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Die neue Arbeit im Frauenknast

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1977 begann ich nun endlich meine neue Arbeit als Zivilist im Frauengefängnis des BT 3 in Markkleeberg. Dort stellte man mich überall vor, denn jeder vom Strafvollzug musste jetzt wissen, wer ich bin, und dass ich jetzt mit den einsitzenden Frauen zusammen arbeiten musste, um die gesteckten Ziele des Betriebes zu erreichen. Man erkannte jede Strafgefangene, da sie, alle hinten auf ihrer Kleidung einen gelben Streifen hatten. Wir als Zivilisten mussten uns um die Planerfüllung des Betriebes kümmern, aber auch die Sicherheit des Strafvollzuges durften wir nicht vergessen, denn diese stand in unserem Betriebsteil im Vordergrund. Die Genossen vom Strafvollzug sagten mir gleich, wer im Knast arbeitet darf nicht zart besaitet sein, und keine Gefühle zeigen, denn ohne Grund ist keine Strafgefangene hier. An der Sprache erkannte man, dass hier Inhaftierte, aus der gesamten Republik vertreten waren. Man zeigte mir gleich meinen Verantwortungsbereich im Betrieb, und stellte mich auch der Leiterin einer Frau Genossin Hauptmann „Dienstgrad“, der Außenstelle des Strafvollzuges vor. Später wurde sie befördert zum „Major“ des Strafvollzuges und ihre Vertreterin war auch eine Frau Genossin Hauptmann. Außer den Handwerkern, in erster Linie Elektriker und Schlosser hatten ich noch ein großes Heizwerk bzw. Kesselhaus zu betreuen. Ich war auch gleichzeitig der Vorgesetzte der Heizer, Bekohler und des Kraftfahrers im Objekt. Unser gesamter Betrieb wurde auch von einem hohen Zaun umschlossen, der mit einer Schranke und einem Wachgebäude versehen war. Hier saßen noch zivile Mitarbeiter des Betriebes im so genannten Außenbereich im durchgehenden Schichtsystem und kontrollierten die Betriebsausweise der Wäschereimitarbeiter, und die Dienstausweise des Strafvollzuges, sie erfassten Besucher und den Fahrzeugverkehr bevor diese das Betriebsgelände betreten bzw. befahren durften. Zivile Wäschereimitarbeiter, Schlosser und Elektriker gingen im Gebäude an der Wache des Strafvollzuges „der so genannten Schleuse“ vorbei und kamen so zu den Produktionsräumen, wo die weiblichen Strafgefangenen arbeiteten. Dort führten sie Reparaturarbeiten an Maschinen und Anlagen aus, warteten sie oder installierten Neuanlagen.

Einmal fragten mich einige der Gefängnisinsassen, wie denn so ein Heizhaus funktioniert, und ich erklärte ihnen das Prinzip der Heizung und wie Dampf erzeugt wird und dass dieser wiederum in die Wäscherei transportiert werden musste und zur Warmwassergewinnung benötigt wurde.

Das Personal des Heizhauses war dafür zuständig, dass der Dampf geliefert wurde, da ja Dampf zum Aufheizen des Wassers in den Waschmaschinen, Mangeln und Pressen notwendig war, um waschen und bügeln zu können. Außerdem waren sie auch für das warme Wasser, und im Winter für die Heizung des gesamten Betriebsteiles zuständig. Das Heizhaus musste also im Zwei- oder Dreischichtbetrieb immer besetzt sein. Die Beheizung der Kessel erfolgte meist nur mit Braunkohle seltener mit anderen Brennstoffen wie zum Beispiel dem Brikettabrieb. Zum reibungslosen Produktionsablauf in der Wäscherei und ihren nachfolgenden Abteilungen war es also äußerst wichtig, den Arbeitsprozess der Strafgefangenen mit ausreichend Dampf und Wärme aus unserem Heizwerk am Laufen zu halten. Zur Erzeugung von warmem Wasser benötigte man auch wieder Dampf, der Dampf ging durch Rohre im Wärmetauscher. Mit dem erhitzten Wasser hatten wir auch Duschwasser erzeugt. Deswegen brauchten wir viel Braunkohle und legten uns immer eine Kohlehalde an. Das passierte immer im Sommer, weil die Kraftwerke dann nicht soviel Kohle zur Herstellung von Strom benötigten. Außerdem betrieben die Bürger zu dieser Jahreszeit auch keine Berliner Öfen oder ähnliche Heizquellen mehr. So hatte es jeder Betrieb angestrebt auf Vorrat zu wirtschaften. Das war in der sozialistischen Wirtschaft überall so, jeder hatte sich ein Lager angelegt, die Bürger im Keller und wir auf der Kohlehalde, da es nicht immer alles gab, was man zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigte. Deshalb betrieb man in der DDR eine Lagerwirtschaft, wofür man aber auch den notwendigen Platz benötigte.

