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2.

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Über den Feuergruben am Strand drehten sich Wildschweine am Spieß.

Kawa-Schalen und Rumflachen kreisten, einer der Männer, die noch nicht die Flucht vor den kriegerischen Kannibalen der Nachbarinsel ergriffen hatten, schlug das Tomtom. Außer diesen wenigen männlichen Insulanern hatte nur der Damenflor des „Großen Donnerers“, bis heute der Bedrohung getrotzt. Und sie waren fest entschlossen, auch in Zukunft hierzubleiben. Die Feinde hatten zwar den Kopf des „Donnerers“ erwischt, aber nicht sein Donnerrohr, und das erschien den Südsee-Perlen zu ihrer Verteidigung ausreichend.

Das Lob des Dahingeschiedenen wurde überhaupt sehr ausgiebig gesungen, wenigstens zu Anfang.

Dann allerdings handelten die samthäutigen Schönen nach dem Gesetz des praktischen Menschenverstandes, der ihnen sagte, daß es ein toter „Donnerer“ nicht mit höchst lebendigen Seewölfen aufnehmen konnte. Luana schmiegte sich an Hasard und verstand plötzlich kein Englisch mehr, als er ihr zu erklären versuchte, warum er nicht die Nachfolge des verblichenen Paschas antreten könne.

Nuami versorgte Smoky mit Rum, kraulte sein Haar, himmelte ihn an und sorgte dafür, daß seine Ohren ihre rote Farbe behielten. Der bullige Decksälteste war ein ernsthafter Mann und – außer in einem handfesten Kampf – jeder Übertreibung abhold. Ganz so viel Anbetung hätte er seiner Meinung gar nicht zu sein brauchen. Daß ihn die schwarzhaarige Perle der Südsee „stark wie einen Felsen“ nannte, ließ er sich ja noch gefallen. Aber „schön wie eine Blume“ – das ging wirklich zu weit.

Dan O’Flynn lehnte vergnügt an einem Palmenstamm und hatte nichts dagegen, daß die Ladys sein blondes Haar mit blumigen Redewendungen bedachten.

Ed Carberry beschimpfte Sir John, den Ara-Papagei, weil der Vogel mit seiner Vorliebe für saftige Flüche einfach nicht wußte, wie man sich in Gegenwart von Ladys zu benehmen hatte. Muna kraulte indessen das zernarbte Rammkinn des Profos.

Sam Roscill, der drahtige früherere Karibik-Pirat, erzählte seiner Schönen eine Gesichte, bei der er Hände und Füße zu Hilfe nehmen mußte.

Der blonde Stenmark und der rothaarige Ferris Tucker erfreuten sich ganz besonderer Gunst. Kein Zweifel: die Perlen der Südsee machten die Seewölfe reihenweise schwach. Hasard fand, daß es allmählich Zeit wurde, etwas zur Hebung der allgemeinen Moral zu unternehmen.

Er teilte Big Old Shane und Old O’Flynn ein, um an Bord die Ankerwachen abzulösen, und schickte die Zwillinge mit.

Die beiden protestierten, doch es nutzte ihnen nichts.

Kinder hatten um diese Zeit in den Kojen zu liegen, kriegen sie zu hören. Ihrer Meinung nach konnte da ruhig mal eine Ausnahme gemacht werden, zumal sie überhaupt nicht müde waren. Aber alles Reden half nicht: Big Old Shane packte sie kurzerhand am Schlafittchen und beförderte sie ins Boot, das sie unbarmherzig vom Ort des Festgeschehens entfernte.

Dort hatte die schöne Nuami Smoky inzwischen zu einem Mondscheinspaziergang überredet.

Der Decksälteste erinnerte jetzt gar nicht mehr an einen Felsen – oder allenfalls an einen schwankenden. Kawa, Rum und Nuami waren etwas zu viel des Berauschenden gewesen. Smoky hatte Schlagseite. Ein Nebelschleier lag über seinen Augen und verwischte die Umgebung. Er verstand nicht mehr so genau, was ihm Nuami zärtlich zuflüsterte, und der Einfachheit halber nickte er zu allem.

Daß ihn die braunhäutige Schöne in das kleine Dorf führte, wunderte ihn nicht weiter: wahrscheinlich wollte sie es ihm zeigen.

