Читать книгу Als Zivilist und Mann im Frauenknast der Deutschen Demokratischen Republik - Kesselflicker - Страница 5
Mein persönlicher Werdegang – Pseudonym“ der Kesselflicker – auch bloß „der Kessel“ genannt
ОглавлениеMeine gesammelten Erfahrungen und Erlebnisse als Zivilist und Angestellter im Frauengefängnis der ehemaligen DDR, also der Deutschen Demokratischen Republik möchte ich hiermit darlegen.
Als ich, knapp 33 Jahre jung war, suchte ich nach einer neuen Herausforderung. Meine bisherige Arbeit als Fertigungstechnologe in einem Großbetrieb in Leipzig machte mir keinen Spaß mehr, dort gab es zu viele Spießer.
So suchte ich also in Leipzig nach einer neuen Arbeit. Ich fand auch eine offene Stelle bei einem Leipziger Großbetrieb, der Wäscherei, und bewarb mich mit meinen Unterlagen in der Kaderabteilung, heute würde man wohl Personalbüro, dazu sagen. Die Wäscherei war in Markkleeberg, einem Vorort von Leipzig, den man mit der Straßenbahn, oder der S-Bahn, vom Zentrum bzw. vom Hauptbahnhof, aus gut erreichen kann. Sie suchten einen Hauptmechaniker im Betriebsteil 3, kurz BT 3 genannt. In der Kaderabteilung sagte man mir, dass die Tätigkeit in einer Außenstelle der Strafvollzugsanstalt von Leipzig angesiedelt sei und zwar im Frauengefängnis. Man durfte aber keine Westverwandtschaft in der Bundesrepublik Deutschland haben, sonst hätte ich keine Chance, diesen Job zu bekommen. Der Hauptmechaniker war so eine Art technischer Leiter in dem Betrieb, ihm unterstanden die Handwerker und die Mitarbeiter des Heizhauses, und diese Chance wollte ich mir einfach nicht entgehen lassen, da ich schon nach einem anspruchsvollen Job Ausschau hielt. Also wurde ich heimlich auf Herz und Nieren von der Staatssicherheit bzw. vom Strafvollzug der DDR dahingehend überprüft, ob ich auch geeignet sei für diese Arbeit mit inhaftierten Frauen zu arbeiten. Man erkundigte sich in der so genannten Stammkneipe nach meinem Leumund, befragte Hausbewohner und Genossen in dem Mehrfamilienhaus in Leipzig, in dem wir wohnten, und schaute auf dem Dach danach, nach welcher Richtung die Antenne ausgerichtet war, ob man vielleicht Westfernsehen sah. Da wir die Antennen unter dem Dach hatten wusste keiner ob wir Westfernsehen gesehen hatten. Man fragte nicht nur in der Nachbarschaft die Leute aus, auch in dem ehemaligen Betrieb in Leipzig, wo ich zu der Zeit noch arbeitete, holte man Erkundigungen über mich ein. Ich hatte einen guten Kontakt zu allen Hausbewohnern, da ich auch gleich Hausmeister für unser Doppelhaus geworden bin und diese Aufgabe mit Leidenschaft erfüllt habe.
All diese Kontrollen und Überprüfungen waren zu diesem Zeitpunkt normal bzw. notwendig, um sich ein Bild von meiner Person, dem neuen leitenden Mitarbeiter zu machen. Es war ja auch schwer für die Staatssicherheit, da meine Frau und ich keine Genossen der SED der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands waren, und auch keine Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen sind. Wir waren in keiner Partei sondern nur in der Gewerkschaft der IG Chemie, einem Teil des FDGB, des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds. Nach eingehender Überprüfung und Rücksprache mit mir, bekam ich diesen Job als Hauptmechaniker des BT 3, dem so genannten Frauengefängnis in Leipzig. Mit dieser Zusage konnte ich in meinem alten Betrieb gemäß den Vorschriften des von mir unterschriebenen Arbeitsvertrages kündigen. Bei meiner Arbeitssuche brauchte ich ja keine Angst zu haben, da ich ja eine technische Ausbildung bzw. Qualifikationen in der Technik nachweisen konnte. Als Hauptmechaniker sollte man doch über ein ausreichendes praktisches Wissen verfügen und jahrelange technische Erfahrungen besitzen.