Auf dem Kohleplatz kippten die Fahrzeuge ihre Braunkohle ab, und ein Mitarbeiter des Heizhauses, der so genannte Kraftfahrer des Betriebsteiles, fuhr mit der Planierraupe die Kohle fest. Die Kohle musste verdichtet werden, damit sie sich nicht von selbst entzünden und anbrennen konnte. Das ist im Sommer öfters passiert, da wegen Glasscherben in der Kohle die Sonne durch Überhitzung leichtes Spiel hatte. Hier mussten wir immer die Löscharbeiten selber durchführen. Wir versuchten mit einem Schlauch aus dem Heizhaus oder mit Wasser vom Hydranten die Glut oder die brennende Kohle selbst zu löschen. Es kam aber auch schon mal vor, dass wir zu langsam waren oder aufgrund eines anderen Umstands die Kohle mal schneller brannte, so das auch die Feuerwehr dann und wann zum Löschen anrücken musste.

Hunderte Tonnen von Braunkohle mussten deshalb immer mit der Planierraupe verdichtet werden, und so fuhr der Fahrer mit der Planierraupe immer hin und her. Wenn also Braunkohle im Heizhaus benötigt wurde, schob der Fahrer die Kohle bis an einen Trichter, bevor sie mit dem Schrapper „einem mit Hand bewegten Schild mit Seilantrieb und Elektroschalter“ in diesen hinein geschoben wurde. Dann transportierte ein langes Förderband die Kohle hoch hinaus bis zum Kohlebunker, der über den Kesseln stand. Der Bekohler musste auch öfters mal den Bunker kontrollieren, damit beim Befüllen nichts überlief. Der Bekohler war also immer dafür verantwortlich, dass die Bunker voller Kohle waren und der Heizer richtig Feuer unter die Kessel brachte. Wenn die Braunkohle mal recht nass und schmierig gewesen war und schlecht brannte, freuten wir uns über den Anruf eines Kohlenhändlers, der aus Lagerungsnot einige Tonnen Brikettabrieb aus seinem Bestand loswerden wollte. Wir waren froh darüber. Denn unser Job war es ja den Dampfdruck stabil zu halten, und so mischten wir dann immer die nasse Braunkohle mit dem trockenen Brikettabrieb und das Feuer in den Kesseln brannte wieder besser. Einen Nachteil hatte der Brikettabrieb aber auch. Er konnte zu einer Kohlenstaubexplosion führen oder auch eine Verpuffung auslösten. Deshalb war der Heizer bei Regenwetter immer auf Kontrolle und passte auf, dass die Bunker an diesem Tag nicht zu voll waren, um im Notfall eine Mischung mit Brikettabrieb zu versehen.

Der Heizer musste also immer vorsichtig sein bei dem Mischungsverhältnis mit Brikettabrieb. Für diesen Zweck hatten wir auch immer eine Reserve gleich neben der Halde liegen.

Die verbrannte Kohle erzeugte natürlich auch Asche. Bei der so genannten Nassenttaschung gelangte die Asche zum Ascheband, einem Förderband aus einzelnen Gussteilen, das in Wasser lief und die glühende Asche ablöschte. Dieses Kratzband, so nannte man es, lief ins Freie und entleerte sich dort auf die Ladefläche eines LKW oder Hängers. Die nasse Asche und die entstandene Schlacke wurden zu einer entfernten zugelassenen Halde abtransportiert, meistens waren das Restlöcher des Braunkohleabbaues oder auch ehemalige Sandgruben und dort entsorgt. Beim Abkippen auf der Halde musste man höllisch aufpassen dass man nicht im Schlamm oder im aufgewühlten Untergrund stecken blieb, und dass die Räder des LKW sich beim Losfahren nicht durchdrehten. Auf den Halden war man immer froh, wenn zu diesem Zeitpunkt, als man selbst dort ankam, gerade eine Planierraupe auf der Aschehalde vor Ort war. Die Raupe musste so ungefähr alle zwei Tage die Halde wieder planieren und verdichten, damit jeder wieder Schutt und Asche in das Tagebaurestloch abkippen konnte.

Meine Aufgaben hatten meistens zum Ziel, den Wert der Maschinen und Anlagen zu erhalten sowie die dazugehörenden Ersatzteile zu beschaffen. Es war ein regelrechter Kampf, den die Handwerker und das Heizhauspersonal gemeinsam mit mir bestritten, um einen reibungslosen und zufrieden stellenden Ablauf zu gewährleisten und Ausfälle zu vermeiden. Es war gar nicht so einfach für uns. Denn während der Strafvollzug nur für die Sicherheit sorgen musste, hatten wir noch einen Plan zu erfüllen, und die Zufriedenheit der Wäschereikunden war oberstes Gebot.