„Sehr hübsch“, murmelte er, obwohl er nur noch ziemlich verschwommen etwas sah.

Als er sich wenig später in einer der Hütten wiederfand, wußte er nicht ganz genau, wie er hereingelangt war. Nuami wollte offenbar mit ihm allein sein.

Prächtig, prächtig, dachte er. Aber was wollte dieser komische Kerl mit der Kette aus Haifisch-Zähnen hier? Der Medizinmann, vermutete Smoky. Oder der Dorf- Schane.

Nuami tuschelte mit ihm in ihrer Heimatsprache. Der Alte nickte, Nuami griff nach Smokys Hand, fuchtelte ihm mit einer weißen Blüte vor der Nase herum, und wenn er sie richtig verstand, forderte sie ihn auf, ihr die Blume hinter das Ohr zu stekken.

Smoky fand Nuamis Ohr sehr hübsch, mit oder ohne Blume. Etwas ungeschickt befolgte er ihren Wunsch, da er Blume und Ohr doppelt sah und ein paarmal danebengriff. Was dann noch kam, daran konnte er sich später nicht mehr so genau erinnern. Der Medizinmann murmelte lange Sprüche, die Blüte spielte eine Rolle – und Smoky ließ alles geduldig über sich ergehen, da er sich sagte, daß man Sitten und Gebräuche anderer Leute respektieren solle.

Als sie wieder zurück in Richtung Strand spazierten, wirkte Nuami sehr zufrieden.

Smoky hatte sich von dem Zwischenspiel in der Hütte eigentlich etwas ganz anderes versprochen, aber seine Gedanken waren nicht mehr klar genug, um darüber zu grübeln.

Allmählich, fand er, wurde es Zeit, mal wieder einen zu zwitschern. Dann konnte man ja zusehen, daß man eine volle Buddel ergatterte, Nuami einen weiteren Mondschein-Spaziergang vorschlagen …

An diesem Punkt wurden seine Träumereien jählings unterbrochen.

Irgendwo ertönte ein schriller, tremolierender Schrei. Andere Stimmen fielen ein, wurden zum gellenden Kriegsgeheul, und in der nächsten Sekunde schien auf der Insel die Hölle loszubrechen.

Die Kannibalen der Nachbarinsel griffen an – diesmal nicht, um Mädchen zu entführen, sondern um Köpfe zu erbeuten: die Köpfe von Weißen, die als Tauschmittel besonders begehrt waren.

Ganz plötzlich waren sie da. Ein Schwarm von Auslegerbooten schoß hinter einer vorspringenden Klippe hervor und legte im nächsten Augenblick bereits an. Das Kriegsgeschrei, mit dem sich die Wilden selbst anfeuerten, trug weit über das Wasser, und auf der „Isabella“ waren Philip und Hasard wie der Blitz an Deck.

Big Old Shane brüllte dem alten O’Flynn zu, die „dreimal verdammte Drehbasse“ klarzumachen, damit man die Katamarane zu Treibholz verarbeiten könne. Dans Vater hatte zwar ein Holzbein und ging an Krükken, aber er war ein Kerl aus Granit und Eisen und konnte immer noch mit jeder „dreimal verdammten Kanone“ fertigwerden, daß es eine Pracht war.

Außerdem hatte er Unterstützung. Die Zwillinge brachten den Culverinen und Drehbassen der „Isabella“ hingebungsvolles Interesse entgegen. Jetzt fanden sie endlich einmal Gelegenheit, Lunten und Wischer vorzubereiten und zu beweisen, daß sie durchaus kräftig genug waren, um Pulver und Blei zu mannen.

Sie fanden das viel spannender als das Fest am Strand.

Noch lieber wären sie allerdings dort drüben dabeigewesen. Da flogen nämlich jetzt die Fetzen. Die Kanibalen stürmten dem Festplatz am Strand zu, und in ihr Kriegsgeschrei mischte sich ein donnerndes „Arwenack“ von den Seewölfen.

Lanzen flogen.

