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Danny, der Kater

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Wenn die Sonne tief am Horizont ihre Fühler nach der Insel ausstreckte, verstummte der Trecker meines Vaters. Die Blumen schlossen ihre Köpfchen und legten sich zur Ruh. Der Tag war müde.

Mit pulsierendem Herzen rannte ich durch die Scheunen. Die Kühe waren an ihre Melkhähne angeschlossen und bekamen ihr wohlverdientes Heu zum Abendbrot. Meine Mutter folgte mir mit schnellen Schritten.

»Nun warte doch, hier ist er nicht!«

»Aber irgendwo muss er sein! Normalerweise ist er immer zu Hause!«

Danny war ein Hofkater, auch wenn ich ihn am liebsten mit unter meine Bettdecke genommen hätte, aber des Nachts streunerte er draußen herum, um Mäuse zu jagen. Tagsüber durfte er in unsere Wohnung und genoss jede Schmuseminute, die er sich erschnurren konnte. Hunger hatte er für vier, weswegen er keine Mahlzeiten verpasste.

Mein Vater lugte hinter dem prall gefüllten Euter einer seiner treuen Kühe hervor.

»Was ist denn los bei euch?«

Mein Kinn zuckte, und Tränen schwemmten meine Augen.

»Danny ist weg! Er hat sich bestimmt verlaufen!«

Ein Kuhfladen platschte auf den Betonboden und dampfte.

Meine Mutter nahm mich auf den Arm.

»Nein, der kommt wieder zurück. Danny ist bestimmt nur auf Entdeckungsreise!«

Mein Vater kam zu uns und gab mir einen Kuss.

»Pass mal auf, mein Küke! Wenn Danny nach dem Melken nicht zurück ist, dann suchen wir nach ihm, versprochen!«

»Aber wie sollen wir ihn hier finden? Er ist schon so lange weg!«

Platsch.

Der nächste Fladen fiel.

»Er ist seit heute Vormittag verschwunden«, gab meine Mutter zu bedenken.

Mein Vater kräuselte die Stirn. Die Tränen schossen aus meinen Augen, und ich japste nach Luft. Papa nahm mich auf den Arm, drückte meinen kleinen Körper fest an seinen und streichelte mir über das Haar.

»Komm, wir fragen Opa und die Nachbarn, die suchen bestimmt mit uns nach Danny. Ich mach hier schnell fertig, okay?«

Ich wischte mir die Augen mit meinen erdigen Fäusten, griff Mamas Hand und zog sie die Treppe hinauf, damit sie so viele Helfer wie möglich anrief.

Im Wohnzimmer lag Dannys Spielzeugmaus. Der Napf war gefüllt mit müffeligem Dosenfutter, das darauf wartete, verspeist zu werden. Mein Herz wurde schwer. Mein Magen schmerzte.

Nach einer halben Stunde stand ein Pulk von zehn Mann auf dem Hof.

Es war spät geworden, eine Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen. Meine Hand grub sich in die meiner Mutter. Alle nahmen ihre Plätze ein, durchforsteten jeden Winkel der Bestallungen und riefen nach dem kleinen Kater. Mamas Stirn schlug tiefe Falten, wenn sie nicht bemerkte, wie ich ihr Gesicht musterte. Ein dicker Kloß saß wie ein Pfropfen in meiner Kehle. Ich musste immerzu schlucken, doch mein Mund fühlte sich wie ein vertrockneter See in der Sahara an.

Das Lämmchen Schnuck Schnuck und Anka, die Stute, waren in ihren Ställen, nur Jule lief schnüffelnd über das Feld. Egal, wie laut ich nach Danny rief, er kam einfach nicht. Als das erste Gähnen mich überkam, streichelte meine Mutter mir liebevoll über den Handrücken.

»Kerin, wir machen uns jetzt bettfertig, die anderen suchen noch. Ich bin sicher, Danny schläft bereits im Heu und steht morgen früh am Fenster.«

Meine Mundwinkel zog es weit nach unten. Ich sagte keinen Ton. Schwer atmend lief ich die Treppe hoch, stieß die Wohnungstür auf und rannte in mein Zimmer. Ich ließ mich auf die Matratze fallen und vergrub mein Gesicht in der Decke.

»Ach Kerin, jetzt hör doch bitte auf zu weinen!«, sagte meine Mama.

Ich hörte den Wandschrank knatschen.

»Nein, er kommt bestimmt nie wieder. Danny war noch nie so lange weg!«

Als hätte man einen Teil von mir abgeschnitten, heulte ich völlig aufgelöst in den Bezug.

»Kerin, jetzt hör mal auf und komm her!«

»Nein, ich will nicht!«

»Doch, du kommst jetzt bitte sofort hierher!«

Ihre Stimme klang streng. Ich löste meinen Griff und schob die Decke weg.

»Los jetzt, steh auf!«

Ich kroch aus meinem Bett, während mein Blick auf ihrem Gesicht ruhte. Sie beugte sich zu mir herunter.

»Fass mal in den Schrank.«

Folgsam hob ich meine Hand, steckte sie kurz hinein und zog sie schnell wieder zurück. Mamas Augen wurden weich, und ein Lächeln zischte über ihre Lippen.

»Ganz rein!«, sagte sie.

Mein Atem stockte. Ich hockte mich hin und schob meine Hand bis zur Schulter in die hinterste Ecke des Schranks.

Etwas Warmes schnurrte mir entgegen.

»Danny!«

Ich steckte meinen Kopf hinein und blickte in die halb geöffneten Augen meines Katers.

»Oh Danny, da bist du ja!«

Meine Mutter stieß ein lautes Lachen aus.

»Ich glaub es nicht. Da machen wir das ganze Dorf verrückt, und er liegt seelenruhig im Kleiderschrank und schläft!«

Ich nahm Danny auf den Arm. Sein zerstrubbeltes Fell stand wüst in alle Richtungen. Warm wie eine Wärmflasche schmiegte er sich an mich. Auf dem obersten Pulli im Schrank hatte er eine haarige Kuhle hinterlassen.

Morsum kam zur Ruhe, der Tag neigte sich dem Ende. Schlaf leget sich über die Kornfelder, und die Leute begaben sich in ihre Betten. Der Wind pausierte bis zum nächsten Tag.

Inselluft mit Honigduft

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