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Karate als Grundlage aller Budō-Kampftechniken

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Mein Vater pflegte zu sagen: »Karate ist der legitime Erbe der Bujutsu-Kampfkünste«.31 Ich denke, Karate ist tatsächlich die Grundlage aller Budō-Kampftechniken. Dafür gibt es zwei Gründe. Der erste besteht darin, daß der Kampf mit nichts als den eigenen Händen die primitivste, ursprünglichste Form des Kampfes darstellt. Darüber hinaus ist es gerechtfertigt zu sagen, daß die Waffen vom Stock über Schwert, Pfeil und Bogen und Gewehr, bis hin zur Rakete letztendlich nichts anderes sind als Verlängerungen der Hand.

Hat man keine Waffen oder verzichtet man auf ihren Einsatz, bleibt einem nichts, als mit den leeren Händen zu kämpfen. Wurde ein Samurai von einem Unbewaffneten zum Kampf herausgefordert, legte er ohne zu zögern seine Waffen zur Seite und stellte sich dem waffenlosen Kampf. Die Turniere der Heian- und Kamakura- Zeit begannen immer mit dem Bogenschießen. Danach folgten in kürzer werdenden Abständen Speer- und Schwertwettkämpfe. Wurden die Zweikämpfe zu hitzig, kam das Kommando: »Achtung! Auseinander!« Daraufhin wurden die Waffen abgelegt, und es begann der Kampf mit bloßen Händen.

Um den Kampf mit bloßen Händen zu unterstützen, nutzte man im übrigen grundsätzlich alle gerade verfügbaren geeigneten Dinge. Daraus entwickelten sich die verschiedenen Techniken zum Kampf mit Waffen. Im Unterschied zum Jūjutsu, welches ein technisches System zur Unterstützung von Schwert- und anderen Waffentechniken ist, hat das Karate zu seiner Unterstützung Waffentechniken integriert. So wurden auf den Ryūkyū-Inseln schon in alter Zeit verschiedene Alltagsgegenstände der Bauern und Fischer, unter anderem der Stock (bō), der Dreizack (sai), der Stock mit seitlichem Griff (tonfa) und der mehrgliedrige Stock (nunchaku) als Karate-Hilfsmittel eingesetzt.32

Der zweite Grund, Karate als Grundlage aller Budō-Kampftechniken zu bezeichnen, besteht darin, daß es im Karate keine verbotenen Schläge gibt. Schließlich besteht das Ziel ja darin, den Gegner tödlich zu verletzen und zwar nicht mit einer Waffe, sondern mit den bloßen Händen. Aus diesem Grund wird der gesamte Körper aufs äußerste für den Kampf vorbereitet, all seine Bestandteile und Funktionen werden dabei einbezogen. Während des Waffenverbots unter der Shimazu-Herrschaft wurde das aus alter Zeit stammende Wissen darüber, wie man ohne Waffen auf Leben und Tod kämpft, genau überliefert. Allerdings wurde das Wissen ausschließlich mündlich weitergegeben. Die Techniken waren in den Kata enthalten. Da man diese für sich allein übte, war es nicht notwendig, irgendwelche Schläge oder Tritte wegen ihrer Gefährlichkeit zu verbieten. Auf diese Weise ist Karate zu einer weltweit einzigartigen Kampfkunst geworden.

Dazu schrieb mein Vater im Jahre 1938 folgendes:

Wenn es Leute gibt, die glauben, man müsse, um mit der Zeit zu gehen, die Kata und das kumite des Karate in Sport verwandeln, sie unter dem Vorwand der Körperertüchtigung von ihrem Wesen als Bujutsu, als Kampfkunst ablösen, so muß man diesen Leuten sagen, daß sie offenbar nicht erkennen, daß sie damit den ersten Schritt machen zu einem unglaublich schwerwiegenden Fehler, nämlich zur Auflösung der Werte des Karate als Bujutsu, als Kampfkunst. Sicher muß man auch beim Kata- und kumite-Training die Bewegungen der Arme und Beine bis ins kleinste streng bewerten und korrigieren, aber vom Standpunkt der Kampfkunst aus gesehen. Physiologisch-rationale vorbereitende und unterstützende Übungen, die dazu dienen, die Funktionen des Bewegungsapparates und der inneren Organe zu optimieren, können in das Training einbezogen werden. Man darf aber nicht glauben, man könne den Kampfkunstgehalt des Kata- und des kumite-Trainings vervollkommnen, indem man beides in Sport oder Vergnügung verwandelt.

Mein Vater sah damit in gewisser Weise die heutige Form des Karate voraus und warnte vor dieser Entwicklung. Die Verwandlung des Karate in einen Wettkampfsport ist auch eines der großen Themen dieses Buches. Bevor ich mich dazu konkreter äußere, möchte ich noch etwas über die Geschichte des Karate sagen.

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