„Deckung!“ schrie Hasard, packte die erschrockene Luana und riß sie mit, als er sich in den Sand fallen ließ. Eine Sekunde später sprang er schon wieder auf und überzeugte sich mit einem raschen Rundblick, daß niemand durchbohrt worden war. Die Angreifer hatten wohl geglaubt, mit ihren rumbeseligten Opfern leichtes Spiel zu haben. Was die Menge des konsumierten Rums betraf, lagen sie mit ihrer Schätzung nicht einmal so weit daneben. Aber das gellendes Kriegsgeschrei genau die richtige Medizin war, um sämtliche Seewölfe schlagartig zu ernüchtern, konnten sie schließlich nicht wissen.

Sie begriffen es im nächsten Augenblick.

Da wurde ihnen dann auch klar, daß es ein schwerer Fehler gewesen war, ihre Lanzen zu schleudern, statt für den Nahkampf aufzubewahren. Eine Chance, die Waffen wieder aufzuheben, erhielten sie nicht. Die Seewölfe gingen ihrerseits zum Angriff über, und schon ihr dröhnendes „Arwenack“ genügte, um den Insulanern die Haare zu Berge stehen zu lassen.

Der Kutscher schnappte sich einen leeren Bratspieß.

Die anderen bückten sich nach den herumliegenden Lanzen, da für sie kein Anlaß bestanden hatte, schwer bewaffnet bei einem Fest zu erscheinen. Die meisten Angreifer mußten sich inzwischen mit Keulen begnügen, also benutzten auch die Seewölfe wie auf eine geheime Verabredung die erbeuteten Lanzen als Schlaginstrumente.

Immer noch unter gellendem Kriegsgeschrei prallten die Fronten aufeinander.

Diejenige der Insulaner geriet sofort ins Wanken. Ihre Angriffswelle brandete zurück und verlor entschieden an Wildheit. Hasard pickte sich den Anführer der Horde heraus und bediente ihn mit einem sauberen rechten Haken, der ihn im Überschlag rückwärts zwischen seine Kumpane beförderte.

Der Kutscher wehrte mit dem Bratspieß eine der letzten Lanzen ab, die daraufhin zu Bruch ging. Die schweren Keulen, die die Angreifer schwangen, waren als Waffen durchaus nicht zu verachten, hinterließen beachtliche Beulen und eine Menge blauer Flecke, doch das stachelte den Kampfgeist der Getroffenen erst so richtig an.

Die Südsee-Schönen hatten sich zurückgezogen, aber nur, um eilends ihr „Donnerrohr“ herbeizuschaffen.

Smoky begegnete ihnen, als er gerade durch das Gestrüpp brach und den Palmengürtel erreichte. Nuami begann sofort, aufgeregt mit ihren Gefährtinnen zu schnattern. Smoky warf einen wilden Blick in die Runde, um sich schon mal einen Gegner auszusuchen. Der wurde ihm im nächsten Augenblick sozusagen auf dem Tablett serviert. Der hatte sich nämlich eine rechte Gerade von Edwin Carberry eingefangen, torkelte rückwärts und landete in Smokys Armen.

Smoky drehte ihn herum, stufte ihn als halb bewußtlos ein und vollendete das Werk mit einem nahezu sanften linken Haken. Da er den Burschen nicht in seinem Rücken haben wollte, schleuderte er ihn dorthin, wo er hergekommen war.

Das Kriegsgeheul der Angreifer klang schon merklich gedämpfter, da die Insulaner ihren Atem anderweitig brauchten. Schritt für Schritt zogen sie sich zurück. Die Seewölfe setzten nach. Die meisten von ihnen hatten die ungewohnten Lanzen längst wieder weggeworfen und verließen sich auf ihre Fäuste. Die Tatsache, daß sie so mir nichts, dir nichts auf den klaren Vorteil einer tödlichen Waffe verzichteten, war vollends dazu geeignet, die Angreifer zu verwirren.

Das donnernde Krachen, das im nächsten Moment von der „Isabella“ herüberdröhnte, untergrub endgültig die Kampfmoral der Insulaner.

Der erste Schuß aus der achteren Drehbasse zerlegte eins der Auslegerboote in Einzelteile.