Nach Abschluss der 8. Klasse erlernte ich 1958 den Beruf eines Kupferschmiedes, da das nach Aussagen von Mitarbeitern des Betriebes der Chemischen Fabrik Miltitz ein ordentlicher Beruf darstelle. Die Kupferschmiede sei das Herzstück eines chemischen Betriebes, sagte man da. Man hatte mit dem Beruf alles andere gleich mitgelernt. Ich bekam diese Lehrstelle allerdings nur, weil meine Eltern dort beschäftigt waren und zwar ohne Auffälligkeiten. Denn gewisse Schwierigkeiten, eine solch gefragte Lehrstelle zu bekommen, hatte ich damals schon. Ich hatte gerade die Konfirmation hinter mir und nicht wie es der Staat gern gesehen hätte, die sozialistische Jugendweihe absolvierte.
Man kann sich das nicht vorstellen aber zu diesem Zeitpunkt mussten wir noch samstags arbeiten. Jeden Samstag früh um sieben Uhr war für alle Lehrlinge Zeitungsschau angesetzt und jedes Mal war ein anderer dran, der über Neuigkeiten aus aller Welt berichten musste. Nach erfolgreichem Abschluss der Lehre 1961 in einem Chemiebetrieb in Miltitz bei Leipzig war ich nun Kupferschmied, man sagte auch „Kesselflicker“ dazu, mit gleichzeitiger Ausbildung in Heizungs- und Rohrlegerarbeiten, und wollte nun als Junggeselle noch viel dazulernen. „Kesselflicker“ nannte man früher die Handwerker die mit einem Wagen von Ort zu Ort zogen, und Töpfe und Pfannen gleich vor Ort reparierten bzw. löteten. Da das meistens Kupferschmiede waren, nannte man mich eben auch den „Kesselflicker.“ Der Verdienst als junger Kupferschmied war nicht so rosig, also suchte ich mir noch einen Nebenverdienst als Aushilfskellner bei Tanzveranstaltungen in Miltitz oder auch im Nachbarort Markranstädt. Dort lernte ich gleich den richtigen Umgang mit Menschen kennen, ich kannte ja diese Leute, die Gäste vorher nicht. Für mich war das natürlich eine große Herausforderung die Menschen zu studieren, mir Menschenkenntnisse zuzulegen, und dabei noch Geld zuverdienen. Mein größtes Ereignis in diesem Job als Aushilfskellner war es, zur Leipziger Messe als Oberkellner beim Staatsbankett zu arbeiten. Ich meisterte als „Kesselflicker“, der später auch bloß noch „Kessel“ genannt wurde mehrere Arbeitsstellen erfolgreich, und erlangte nach Feierabend den Schweißerpass im autogenen Schweißen in der Stufe R 1b als auch Elektro- Schweißerpass der Stufe B 1b, und bestritt erfolgreich die WIG-Prüfung „Wolfram-Inertgas-Schweißen“ von Aluminium beim Zentralinstitut der Schweißtechnik in Halle an der Saale. Der Schweißerpass wurde in verschiedene Stufen eingeteilt. Nach der Grundprüfung gab es die ersten Zusatzprüfungen, von denen ich jeweils eine Schweißart besaß, die Zusatzprüfungen wurden nach der Qualität immer höher eingestuft. Da zu DDR-Zeiten das Kupfer immer weniger zum Einsatz kam, wurde auf Aluminium und auf V2A, das ist nicht rostender Stahl, oder auf Plaste umgestellt.
