und Erben zu produzieren. Schon bald.“

„Also wenn ich die Aufmerksamkeit des Alpharats haben will, dann muss ich praktisch all die Dinge tun, gegen die ich versuche anzukämpfen“, fasste sie zusammen.

Gregor zuckte mit den Schultern.

„Wenn du es so sehen willst“, war seine einzige Antwort.

„Zwingen sie dich, einen Partner zu finden?“, fragte Alex neugierig.

„Darauf kannst du deinen Hintern verwetten“, antwortete er und sein Blick wurde grimmig. Alex hielt inne und war sich nicht sicher, wie sie ihre nächste Frage formulieren sollte.

„Gregor, ich will ja nicht neugierig sein, aber bist du nicht ...“

„Schwul?“, sagte er. „Ja. Stell dir vor, die Gesetze sind auch für mich nicht günstig.“

„Gott“, seufzte Alex. „Was wirst du tun?“

„Ich werde eine Dame mit denselben Veranlagungen finden. Oder das Gegenteil, sollte ich vielleicht sagen. Jemand, der mein Geheimnis bewahrt, solange ich ihrs bewahre.“

Gregor runzelte die Stirn und forderte sie heraus, das Gespräch weiterzuführen. Alex presste ihre Lippen aufeinander, aber ließ das Thema dann fallen. Wenn Gregor nicht selbst kämpfen wollte, dann war das seine eigene Entscheidung.

„Ich will unseren Vater nicht mit hineinziehen, außer die Dinge geraten außer Kontrolle“, erklärte Alex und wechselte das Thema. „Also ... angenommen ich gehe den anderen Weg, wie treffe ich die Berserkers?“

Gregor warf ihr ein plötzlich tückisches Grinsen zu.

„Ich denke, es ist Zeit, dass du deine Cousinen triffst. Sie werden wissen, wo man echte Kerle trifft. Ich hoffe nur, du verträgst einiges.“

Mit großen Augen stieg Alex mit ihrem Bruder ins Auto und hörte ihm zu, während er ihr all die schmutzigen Details erzählte.

Cameron's Rettung

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