Читать книгу Heimgekehrt - Kerstin Schwarz - Страница 4
2
Оглавление- Sonntag -
Mit dröhnendem Schädel erwachte ich am nächsten Morgen in meinem Bett. Was für eine Nacht! Ich konnte mich erst an gar nichts erinnern. Weder wo ich letzte Nacht gewesen war, noch wie ich überhaupt nach Hause und in mein Bett kam. Ich drehte mich zur Seite. Bei dieser Bewegung schmerzte alles. Meine Arme, meine Beine, mein Rücken, meine Schultern. Was war nur passiert?
Ein Blick auf die Uhr verriet, es war schon weit nach zehn Uhr morgens. Mein erster Versuch aufzustehen, endete damit, dass ich mich doch nur wieder zurück auf den Rücken rollte. An Aufstehen war im Moment nicht zu denken. Glücklicherweise schlief ich sofort noch einmal ein und erwachte erst wieder um die Mittagszeit.
Noch immer fühlte sich mein Kopf bleischwer an, doch so langsam lichtete sich der Nebel darin. Leider waren die Gedanken und Erinnerungen, die dahinter verborgen lagen und nun nach und nach freikamen, nicht die schönsten.
Schwach erinnerte ich mich an ein Mädchen, das sich ängstlich an mich wand. Ich fühlte eine tiefe Verbundenheit zu ihr, wie ein Band, das uns fest umgab. Hatte ich es nicht für meine persönliche Mission gehalten? Noch erfüllten mich die rückblickenden Gedanken mit einem Gefühl der Glückseligkeit. Doch im nächsten Moment sah ich einen Regenschirm vor meinem geistigen Auge. Ein Dolch blitzte auf und Blut spritzte in alle Richtungen. Ich sah mich über einen Mann gebeugt. Sah, wie ich immer wieder und wieder auf ihn einstach.
Mit diesen widerlichen Gedanken im Kopf ging ich zu Boden. Ich stürzte und kroch zur Wand. Das konnte doch nicht wirklich passiert sein! Ich lehnte mich mit dem Rücken zur Wand, zog die Knie an und schluchzte hemmungslos. Hatte ich gestern Nacht etwa einen Menschen ermordet?! Ich hatte keine klaren Erinnerungen an die letzte Nacht. Nur diese Horrorbilder, die immer wieder vor meinen Augen aufblitzten.
Aber war ich zu so etwas fähig? Könnte ich zu so etwas überhaupt fähig sein? Ohne Grund einen fremden Menschen attackieren? Erbarmungslos und ohne Mitgefühl? Woher sollte ich die Kraft nehmen, einen erwachsenen Mann zu überwältigen? Fragen über Fragen - mein Kopf dröhnte. Mein Gehirn ratterte und suchte nach Antworten, während mir immer wieder diese schrecklichen Bilder vor Augen erschienen.
Das Telefon klingelte. Sein Klingeln zerriss die Stille und schmerzte in meinem Kopf. Ich saß immer noch auf dem Boden und konnte mich nicht rühren. Wusste gar nicht, wie viel Zeit mittlerweile schon verstrichen war, denn ich hatte jegliches Gefühl für Raum und Zeit verloren.
Ich wimmerte, flehte und betete, dass dieses lästige Geräusch endlich verstummen möge. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren. Würde ich dann endlich meine Ruhe finden? Endlich verstummte das Telefon und ich atmete aus. Ohne es zu merken, hatte ich die ganze Zeit die Luft angehalten. Nun ließ auch der Druck in meiner Brust nach und das beklemmende Gefühl in meinem Inneren löste sich auf. Ich atmete noch ein paar Mal tief ein und aus. Bei jedem Atemzug spürte ich eine stetige Verbesserung meines Zustandes. So langsam war ich wieder fähig zu denken.
Und ich dachte erneut an das Mädchen. Genau! Das Mädchen war der Auslöser gewesen. Ich war ihr nur gefolgt und unglücklicherweise Zeuge dieser Gewalttat geworden! Die Hand, die diese Waffe geführt hatte, war nicht meine eigene gewesen. Es war auch nicht mein Oberkörper, der sich über den Leichnam gebeugt hatte. Mit einem Male war die komplette Erinnerung wieder da! Wie konnte mich dieses Mädchen nur glauben machen, ich hätte diese wahnsinnige Tat begangen? Wie konnte es mir diese schrecklichen Visionen in meinen Kopf pflanzen? Wer war sie überhaupt?
