Читать книгу Kannst Du mal auf Safya aufpassen? - Kiara Borini - Страница 5
FRAU MICHALKE
ОглавлениеAls ich bei Frau Michalke klingelte, hielt ich ein getrocknetes Schweineohr in der Hand, das ich auf dem Weg von Steglitz, wo unsere Apotheke lag, nach Charlottenburg geistesgegenwärtig besorgt hatte. Ich wollte ja schließlich bei Safya Sympathiepunkte einstreichen. Das würde die zwei gemeinsamen Wochen sicherlich einfacher gestalten.
“Ick weeß nich, ob die det frisst? Aber kiek selba, wa”, begrüßte mich die alte Dame in der Tür, als ich mit meinem Leckerli vor ihr stand. Und dann war ich auch schon in de jute Stube bugsiert und sie rief “Safya, meene Kleene, komm doch mal zu Oma Michalke.”
Die Tür zum Nebenraum öffnete sich, und ein Mädchen, etwa zwölf Jahre alt, trat zu uns. Sie hatte langes, fast bis zum Po reichendes Haar, dunkelblond bis braun und irgendwie natürlich gesträhnt wirkend. Ihre Augen waren extrem dunkel, ihre Haut mediterran dunkel.
“Ich reichte ihr völlig verdattert die Hand mit dem getrockneten Ohr, wurde mir in dem Moment der grotesken Situation bewusst, und konnte es dann gar nicht mehr kontrollieren.
“Schweineohr”, stammelte ich also zur Begrüßung, worauf mir das Mädchen artig die Hand gab und sich mit “Safya” vorstellte. Das brachte mich nun völlig aus der Fassung und ich wedelte mit dem getrockneten Schweineohr vor ihr her und stammelte:
“Nein, nicht, ich meine, Melanie, also nicht wirklich.”
“Wenn ick son Namen hätte, würd ick mir auch lieba duzen lassen, wa”, meinte Frau Michalke. “Aba ne jute Idee mit de jetrocknete Visitenkate, det mit dem Knuspaöhrchen würd ick bei dem Namen och machen, glob ick.”
“Nein, ich heiße doch ganz anders”, versuchte ich den Einstieg zu retten, aber es war wohl zu spät. Denn mein Blick fiel auf das getrocknete Ohr und siedend heiß schoss es mir durch die Adern und leider auch wieder in den Kopf:
“Ich habe doch jetzt mit dem Ohr nicht deinen Gott beleidigt, oder? Das tut mir leid, das wollte ich wirklich nicht. Kannst du mir vergeben?”
Die Antwort machte mich nicht wirklich klüger.
“Ich glaube an den blauen Pfau, Melek Taus. Und ob der Schweineohren mag, weiß ich jetzt auch nicht. Aber er ist sehr großzügig und gar nicht so leicht zu beleidigen.”
Glücklicher Weise hatte Frau Michalke eine große Kanne Kaffee durch ihren alten Melitta-Filter gejagt und der tat nun wirklich gut. Auch wenn das getrocknete Ohr neben der nostalgisch-verschnörkelten Kaffeetasse, dem Marzipanobst und den Keksen irgendwie mit jeder Tasse Kaffee deplatzierter wirkte.
“Ick globe, det entsorge ick ma lieba, wa”, stand sie auf und brachte das Ohr in den Bioabfallbehälter. “Aba ne knorke Idee für nen bleibenden ersten Eindruck.”
Ich erfuhr noch, dass sie und Gundula nicht nur Nachbarn waren, sondern auch auf dem Amt viele Jahre zusammen gearbeitet hätten, bis Gundula dessen Leitung von ihr übernommen hätte, als sie selbst in den Ruhestand ging.
Auf dem Rückweg ins brandenburgische war ich einerseits froh, dass ich diese Safya deutlich besser in meinem Zweisitzer transportieren konnte. Denn ich hatte mir schon den Kopf zerbrochen, wie ich einen Hund, von dem ich nicht einmal wusste, welche Größe er hätte, sinnvoll würde anschnallen können. Und ohne Rücksitzbank, blieb ja nur der Beifahrersitz.
Die Notizen, in welcher Klinik Gundula untergebracht war, hatte ich in meiner Handtasche sorgsam verstaut. Was mich noch etwas beunruhigte, war die Überlegung, ob uns zuhause schon ein vorsorglich gefüllter Fressnapf erwarten würde. Denn Maren hatte zwar auf meine Ankündigung, dass wir für zwei Wochen einen Hund zu Gast hätten, etwas reserviert reagiert. Aber ich wusste, dass ihre Tierliebe mindestens so groß war wie meine, und die Tatsache, dass unser kleines Häuschen nicht zu all unseren Katzen mit zusätzlichen Hunden, Eseln und Papageien bevölkert war, einzig der Tatsache geschuldet war, dass sie als engagierte Architektin über genauso wenig Freizeit verfügte, wie ich, seit ich die Leitung der väterlichen Apotheke übernommen hatte.
#