Erschrocken warfen die Angreifer die Köpfe herum. Diesmal wirkte ihr Geschrei überhaupt nicht mehr wild und kriegerisch, sondern eher entsetzt. Daß sie ihre Gegner unterschätzt hatten, mußte ihnen inzwischen klar sein: mit dieser Bande rasender Teufel war trotz der Übermacht nicht fertigzuwerden.

Jetzt kam die Gefahr hinzu, daß ihnen der Fluchtweg abgeschnitten wurde. Wie von Schnüren gezogen wandten sich die Köpfe wieder den Seewölfen zu, dann noch einmal den treibenden Trümmern des Bootes, und jählings verwandelte sich das Rückzugsgefecht in überstürzte Flucht.

Immerhin hatten ein paar der Insulaner noch den Mumm, die Bewußtlosen einzusammeln und mitzuschleppen.

Die Seewölfe wollten die Verfolgung aufnehmen, weil sie gerade so schön in Schwung waren, doch auf Hasards Zeichen hin blieben sie zurück. Auch von der „Isabella“ fiel kein weiterer Schuß. Die Angreifer hatten sich blutige Köpfe geholt und waren schon zum zweitenmal eindeutig zurückgeschlagen worden – damit mochte es vorerst genug sein.

Nur noch einmal krachte es: die schöne Nuami hatte das „Donnerrohr“ abgefeuert.

Eins der Katamaran-Segel trug ein sauberes Loch davon, und das schien auch Nuami zu genügen. Die Insulaner gingen in ihre Boote, als seien tausend Teufel hinter ihnen her. So ähnlich fühlten sie sich wahrscheinlich auch, als sie mit ihren Fahrzeugen wieder hinter der vorspringenden Klippe verschwanden.

Es verstand sich von selbst, daß nach diesem kurzen, aber heißen Kampf noch einmal gründlich die trockenen Kehlen befeuchtet werden mußten.

Das Fest ging eine Weile weiter, ein Zählappell hätte ergeben, daß immer mal wieder der eine oder andere Teilnehmer verschwunden war. Aber schließlich verabschiedete man sich. Die Männer strebten den Booten zu, und nur Smoky registrierte etwas verblüfft, daß zwei von den Südsee-Schönheiten seine Arme ergriffen und entschlossen schienen, ihn nicht gehen zu lassen.

Cori und Muna, wie er feststellte.

„Du mitkommen“, sagte Cori.

„Du in Hütte von Nuami“, sagte Muna.

„Nee“, lehnte Smoky ab. „Das geht nicht. Wäre mir ja ein Vergnügen, aber …“

„Du Nuamis Mann“, erklärte Muna ernsthaft.

„Waaas?“ fragte Smoky erschrokken.

„Du Nuamis Mann! Stammältester euch hat verbunden, jetzt ihr Mann und Frau. Du in Nuamis Hütte. Klar?“

Smoky war nur eins klar: daß da etwas ganz gewaltig schiefgelaufen sein mußte.

Er, der Decksälteste der „Isabella“, hatte sich – benebelt, wie er gewesen war – mit einer Südsee-Schönheit verheiraten lassen? Das gab es nicht! Smoky als unfreiwilliger Ehemann, damit würde ihn die Crew noch in hundert Jahren aufziehen. Er durfte gar nicht daran denken.

„Komm“, drängte Muna.

„Du Nuami nicht warten lassen“, flötete Cori.

„Nein!“ stöhnte Smoky. „Das – das ist alles ein Mißverständnis, das …“

„Nix Mißverständnis“, sagte Cori.

„Du Nuamis Mann“, bekräftigte Muna.

Beide versuchten, ihn mit sanfter Gewalt in Richtung Dorf zu entführen, und Smoky, den sonst so leicht nichts umwarf, verlor die Fassung.

„Nein, verdammt!“ fluchte er, riß sich los und wandte sich eilends zur Flucht.

Die Bootsbesatzung, die auf ihn wartete, empfing ihn mit Gelächter. Natürlich wurde nicht mit Bemerkungen über Smokys offensichtlich unwiderstehliche Schönheit gespart. Der Decksälteste stöhnte abgrundtief und versprach, dem nächsten, der den Mund auftat, die Zähne in den Hals zu rammen.

Im Augenblick war er in einer Stimmung, in der er sich eher die Zunge abgebissen hätte, als den wahren Sachverhalt aufzuklären.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 190

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