Noch immer schwirrten tausend Fragen in meinem Kopf umher. Ich kam einfach nicht weiter. Selbst die Frage, wie ich von der Bushaltestelle nach Hause gekommen war, blieb offen. Welche Station war es doch gleich gewesen? Ich rappelte mich auf. Mit neuem Tatendrang erfüllt, holte ich mir frische Kleidung aus dem Schrank und ging ins Badezimmer. Es war an der Zeit, den Spuren der Nacht zu folgen und auch noch die letzten Schleier des Vergessenen zu lüften.
Ich stieg unter die Dusche. Das Wasser prasselte unaufhaltsam auf mich herab und ich vergaß alles um mich herum. So stand ich einfach nur unter diesem Wasserstrahl und freute mich wie ein Kleinkind im Schnee. Vergessen waren alle Horrorvisionen. Vergessen waren jegliche Pläne und Vorhaben für heute.
Bewegungslos stand ich mehrere Minuten unter der Dusche, frei von allen Gedanken und Ängsten. Das Wasser wurde langsam wärmer, doch ich spürte den konstanten Temperaturanstieg nicht. Wasserdampf stieg auf und ließ den Spiegel über dem Waschbecken beschlagen. Meine Haut färbte sich langsam rot, doch noch immer spürte ich nur eine wohltuende Wärme auf meiner Haut und um mich herum. Die Glastüren der Duschkabine beschlugen und das Badezimmer war kaum noch zu erkennen. Alles verschwand hinter einer Wand aus heißem Wasserdampf. Meine Haut war mittlerweile schon krebsrot und pulsierte bereits an den Armen und Beinen. Doch noch immer spürte ich keine Schmerzen, nur diese pure Erleichterung. Ich hatte mich schon ewig nicht mehr so gut gefühlt. Umhüllt von lieblicher Wärme, frei von Kummer und Sorgen!
Plötzlich sah ich etwas aufblitzen. Hinter den Glastüren erschien ein Gesicht. Erschrocken schrie ich auf und schaltete das Wasser ab. Ich riss die Türen der Duschkabine auf und blickte mich im Badezimmer um. Außer dem Wasserdampf war nichts und niemand zu erkennen. Doch ich war mir sicher, das Gesicht eines jungen Mädchens gesehen zu haben. Spielte mir mein Verstand einen Streich? Während ich noch darüber grübelte, ob es nur Einbildung gewesen war oder ob ich doch eine Gestalt in meinem Badezimmer gesehen hatte, spürte ich plötzlich die Schmerzen auf meiner Haut. Durch den kalten Luftzug war der Zauber verschwunden und mit ihm die gefühlte Zufriedenheit. Herausgeschleudert aus dem Himmel!
Ich schaute an mir herunter und meine komplette Haut war puterrot. Sie brannte wie Feuer und spannte überall. Meine Gedanken waren erfüllt von Schmerzen. Am liebsten hätte ich laut geschrien. Wie konnte ich nur so unvorsichtig sein und mich dermaßen verbrennen? So unachtsam war ich doch sonst nie gewesen. Zumal ich normalerweise eher eine kalte Dusche bevorzugte. Ich fühlte mich wie in der Hölle, gefangen im ewigen Feuer.
Schnell griff ich nach dem Badetuch und tupfte mir vorsichtig die verbrannte Haut ab. Ich musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht aufzuschreien. Diese Schmerzen waren unbeschreiblich und sie waren überall! Eilig holte ich mir eine schmerzstillende Wundsalbe aus dem Arzneimittelschrank im Schlafzimmer und cremte mich am ganzen Körper damit ein. Dabei war ich sehr vorsichtig und konnte schon kurze Zeit später eine erste Linderung verspüren. Behutsam schlüpfte ich in meine Kleidung und machte mich schnell vor dem Spiegel zurecht. Noch immer wollte ich die Bushaltestelle ausfindig machen. Doch gerade als ich die Wohnung verlassen wollte, klingte das Telefon erneut.