Da ich mir als Kupferschmied an der rechten Hand die anerkannte Berufskrankheit die Nummer 25 zugezogen hatte, das war ein Ganglion, was auch Überbein genannt wird, musste ich mir unbedingt eine Arbeit suchen , wo ich meine rechte Hand nicht immer so stark einsetzen musste. Das Ganglion ist bestimmt von dem vielen Hämmern mit der rechten Hand gekommen, denn als Kupferschmied muss man viel hämmern, da durch das Hämmern auf das weiche Kupfer, dieses in seinem Gefüge wieder richtig fest wurde.
Das Überbein wurde mir herausoperiert und dabei die Hand verletzt, so dass ich zum Invalidenrentner wurde. Mit einem Mal war ich Frührentner mit einer unbeweglichen Hand. Einmal im Jahr bestellte mich die Sozialversicherung, damals sagte man; die Krankenkasse der DDR, zur Überprüfung in die Universitätsklinik der Karl Marx Universität Leipzig, um zu prüfen, ob es noch notwendig oder gerechtfertigt war, dass ich eine Rente erhielt. Diese anerkannte Berufskrankheit war auch der Grund, dass ich nicht zur Nationalen Volksarmee, so nannte man zu dieser Zeit die Verteidigungsarmee der DDR, eingezogen wurde. In der Zwischenzeit wurde ich als Gabelstaplerfahrer in einem Betrieb in Leipzig ausgebildet, der auch noch Elektrogabelstapler baute und diese auch vertrieb. Nach bestandener Prüfung besuchte ich im gleichen Betrieb den nächsten Lehrgang mit Bravur zum Hebezeugwärter für Gabelstapler. Jetzt war ich in der Lage selbst Elektrogabelstapler zu reparieren auch durften diese Arbeiten nur unter meiner Kontrolle ausgeführt werden. Zu all diesen Ausbildungen und Lehrgängen wurde ich von den jeweiligen Betrieben delegiert, die sie auch bezahlten. Die meisten Ausbildungszeiten und Lehrgänge fanden nach Feierabend statt, und das wollte keiner freiwillig über sich ergehen lassen. Ich aber sagte mir, wer weiß schon, ob man das später nicht einmal gebrauchen kann. Und als Betrieb wollte man ja davon auch profitieren, denn je ausgebildeter die Mitarbeiter waren, desto besser konnten sie eingesetzt und bezahlt werden.
In einem Betrieb in dem ich mehrere Jahre als Kupferschmied gearbeitet habe, fragte ich einmal den Chef, ob er mich nicht mal zum Studium delegieren könnte. Er antwortete mir: „Ich will niemanden neben mir haben der schlauer ist als ich.“ Und so bekam ich von der Firma auch keine Delegierung. Also musste ich zwangsläufig in einen Betrieb wechseln, in dem die Aussicht bestand, dass er mich, zum Studium delegierte. Bei den Vorgesprächen, die ich in der Kaderabteilung der neuen Firma in Leipzig geführt hatte, entschied man sich, mich als Brigadier einzustellen, und eine neue Abteilung, die Rationalisierung, zu gründen, mit der Option dass ich mich weiterbilde. Und so kam es dann auch, dass ich eine neue Arbeitsstelle hatte.
Also ging ich wieder mit einer Delegierung zur Volks - hochschule in Leipzig zu einem Vorbereitungslehrgang für die Fachschule, wo ich mich abends, also nach Feierabend dreimal wöchentlich auf die Schulbank setzen musste. Das war die Voraussetzung für ein weiteres Studium an einer Schule oder Akademie. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Volkshochschule wollte ich Maschinenbau studieren. Leider gab es aber nur ein Direktstudium außerhalb von Leipzig, das ich jedoch aus privaten Gründen nicht durchführen wollte.
Da entschied ich mich kurz entschlossen zu einem zweijährigen Meisterstudium für Maschinenbau in meiner Heimatstadt Leipzig. Dieses Meisterstudium an der Betriebsakademie in den „Kirowwerken“ stellte eine große Herausforderung und Belastung für meine gesamte Familie dar. Dreimal wöchentlich verbrachte ich den wohlverdienten Feierabend auf der Schulbank, diese Schule ging jeweils bis halb neun. Aber ich schloss sie mit Erfolg und dem „Meisterbrief“ ab.