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Die magische Nacht: Das Dschungelmädchen

Die Nacht war samtig-schwarz, und am Himmel stand ein Blauer Mond, der sich Mühe gab, ausgesprochen rund und voll zu strahlen. Wie jeder weiß, darf man bei einem Blauen Mond etwas Besonderes erwarten. Denn schließlich ist es sehr selten, dass der Mond in einem Monat zweimal voll wird. Kein Zweifel – es war die ideale Nacht für Wunder.

Es war Regenzeit, und die Tropfen prasselten eine beruhigende Melodie auf das dichte Blätterdach des Dschungels. In einer gemütlichen Holzhütte auf einer Lichtung hatte sich eine kleine Gruppe Menschen versammelt und wartete still.

Auch ein paar Tiere hatten sich ein trockenes Plätzchen unter dem Vordach der Hütte gesichert. Dort saßen ein etwas zerrupftes Affenkind, das kürzlich seine Familie verloren hatte, und drei vorwitzig blinzelnde Nasenbären. Auch die Tiere schienen auf irgendetwas zu warten.

Und im dichten Gebüsch gab es noch jemanden, der wartete. Perfekt verborgen beobachtete der mächtige schwarze Panther Xanio die friedliche Szene aus allernächster Nähe. Hin und wieder blitzten seine roten Raubtieraugen auf, und wenn er gewollt hätte, dann hätte er mit einem Sprung mitten in die kleine Versammlung platzen können.

Plötzlich schien die tropische Nacht mit ihren geheimnisvollen Urwaldgeräuschen für einen Augenblick den Atem anzuhalten. Nur ein paar Sekunden später ertönte ein Schrei. Es war eindeutig ein empörter Schrei, wie ihn winzige Menschenkinder eben ausstoßen, wenn sie auf der Erde ankommen.

Doch die soeben geborene Melia hörte rasch auf zu schreien und blickte sich mit ihren ungewöhnlich großen und ungewöhnlich grünen Augen um. Sie blickte auf den alten Schamanen, dessen weise Augen sie sanft und doch durchdringend musterten. Sie sah ihre Großmutter Nana, die eine einzige dicke Freudenträne weinte, und aus nächster Nähe sah sie die Liebe in den Augen ihrer Eltern. Die Haut ihres Vaters war von einem tiefen Kaffeebraun, während die ihrer Mutter perlmuttweiß schimmerte. Melias eigene Haut war zum Zeitpunkt ihrer Geburt karamellfarben.

Melia konnte sich in diesem Augenblick noch genau erinnern, wo sie hergekommen und warum sie auf diese Welt gekommen war. Doch mit jeder Sekunde wurde die Erinnerung blasser.

Nun fiel ihr Blick nach und nach auf jedes einzelne der versammelten Tiere. Sie kannte alle ihre Namen, und wie selbstverständlich konnte sie verstehen, was die Tiere ihr in der Seelensprache mitteilten.

Wir alle beherrschen als Neugeborene die Seelensprache, in der alle Wesen sich austauschen, doch oft verlernen wir sie allzu rasch. Wenn du zu den wenigen Glücklichen gehörst, die diese Sprache noch verstehen, dann wirst du wissend lächeln und dich freuen über die wunderbaren Welten, die dir offenstehen.

Jacko, das verwaiste Äffchen, und die drei Nasenbären Paco, Naco und Taco senkten andächtig die Köpfe unter Melias Blick. Weiter wanderte die Aufmerksamkeit des Kindes zu Panther Xanio in seinem Versteck. Und in diesem Moment, in dem Melias Seele sich zum letzten Mal bewusst daran erinnerte, warum sie gekommen war, gab sie den Tieren ein Versprechen. Es war ein großes, ja ein gigantisches Versprechen für ein winziges neugeborenes Mädchen. Und alle Tiere weltweit vernahmen es.

Natürlich hörte es auch Xanio in seinem Versteck. Er fauchte und senkte ebenfalls seinen edlen Kopf. Vielleicht, so dachte der Panther, werden die alten Legenden, auf die wir all unsere Hoffnung setzen, sich nun endlich erfüllen. Wenn die Sterne günstig stehen. Er blickte hinauf zum Blauen Mond und verschwand dann lautlos im Dschungel.

In der kleinen Hütte machte sich der Schamane daran, die üblichen Willkommensrituale des Stammes durchzuführen. Er flüsterte Melia ein altes Geheimnis ins Ohr, das Jahre später eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielen sollt. Dann machte Affenjunge Jacko einen beherzten Satz und landete unsanft neben Melias Köpfchen auf ihrem Lager aus Blättern und Moos. Jacko hatte sich entschieden, ihr Tiergefährte zu werden, und er würde sich diesen Platz um keinen Preis von stärkeren oder älteren Konkurrenten streitig machen lassen. Sanft berührte er mit seiner kleinen Hand Melias Nase, und das Mädchen ließ ein Lachen ertönen, das wie ein blumenzartes Glöckchen klang und sofort die ganze Gruppe ansteckte.

Melia war auf der Welt!

Der Pakt des Lebens

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