Die Leiterin des Strafvollzuges in unserem Betrieb sagte zu mir immer: „Die Strafgefangenen sind wegen eines Verstoßes gegen die Gesetze in unserem Land hier, deshalb ist es wichtig, dass alle Maschinen, Anlagen und Gabelstapler störungsfrei funktionieren, sonst machen wir uns ja auch strafbar, wenn wir zulassen, dass defekte Geräte zum Einsatz gelangen.“ Wir mussten also ständig dafür sorgen, dass es keine Mängel gab, da ja die Strafgefangenen, wenn sie mal keine richtige Lust zum Arbeiten hatten, diese Unregelmäßigkeiten als Vorwand benutzten und dem Strafvollzug Meldung machten. Dann mussten wir gleich bei der Leiterin antreten, der Schichtleiter, der Betriebsteilleiter und ich, und wurden darauf hingewiesen, dass es Mängel im Ablauf der Produktion gab. Unsere Pflicht war es also, wieder einmal für die Abstellung der Mängel zu sorgen. Wir gingen anschließend gleich zu unseren Mitarbeitern und stellten den Mangel ab oder versuchten es sogleich.

Ich hatte ein schönes Büro im Sozialtrakt des Betriebsteiles, gleich neben dem Leiter des Strafvollzuges. Auf der einen Seite, und auf der anderen Seite hatte der Betriebsteilleiter sein Büro. Von den Strafgefangenen trennten uns im Normalbetrieb nur Zäune, Gitter und Personalschleusen, durch die die Strafgefangenen nach Feierabend zum Saubermachen in unseren Verwaltungsbereich geführt wurden und verschlossen werden mussten. Bei der Reinigung unserer Büroräume und denen des Strafvollzuges waren stets ein Zivilist und ein Wachposten des Strafvollzuges anwesend, sie beaufsichtigten, dass auch richtig und gewissenhaft gereinigt und geputzt wurde. Es war wichtig, dass man nichts auf seinem Schreibtisch liegen ließ, sonst hätte es vielleicht Beine bekommen. Das war auch für uns eine gewisse Erziehung, denn wir hatten jeden Abend einen leeren Schreibtisch vor uns. Es gab ja auch Sachen, die die Strafgefangenen nicht sehen durften.

Die Schlüssel zum Gefangenenbereich hatten nur die Strafvollzugsangestellten und jeder von ihnen nur für seinen Bereich. Wenn es mal gelingen sollte, einem Strafvollzugsangestellten den Schlüssel wegzunehmen, dann kam man nur aus einem Bereich heraus. Entweder es passte ein anderer Schlüssel oder man musste durch eine Schleuse mit Kamera laufen wo erst geschaut wurde, wer es ist, bevor man den Summer bediente. Die nächste Schleusentür ging erst auf, wenn die andere geschlossen war, und dann stand man in einem Raum ohne Fenster, aber mit Türen und vorhandenen Kameras. Der gesamte Wäschereibereich wurde mittels Kameras überwacht und die Aufnahmen zur Wache des Strafvollzuges übertragen.

In der Wäscherei waren wir als Zivilisten allein für die Strafgefangenen zuständig. Wir waren eigenständig für die Überwachung und Leitung der Produktionstechnologie verantwortlich. Das zivile Personal war einfach ausgebildetes Wäschereipersonal, das die inhaftierten Frauen anleitete und kontrollierte. Es gab nämlich auch Strafgefangene, die, bevor sie ins Gefängnis kamen, zu Hause nichts machen mussten und deshalb keine Ahnung hatten, wie man schmutzige Wäsche behandelt, um saubere zu erhalten. Beim zivilen Wäschereipersonal gab es pro Schicht jeweils einen Schichtleiter. Ob dieser männlich oder weiblich war, es spielte keine Rolle, da ja noch genügend zivile Frauen als Wäscherinnen anwesend waren. Es gab auch Frauen, die für die Qualität der Wäsche und die Einhaltung entsprechender Merkmale zuständig waren, die Frauen von der TKO-Qualitätskontrolle, wobei TKO für technische Kontrollorganisation stand. Diese Frauen waren geschult und auf die Qualitätsmerkmale ausgerichtet. Es ging also keine Wäsche aus dem Versand, die nicht auf ihre Qualitätsstandards hin überprüft wurde.

Als Zivilist und Mann im Frauenknast der Deutschen Demokratischen Republik

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