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Ich hielt einen Moment inne und setzte mich dann ruckartig in Bewegung. Fast wäre ich über meine eigenen Füße gestolpert. Hastig griff ich nach dem Telefon und hoffte, noch rechtzeitig abgenommen zu haben. Im ersten Augenblick glaubte ich nicht daran, denn es war niemand am anderen Ende der Leitung zu hören. Als ich gerade wieder auflegen wollte, vernahm ich ein leises Rascheln im Hörer.

„Hallo? Hallo!“, rief ich und wartete auf Antwort. Doch niemand antwortete. Das leise Rascheln entwickelte sich nun zu einem metallischen Rauschen. Es klang so unnatürlich und ließ mein Herz schneller schlagen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wer ein solches Geräusch verursachen konnte. Verängstigt legte ich den Hörer auf und versuchte mich zu beruhigen.

Kurze Zeit später war ich endlich bereit, meinen Plan weiter auszuführen und die Bushaltestelle zu suchen. Als ich mich langsam aus meiner Starre löste, klingelte das Telefon schon wieder. Diesmal stand ich zwar noch direkt daneben, musste mich jedoch krampfhaft zwingen, den Hörer abzunehmen. Mit größter Überwindung wisperte ich ein 'Hallo' in den Hörer.

„Hallo? Bist du das?!“, schrie es mir entgegen.

Es war meine Schwester! Langsam sammelte sich meine Stimme wieder und ich konnte ihr fast normal antworten. Doch es wäre nicht meine Schwester, hätte sie nicht selbst diese kleine Veränderung in meiner Stimme bemerkt.

„Was ist denn bei dir los?“, fragte sie und ich konnte die Besorgnis in dieser Frage nicht überhören.

Ich erzählte ihr von dem merkwürdigen Anruf zuvor. „Du hast nicht eben schon einmal angerufen?“, fragte ich.

„Nein, ich bin gerade erst nach Hause gekommen und musste ganz plötzlich an dich denken. Dabei hatte ich so ein ungutes Gefühl, dass ich dich gleich anrufen musste. So etwas habe ich echt noch nicht erlebt! Das war wirklich sehr seltsam!“, erklärte sie mir.

Oh ja! Wie recht sie doch hatte, ohne es wirklich zu wissen. Die letzten 24 Stunden waren mehr als merkwürdig gewesen und es schien noch verrückter zu werden. Doch ich wollte meine Schwester nicht in diese Sache mit hineinziehen, ohne zu wissen, was hier wirklich vor sich ging. Aus diesem Grund erwähnte ich kein Wort von meinen seltsamen Erlebnissen. Nachdem ich meine Schwester endlich überzeugen konnte, dass es mir so weit gut ging und es wirklich keinen Grund zur Sorge gab, legte ich den Hörer wieder auf.

Im nächsten Moment fühlte ich mich total verlassen. Das kurze Gespräch mit meiner Schwester hatte mir wirklich gut getan. Eine vertraute Stimme zu hören, hatte mich beruhigt und in Sicherheit gewogen. Ich hatte mein Gefühl für die Realität zurückbekommen und in dieser waren die Geschehnisse der letzten Stunden einfach nur absurd und unwirklich. Doch nun war die liebliche Stimme am anderen Ende der Leitung wieder verstummt. Weg war meine Schwester und mit ihr das Gefühl von Geborgenheit, nach welchem ich mich gerade so sehr sehnte. Ich musste mich der kommenden Prüfung wohl allein stellen!

Jetzt sollte es endlich losgehen. Ich hoffte, dass es keine weiteren Verzögerungen geben würde. Um etwas Licht in diese Sache zu bringen, blieb mir einfach nichts anderes übrig. Ich musste die Spuren der letzten Nacht verfolgen und alle Stationen des Abends noch einmal erleben. Dieses Mal hatte ich jedoch den Vorteil von Tageslicht. Zuerst musste ich die besagte Bushaltestelle finden und von dort, den richtigen Weg durch das Labyrinth der Straßen nehmen, um zu dem Schauplatz von letzter Nacht zu gelangen.

In der Theorie klang das alles so einfach, doch in Wirklichkeit war es schwieriger als gedacht. So musste ich mir erst drei Bushaltestellen genauer anschauen, bevor ich mir sicher war, die richtige gefunden zu haben. Nachdem ich sie dann endlich gefunden hatte, spürte ich in meinem Inneren ein Kribbeln. Ich deutete es als Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein. Auf dem Weg des Rätsels Lösung! Heute stand kein einsames Mädchen hier, das mich mit seinem Blick in einen magischen Bann zog. Zwei Jugendliche spielten Karten, um sich die Wartezeit auf den Bus zu verkürzen. Sie würdigten mich keines Blickes, als ich an ihnen vorbeischritt.

Auf der Bank saß auch kein junger Mann, nur ein Rentner mit Hut. Er hielt seinen Gehstock fest in der Hand. Als er mich sah, lächelte er mir zu. Ich versuchte sein Lächeln zu erwidern, doch es wollte mir nicht gelingen. Im nächsten Moment wandte der Alte seinen Kopf missmutig wieder ab. Er konnte nicht wissen, was ich gerade durchmachte. Aber erzählen würde ich es ihm sicher nicht. Nicht jetzt und schon gar nicht hier!

Noch schwieriger war es, in dem Labyrinth aus engen Gassen denselben Weg vom Vorabend wieder zu finden. Diese kleinen Straßen, die den ehemaligen Stadtkern bildeten, sahen irgendwie alle gleich aus. Enge Pflastersteingassen, die von dicht stehenden Häusern umgeben waren. Ich musste wirklich aufpassen, dass ich mich nicht verirrte oder gar im Kreis lief. Bei Tageslicht sah hier alles ganz anders aus, wenn auch nicht so unheimlich wie in der letzten Nacht. Die Sonne warf zwar auch ihren Schatten, doch wirkte dieser nicht wie eine schwarze Decke, die sämtliche Monster versteckte.

Das Kribbeln in meinem Inneren wurde stärker und die Aufregung packte mich immer mehr. Ich war mir sicher, dass ich an der richtigen Hauswand stand. Genau hier hatten wir einige Minute gewartet. Genau hier war die Stelle, an der sich gestern unser Schicksal entschieden hatte. Gleich hinter dieser Ecke hatte der Mann uns aufgelauert, mit der Absicht uns zu töten. Doch war ihm sein Glück nicht hold gewesen und so hatte er selbst hier den Tod gefunden. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und schritt zum zweiten Mal um diese Ecke. Und diesmal war ich wirklich überrascht!

Nach dem Grauen, das ich gestern hier mit ansehen gemusst hatte, war ich auf das Schlimmste vorbereitet gewesen. Eine verwesende Leiche oder etliche Blutspuren. Ich rechnete sogar mit Absperrbändern der Polizei oder noch immer fleißigen Ermittlern im Dienst, die versuchten ein Verbrechen aufzuklären. Doch was ich nun sah, hatte ich gänzlich nicht erwartet.

Heimgekehrt

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